Die neuen Steuergesetze

Kontrollrat Gesetz Nr. 12

Aenderung der Gesetzgebung in bezug auf Einkommensteuer, Körperschaftssteuer und Gewinnabführung

Der Kontrollrat hat das folgende Gesetz beschlossen:

I. Teil Allgemeine Grundsätze Artikel I

Alle deutschen Steuergesetze sind ohne Unterschied der Rasse, des Glaubens, der Staatsangehörigkeit oder der politischen Ein­stellung anzuwenden. Alle gesetzlichen Bestimmungen, die mit diesem Grundsatz unvereinbar sind, werden aufgehoben, insbe­sondere diejenigen, die vorsebreiben, daß die deutschen Steuer­gesetze im nationalsozialistischen Geiste zu verstehen und aus­zulegen sind.

II. Teil Steuersätze Artikel II Einkommensteuer Steuerklassen:

1. Für die Errechnung der Einkommensteuer werden die Steuer- pflichtigen in folgende Steuerklassen eingeteilt:

A) Steuerklasse I: #

Steuerklasse I umfaßt diejenigen Personen, die zu Beginn des

Steüerjahres nicht verheiratet waren, und diejenigen, die in die­sem Jahre nicht mindestens vier Monate verheiratet waren. Per­sonen, die unter die unten aufgezählten Steuerklassen fallen, ge­hören nicht zur Steuerklasse I.

B) Steuerklasse II:

Zur Steuerklasse II gehören folgende Personen, soweit sie nicht in der 3. Gruppe einbegriffen sind:

1. Personen, die zu Beginn des Steuerjahres oder mehr als vier Monate in diesem Jahre verheiratet waren, sowie

2. unverheiratete Personen, die mindestens vier Monate vor Ab­lauf des Steuerjahres das 65. Lebensjahr erreicht haben.

C) Steuerklasse III:

1. Steuerklasse III umfaßt diejenigen Personen, denen Kinder­ermäßigung zusteht (wie in Abs. 2 erläutert; oder denen die Ermäßigung auf Antrag gewährt wird (wie in Abs. 3 erläutert);

2. der Steuerpflichtige hat Anrecht auf Kinderermäßigung. Für den BegriffKinder ist die bestehende deutsche Gesetzgebung maßgebend falls die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a) Die Kinder müssen mindestens vier Monate im Steuerjahr zu dem Haushalt des Steuerpflichtigen gehört haben, oder in diesem Jahr hauptsächlich auf seine Kesten unterhalten und erzogen worden sein. Im letzteren Falle muß der Steuerpflichtige die Kosten für ihren Unterhalt und ihre Erziehung mindestens vier Monate getragen haben.

b) Die Kinder dürfen während diesem Zeitraum das 16. Le­bensjahr nicht vollendet haben.

3. Auf Antrag wird dem Steuerpflichtigen eine Kinderermäßigung gewährt, wenn Kinder, die das 16. Lebensjahr erreicht haben, die felgenden Bedingungen erfüllen:

a) Die Kinder müssen im Steuerjahre mindestens vier Monate eine von dem Kontrollrat oder den zuständigen Zonen­befehlshabern genehmigte Unterrichtsanstalt besucht haben rund während dieser Zeit hauptsächlich auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten worden sein.

b) Die Kinder dürfen während des Steüerjahres das 21. Le­bensjahr nicht vollendet haben.

2. Die Bestimmungen dieses Artikels treten an die Stelle des § 32 des Einkommensteuergesetzes, sowie aller diesen Paragraphen abändernden gesetzlichen Bestimmungen.

3. Die Bestimmungen dieses Artikels treten an die Stelle des Art. 38 und sind bei der Festsetzung der Lohnsteuer anzuwen­den. § 39 lies Einkommensteuergesetzes wird dementsprechend geändert.

. Artikel III

Einkommensteuer Allgemeine Erhöhung der Steuersätze 1. Die am 8. Mai 1945 gültigen Sätze für die Einkommensteuer werden nach den folgenden allgemeinen Grundsätzen erhöht.

A) Für Steuerklasse I werden die Sätze für die Einkommen­steuer wie folgt erhöht:

1. Um 2,5 % für Gehälter, Löhne und Einkünfte aus freien Berufen.

2. Um 3,5% für alle anderem Einkunftsarten.

B) Auf die Steuerklassen II und III Anden die in Absatz A vorgesehenen Erhöhungen Anwendung mit folgenden Aus­nahmen:

1. RM. 600. des jährlichen Einkommens aller Steuerpflich­tigen der Klassen II und III bleiben einkommensteuer­

frei. Für jedes Kind, für das dem Steuerpflichtigen ge­mäß. Art. II eine Steuerermäßigung zusteht, bleiben wei­tere RM. 400. seines jährlichen Einkommens steuerfrei, wenn er der Steuerklasse II angehört.

