Bezugspreis:

In der5tadt40Soldpfennige wöchentlich mit Drägeriohn Post-Bezugspreis 40 Soid- psennige ohne Bestellgeld

Schluß der Anzeigen­annahme 8 Uhr vormittag»

pn Zöllen höherer Sewal» besieht kein Anspruch ans lleserung öer Zeitung aller auf Rückzahlung lle, Sezngepreije»

Fernsprecher Nr. S

verantwort!. Lchristleitung: Friedrich Han, Scheele Druck und Verlag der kl. Oelschlöger schen vuchdruckeret

ersch-inungsweise: DSglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtag«

Bnzeigenpreis: s) im Nnzeigenteil: die Seils 20 Soldpienmge d) im Keklameteil: gte Seile 85 Soldpsennig,

Bus Lammelanzelgen kommen 50"/, Zuschlag

Für Platzvorschriften kann keine Sewähr übernommen werden

Sertllitiftanck für beille reit« ist calw

KAIROS

Amts- unä /inzeigeblalt ^ür äen vberamlsbezirk Lalw

Nr. 11

Donnerstag, den 15. Januar 1931

Beginn der Reichshaushaltsberatungen

Minister Dietrichs Etatrede: Defizit in 1930 eine Milliarde - 1931 keine neuen Steuern

Stärkere Ersparungen im Ausgabenetat

TU. Berlin, 18. Jan. Im Haushaltsausschuß des Reichs­tags wurde gestern die Borbcratung des Neichshauöhaltes für 1631 im Nahmen der Aussprache über die sinanz- und wirtschaftspolitische Lage deö Reichs mit einer Rede des Nelchsf.nanzministers Dietrich eingelcttet. Der Minister beschäftigte sich zunächst mit der Frage des Einnahmeausfalles und betonte, daß er Anfang Dezember vorigen Jahres den voraussichtlichen Fehlbetrag für 1631 ans rund »00 Millionen geschätzt habe, und zwar aus 8M Millionen Mehrausgaben für die Erwcrbslosensürsorge und aus 600 Millionen Mark Einnahineausfälle.

Die 800 Millionen Mehrausgaben für die Ermcrbslosen- sürsvrge stellten nach der neuesten Entwicklung eine Höchst­summe dar, über die nicht hinausgegangcn zu werden brauche. Er Hab: sodann auf Grund der Ltcuereingänge der letzten Monate die E > n n a h m e s ch ä tz u n g nochmals überprüft. Wenn sich dabei auch seine früheren Schätzun­gen als richtig erwiesen hätten, so müsse immerhin mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der mit 600 Millionen an­genommene Anteil des Reiches an den EinnahmeauSfällcn bis zu 100 Millionen Mark überschritten wer­den könne. Insgesamt werde der Fehlbetrag des ordent­lichen Haushalts 1930 die HSchstsnmme von rund 1 Milliarde nicht übersteigen. Der Fehlbetrag des außerordentlichen Haushalts, der zu Beginn des Jahres 1630 rnnd 770 Mil­lionen betragen habe, werde Anfang d. I. auf 330 Millionen znriickgegangen sein, « zwar durch den Erlös der Kreu- gcr-Anlcihe.

Zur Kassenlage bemerkte der Minister, daß Ende März vorigen Jahres der Kassenbcdarf -es Reiches 1670 Millionen betragen habe, während er Ende März ds. Js. sich aus rund 1780 Millionen belaufen werde. Er könne Lurch die Begebung von Schatzanwelsungen und durch den Ucver- hrvcknngskredit von 530 Millionen Mark avgcdeckt werden. Eine Gcfahrengnelle für die öffentliche Hand liege noch bei den Lasten für die Woblsa^rtserwerbSlosen, deren Zahl im Juli ds. Js. etwa 100 000 und im Dezember 1630 rnnd 667 000 betragen habe. Die Notverordnungen hätten den Ge­meinden neue Einnahmeguellen verschafft. Auch mußten die Gemeinden zu größeren Ansgabcnscnkungen kommen. Dort, wo trotz allergrößter Anstrengungen in den Gemeinden Schwierigkeiten entstehen würden, müßten zunächst die Län­der eingrciscn, denen im Zusammenhang mit der Realsten r- senknng und der Zuweisung von HauSzinsstenermitteln AnSglcichsfonds zur Beifügung gestellt seien.

