Die Lage der öffentlichen Finanzen

Kordernnge« des Industrie- und Handelstages.

TU. Berlin, 23. Jan. Der Hauptansschuß des Deutschen Industrie- und Handelstages hielt am Mittwoch unter dem Vorsitz seines Präsidenten Franz v. Mendelssohn seine erste Sitzung tu diesem Jahr ab. In einem groß angelegten Bortrag gab -er preußische Ftnanzmintster Höpker- Aschoss einen Ueberbltck über den öffentlichen Haushalt und führte u. a. auS: Die Kassenlage der Gemeinden ist vielfach bedrohlich. Die lang andauernde Arbeitslosig­keit bringt eine Verschiebung der Lasten vom Reich zu den Gemeinden mit sich, so daß sich ein« böse und erschreckende Bilanz ergibt. Der Rückgang der Einnahmen, vor allem der Gewerbesteuer, ist mit mindestens ISO Millionen Reichsmark anzusetzen. Denselben Betrag als Mindestmaß werben die Mehraufwendungen für Wohlfahrtserwerbslose erreichen. Dem stehen gegenüber die Verdoppelung der Bter- steuer, die Einführung der Getränkesteuer und der Bürger­steuer, die etwa 200 Millionen Reichsmark ausmachen. Es sind also recht erhebliche Ausgabenabstriche notwen­dig, die noch dringlicher werden, wenn die sehr viel pessi­mistischeren Berechnungen der kommunalen Organisationen etntreffen sollten.

Der Minister nahm bann zu der Finanz- und Wirt­schaftspolitik der letzten Jahre Stellung. Die Lohn- und GehaltSpolittk geht in ihrem Ausmaß über die Kräfte der Wirtschaft hinaus. Eine gewisse Entscheidung hierfür liegt darin, daß man jahrelang der amerikanischen Kaufkrafttheorte gefolgt ist und eine planmäßige Steigerung der Kaufkraft zur Aufnahme einer gesteigerten Erzeugung hat herbeiflihren wollen.

In der regen Aussprache wurde besonders auf die un­günstigen Folgen hingewtesen, die sich aus einer ungeordne­ten Inanspruchnahme des in- und ausländischen Kapital­marktes durch die öffentliche Hand für die Finanz- und für die Kreditversorgung der Wirtschaft ergeben, und der Ge­danke der gemeindlichen Selbstverwaltung unter Ausbau der finanziellen Selbstverantwortung ihrer Träger wurde mit Nachdruck betont. Weiter wurden die Gefahren -er Kaufkrafttheorie hervorgehoben.

Auf dem Gebiete der Arbettslosenfür sorge wurde eine rationelle Zusammenfassung, sowohl zur besse­ren Bekämpfung von Mißbräuchen wie zur Vermeidung von Doppelarbett als unerläßlich bezeichnet. Auch eine bessere Ordnung des Verhältnisses von Reich und Ländern zu einer stärkeren Einheitlichkeit, Sparsamkeit und Wirksamkeit der Berivaltnng wurde gefordert. Im weiteren Verlauf kam die einmütige Auffassung zum Ausdruck, daß der deutsche Außenhandel nicht durch handelspolitische Experimente gefährdet werden dürfe. Die deutsche Handelspolitik müsse vielmehr weiter unter dem Zeichen der Meistbegünsti­gung und der Ausdehnung und Stärkung nicht der Zer­reißung des Netzes der Handelsverträge stehen. Wie groß auch die Enttäuschungen über die Genfer internationale Handelspolitik seien, so sehr sei aus deutschem volksivirt- schaftlichem Eigeninteresse die Nattfizerung der europäischen Handelskonvention vom März 1930 notwendig.

Die Handhabunq des Straferlaßes

TU. Berlin, 23. Jan. Der Haushalts des Reichsjustiz- miuisterinms wurde ohne jede wesentlichen Aenderungen vom Hanshaltsausschuß angenommen. Zuvor wurde die kommunistische Behauptung, daß sich die Amnestien ein­seitig zugunsten von rechts und zuungunsten von links aus- gewirkt hätten, von Staatssekretär Ivel als völlig unbe­gründet znriickgewiesen. So seien durch die Amnestie vom 24. Oktober vorigen Jahres beim Reich insgesamt 5 Strafen erlaßen worben, die ausschließlich Linksradikalen zugute ge­kommen seien. In Preußen seien durch Straferlaß 13 Feme- unb Ncchtsfälle und 3 Ltnksraüikale amnestiert worden; in Bayern ein Nechtsfall und Ltnksradikale, also von insge­samt 33 Fällen 18 Links-, 14 Feme- und Ncchtsfälle. Durch Niederschlagung seien von insgesamt 30 Fällen 14 Fälle von Linksradtkalen, 10 Feme- und Ncchtsfälle und 6 Verfahren gegen Separatisten amnestiert worden. Die Notwendigkeit einer neuen Amnestie verneinte der Negternngsvertreter.

