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Donnerstag, 16. Januar 1969
Alle Wehrdienstverweigerer sollen Ersatzdienst leisten
Bonner Regierungsparteien einig / CDU gegen Dienstzeitverkürzung
Von unserer Bonner Redaktion
Bonn. Alle Wehrdienstverweigerer sollen in Zukunft unbedingt zu einem zivilen Ersatzdienst herangezogen werden. Diese Aufforderung haben gestern die beiden Bonner Regierungsparteien an die Bundesregierung gerichtet. In der Debatte über den Bericht des Wehrbeauftragten zeigten sich die Regierungsparteien in dieser Frage völlig geschlossen. Unter anderem verlangten sie, daß Soldaten, die sich während der Ableistung ihrer Wehrpflicht als Wehrdienstverweigerer melden, sofort in den zivilen Ersatzdienst überführt werden sollten. Bisher waren viele von ihnen zunächst einmal entlassen worden.
Johnson nimmt Abschied
(Fortsetzung von Seite 1)
schiedsgeschenk gewesen sein, daß amerikanische Astronauten als erste Menschen den Weg ins All öffneten. Vieles, das dem Präsidenten so nahe lag, scheiterte an menschlichen Unzulänglichkeiten, das Fernziel aber, die Eroberung des kalten Mondes am schwarzen Firmament, rückte sehr nahe.
L. B. J. hat sich dort verabschiedet, wo er über drei Jahrzehnte als Politiker rastlos tätig war. Er hat seinem Nachfolger Nixon großzügig den Weg geebnet, ihn auf sein schweres Amt vorbereitet, wohl in der souveränen Erkenntnis, daß sein Lebenswerk im Weißen Haus beendet sei und daß den jüngeren Nixon bald die schwere Last der Verantwortung genauso drücken würde wie ihn.
Kurz gestreift
Das Bundeskabinett hat gestern die Beschlüsse gebilligt, die sein Agrarausschuß am 5. Dezember vorigen Jahres gefaßt hat.
Die Verbesserung der Besoldung der Fluglotsen soll zügig vorangetrieben werden; das verlautete gestern nach einer Anhörung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, Volkmar Hopf, durch Vertreter der zuständigen Ministerien in Bonn.
Emil Zatopek, der dreifache Goldmedaillen- Gewinner bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki, ist von seinem Posten im tschechoslowakischen Verteidigungsministerium entlassen worden.
Papst Paul VI. wird am 20. Januar die Witwe des ermordeten amerikanischen Bürgerrechtlers Dr. Martin Luther King in Privataudienz empfangen.
Morton Sobell, der 52jährige amerikanische Atomspion, der wegen Weitergabe von Atomgeheimnissen an die Sowjetunion zu 30 Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, ist nach Verbüßung von 17 Jahren seiner Strafe entlassen worden.
Zum neuen Vorsitzenden der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten ist der 38jährige Senator Fred Harris aus Oklahoma gewählt worden.
Von unserer Bonner Redaktion
Bonn. Auf diplomatischem Wege sind in jüngster Zeit von sowjetischer Seite offene Drohungen für den Fall ausgesprochen, daß die Bundesversammlung am 5. März in Westberlin Zusammentritt. Sowohl gegenüber dem scheidenden amerikanischen Botschafter Cabot Lodge als auch gegenüber dem britischen Botschafter Sir Robert Jack- ling hat der sowjetische Botschafter in Ostberlin, Abrassimow,.unverhüllt angekündigt, daß die Sowjetunion das Ostberlin-Regime nicht von Gegenmaßnahmen abhalten könne.
All dies wird aber auf die Entscheidung, die Bundesversammlung nach Berlin einzuberufen, keinen Einfluß mehr haben. Auch ein kleines Zwischenspiel, das unter anderen
Während der Kern des Zentraltiefs zur Bretagne zieht, fließen auf seiner Südseite weiterhin verhältnismäßig milde Meeresluftmassen nach Deutschland ein. Sie sind mit einzelnen Störungszonen durchsetzt, die das Wetter weiterhin unbeständig gestalten.