Der Minister betonte weiter, daß er dem Neichsrat m den nächsten Tagen einen Ergänzungshanshalt vor- lcgen werde, der in der Hauptsache die in den bisherige r Entwürfe vom Neichsrat eingcfügtcn Abstriche von je ,unf Millionen Mark beim Finanz- nnd Arbcitsministerinm cns die einzelnen Titel verteile und der auch Stellenabket- zungen bei den Ministerien bringe. Das Kabinett Hab' beschlossen, daß der Personenstand der Ministerien «m mindestens 10 v. H. verringert werden müsse. Mit dieser Verringerung werde durch Stellenabsetzungen in diesem Er- gän'nngShausbali der Anfang gemacht.

NeichSlninistcr Dietrich erklärte weiter, die entfchei. Lende Frage sei, daß der Haushalt 1931 ans gesicherter Grundlage ruhe. Durch die starken Ausgabcnabstriche und die Abhängigkeit der Arbeitslosenversicherung vom Rcichs- hanshalt sei der HanShalt 1931 ans eine festere Grundlage gestellt. Eine Gefahrenquelle werde in den für 1930 ^schätz­ten Steuereinnahmen gesehen. Gegenüber dem Stenersn» für 1930 werde lm nenen Haushalt mit einem Steneransfasi

von 877 Millionen gerechnet, von denen auf das Reich über 500 Millionen entfielen. Dieser Ausfall enthalte rund 400 Millionen mehr als der voraussichtliche Steuereingang für 1980 erbringen werde.

Es sei Gefühlssache, ob man sich bei den Steuerschätzun­gen von einem gewissen Vertrauen in die Zukunst lertcn lasse, oder ob man sich von den denkbaren Entwicklungsmög- lichkeitcn dir dunkelsten aussnche. Wenn die leichte Besserung Im Jahre 1931, von der die Schätzungen des Haushaltsent­wurfes ansgingen, nicht eintretcn sollte, so würde der Aus­fall für das Reich sich etwa in der Höhe von 200 bis 300 Mil­lionen bewegen. Der Minister erklärte» er halte es nicht für richtig, einen solchen Fehlbetrag durch Steucrerhöhungen zu decken. Es sei Las verkehrteste, Steuern ans Vorrat zn schaf­fen. Wenn es gelänge, eine Reserve durch Ausgabenkürzun­gen zn schassen, so werde er dies sehr begrüßen.

Der Minister gab dann ein zahlenmäßiges Bild darüber, in welchem Nahmen sich die Streichungsmöglichkeiten bewe­gen könnten. An Ueberweisnngen an die Länder, an Kriegs­lasten der Ncichsschuld, den Pensionen und den Personalbe- zügen laste sich nichts streichen. Ebensowenig dürften sich die Ausgaben für die Kriegsbeschädigten, für die Sozialversiche­rung und die Krlsenfttrsorae 1931 verringern lasten. Es blie­ben bann für eine Ausgabenkürznng die restlichen 880 Mil­lionen übrig, die mit fast der Hälfte aus die sachlichen Aus­gaben von Heer und Marine und mit der anderen Hälfte ans die gesamten sonstigen Ansgabengeblete des Rei­ches entfielen. Alle Maßnahmen, die die Negierung ergriffen habe und noch ergreifen iverde» hätten das Ziel, der Wirt- scha't wieder Auftrieb nnd Rentabilität zu geben und eine möglichst große Zahl Arbeitsloser wieder dem Arbeitsprozeß einznfttgen. Von dem Erfolg dieser Maßnahmen hänge es ab, ob -er gemüßigte Optimismus, der im Haushaltsent­wurf zum Ausdruck komme, berechtigt sei.

Der Minister wies weiter darauf hin, wie sehr -er Neichshaushalt von der Wirtschaftslage abhängig sei und betonte, baß die Schmierigkeiten nicht nur vom Welt­markt und der Weltwirtschaftskrise hcrkämen, sondern in verstärktem Maße auch vom Inland her. Daher müsse es Hauptsorge sein, Len Jnlandsmarkt zu beleben. Der starke Rückgang des Eisenabsatzes im Inland sei erschreckend, wenngleich sich die Ausfuhr noch leidlich gehalten habe. Es fei zwecklos, den Reichshaushalt mit Gewaltmitteln zu be­er« luste«, vielmehr sei es notwendiz, de« übertriebenen» o't nicht gerechtfertigten Pessimismus im deutsche» Volke z« be­kämpfen. Wenn an allen Ecken und Enden, so erklärte der Minister abschließend, immer geunkt werde» verliere Las Volk noch Len letzten Rest seines Mutes.

