Freitag, 17. Januar 1969

Aus aller Welt

Seite B

Ein Jahr nach dem sizilianischen Erdbeben

Der schlimmste Feind ist die Bürokratie /Man hat uns vergessen / Wasser, Elektrizität und Raum fehlen am meisten

Palermo/Sizilien (AP). Ein Jahr nach der furchtbaren Erdbebenkatastrophe auf Westsizilien, bei der fast 300 Menschen ihr Leben einbüßten und viele Tausende ob­dachlos wurden, leben immer noch unzählige Bewohner ohne ein festes Dach über dem Kopf in Bretterbuden, Zelten und vorgefertigten Schuppen, in ständigem Kampf gegen Kälte und Feuchtigkeit. Damals, am 15. Januar 1968, waren einige Städte buch­stäblich dem Erdbeben gleichgemacfat worden, und die ohnehin notleidende Wirtschaft in diesem Gebiet war erneut schwer getroffen worden.

Die überallhin verstreuten Flüchtlinge machen hauptsächlich die ins Maßlose wach­sende Bürokratie für den schleppenden Wiederaufbau der Ortschaften verantwort­lich. Sie sagen, nach den ersten Monaten ra­scher und tatkräftiger Hilfe durch die Re­gierunghat man uns fast vergessen. Um die Öffentlichkeit auf ihre Leiden aufmerk­sam zu machen, veranstalteten die Flücht­linge am Dienstag und Mittwoch einen 48 stündigen Generalstreik und ordneten Nachtwachen und Gebete für alle vom Erd­beben betroffenen Städte an.

Die Kraft der Erdbebenopfer in diesem dauernden Ringen droht zu erlahmen: Über­all in den Bretterbuden-Städten fehlt es an Wasser, Elektrizität und vor allem an

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DER NÄCHSTE FRÜHLING kommt be­stimmt und was die Dame von Welt in diesem Jahr trägt, zeigen zur Zeit Roms Modeschöpfer. Hier eine sehr eigenwillige Kreation aus gelbem Organdy, bei der man sich nicht recht klar ist, ob es sich um einen Hosenanzug oder eine neue Art von Kleid handelt. (AP-Photofax)

Raum. Installierte Wasserleitungen gibt es in dem offenen Gelände nicht, das fehlende Naß muß hauptsächlich in Tankwagen aus den Nachbargemeinden herangeschafft wer­den. Elektrischer Strom wird zwar kostenlos durch die staatliche Gesellschaft ENEL ge­liefert, doch die Tagesabnahme ist auf ein Kilowatt je Tag und Familie beschränkt. Das ist nicht genug, sagten die Flüchtlinge und boten die Zahlung eines Differenzbetra­ges an, um mehr Strom zu erhalten, aber das Gesuch ruht noch in den Schubladen der Behörden.

Wollen dieZeltstädter nachts Heizöfen einschalten, um es etwas wärmer zu haben, dann bleibt der Strom ganz aus.Manchmal dauert es eine Woche und mehr, bis wir wieder Licht haben, sagt Bauer Nino DAn- toni.In einigen Gemeinden haben wir einen Kompromiß getroffen: Wir heizen nur jede zweite Nacht und schlafen dann einmal kalt und einmal warm.

Wenn Regen fällt, dann wird die Situation beängstigend. Die Straßen werden zu Schlammfeldern, die Zelte stehen unter Wasser, und der Verkehr mit Nachbarorten kommt zum Erliegen.Viele der Schuppen

sind schlecht gebaut, durch die Risse in den Dächern regnet es herein, berichtet Giusep­pe Pinzone, der stellvertretende Bürgermei­ster von Montevago. Hunderte neuer Hütten in Fertigbauweise seien zwar gebaut wor­den, doch hätte der bürokratische Dienst­weg bisher die Zuteilung an Flüchtlinge verhindert, sagt Pinzone. 30 Häuser und eine Schule nahe Santa Margherita Belice stehen leer, weil die Gesellschaft ENEL sich wei­gert, sie an das Stromnetz anzuschließen.

Neue Chemikalie gegen Digest

Boston (AP). Eine amerikanische Firma in Boston hat eine neue Chemikalie entwickelt, auf die sie große Hoffnungen bei der Be­kämpfung der gefürchteten Ölpest setzt. Nach den Tankerunglücken vor zwei Jahren in den Seegebieten vor Englands und Frankreichs Küsten war jeweils ein Teil der Ladung ausgelaufen und hatte die Strände weithin mit öl verpestet. Das neue chemi­sche Mittel wurde in einem Betontank auf der Moon-Insel, wo die Bostoner Feuer­wehrleute ihre Übungen in der Bekämpfung von Ölbränden abhalten, der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein Vertreter der Herstellerfir­ma erklärte, das neue Produkt wirke gewis­sermaßen als Docht, der das öl von der kal­ten Wasseroberfläche absauge. Das Gemisch könne dann entzündet werden, und der dicke Ölfilm verbrenne zu 98 Prozent. Der geringe Rückstand könne anschließend leicht aus dem Wasser entfernt werden.