Am Donnerstag zunächst bedeckt und einzelne Niederschläge, in höheren Lagen zum Teil als Schnee. Im Tagesverlauf wieder auf- lockemde Bewölkung und nur geringe Schauerneigung. Höchsttemperaturen in den Niederungen um fünf Grad, in Hochlagen wenig über null Grad. Zeitweise etwas stärker auffrischender Wind aus Südwest bis West. Tiefsttempe- raturen nachts nahe null Grad. Auch am Freitag noch unbeständig und zeitweise naßkalt. (Mitgeteilt vom Wetteramt Stuttgart)
Die Regierungsparteien brachten gestern während der Debatte einen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, dreierlei sicherzustellen:
1. Alle anerkannten Wehrdienstverweigerer sollen einen Ersatzdienst ableisten und staatsbürgerlich betreut werden.
2. Anträge, die Soldaten auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer stellen, sollen in kürzester Frist bearbeitet und entschieden werden.
3. Soldaten, die als Wehrdienstverweigerer anerkannt sind, sollen nahtlos in den Ersatzdienst übernommen werden.
In der Debatte sprach sich der CDU-Ab- geordnete Klepsch für den gegenwärtigen Zeitpunkt gegen eine Verkürzung der Wehrdienstzeit auf 15 oder 12 Monate aus. Er vertrat die Ansicht, solche Pläne könnten nur dann in die Tat umgesetzt werden, wenn gleichzeitig die Zahl der längerdienenden Soldaten ansteige, was aber nicht der Fall sei. Ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Kampfkraft, sagte Klepsch, könne der Grundwehrdienst nicht verkürzt werden. Das dringende Problem der Wehrgerechtigkeit müsse aber möglichst bald gelöst werden. Dabei stelle sich die Frage, ob Wehrpflichtige, die nicht zur Bundeswehr
Umständen als interessant angesehen worden wäre, kann heute kaum noch zu einer Änderung führen. Wie man hört, hat Botschafter Cabot Lodge auf die sowjetischen Beschwerden mit dem Hinweis geantwortet, daß der Viermächte-Status Berlins ständig durch Militärparaden und andere Demonstrationen in Ostberlin verletzt werde. Daraufhin hat Abrassimow erklärt, er sei durchaus in der Lage, derartige Aktivitäten in Ostberlin zu unterbinden, wenn auf westlicher Seite auf die Abhaltung der Bundesversammlung in Berlin verzichtet werde.
Bonn (AP). Mit einem umfangreichen Katalog starker Bedenken haben gestern die Bundesreqhts^nwaltkammer und der Deut-- sehe Anwaltverein die von SPD und CDU/ CSU ins Auge gefaßte Einführung einer „Vorbeugehaft“ für potentielle Wiederholungstäter abgelehnt Die vorliegenden Gesetzentwürfe sehen vor, daß sogenannte Serien- und Mehrfachtäter auch vor einem rechtskräftigen Urteil in Haft genommen werden können, wenn die Gefahr weiterer Straftaten begründet erscheint. Die Parteien motivieren ihren Vorstoß mit einer wirksameren Bekämpfung von Eigentums- und Roheitsdelikten.
Namens der beiden Anwaltsverbände betonte der Bonner Strafrechtler Professor Hans Dahs vor der Presse in Bonn, die Verhaftung eines Verdächtigen zum Zwecke der Verbrechensverhütung wäre eine obrigkeitsstaatlich gefärbte, verwerfliche Reaktion, die
eingezogen werden, nicht doch eine „besondere Abgabe“ leisten sollten.
Der SPD-Abgeordnete Buchstaller kam ebenfalls auf die Frage der Wehrgerechtigkeit zu sprechen. Buchstaller vermied es aber, Überlegungen in seiner Fraktion über eine Kürzung des Grundwehrdienstes vorzutragen. Er sagte lediglich, man müsse entweder alle Wehrpflichtigen einziehen oder aber einen Ausgleich schaffen. Dabei müßten auch bisher als „tabu“ geltende Regelungen in Frage gestellt werden.
