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Samstag 14. März 1953

Amtsblatt für den Kreis Calw

Eßt XY-Schokolade oder .Trinkt das gute Bier von . . .! Oder wenn dir mitten in einem lieblichen Talgrund ein fast meterhohes Schild die lapidaren Worte entgegenschleudert: .Neue saure Gurken! Wer könnte nicht ohne saure Gurken auskommen? Wem sind die sauren Gurken so wichtig, daß er den Gedanken an sie nicht einmal auf dem Gang durchMutter Grün entbehren kann? - Müssen wir es schon als störend empfinden, wenn uns auf unserm Wanderwegen allenthalben die WorteKaffee und Kuchen,ff Weine usw. begegnen, so findet man in dem Text der Werbeschilder der Gastwirtschaften - abgesehen von den Hinwei­sen auf Essen und Trinken - noch vielfach Be­lehrungen (die oft genug stilistisch sehr zu wün­schen übrig lassen) über die landschaftlichen Reize der Gegend und über ihre historische Bedeutung. Hier eineKostprobe - das Schild steht unweit der berühmtenBastei im Elb­sandsteingebirge :

5 Minuten nach dem herrlichen mit wildromantischen Felsbildungen umge­benen Amselfall. Diesen Punkt hatte der Dichter des Weberschen FreischützJo­hann Friedrich Kind bei seiner Darstel­lung der Wolfsschlucht im Auge, es ist der schönste Punkt des Amselgrundes. An den Bildungshunger, an den Wissens­durst der Ausflügler wendet sich folgendes

Schild :

Auf der Bocksberghöhe 366 m mit Aussichtsturm, Panorama über 10 Städte, 274 Dörfer, 187 ben. Berge, 8 Schlösser, Festung usw. Bergwirtschaft Bocksberg. Von hier 25 Minuten.

Von unfreiwilliger Komik ist auch eine Re­klame, wie sie einem verschiedentlich an der Autobahn begegnen kann. Da ist in friedlichem Nebeneinander z. B. zu lesen:

Augen auf im Straßenverkehr! Fahre immer so, daß du deinen Mitmenschen nicht gefärdest! Und gleich daneben:Darauf einen Dujardin.

Seidem die Natur durch die Motorisierung immer mehr zum Tummelplatz großer Volks­massen wird, haben sich auch die Vorposten diesesRummels mit von Jahr zu Jahr ge­steigerter Intensität über die Landschafter­gossen. Sie schicken sich immer mehr an, weit draußen vor den Toren der Städte,wo die Kornfelderwogen, wo die Wälder rauschen, Fuß zu fassen, und das Gelände für ihr geschäfts­tüchtiges Treiben zu erobern.

Es müssen Wege und Möglichkeiten gefun­den werden, auch hier das wirtschaftlich Not­wendige mit den Grundsätzen des Naturschutzes in Einklang zu bringen, um die Natur als Quell der Erholung und Jungborn nach harter Arbeit möglichst unberührt zu erhalten. R

Einzeldünger oder Volldünger

Es ist ein Streit ausgebrochen und der er­fordert seine Entscheidung. Der Volldünger hat scheinbar bestechende Vorteile. Zunächst ist er narrensicher, weil man mit ihm nicht einseitig düngen kann. Er läßt sich gut streuen und gleichmäßig verteilen. Daß seine Anwendung jedoch billiger sein soll, als wenn man die Nährstoffe in Einzeldüngern gibt, scheint zwei­felhaft. Eine kurze Rechnung, die jeder selber anstellen kann, zeigt, daß diese Behauptung nicht stimmt. Der Volldünger bringt nicht die Menge hoch aktiven Kalkes, die im Thomas­mehl und Kalkstickstoff steckt. Der Kalk muß zum Volldünger zusätzlich aufgebracht werden und dadurch wird er teurer. Solcher Kalk muß aber gegenwärtig sein, wenn Phosphorsäure besonders in kalkärmeren Böden wirksam wer­den soll, wie es vor allem der gesamte Bunt­sandstein ist.