Erdstrahlen auf der Autobahn?

Wünschelrutengänger ließ Metallschlingen legen / Rückgang der Unfälle

Linz (AP).Wir hätten auch tote Hunde hier begraben, wenn das geholfen hätte, die Unfallquote herabzudrücken, meinte ein Vertreter der Autobahnverwaltung in Linz, als er auf die hohen Unfallziffern an einer Gefahrenstelle auf der Autobahn Wien Salzburg angesprochen wurde.

Statt dessen ließ es die Verwaltung zu, daß der ehemalige Chemiker Rudolf Wenger drei Metallschlingen an dieser Stelle unter der Fahrbahn verlegen ließ, als er behaupte­te, dies würde helfen, um die die Unfälle verursachenden Strahlen zu neutralisie­ren.

Wenger berichtete, er sei an der betreffen­den Stelle am Kilometerstein 120,5 mit einer Wünschelrute vorgegangen und habe dort drei unterirdische Strömungen entdeckt. Diese Strömungen senden Strahlen aus, die auf die Reaktionen der Autofahrer einwirken, ohne daß diese es merken, sagte Wenger. Um die Strahlen zu neutralisieren, ließ er drei Schlingen aus einemSpezialmetall verlegen.

Die Autobahnverwaltung weiß indessen immer noch nicht, ob es Wengers Schlingen oder den Ausbesserungsarbeiten zu verdan­

ken sei, daß die Unfallquote in den beiden letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. In den Jahren 1960 bis 1966 war es auf dem schnurgeraden Streckenstück immer wieder zu schweren Unfällen ohne ersichtlichen Grund gekommen. Nach Wengers Eingreifen und einigen Ausbesserungsarbeiten jedoch nahm die Zahl der Unfälle ab, die zudem noch erklärbare Ursachen hatten. Ein Ver­treter der Autobahn meinte zu Wengers Ak­tion:Wir haben ihm gesagt, er soll seine Schlingen legen, weil wir sicher waren, daß sie zumindest nicht schaden können.

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DAS UNGLÜCK kam über dieses 15 Tonnen schwere Fischerboot, als es zur Taufe zum Kai gebracht werden sollte, wo sein Erbauer schon wartend stand. Das Schiff löste sich aus den Vertäuungen und stürzte, fast möchte man sagen kopfüber, vom Transporter auf die Straße, die ja nun gar nicht sein Element ist. Doch nach einigen Stunden war das gefallene Gefährt wieder startklar und konnte mit Erfolg getauft werden. (AP-Photofax)

Vier Nähnadeln in Baby-Hirn

Verwandte wollte Kind ermorden, um in der Erbfolge aufzurücken

Belgrad (AP). In Jugoslawien sind im Kopf eines acht Monate alten Kleinkindes vier Nähnadeln entdeckt worden, die ein übelwollender Verwandter dem Baby einge­pflanzt haben soll.

Nach einem Bericht der Belgrader Zeitung Politika Ekspres kam eine Frau aus dem serbischen Ort Pozarevac kürzlich mit ihrem Baby in die Klinik, weil dieses plötzlich auf­fällig unruhig geworden war. An dem Kind waren äußerlich keine ungewöhnlichen Ver­änderungen zu bemerken. Dann aber kamen Geschichten in Umlauf, ein heimtückischer Verwandte habe dem Kind durch den Hals vier Nadeln in den Kopf eingeführt. Die Mutter ließ ihr Kind röntgen und auf dem Röntgenschirm zeichneten sich tatsächlich vier dünne Metallstäbchen von Form und Größe einer Nähnadel ab.

Es war die Darstellung zu hören, besagter Verwandter habe das Kind umbringen wol­len, um es als ihm vorgehendes Glied in der

Gedenkstätte für Martin Luther King geplant

Freiheitshalle soll von der Bürgerrechtsbewegung Kunde geben / Mit Spenden finanziert

Atlanta/Georgia (dpa). Frau Coretta King, die Witwe des ermordeten Friedensnobel­preisträgers und Bürgerrechtskämpfers Dr. Martin Luther King, gab in Atlanta im Staate Georgia Pläne zur Einrichtung einer Gedenkstätte für ihren Mann bekannt. King,

,So neumodischer Kram'

Der Fortschritt scheint in dem fran­zösischenHinterwäldler-Dorf Ecou- votte bei Besangon nicht sehr willkom­men zu sein. Bauer Georges Poete wur­de von einem Gericht zu vier Monaten Gefängnis verurteilt, weil er seinen Nachbarn Georges Euvrad zwei La­dungen aus seiner Schrotflinte aufge­brannt und ihn gottlob nur leicht verletzt hatte.