Buchstaller kritisierte, daß in der Bundeswehr das Verhältnis zwischen Offizieren und Unteroffizieren nicht besser geworden sei. Die gesellschaftliche Anerkennung
Hamburg/Bonn (dpa/AP). Die Meinungen der Experten über die Frage, ob der Untergang des am 14. September 1966 mit 19 Besatzungsmitgliedern in der Nordsee gesunkenen U-Bootes „Hai“ auf personelle Unzulänglichkeiten zurückzuführen ist, gehen offenbar weit auseinander.
Während das Bundesverteidigungsministerium aufgrund des Ermittlungsverfahrens des schleswig-holsteinischen Justizministeriums die volle Eignung des Kommandanten, Oberleutnant Joachim-Peter Wiedersheim, herausstellte, hat der Vorsitzende des Havarieausschusses, Flottenadmiral O. Kretschmer (Kiel) nach einem Bericht der Tageszeitung „Die Welt“ im Zusammenhang mit der Katastrophe scharfe Kritik an der Marineführung geübt. Wie die Zeitung gestern berichtete, hat der Havarieausschuß nach Angaben Kretschmers erhebliche Mängel „im wehrtechnischen Bereich, in der Ausbü- dung und in der Personalführung der U-Boot-Flotte“ festgestellt. Oberleutnant Wiedersheim habe zu wenig praktische Erfahrungen gehabt und deswegen nicht die
geeignet sei, die wahren Gründe der vorhandenen Übelstände zu verdecken. Die Entwürfe müßten' auch schon deshalb abgelehnt werden, weil sie den Richter zu einem Organ der Strafverfolgung und der Verbrechensverhütung herabsetzen würden. Außerdem erweise sich die Spannweite für die Anwendung der Vorbeugehaft als „unerträglich groß“.
Mit Sorge bedenke man auch, daß der vorgeschlagenen Neuerung bei Verdacht auf Körperverletzung eine Zielrichtung auf die studentischen Demonstrationen zugeschrieben werden könnte, erklärte Dahs weiter. So könnte ein der gefährlichen Körperverletzung wiederholt verdächtig gewordener Demonstrant schon in Vorbeugehaft genommen werden, wenn er während einer Demonstration lediglich bei einem Steinhaufen stehend angetroffen werde.
der Unteroffiziere müsse aber schon in der Bundeswehr beginnen. Es sei für die weitere Entwicklung der deutschen Streitkräfte nicht förderlich, wenn sich das Unteroffizierskorps weiter abkapsele.
Der FDP-Abgeordnete Schulz forderte Bundestag und Bundesregierung auf, die Anregungen des Wehrbeauftragten in Zukunft ernster zu nehmen. „Wir müssen uns hüten, daß der Bericht zum Kummerkasten wird, der hier vom Parlament dann abgelegt wird“, warnte er. Schulz kritisierte die Bundesregierung, sie habe vor allem in der Versorgungsfrage die Fehler erkannt, aber nichts geändert.
NATO-Verteidigungspläne sollen eingehalten werden
Brüssel/Bonn (dpa). Auf eine strikte Einhaltung des neuen NATO-Verteidigungspla- nes für die Jahre 1969 bis 1973 haben die Generalstabschefs der militärisch integrierten NATO-Länder gestern in Brüssel gedrängt. Der Fünf-Jahres-Verteidigungsplan, der heute in Brüssel der Konferenz der NATO-Verteidigungsminister zur Verabschiedung vorgelegt wird, enthält im besonderen die nach der CSSR-Krise beschlossenen Verbesserungen der NATO-Abwehrbe- reitschaft. Für die Bundesrepublik werden diese Verstärkungen Mehrausgaben bis zu 2,5 Milliarden Mark (verteilt auf vier Jahre) mit sich bringen. Das Bundeskabinett hat gestern den von Bundesverteidigungsminister Schröder geforderten Mehrbetrag von 2,5 Milliarden Mark bewilligt.