Opfer des Parteistreits

Die Saalschlacht im FriehNchshain.

TU. Berlin, 23. Jan. Wie zu der blutigen Schlägerei im Saalbau Frtedrtchshain ergänzend mitgetetlt wird, wurde die ganze Saaleinrtchtung zertrümmert. Es wurden etwa insgesamt Ivll Verletzte gezählt, von denen verschiedene nach Anlegung von Notverbänden ins Krankenhaus gebracht wer­den mußten. 22 Personen sind von der Polizei, die den Saal mit dem Gummiknüppel räumte, wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt festgcnommen worden.

Politische Schlägerei in Dresden.

In Dresden fand eine von Nationalsozialisten einbe- rnscne Versammlung statt, zu der auch SPD.- und KPD.- Leute erschienen waren. Zwischen den politischen Gegnern am es zu einer schweren Schlägerei, bei der 5 Personen schwer und 4 leicht verletzt wurden.

Kommunist auf der Straß« erschösse».

TU. Berlin, 23. Ja». Wie die Polizei meldet, wurde in der Nacht zum Donnerstag kurz nach 24 Uhr in der Palan- terstraße der der kommunistischen Partei angehörende 30jäh- rige Monteur Wilhelm Höschel durch einen Hcrzschuß ge­tötet. Höschel stand mit mehreren Parteigenossen auf der Straße. Hier vorbetkommende Nationalsozialisten sollen an­geblich die Kommunisten ohne jeden Grund und ohne vor­herigen Wortwechsel beschossen haben.

Der Sturz des Kabinetts Steeg

Der Sturz der Regierung Steeg erfolgte im Anschluß an eine Interpellation Buyats, der im Zusammenhang mit der Getreidepolttik einen scharfen Angriff gegen die Re­gierung unternommen hatte. Der ehemalige Handelsminister

im Kabinett Tardieu, Klandtn, unterstützte die Interpella­tion und machte der Negierung de» Borwurf, die Speku­lation zu begünstigen. Diese Spekulation fei auf die voreilige Erklärung des Landwtrtschaftsmintsters Bvret in der Kammer zurückzuführen, in der er angeküirdtgt habe, daß die Getretdepretse demnächst auf 175 Franke» erhöht werden würden. Buyat brachte eine Entschließung ein, in der es heißt:

Die Kammer lehnt die spekulativen Manöver ab, die für die Landwirtschaft und den Verbraucher gleich schädlich sind und die als Folge einer voreiligen Veröffentlichung des Landwirtschaftsministers angesehen werden können."

Landwirtschaftsminister Boret verteidigte sich gegen die Angriffe Flanbins und Buyats, worauf die Regierung der Kammer eine Entschließung vorlegte. Buyat erlangte jedoch für die Abstimmung seiner Entschließung die Priorität.

Die belgischen Grenzbefestigungen

TU. Brüssel, 23. Ja». Die Parlamentsausschüsse für die Aufgaben der nationalen Verteidigung hörten einen Bericht des Verteidigungsministers. Dieser erklärte, das Projekt, das von dem Generalstab angenommen worden sei, sehe die Erneuerung der Befestigungen auf dem rechten Ufer der Maas vor und weiterhin ein ganzes Verteidtgungs- system von Lüttich bis zum Meer. Die belgische Armee werde 3S0V00 Mann zur Verteidigung der Grenzen zur Verfügung haben. Der Minister versicherte, baß Frankreich Truppen nur auf ausdrückliche Anforderung Belgiens entsenden werde, weiter, daß der belgische Vertetdi- gungsplan ohne Einwirkung des Auslandes ausgearbettet worden sei. Die belgischen Befestigungsanlagen würden von der gleichen Art sein, wie die deutschen Befestigungen an den Ostgrenzen bezüglich der Pauzerkuppeln und der Panzerung. Der Minister schätzt die militärischen Ausgaben auf 2 Milliarden Franken. Alle Befestigungen werden durch Blockhausliuten und Unterstände verbunden sein.