In der Aussprache bezcichnete der Redner -er Deutsch­nationalen, Abg. Hergt, die Finanzlage als katastrophal. Die Verschlechterung des Vermögensstandes deS Reiches sei ungeheuerlich. Der Negierung sei der Vorwurf zu machen, daß sie dem Ausland gegenüber diese katastrophale Entwick­lung der Finanzen nicht deutlicher und eindringlicher betone. Der kommunistische Abgeordnete Dr. Neubauer gab der Meinung Ausdruck, - der Niedergang der Finanz- und der Wirtschaftslage zu einer Katastrophe geworden sei und daß sich das Reich am Rande des AbgrnndeS befinde. Die allgemeine finanzpolitische Aussprache soll heute abgeschloffen werden. Am Freitag soll dann der Bericht des Rechnungs- unterausschustcs über das Rechnungsjahr 1920 erstattet wer- den. Darauf folgen dle Beratungen über die Haushalte des Reichspräsidenten, der Reichskanzlei und des Reichswirt- schaftsministeriums.

Cmlnis auf dem Wege nach Genf

--- Berlin, 1 Z. Jan. Neichsanßenminister Dr Curtius und die anderen Mitglieder der deutschen Bölkerbnndsab- ordnung sind gestern nachmittag vom Anhalter Bahnhof aus nach Gens abgereist. Der Außcnminiiister steht eine schwere Aufgabe vor sich. Sein Bestreben wird zunächst dahin gehen, zu erreichen, daß der deutsch-polnische Streit nicht etwa, wie Polen cs vielleicht mit Unterstützung Frankreichs versuchen wird, hinter den Kulissen zum Austrag kommt, sondern in der Vollsitzung des Bölkerbunds- rates und damit vor der gesamten Weltöffentlichkeit. Dr. Eurtins wird alsdann Gelegenheit haben, das Terrorregime der Polen in Obcrschlesien und in Pommerellen in gebüh­render Weise an den Pranger zu stellen. Innerhalb der dent- sch-n Delegation besteht nicht die Absicht, in diesem Zusam­menhang auch die Grenzfrage aufznrollcn. Sie wird vielmehr ihre ganze Stoßkraft aus das Problem des Min­derheitenschutzes richten

lieber den Inhalt der letzten Unterredung, die der deutsche Botschafter vonHoeschmitBriand hatte, schreibt Per- tinax im »Echo de Paris", daß der deutsche Botschafter den französischen Außenminister über die Forderungen derNeichsregierung inGenf unterrichtet habe. Es habe den Anschein, als ob Deutschland damit drohe, sich ernst­lich mit dem Völkerbund in Zwiespalt zu setzen, falls es keine Genugtuung erhalte. Das »Journal" betont, daß man der Unterredung Briands mit dem deutschen Botschafter um so größere Bedeutung belmeflen müsse, als man unbedingt ver­meiden wolle, daß die Aussprache über die deutsch-polnischen Zwischenfälle ans dem Rahmen der Minderheitenfrage falle. Die polnisch-französische Zusammenarbeit s e t g e s i ch e r t.

Henderson ln Paris.

Der englische Außenminister Henderson ist auf seiner Reise nach Genf am Mittwoch nachmittag in Paris eingc- trofs'm und hatte noch am gleichen Abend eine Unterredung mit Briand

Jahrgang 103

Tages-Spiegel

Die Reichshanshaltsbcratnnge« wurden gestern im Haupl­ansschutz des Reichstages mit einer Rede des Reichsfinanz- m-inisterS eingeleitel. Der Minister wandte sich hierbei «ege» de« Zweckpessimismus, vermochte es aber nicht, die Besorkniste über die weitere Entwicklung der finanzielle» Verhältnisse z« zerstreuen.

»

Reichsantzenminister Cnrtins ist gestern znr Ratstagung «ach Genf abgereist. Da die alte Front der Gegner «ach wie vor fest geschloffen ist, erscheint die Lage des dcnischen Vertreters recht ungünstig.

»

Die Neichsregiernng wird Ende der Woche über das Ost- hilfegesctz beschließe«.