Voraussetzungen für diesen Posten erfüllt. Er habe kein Kommandantenzeugnis besessen und nach Ansicht des Ausschusses auch keins bekommen dürfen. Dagegen hatte das Verteidigungsministerium in seinem Kommunique betont: „Seine Qualifikation als Kommandant war mit seiner Ernennung gegeben.“
Nach Angaben Kretschmers hätte nach den Erkenntnissen des Havarieausschusses im übrigen kein Wasser in den Bootskörper gelangen können, wenn die entsprechenden Ventile dicht gewesen wären und die Luft durch das Turmluk in das Boot geströmt wäre. Das sei nicht der Fall gewesen. Dieser Bedienungsfehler der Mannschaft habe wahrscheinlich seine Ursache in einer falschen Betriebsvorschrift gehabt. Der Bericht nennt auch Mängel in der Ausbildung der Besatzung von „Hai“ und fehlende Dienstaufsicht. Bei dem Unglück waren 19 der insgesamt 20 Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen.
Die Kritik an der Marineführung wegen des Unterganges der „U-Hai“ hat jetzt auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Generalstaatsanwalt Nehm in Schleswig, der die Ermittlungen über die Katastrophe seinerzeit geleitet hatte, erklärte gestern gegenüber Associated Press, er werde den durch eine Indiskretion bekannt gewordenen marineintemen Havariebericht unverzüglich anfordem.
Weitere Ermittlungen gegen Müller-Roschach
Frankfurt (AP). Gegen den deutschen Botschafter in Lissabon, Dr. Herbert Müller- Roschach, der im April vorigen Jahres im Frankfurter Judenmord-Prozeß einen Meineid geschworen haben soll, wird weiter ermittelt. Der Frankfurter Oberstaatsanwalt Dr. Dietrich Rahn teilte gestern mit, seine Behörde habe das in Bonn wegen Meineidverdachts eingeleitete Verfahren übernommen. Er gab jedoch nicht im einzelnen bekannt, was der Diplomat in dem Prozeß gegen den ehemaligen deutschen Gesandten in Sofia Adolf Bechkerle und den einstigen Legationsrat Fritz von Hahn falsch beschworen haben soll.
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| Die unruhigen Studenten
jj Eine Gruppe von Sozialwissenschaftlern E der Organisation für wirtschaftliche Zusam- S menarbeit und Entwicklung (OECD) hat die S Studentenunruhen in aller Welt untersucht S und das Ergebnis jetzt veröffentlicht. Drei E Hauptursachen wurden festgesteilt, die die- E sen Unruhen gemeinsam sind:
E 1. Die Unsicherheit hinsichtlich der blei- S benden, über die materielle Zufriedenheit S hinausgehenden Ziele der Gesellschaft und E der Wunsch der Studenten, als erwachsene E Menschen das Schicksal der Universität und 1 einer neuen Gesellschaft mitzugestalten.
= 2. Beunruhigung der Studenten über ihre
I berufliche Zukunft nach dem Examen vor al- = lern in Wissenschaftsbereichen, die nicht auf I bestimmte Berufe hinführen.
I 3. Unzufriedenheit mit der inneren Struk- I tur, der Organisation, dem Inhalt und den | Methoden des Erziehungssystems.
I Zum gesellschaftspolitischen Hintergrund = der Studentenunruhen heißt es in dem Be- I rieht, die politischen Parteien bestünden I nach wie vor auf der Grundlage überholter | ideologischer Konzeptionen mit der daraus I folgenden Abnahme an Idealismus und Zu- I nähme an Zynismus. Die Studenten, die = heute auf jeder Altersstufe zwei bis drei I Jahre weiter seien als vor 50 Jahren sollten I deshalb nicht getadelt, sondern ermutigt I werden, wenn sie konstruktive Vorschläge | machten. A. P.
E Israels Atomraketen
E Das absolute Verbot Frankreichs, Waffen § und Ersatzteile irgendwelcher Art an Israel I zu liefern — das durchaus zur friedlichen I Entwicklung im Nahen Osten beitragen | könnte, wenn es auch von allen anderen | Staaten übernommen und gegenüber den 5 Arabern wirksam würde —, hatte merkwür- E digerweise in Israel selbst kaum jene Be- E stürzung ausgelöst, die man angesichts der S Ausrüstung der israelischen Verbände mit S Material aus Frankreich erwarten mußte. S Während man sich in Frankreich selbst und = in weiten Teilen des Auslandes noch über E diese einseitige Maßnahme de Gaulles em- = pörte (statt ein allgemeines Waffenembargo I für den Nahen Osten zu fordern), gab man I sich in Israel gelassen.