Ein Ausschußmitglted stellte die Frage, ob Deutschland den Versailler Vertrag im Punkte der Abrüstung respektiere. Der Minister antwortete, er glaube nicht daran s!>, aber man könne auch keinen neuen Krieg anfange», um Deutschland dazu zu zwingen.

Einaeborenenkämpse in Seneaal

TU. Paris, 23. Jan. Nach einer aus Dakar etngetrvffe- nen Meldung kam es in der Gegend von Tedjar Hidli un­weit der Grenze Rio del Oro zu blutigen Kämpfen zwischen Aufständischen und einer Abteilung franzvsenfreundlicher Anhänger des Chinguotti-Stammes. Die Aufständischen wa­ren aus spanischem Gebiet herttvergekommen und hatten in den Grenzbörfern Kamele und anderes Vieh gestohlen. Im Verlaufe der Kämpfe mußten sie den größten Teil ihrer Beute zurücklassen. 0 Mann wurde» getötet und mehrere schwer verletzt. Die Chinguotti hatten zwei Tote und zwei Verletzte. Den Aufständischen gelang es, sich auf spanisches Gebiet in Sicherheit zu bringen.

Liberia verteidigt sich vor dem Völkerbund

Im Völkerbundsrat gelangte der Bericht der internatio­nalen Untersuchungskommission über die Sklaverei in Libe­ria zur Behandlung. Der Vertreter der Negierung von Liberia suchte die Haltung seiner Negierung zu verteidigen, wobei er vor »nverhüllten Angriffe» auf den Einfluß und die Maßnahmen fremder kapitalistischer Gruppen iu Liberia nicht zuriickschente. Die Liberia zur Last gelegten Misse­taten seien vielfach von nicht liberischen Beamten ausgeführt worden. Er hätte Beweismaterial in der Hand, baß ähnliche Sklavereiznstänbe auch in anderen Länder» bestünden. Li­beria sei durchaus bereit, eine weitere Untersuchung des Völkerbundes durch amtliche Sachverständige zuzulassen un­ter der Voraussetzung, baß die Unabhängigkeit und^Kouver- änität des Freistaates Liberia hierdurch nicht berührt würde.

Kleine politische Nachrichten

Der badische Staatspräsident belästigt. Staatspräsident Wittemann, der in Karlsruhe einer vaterländische» Veran­staltung der katholischen Jugend beigewohnt hatte, wurde auf dem Heimwcg gegen )411 Uhr in -er Karl-Friebrich- Straße von etwa 20 jungen Leuten umringt und durch Zu­rufe belästigt.

Stundung des Schulgeldes für Erwerbslose. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, hat der preußische Kultusminister in einem Runderlaß an die Provtnztalschul- kotlegten angeorbnet, daß erwerbslosen Erziehungsberech­tigten für Schüler von staatlichen höheren Schulen das Schulgeld für die Dauer der Erwerbslosigkeit durch die Schulleiter gestundet wird. Ueber die Niederschlagung der gestundeten Beträge soll nach Beendigung der Erwerbslosig­keit, spätestens am Schlüße des Rechnungsjahres, bas Pro- vinzialschulkolleginm im Einzelsall Entscheidung treffe».

Hitler verbietet Karnevalsveranstaltunge«. ImVölki­schen Beobachter" ist folgende Verfügung Adolf Hitlers vom 20. Januar enthalten: Im Hinblick auf die allgemeine Not­lage verbiete ich mit sofortiger Wirkung allen Parteiorgani­sationen karnevalistisckies Treiben, Bälle usw. zu veranstal­ten, oder sich an derartigen Veranstaltungen zu beteiligen. Wo bereits solche Veranstaltungen angesetzt sind, steht es frei, diese in deutsche Abende, die von nationalsozialistischem Geist getragen sind, nmzugestalteu.

DasPosener Tagblatt" beschlagnahmt. DasPosener Tagblatt" ist durch den Posener Polizeipräsidenten Drost wegen auszugsweiser Wiedergabe der ersten Rebe des Reichs- außenmintsters Dr. Curttus vor dem Völkerbundsrat und der Beschwerde des Fürsten Pleß beschlagnahmt worden.

Die Untersuchung des Vrest-Litowsker Skandals abge­lehnt. Die Aussprache im Rechtsausschuß des Sejm über den nationaldemokratischen Antrag wegen der Mißhandlung der tm Festungsgcfängnis von Brest Litowsk gefangen gehal­tenen Abgeordneten endete mit der Ablehnung des Antrages. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch den ukrainischen Antrag in der gleiche« Angelegenheit.