C) Falls sich gemäß den Bestimmungen des Abs. B erfolgte Aenderung der' bisherigen Gesetzgebung in einer Herab­setzung statt Erhöhung der Steuerschuld des Steuerpflich­tigen auswirkt, ist die Steuerschuld grundsätzlich so zu errechnen, daß zunächst der Betrag festgestellt wird, der zu erheben gewesen wäre, wenn die Bestimmungen dieses Gesetzes (mit Ausnahme von Art. I) nicht erlassen wor­den wären, dazu wird dann unter Beachtung der Bestim­mungen in Abs. A ein Zuschlag von 26% oder 35% hinzu­gefügt

2. Diese allgemeinen Grundsätze Anden auf die Festeetzung der Lohnsteuer Anwendung.

3. Ueber die praktische Anwendung dieser allgemeinen Grund­sätze geben die als Anlagen A und B beigefügten Tabellen zu diesem Gesetz Aufschluß. Diese Anlagen treten an die Stelle der Tabelle in den Anlagen 1) und 2) zum Einkommensteuer­gesetz.

4. § 40 des Einkommensteuergesetzes, der besonders auf die son­stigen Bezüge der Arbeitnehmer anwendbare Sätze für die Lohnsteuer festsetzt, wird aufgehoben. Diese Bezüge werden nach den auf die anderen Einkunftsarten anwendbaren Sätzen versteuert

5. Die Einkommensteuer wird für alle Personen veranlagt, die gemäß Ziff. I des Art VI dieses Gesetzes zur jährlichen Ab­gabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet sind. Die­sen Personen werden auch weiterhin die von dem Lohn oder anderen Einkommen als Steuer abgezogenen Summen gutge­schrieben. I 46 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des § 7 der Steuervereinfachungsverordnung vom 14. Septem­ber 1944. wird dementsprechend geändert.

Artikel IV

Körperschaftssteuer Erhöhuag der Steuersätze L Die Sätze für die Körperschaftssteuer § 19 Abs. I des Körper- schaftssteuergesotzes sind die folgenden:

A) Bei Einkommen bis zu RM. 50 000 35%.

B) Bei Einkommen von RM. 50 000 bis RM. 100 000 45%.

C) Bei Einkommen von RM. 100 000 biß zu RM. 500 000 60%.

D) Bei Einkommen über RM. 500 000 65 %. «

2. Zur Vermeidung von Unbilligkeiten in Grenzfällen wird die folgende Angleichung vorgesehen:

Wenn das Einkommen einer Körperschaft in eine der in den Absätzen B), C) oder D) der obigen Ziffer 1 angeführten Stufen fällt, soll der fällige Steuerbetrag nicht höher sein als: A) Die Steuer für das höchste Einkommen der nächstniedrige­ren Steuerstufe, mit einem Zuschlag von B) 90% des Unterschieds zwischen dem Gesamteinkommen und dem höchsten Einkommen der nächstniedrigeren Stufe.

3. Die praktische Anwendung dieser Bestimmungen ist aus An­lage C ersichtlich.

Artikel V

Steuerabzug vom Kapitalertrag

1. Der in § 3 der Kapitalertragssteuerverordnung in ihrer gegen­wärtigen Fassung vorgesehene Steuersatz wird auf 25% des gesamten Kapitalertrags festgesetzt.

2. Wenn eine Bank oder eine Versicherungsgesellschaft für eigene Rechnung Kapitalerträge vereinnahmt, für welche die Steuer an der Quelle abgezogen worden ist, und wenn dieser Abzug ihre ordnungsgemäße Steuerschuld übersteigt, kann die Gesellschaft die Rückerstattung des von ihr zu viel bezahlten Betrages beantragen.

Artike VI '

Steuer zur Erfassung außerordentlicher Gewinne 1. Die gemäß der Gewiimabführungsverordnung erfolgende Ver­anlassung für die Besteuerung außerordentlicher Gewinne wird folgendermaßen geregelt:

Der Gesamtertrag, der sich aus der Einkommensteuer, der Kör­perschaftssteuer und der Besteuerung außerordentlicher Ge­winne ergebenden Steuerschuld darf 90% des gesamten Rein­einkommens nicht überschreiten.

Artikel VII

Steuer auf Anfsichtsratsvergütuögen 1. Die durch das Gesetz über die Erhebung einer Abgabe der Aufeicbtsratsmitglieder vom 28. März 1984 in der Fassung des Gesetzes vom 17. 9. 1939 eingeftihrte Sonderstener für Auf­sichtsratsvergütungen wird aufgehoben.