E Die israelische Generalität ließ mitteilen, I sie habe bereits seit Monaten so vorge- | sorgt, daß jetzt durch die Unterbrechung al- | ler Lieferungen aus Frankreich kein Schaden | entstehen könne. Ministerpräsident Levi 1 Eschkol erklärte, Israel werde andere Wege 1 finden, um seine Verteidigungskraft zu er- S halten. Diese ebenso ruhigen wie etwas my- E steriösen Reaktionen haben nun durch die S US-amerikanische Rundfunkstation NBC E trotz eines Dementis der israelischen Atom- | Kommission eine ebenso einleuchtende wie I glaubwürdige Erklärung gefunden.
= Die britischen Voraussagen, daß Israel bis § 1970 aus eigener Kraft atomare Waffen ent- = wickeln könnte, sind nach NBC überholt. | Tatsächlich sei das Land bereits im Besitz | von Atombomben oder werde, sie doch in- | nerhalb kürzester Zeit produziert haben. | Gleichzeitig stellte Israel, nach NBC, auch | Boden-Boden-Raketen her.
| Sollte dies zutreffen, so lägen die wichtig- S sten Gebiete aller arabischen Nachbarstaa- E ten Israels im Feuerbereich atomarer Mit- E telstreckenraketen. Es kann nicht einen Au- S genblick Zweifel daran bestehen, daß Tel E Aviv im Falle einer neuen militärischen Aus- E einandersetzung von dieser Waffe Gebrauch = machen würde.
= Damit ist über Nacht eine Gefahr am Ho- I rizont aufgetaucht, vor der die großen Atom- I mächte — und mit ihnen die ganze Welt — | seit Jahren Furcht hatten: Die Auslösung | eines Atomkrieges durch eine kleine Macht. | Zwar wäre in diesem Zusammenhang kaum I zu befürchten, daß der Einsatz israelischer | Atomwaffen die beiden großen Atommächte = in einen entsprechenden Konflikt verwickeln | würde. Dennoch wäre die Situation ernst geil nug. K. A.
Offene sowjetische Drohungen
Abrassimow wollte Bundesversammlung in Berlin verhindern
Rechtsanwälte gegen Vorbeugehaft
Verfassungsmäßigkeit bezweifelt / Studentische Demonstranten gefährdet
Neue Kritik an U-Hai-Kapitän
Admiral Kretschmer kritisiert Marineführung wegen des U-Boot-Unglücks
FEUILLETON:
Egon Madsen tanzte in Köln
In „Giselle“ mit Ana Cardus / Das Publikum war begeistert
Viel geschmäht als „alter Zopf“ von den Anhängern des modernen Bewegungstanzes, geliebt und bewundert von den Freunden des klassischen Balletts, hat sich „Giselle“ gleichwohl auf den Opernbühnen der alten und neuen Welt behauptet. Die Freude an ihrer unvergänglichen Schönheit triumphiert über edle Einwände gegen das Alter dieses 1841 in Paris uraufgeführten Balletts von Vemoy de Saint-Georges (Buch) und Adolphe Adam (Musik), das seine Lebenskraft immer wieder durch die Meisterschaft der Interpreten bestätigt.
Die Brillanz der Kölner Aufführung von „Giselle“ oder „Die Wilis“ durch Peter Wright in der Choreographie Jean Corallis und Jules Perrots hielt Drama und Tanz in schwebendem Gleichgewicht und besaß auch im Dekorativen eine Stilhoheit, die den Einfluß von Jahn Cranko, dem Lehrmeister Wrights, nicht verleugnete.