»

Das Defizit der Neichshauptstadt wird für den nächste« Mo­nat auf etwa 100 Millionen Mark geschätzt.

v

Die rheinische Nohstahlgemeinschaft hat eine« Abba« der Eisenpreise beschlossen, -er rückwirkend vom 1« Januar ab in Kraft trete« soll.

»

In Paris haben mehrere deutsche Schauspieler eine dentschc Bühne eröffnet mit dem Ziel, die Kenntnis bentscher Art und Kunst in Frankreich z» vermitteln.

Reichswehr und Nationalsozialisten

TN. Berlin.. Jan. Wie der »Angriss" meldet, hat Ge­neral Schleicher am 2. Januar d. I. einen Neichswehrerlatz herausgegeben, der folgende Anordnung enthält: »BiS zur Durchsührnng der beim Reichsgericht schwebende« Hochver- ratsprozeste gegen die NSDAP, bzw. deren Mitglieder sind grundsätzlich keine Entlastungen aus den Heeresbetrieben auf Grund der Zugehörigkeit znr NSDAP, mehr vorzunehmen." An zuständiger Stelle wird die Richtigkeit der Meldung be­stätigt.

»

Partelnnifvrmverbot in Bade« mit Artikel 48.

TU. Karlsruhe, 1V. Jan. Nachdem der badische Vermal- tungsgcrichtshof als höchste Instanz am Mittwoch ein Ur­teil erlaffen hat, wonach die bekannte Verordnung des badi­schen Innenministeriums vom 1k. Juni 1030 betr. Verbot der nationalsozialistischen Braunhemden der gesetzlichen Grundlage entbehrt, hat das badische Staatsministertnm folgende Bekanntmachung erlassen:

»Auf Grund des Artikels 48 Absatz 4 der Reichsverfas- snng wird verordnet: Das Tragen von Parteiunlsormen und Vundestrachten politischer Verbände nnd Organisatio­nen wird für den Bereich des Freistaates Baden bis 1. April 1031 verboten. Die Verordnung tritt mit sofortiger Wir­kung ln Kraft."

Der erwähnte Absatz 4 deS Artikels 48 lautet eingangs: Wenn Gefahr im Verzüge, kann dle Landesregierung für ihr Gebiet einstweilig« Maßnahmen der im Absatz 3 bezeich- neten Art treffen."

Der Führerstreit in der Wirtschaftspartei

Austritt beS Abgeordnete« Coloster.

TU. Berit«, is. Jan. Die Versuche einiger Aahlkreis- organisationcn der Wirtschaftspartet, den Austritt des RelchstagSabgcordneteu Col»ss« r aus der Partei zu ver hindern, sind gescheitert. Kolosser hat jetzt seinen Austritt aus der Partei in einem Schreiben an das Parteigericht er klärt. In dem Schreiben stellt Coloster u. a. fest, daß eine Mehrheit der Verantwortlichen der Wirtschaftspartei kein NeinigungsbedürfntS habe, denn sein Kampf gehe um Reinheit undSauberkeit. Er scheide aus der Par­tei aus, weil er noch Netnllchkeitsgefühl besitze. Es genüge ihm die Tatsache, - ein Prüfungsausschuß nach gewissen­hafter Arbeit fcstgestellt habe, daß seine uur zum Teil be­kannt gewordenen Behauptungen über Drewitz im wesent­lichen wahr seien.

Gelegentlich des Ausscheidens des Abg. Coloster aus der Wirtschaftspartei hat der Parteivorsitzende, Abg. Drewitz, erklärt, er habe Strafantrag gegen Coloster nnd den Sohn des bisherigen ParteigeschäftsführcrS Dannenberg gestellt; da er in ihnen die Verbreiter der ihn beleidigenden Be hauptungen erblicke.

Die drei sächsischen Wahlkreise der Reichspar- tei des deutschen Mittelstandes sWirtschastspartclj haben mit Rücksicht darauf, daß die öffentliche Erörterung des be­dauerlichen Führcrstrcits für die Partei untragbare For­men angenommen hat, vom Parteivorsitzendcn Drewitz den freiwilligen Rücktritt verlangt. Herr Drewitz hat dieses abgelehnt. Tie drei sächsischen W.hl- krcise brechen nunmehr in voller Einmütigkeit die V-zte- hungen zur Ncichsparteiieitung ab.