Jeder Volldünger hat ein starres Nährstoff­verhältnis. Er kann also daher nicht dem je­weiligen Bedürfnis des Bodens angepaßt wer­den. Wie die zahlreichen Bodenuntersuchungen zeigen, liegt überall Phosphorsäuremangel vor. Dieser Mangel kann aber nur durch zu­sätzliche Thomasmehlgabe ausgeglichen wer­den. Thomasmehl kann aber nicht dem Voll­dünger zugesetjt werden und erfordert einen zusätzlichen Arbeitsgang,

Mit dem Volldünger kann man nicht den Ansprüchen der jungen Wintersaat genügen, weil sie nicht immer den Stickstoff benötigt. Die Wintersaat benötigt im Herbst eine recht kräftige Kaliphosphatdüngung. Sie saugt diese Nährstoffe in ihren jungen Pflanzenkörper gierig auf und schützt sich dadurch vor den Unbilden des Winters. Daß über Winter Auswaschungs­verluste auftreten können, verweisen wir ruhig in das Gebiet der Phantasie. Nur der Stickstoff des Volldüngers unterliegt der Auswaschung. Nicht aber der Kalkstickstoff, daher können wir ihn getrost der Winterung mit auf den Weg geben. Wir sollen ihn sogar dann anwenden, wenn der Acker überwinternde Unkräuter trägt, Windhalm und Ackerfuchsschwanz sind des­wegen besonders lästige Unkräuter, weil sie durch keine anderen Bekämpfungsmittel ver­nichtet werden können. Der Windhalm ent­wickelt einen gewaltigen Wurzelstock und saugt den Boden derart aus, daß der Weizen z. B. nur halben Ertrag bringen kann. Er konnte im vergangenen Jahr überall beobachtet werden. Kalkstickstoff soll immer dort gegeben werden, wo man im Frühjahr den Acker nicht zeitig enug betreten kann. Weizen ist für kräftige tickstoffgabe besonders dankbar, der Roggen

verwertet den Stickstoff im Frühjahr beson­ders gut.

Nicht zulegt denken wir an das ewig hung­rige Grünland. Nach dem ersten Schnitt muß eine sofortige Salpeterdüngung erfolgen, damit die beschädigte Grasnarbe schnell verheilt und alsbald erneut treibt. Ebenso liegen die Dinge auf der Weide nach dem Abtrieb. Auch hier kann uns der Volldünger nicht yiel nützen, weil sein Salpetergehalt zu gering ist. Wir greifen in den Sack mit Kalksalpeter und beobachten sehr bald den durchschlagenden Erfolg. Aus Gründen der Tiergesundheit muß das Heu einen Phos­phorsäuregehalt von 0,6 % aufweisen. Bei der Untersuchung der ca. 600 Proben aus dem Heu­wettbewerb des vergangenen Jahres zeigte es sich, daß nur 6 °/o der Proben den geforderten Mindestgehalt an Phosphorsäure enthielten. Zum Wettbewerb wurde nur allerbestes Ma­terial eingeschickt, wie mag der Phosphor­säuregehalt im Durchschnittsheu sein? Hier bringt nur intensivste Thomasmehldüngung endlich Abhilfe. Ähnlich liegen die Dinge beim Kali.

Wer die brennenden Düngerprobleme in unserer schwerringenden Landwirtschaft über­schaut, wird nicht lange zögern im Streit um den Volldünger dem Einzeldünger zum Sieg zu verhelfen. Er bringt sehr viele Vorteile gegenüber dem Volldünger, und es soll uns nicht verdrießen, den entsprechenden Voll­dünger für jedes Ackerstückchen selber herzu­stellen. Die aufgebrachte Mühe lohnt vielfach.

St.

Chemische Leckerbissen für Fliegen

Die Schädlinge, unter ihnen besonders die Fliegen, haben sich gegen die modernen Schäd­lingsbekämpfungsmittel zunehmend als immun erwiesen. Sie sind, wie der Wissenschaftler sagt, gegen diese Mittel resistent geworden. Man hat nun nach neuen Möglichkeiten ge­sucht, diese Resistenz durch Kombinationsprä­parate, Neuentwicklungen usw. zu überwinden.