Niederlage de« englische« Regierung. Die euglche Re- gicrnng hat bei einer Abstimmung über einen Antrag be« der zweiten Lesung des Schulgesetzes mit 282 gegen 240 Stimmen eine Niederlage erlitten. Die Bekanntgabe der Niederlage der Regierung rief tm Unterhaus einen wahren Tumult hervor. Rufe zum Abdanken erklangen von den Sitzen der Konservativen. Nachdem die Ruhe wicberhergc- stellt war, erklärte Macdonald, daß der Antrag keine grund­sätzliche Frage berühre.

Zum Abschluß der englisch-indischen Konferenz. In einer Rundfunkrede verteidigte Macdouald die von ihm auf der englisch-indischen Konferenz verfolgte Politik. Wenn Eng­land seine alten Versprechungen wirklich ernst nehme, könne man hoffen, daß in Indien Ruhe und Ordnung wiederherge­stellt werde. Es sei Sache der Inder, zu zeigen, daß sie das in sie gefetzte Vertrauen rechtfertigen würden. England müsse zunächst die Rückwirkungen in Indien abmarte».

Banditenüberfälle im Norden Nicaraguas. In den nörd­lichen Provinzen Nicaraguas haben erneut räuberische Ueber- fälle von Banditen stattgefunden. Dabei wurde ein Dorf vollständig ausgeplttndert.

Der Streit zwischen Nicaragua und Hondschuras beige- legt. Der Außenminister von Nicaragua unterschrieb bas Protokoll über die neue Grenzreg-lung mit Hondschuras. 40V 00V Hektar der Ostktiste und ein Lanbstreifen der Provinz Nueva Segovia sind an Hondschuras abgetreten worden. Da­mit ist der Grenzstreit geregelt.

Der Schauplatz des Lawinenunglücks bei Bad Tölz

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Blick auf die zerklüftete Benediktcnwand im »armen. gebirge. An einem Steilhang dieser Wand wurde eine Av tetlung bayerischer Landespolizet bet einem Skikurs von einer gewaltigen Lawine überrascht, die 9 Mann in die Ti. riß. Von den Verunglückten konnte nur ein einziger, n zwar der Führer der Abteilung, Oberleutnant Nemo lebend gerettet werden.

Das Lawinenunglück aus der Bencdiktenwand.

Wie aus München berichtet wird, konnten die Bergung, arbeiten auf der Benediktcnwand beendet werden. Die Ar beite» wurden während der Nacht bei regnerischem Wei! und mit Scheinwerfern ausgeführt. Wie die Tutzinger H auf Anfrage mttteilt, wurden die 7 verschütteten Landespe zisten tot geborgen. _ »

Riesenfeuer in einem dänischen Hasen

TU. Kopenhagen, 23. Jan. In der dänischen Hafens! Hvlbaek entstand am Donnerstag in einem Kornelcva ' ein Brand, der sich in wenigen Minuten aus eine grn^ : Anzahl von Kornsilos und Speichern ausdchnte. T Feuerwehren von vier Städten standen dem Feuer mach! los gegenüber. Sie mußten sich darauf beschränken, d-c Wohngebäude in der Nachbarschaft zu rette». Die am K liegenden Dampfer mußten in aller Eile aus dem geschleppt werden. Verbrannt sind das älteste Packhaus kmi Stadt, eine Futtermittelmischanstalt, ein Bürogebäude, 18 Silos mit 2100 Tonnen Korn Inhalt, eine Dampfmuh e und ein großes Lager von Oelkuchen. Der Schaden be rag! wett über eine Million Kronen.

Filmbild verursacht Pamk

Budapest, 28. Jan. DieDonaupost" meldet an» st: Ein Vorfall, wie er wohl vereinzelt bastepcn ereignete sich m der Ortschaft Georowesti während der irung eines Wanderkinos. Als auf der Leinwand dce e einer Lokomotive immer schärfer wurden und die -tive gegen die Zuschauer zu fahren schien, wurden :e Zuschauer, die anscheinend zum ersten Male in ihrem im Kino waren, nervös. Als einer von ihnen rief: i, wir uns, bevor es zu spät ist", entstand unter den uern eine Panik. Die Ausgänge wurden gestnrim dem Gedränge Menschen zu Boden getreten. 12 Per-