Poete hatte sich in der Verhandlung verteidigt:Ich wollte diesem Mann, der nicht von hier stammt, zeigen, daß es verboten ist, unseren Boden mit so

neumodischem Kram wie Düngemitteln und Maschinen zu bearbeiten und uns durch größere Ernten als unsere eige­nen zu ruinieren. Der schmerzlich be­troffene Euvrard hatte erwidert:Was kann ich dafür, daß die Bauern hier in dieser Gegend um 50 Jahre hinter der Zeit Zurückbleiben wollen.

Wozu wiederum Bürgermeister Ca­mille Chirol vom Rathaus her, einem Anbau an seiner Scheune, bemerkte: Die Gegenwart dieses Reformers tötet ein Dorf wie das unsere.

der im April vergangenen Jahres in Mem­phis/Tennessee erschossen wurde, wäre am Mittwoch 40 Jahre alt geworden. Nach Mit­teilung von Frau King sollen die Gedenk­stätten sowohl in Atlanta, dem Geburtsort Kings, als auch auf dem Gelände der über­wiegend von Negern besuchten Universität Atlanta errichtet werden.

Die sterblichen Überreste Luther Kings sollen in einen noch zu schaffenden Park in Atlanta umgebettet werden. Außerdem wol­le man eineFreiheitshalle bauen, die künftigen Generationen von der Bewegung Kunde geben soll, die er (King) leitete, wie Coretta King sagte. Der zweite Abschnitt der Gedenkstätte für Martin Luther King soll an der Universität Atlanta mehrere neue Institute, darunter für gewaltlose so­ziale Entwicklung und für afrikanische Stu­dien, sowie ein Museum für afro-amerikani- sche Kultur umfassen.

Über die etwaigen Kosten des Projektes machte die Witwe Kings keine Angaben, teilte jedoch mit, daß das Vorhaben sowohl durch staatliche Zuschüsse als auch durch Spenden von Privatleuten und Firmen fi­nanziert werden solle.

Erbfolge auszuschalten. Der derart Beschul­digte wurde für die Dauer der Ermittlungen in Haft genommen. Das Schicksal des Kindes ist noch ungewiß. Die Ärzte fürchten nach dem Zeitungsbericht ernste Folgen für den Fall, daß sie jetzt versuchen wollten, die Na­deln herauszuoperieren.

Artistin stürzte ab

München (AP). Vor 2 000 entsetzten Besu­chern stürzte am Mittwochabend in Mün­chen die 25jährige Artistin Karin Röber bei einem Trapezakt im Zirkus Krone in die Manege. Wie gestern mitgeteilt wurde, erlitt Karin Röber bei ihrem Sturz aus rund acht Meter Höhe mehrere Knochenbrüche. Die Artistin hatte mit ihrer Schwester Ria in der Luft hängend Spiralen im sogenannten Zahnhang vorgeführt. Allem Anschein nach wurde Karin Röber dabei von Übelkeit be­fallen. Max Röber, der Vater der beiden Schwestern, der selbst am Seil arbeitete, hatte noch versucht, seine Tochter aufzufan­gen.

Barnard kommt nach Italien

Rom (dpa). Der südafrikanische Chirurg Christian Barnard kündigte in Mailand an, daß er zusammen mit acht Herzspezialisten des Groote-Schuur-Krankenhauses im kom­menden Frühjahr einen Monat lang in Ita­lien praktizieren werde, vorausgesetzt, daß die Universität von Kapstadt und der italie­nische Ärzteverband zustimme. Der italieni­sche Professor Stefanini hat Barnard einge­laden. Barnard und seine Mitarbeiter wollen während ihres Aufenthaltes in Italien etwa 20 Herzoperationen vornehmen. Der Herz- transpläntatiönspionier hat jedoch die Mög­lichkeit von Herzverpflanzungen ausge­schlossen, weil die rechtlichen Voraussetzun­gen dazu in Italien nicht gegeben seien und die notwendigen komplizierten medizini­schen Apparate nicht von Kapstadt nach Italien transportiert werden könnten.

Alle Fahrten abgesagt

London (AP). Alle angekündigten Fahrten des britischen LuxusschiffesQueen Eliza­beth II. sind vorläufig abgesagt worden. Wie die Cunard-Reederei mitteilte, hat sich die Behebung des bei einer ersten Probefahrt vor zwei Wochen aufgetretenen Turbinen­schadens weiter verzögert, so daß noch un­gewiß ist, wann das Schiff zur ersten Kreuz­fahrt auslaufen kann.

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