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Zernsprecher Nr. 9
verantwort!. Schriftleitung: Zriedrich Han» Scheel« Druck und Verlag der A. Oelschlöger'schen Buchdruckerei
Vit. 10
!ivti1twoch, den 14.Januar 1931
Jahrgang 103
Vorbereitungen zur Genfer Ratstagung
Einmütigkeit im Reichskabinelt über die Marschroute — Polen versucht die deutschen Beschwerdenoten zu widerlegen
TN. Berlin, 14. Jan. Amtlich wird mitgeteilt: Das ReiclMabinett beschäftigte sich am DienStagnachmittag mit der bevorstehenden Tagung des Bölkcrbunbsrates. Der Netchsminister des Auswärtigen erstattete eingehenden Bericht über die in Genf zu behandelnden Fragen. Die hierüber gepflogene Aussprache ergab vollkommene Einmütigkeit über die von der deutschen Delegation cln- zunchmendc Haltung.
Die amtliche Mitteilung über die Kabinettssitznng wird in unterrichteten Kreisen dahin gedeutet, das; Dr. Cnrtius eine gebundene Marschroute für die deutsche Taktik in Genf erhalten habe. Das schliche natürlich eine gewisse Handlungsfreiheit in Einzelheiten nicht aus. Für den Fall, daß die deutsche Beschwerde auf Bestreben Polens und Frankreichs einem besonderen Untersuchungsausschuß überwiesen werden sollte, könnte sich die deutsche Delegation mit dem Einsetzen eines solchen Ausschusses nur dann einverstanden erklären, wenn vorher gewisse Voraussetzungen erfüllt würden. Als derartige Voraussetzungen werden genannt: 1. Zusammensetzung der Untcrsuchungs- kornmission aus einwandfrei neutralen und unparteiischen Persönlichkeiten unter der Leitung des Präsidenten der Ge, mischten Oberschlesienkommission Calonder: 2. Polnische Garantien für eine ausreichende Wiedergutmachung des den deutschen MinöcrhcitSangeböriaen zugesttgten Unrechtes und Schadens: 8. Polnische Zusicherungen und Vorbeugungs- masn,ahmen gegen eine Wiederholung der Terrorakte: 4. Grundsätzliches Bekenntnis der Polen zum Gedanken und zu den Prinzipien des Minderheitenschutzes.
Reichskanzler Brüning leicht erkrankt.
Reichskanzler Brüning mußte infolge einer leichten Grippeerkrankung am Dienstag das Bett hüten. Er hat deshalb auch an der Kabinettssitzung nicht tctlnehmen können. Diese wurde vom Vizekanzler, dem .Reichsfinanzminister Dr. Dietrich, geleitet.
Der Reichspräsident empfing gestern den Neichsminister Dr. Cnrtius znm Vortrag.
Genf-Aussprache Hocsch — Briand.
Botschafter v. Ho e sch hatte am Dienstagnachmittag in Paris wieder eine Unterredung mit dem französischen Außenminister Briand. In dieser Unterredung wurde die Aussprache über verschiedene bei der bevorstehenden Tagung des Völkcrbniidsrateö zur Erörterung kommende Fragen fortgesetzt. Außenminister Zaleski wurde DicnStagvor- mittag von Briand empfangen.
Abgekartete französisch-polnische Zusammenarbeit.
Außenminister Briand trifft am Donnerstag in Genf ein. In der französischen Presse wird noch einmal auf das polnisch-deutsche Rededuell hingewiesen, bas sich zwischen Zaleski und Dr. CurtiuS abspielcn wird. Man hebt hervor, daß die deutsch-polnischen Gegensätze von außerordentlicher Schwere seien, daß cs aber Polen nicht an Bern c i s e n fehle, um den kombinierten deutschen Angriffen zu begegnen. Es sei zwar noch nicht mög- ltch, schon jetzt den Ansgang des Rededuells zwischen den beiden Außenministern vorauszusagcn, immerhin bestehe berechtigter Grund zn der Annahme, ünb ücr Völkerünndsrat auch di'Smal nicht erlauben werde, daß ei» ausländischer Staat sich unter dem Vorwand des Schutzes der Minderheiten in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates mische und dadurch versuche, die Frieöensverträge in ihren Grundlagen zu erschüttern (!).
Polnische Ausflüchte.