Federleicht wie ein Traumbild, gelöst und innig in der Gebärde, zuerst leicht kokett in der Erscheinung, dann ergreifend in der Wahnsinnsszene tanzte Ana Cardus die Winzerstochter Giselle. In dem Dänen Egon Madsen (Stuttgart), der mit stupender Sprungkraft und jugendlicher Mä nnlichk eit, den Herzog Albrecht verkörperte, hatte sie den kongenialen Partner. Aber auch Monica Rogalsky als Geisterkönigin der Wilis, der vor der Hochzeit in den Tod getriebenen Bräute, und Helmut Baumann als dämonischer Waldhüter Hilarius waren plastisch Umrissen. Das Corps de ballet zeigte einen bewundernswerten Ensemblegeist. Beifalls-
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Das Naturbild
Eine Dame sagte zu dem Maler Corinth: „Sehen Sie doch diesen Blick, Meister! Ist das nicht wie ein echter Corinth?“ Corinth: „Ja, allmählich kommt die Natur auch auf den Dreh.“ (dpk)
stürme unterbrachen immer wieder die glanzvolle Aufführung.
Der „Giselle“ voraus ging als sinfonisches Vorspiel ein zertanzter Haydn. Gise Furt- wängler, die mit Ende der Spielzeit die Leitung des Balletts an Peter Appel abgibt, hatte die kaum bekannte D-Dur-Sinfonie (Nr. 57) von Haydn für zwei Solopaare und eine Gruppe von vier Tänzerinnen und acht Tänzern choreographiert, ein sich in ornamentale Figuren und Miniaturen verflüchtigendes Spiel. F. H.
Die Zeitschrift für Strahlungskunde der Moskauer Akademie der Wissenschaften wartet mit der sensationellen Mitteilung auf, daß die Gehirnfunktionen des Menschen auf die Strahlungsverhältnisse des Planeten Erde und seiner näheren kosmischen Umgebung zugeschnitten sind. Die Analyse bestimmter kosmischer Strahlen lasse den Schluß zu, daß die Gehimfunk- tionen des Menschen bei Annäherung an die Sonne über die Bahn des Planeten Venus hinaus erheblich verändert würden, wenn es nicht gelinge, für diesen Zweck eine besondere Schutzkleidung und Innenlegierung für Raumschiffe zu entwickeln.
Die Veränderung der Gehimfunktionen äußere sich in Form einer geistigen „Überproduktion“. Aus Erdmenschen würden unter dem um ein Vielfaches verstärkten Sonneneinfluß „kosmische Superwesen“, deren geistige Regsamkeit sich außerordentlich entwickle. Das Denken erfahre eine unnatürliche Expansion, von der noch niemand wisse, wie sie gesteuert und beherrscht werden kann.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung ist damit zu rechnen, daß der
Arrabal enttäuschte
Die als Schocksensation angekündigte Uraufführung des neuen Bühnenwerkes „Die rote und schwarze Morgenröte“ von Arrabal ließ in Brüssel das Publikum kalt. Es ging um die Darstellung von Protestaktionen in vielen Formen. Eingeblendet wurden Filmstreifen, Tonbänder, Funkreportagen. Der Lärm erreichte eine hohe Phonzahl. Die Sexausschweifung bestand aus einem nackten Mann, der zehn Sekunden von hinten zu sehen war. (AR)
Felsensteins „Traviata"
Walter Felsensteins neue Übersetzung der „Traviata“ von Verdi kommt nach der Premiere in Ost-Berlin noch an 13 anderen Theatern heraus, so in Freiburg, Kassel, Münster, Stuttgart, Graz, Luzern und Straßburg.
Mensch bereits in der Zone zwischen Venus und Merkur wahnsinnig wird und in der noch engeren Sonnenbahn eines neuartigen Gehirntodes stirbt, weil er „rein organisch“ die Überproduktion des Gehirns nicht zu verkraften vermag.