Nunmehr wird über einen verhältnismässig einfachen Weg berichtet, wie diese Resistenz überwunden werden kann. Man hat die üblichen Mittel nicht als solche ausgestreut oder ver­sprüht, sondern Leckerbissen der zu bekäm­pfenden Schädlinge, also im Falle der Fliegen Melasse u. ä. mit den Präparaten kombiniert. Und siehe da, die Fliegen fielen darauf herein. Die Erfolge sollen grösser sein als mit allen anderen Mitteln, die man während der letzten Jahre zur Bekämpfung der Resistenz heran­gezogen hat.

flus dem Qemeindeteben

Calw. Der Verkehrsunfallstatistik des Krei­ses Calw für die Monate Januar und Februar 1953 ist zu entnehmen, daß seit Wegfall der GeschwindigkeitsbegrenzungÜbermäßige Ge­schwindigkeit schlagartig an die Spitze aller Unfallursachen im Kreisgebiet gerückt ist. Unter den Verkehrssündern der Monate Januar und Februar 1953 weisen die PKW.-Fahrer die höch­ste Zahl an Unfällen auf. Die Motorradfahrer, die erfahrungsgemäß eine verhältnismäßig hohe Unfallziffer haben, traten in den abgelaufenen schnee- und frostreichen Wochen der Berichts­zeit kaum in Erscheinung. Im Kreisgebiet be­trug die Gesamtzahl der Verkehrsunfälle im Januar 1953 38, 26 Personen wurden dabei

verlegt, bei den beim Führer des Fahrzeugs liegenden Unfallursachen wurde 24 malÜber­mäßige Geschwindigkeit festgestellt. Im Fe­bruar 1953 gab es bei 49 Verkehrsunfällen 1 Toten und 16 Verlegte. 18 mal warÜber­mäßige Geschwindigkeit die Ursache des Unfalls.

Nagold. Auf der Straße zwischen Gaugen­wald und Wart im Kreis Calw veranstalteten am Sonntagabend drei Motorradfahrer mit Bei­fahrern ein kleines Privatrennen. Die drei be­fanden sich auf der Heimfahrt von einem Aus­flug, der in einer Wirtschaft in Neuweiler seinen Höhepunkt gefunden hatte. Während des Rennens geriet einer der Fahrer mit seinem Rad auf der vereisten Fahrbahn ins Rutschen und stürgte. Die beiden nachfolgenden Motor­räder fuhren in das am Boden liegende Rad hinein, wobei alle Fahrer verlegt wurden. Der Beifahrer des zuerst gestürzten Rades starb am Montag im Krankenhaus.

Nagold. Den Familiennachrichten der Stadt Nagold vom Monat Februar 1953 entnehmen wir folgende Zahlen: 6 Geburten (5 Töchter, 1 Sohn), ein Aufgebot, 2 Eheschließungen, 15 Sterbefälle (davon 12 Personen über 70 Jahre)

Neuenbürg. Das Standesamt Neuenbürg verzeichnete im Februar 1953 folgenden Stand: 14 Geburten (10 Töchter, 4 Söhne), eine Ehe­schließung, 17 Sterbefälle (darunter 11 Perso­nen über 70 Jahre)

Langenbrand. Wie uns das Forstamt Lan­genbrand berichtet, hat der Herr Finanzminister für den Kleinprivatwald unter 25 ha Betriebs­größe Beiträge für Neuaufforstungen von Oed­land, Umwandlung von Niederwald, Anlage von Windschugstreifen, Anbau von Pappeln außerhalb Waldes für Südwttbg./Hohenzollern in Höhe von 110000 DM bereitgestellt.

Der Beitrag im Einzelfall soll 50% der Pflan­zenbeschaffungskosten, einschließlich der Fracht­kosten betragen.

Wiederaufforstung kahl gehauener Flächen fällt unter die Beihilfe nur dann, wenn die Kahllegung schon vor dem Währungsschnitt stattfand und wenn das Holz zu Reichsmark­währung verkauft wurde. Gemeindewald fällt auch nicht unter die Beihilfe.

Die Anträge auf Beihilfen müssen bis spä­testens 25. März beim zuständigen Forstamt eingereicht sein, das die Waldbesiger hinsicht-' lieh Pflanzenauswahl, Pflanzverband usw. berät.

Bad Liebenzell. DerKongreß der Ideale, der vom 12. bis 18. Mai 1953 in Bad Liebenzell stattfindet, hat wieder ein sehr umfangreiches Veranstaltungsprogramm aufgestellt. In der Kongreß-Vorschau sind eine Reihe Vorträge weitbekannter Mitglieder der Vegetarier-Union aus dem In- und Ausland angekündigt. Das Ehrenmitglied der Deutschen Vegetarier-Union, Prof. El ly Ney, wird am 15. Mai in einem öffentlichen Konzertabend zu hören sein, u. a. stehen auch eine Besichtigung des Pflanzen- saftWerkes Walther Schoenenberger, Magstadt bei Stuttgart, und Ausflugsfahrten in den Schwarzwald auf dem Programm.