Der ständige Vertreter Polens beim Völkerbund, Minister Lokal, hat dem Generalsekretär des Völkerbundes die Antwortnote der polnischen Negierung auf die beiden deutschen Beschwerdenoten wegen der Terrorakte in Ober- schlcsicn übereich.t Auf die deutsche Note über die Vorfälle im Korridor und in Pommerellen geht die polnische Note
nicht ein. Im ersten Teil wird nachzuweisen versucht, daß die Aktion der Neichsregierung den in Minderheitssragrn zulässigen Rahmen überschritten habe und daß ü i e d e u t s che Note den Charakter einer unmittelbaren politischen Aktion trage. Der zweite Teil der Note geht ans die Vorwürfe wegen des Wahlterrors in Obcrschlesien ein. Es wird versucht, diese Vorwürfe an Hand von Material zu widerlegen. Die tieferen Ursachen einer gewissen Erregung der Geister in Oberschlesien während der Wahlzeit seien in der Reaktion zu suchen, die in der polnischen öffentlichen Meinung durch den Terror gegen die durch keine Minderheitenoerträge geschützte 0) polnische Minderheit in Deutschland und durch die politische Aktion Deutschlands gegen den polnischen Staat als Ganzes ausgelöst worden sei. Im dritten Teil wird der Versuch gemacht. Beweise zu erbringen, baß die Vorfälle während der Wahlzeit in Obcrschlesien den Nahmen von Wahlzwtschen- fällen, die eine Folge der Parteikämpfe darstellteu, nicht überschritten hätten. Diese Zwischenfälle könnten nicht mit Wahlzusammenstößen in anderen Ländern, beispielsweise in Deutschland, verglichen werden. Zum Schluß gibt die polnische Regierung dem Vülkerbundsrat die Anordnungen der lokalen und Zentralbehörden bekannt, die im Zusammenhang mit den Zwischenfällen in Oberschlesien verfügt worden seien. Die polnische Note, so heißt eS endlich, stütze sich auf ein umfangreiches Beweismaterial, das in 10 Anhängen zusammengefaßt ist.
Die große Beschwerde des deutschen Volksbunde s in Oberschlesien, die die gesamte Haltung der polnischen Negierung gegenüber der deutschen Minderheit in Oberschlesien behandelt, ist auf Grund des vom deutschen BolkSbund beim Generalsekretär des Völkerbundes gestellten Antrages für dringlich erklärt und unverzüglich auf. die Tagesvrdnung der am Montag beginnenden Tagiu^ -es Bölkcrbundsrates gesetzt worden.
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Abrüstungskonferenz Mitte Feb»rrar 18SL
Außer der deutsch-polnischen Angelegenheit steht bekanntlich ans dem Programm der Tagung die Festsetzung des Datums für die allgemcine Abrüstungskonferenz. Es scheint schon jetzt festzustehen, daß der Berichterstatter, der spanische Botschafter in Paris, Quinones de Leon, hierfür den IS. Februar 1932 Vorschlägen wird. Daß dieses Datum mit den Anschauungen -er französischen Regierung überein- stimmt, bedarf kaum eines näheren Hinweises, wenn man die enge Freundschaft kennt, die zwischen dem spanischen Botschafter einerseits und den führenden Mitgliedern -er französischen Negierung andererseits besteht.
Die Tagung des Europäischen Ausschusses, in Genf wird am Freitag vormittag durch Briand eröffnet werden. Die Außenminister fast sämtlicher 27 eurpäischrn Staaten, darunter Briand, Henderson, Granüi, Dr. Cnrtius, Zaleski und die Außenminister der Kleinen Entente haben ihre Teilnahme an den Verhandlungen des Ausschusses zugesagt. Nur Schweden, Portugal und Oesterreich werden nicht durch ihre Außenminister, sondern Lurch hohe Staatsbeamte im Ausschuß vertreten sein. Die außereuropäischen Mttgliedstnatcn des Völkerbunds sind aufgefordert worden, Vertreter zn der Tagung zu entsenden, die in beobachtender Eigenschaft an den Verhandlungen teilnehmen können.
Es besteht hier der begründete Eindruck» daß aus der bevorstehenden Tagung die Behandlung wirtschaftspolitischer Fragen, darunter insbesondere die landwirtschaftliche Krise, im Vordergründe stehen werden und politische Fragen nicht znr Verhandlung gelangen. Die sachlichen Beratungen des Europäischen Ausschusses werden mit einem Bericht des Präsidenten der europäischen Zollwaffenstillstandskonferenz, Colli»«, (Holland) beginnen, der den Ausgangspunkt einer allgemeinen wtrtschaftspolitischen Aussprache über die hauptsächlichsten europäischen Krisenmomente bilden soll.
Beginn der Haushaltsberalung
>-- Berlin, 14. Jan. Am Dienstag hat der Hauptausschutz des Reichstags seine Sitzungen wieder ausgenommen. Heute will er mit der Beratung des Etals beginnen. Damit haben die parlamentarischen Verhandlungen wieder ihren Anfang genommen und werden nun sehr rasch in bas entscheidende Stadium hineinwachsen, nicht zuletzt deshalb, weil die Volkspartei sich auf ihre Forderung einer Kürzung des 4-tats um 800 Millionen festgelegt und ihre weitere Mitarbeit an der Negierung davon abhängig gemach« hat. Tte Leit bis zum Zusammentreten des Plenums, also bis zum L. Februar, muß darüber Klarheit bringen. Zu Beginn der
Haushaltsberatung wird heute Reichsfinanzminister Dietrich eine Rede über die finanz- und wirtschastspolitische Lage des Reiches halten, an die sich eine allgemeine Aussprache anschließen wird.