Die Forschung richtet ihr Augenmerk, wie es heißt, nunmehr auf die „Sonnenchromosomen“, die einen Schlüssel dafür enthalten sollen, welchen Einfluß die außerhalb der Lufthülle auftretende kosmische Sonnenstrahlung auf die Zellkerne, die Kernschleifen in ihnen und die Knochensubstanzbildung hat. Wenn sich die angenommene Gesetzmäßigkeit im Sinne der Addition der Gehirnfunktionen bei der Richtung auf die Sonne und der Subtraktion bei entgegengesetzter Richtung durch weiter in den Weltraum vordringende unbemannte Satelliteen auf der Basis einer mathematischen Formelreihe bestätigt, so würde das bedeuten, daß Kosmonauten auf der Reise über den Mars hinaus zu den ferneren Planeten nachlassende Gehimfunktionen zu beklagen hätten und damit „dümmer“ würden. Sie müßten also dagegen geschützt werden, plötzlich die Apparaturen ihres
Der Weltraum verändert die Gehirnfunktion
Gefahr für Kosmonauten: Überproduktion des Denkens / Sonne macht reger
Raumschiffes nicht mehr zu verstehen, in Apathie zu verfallen und aus der vermutlich einem Tiefschlaf gleichenden „Ge- himleere“ nicht mehr zu erwachen.
P. E. H.
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Von der Schwierigkeit, Pelzwerk zu malen, wußten die Maler aller Zeiten ein Lied zu singen.; Wie es die großen Meister aber dennoch vollendet fertigbrachten, das zeigt die Monatszeitschrift „Die Kunst und Das schöne Heim“ (Verlag Karl Thiemig KG, München) in ihrem Januar-Heft. In einem kulturgeschichtlich fundierten Beitrag von Dr.. A. Wagner, „Pelze — seit der Steinzeit in Mode", wird mit einer Reihe typischer, größtenteils farbig wiedergegebener Bildbeispiele die Darstellung von Pelzwerk in der Malerei belegt. Vom Mittelalter bis in unser Jahrhundert gibt die bildende Kunst Auskunft über den Grad der Beliebtheit von Pelzbekleidung und über die wechselnden Moden. Der Bildfolge entnehmen wir die Zeichnung von Henri de Toulouse-Lautrec (1864—1901) „Frau mit Pelzkragen und Muff“.
Karlsruher Theaterpläne
In Karlsruhe hofft man, daß der seit Jahren erwartete Neubau des Badischen Staatstheaters 1969 seiner Verwirklichung ein gutes Stück näher kommt.- Generalintendant Hans Georg Rudolph glaubt, daß mit dem Neubau spätestens 1970 begonnen wird und stützt sich dabei auf die Zusage zahlreicher Landespolitiker, dem Projekt ihre Hilfe zuteil werden zu lassen. Bis es soweit ist, will das Badische Staatstheater durch verstärkte Aktivität bei der Spielplangestaltung sein Bemühen um gutes Theater weiter beweisen. So ist für dieses Jahr, wie der Generalintendant weiter erklärte, eine ganze Reihe von Ur- und Erstaufführungen vorgesehen. Schon am 18. Januar kommt als deutsche Erstaufführung die Oper „La Passion Selon Sade“ von Sylvano Bussotti, die bisher in Palermo, Warschau, Stockholm, New York, Buffalo und Mailand gespielt wurde. Am 8. März folgt die Uraufführung des Schauspiels „Kurzschluß“ von Peter Zeindler und am 25. Mai als weitere Uraufführung „Ein permanenter Dämmerschoppen“ von Richard Hey. Mit „Ballett total“ steht am 8. Juni eine szenische Uraufführung auf dem Programm und am 11. Juli wird „Gierig, kundig, eingedenk“ von Reinmar Lenz uraufgeführt. Hinzu kommen mehrere Gastspiele auswärtiger Ensembles. (dpa)
Kulturnachrichten
Das Münchner „Theater der Jugend”, das bisher unter privater Leitung über einen Verein finanziert wurde, ist seit Anfang dieses Jahres Bestandteil der Städtischen „Kammerspiele“. Zur künstlerischen Leitung des Theaters wurde der 31 Jahre alte Dr. Norbert Mayer berufen, zuletzt Chefdramaturg und Spielleiter in Osnabrück.
Die Chefdramaturgen der Münchener Kammerspiele und des Bayerischen Staatsschauspiels in München, Ivan Nagel und Ernst Wendt, sind vom zukünftigen Direktor des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, Hans Lietzau, in die Dramaturgie des Theaters verpflichtet worden.