In der gestrigen Sitzung des Hauptausschusses wurde der Gesetzentwurf über die Erstattung sürKriegswohl- fahrtsausgaben nach Ablehnung nat.soz. und deutschnationaler Acnderungsanträge unverändert angenommen. Der Negicrungsvcrtreter bezeichnete es als das Ziel des Gesetzes, im Nahmen des finanziell Möglichen und unter Vermeidung jeder unnötigen Verwaltungsarbeir die Gemeinden, denen noch aus der KriegswohlfahrtSpslege Anleihelastcn verblieben seien, zu entlasten.
Tages-Spiegel
Das Neichskabinett billigte einmütig die von Dr. Cnrtius für Gens »orgeschlagene Marschroute. Der Kanzler ist leicht erkrankt.
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In einer neue» polnischen Note an den Völkerbund versucht Pole», die dentschen Minderheitenbeschwcrden als bedeutungslos hinznstellen.
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Botschafter Hoesch hatte eine weitere Unterredung mit Briand, der für Polen Partei nehme» und ossensichilich die Ansrollung der Minderheitenfrage in Genf verhindern will.
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Die Pariser Botschasterkonserenz soll beschlossen haben, die Interalliierte Militärkommission ansznlösc«.
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Die amerikanische Zeitnng „Chicago Tribüne- berichtet von polnische« Versuche», ein Bündnis zwischen Polen, Frankreich und Italien gegen Dcntschland und Rußland zustande z« bringe«.
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Der Hauptausschutz des Reichstages beginnt heute mit der Beratung des NeichshanshaltS.
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In Münster verstarb gestern der Alterspräsident des Reichstages, der Zentrnmsabgeordnetc Herold, im Alter vo» 8S Jahre«.
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Das wieder instanbgesetzte Flußschiff „Do. X- wirb am 20. Januar von Lissabon «ach den Kanarische« Insel» fahre«, »m vo« hier aus den Südatlantik zu überquere«.
Die interalliierte Militärkommission wird aufgelöst
Das Ende einer unrühmlichen Einrichtung.
TU. P a r iS, 14. Jan. Wie verlautet, hat bie Boischafter- konferenz a« Montag beschlossen, die sog. Versailler Interalliierte Militärkommissto«, die bisher in Paris tagte, auf- zulöfen» da deren Ausgabe als beendet »nznsehe« sei. Dieser Militärkommissto» lag bekanntlich auch die Ueberwachung der dentsche« Abrüstnngsmatznahmen des Versailler Vertrages ob. Weitere Angabe« über die Tagung der Botschafterkonse- renz «erden amtlich nicht gemacht.
Das „Oeuvre" glaubt zu wissen, daß der englische Botschafter Tyrrel bie Auflösung der interalliierten militärischen Organisation gefordert hätte, welche die Ausgabe hat» bie technische Seite der ans dem Versailler Vertrag her- vorgehenden Abrüstungsklauseln -n überwachen. Ans die Bitte Frankreichs habe man sich schließlich dahin geeinigt, den französischen General Baratter damit zu beauftragen, die Dnrchführnng dieser Klauseln weiter zu verfolgen.
Slreikunruhen in Erfurt
TU. Erfurt, 14. Jan. Am Dienstag nachmittag gegen 17 Uhr kam es in Erfurt-Nord gelegentlich deS Schichtwechsels in der Berlin-Erfurter Maschinenfabrik Henry Pols u. Co. mehrfach zu schweren Zusammenstößen zwischen Arbeitswilligen, Streikenden und Erwerbslosen. Hierbei wurde ein Arbeitswilliger lebensgefährlich verletzt. Ein geschloffener Trupp Erwerbsloser, der sich nach Erfurt-Nord bewegte, wurde polizeilich aufgelöst. Da die Räumung der Straße auf starken Widerstand stieß, und die Beamten fortgesetzt mit Steinen beworfen wurden, mutzte die Polizei von der Schußwaffe Gebrauch machen. Hierbei wurde ein 2Sjä.hriger erwerbsloser Maurer tvdlichgetroffen und «ine weitere Person durch einen Armschutz schwer verletzt.
Schiedsspruch im oberschlesischen Bergbau
TU. Gleiwitz, 14. Jan. In dem Lohnstreit im oberschlesischen Bergbau wurde am Dienstag nach fast zwölfstünbiger Verhandlung unter Vorsitz des Schlichters Prof. Dr. Brahn ein Schiedsspruch gefällt, nach dem für den oberschlesischen Steinkohlen- und Erzbergbau die Löhne mit Wirkung ab 1. 1. 81 um k Prozent herabges'tzt werben. Die Laufzeit des Lohnabkommens geht bis 81. Juli 1931. Gleichzeitig wurde der bisherige Manteltarif und das Arbeitszeitabkommen verlängert.
Die verschollenen Ozeanflieger
TN. Berlin. 14. Jan. Das vermißte Flugzeug „Trade- wind" init Beryl Hart und Maclaren an Boro soll nach einer Meldung des Hafenkapitäns von Ponta bei Gada etiva 20 Meilen von Mvsteirvs Point aus der Azoreninsel San Miguel ins Meer gestürzt sein. Ein portugiesisches Kanonenboot ist sofort zur Suche in See gegangen.