KREISNACHRICHT
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Unabhängige Tageszeitung und Amtsblatt für die Stadt und den Kreis Calw
Gegründet 1826 / Nr. 8
Samstag, 11. Januar 1969
Einzelpreis 30 Pfennig 2 H 2033 A
Bonn und Moskau wollen ihre Gespräche fortsetzen
Sowjetbotschafter Zarapkin bei Außenminister Brandt Kreml an Verbesserung der Beziehungen interessiert
Von unserer Bonner Redaktion
Bonn. Bundesaußenminister Willy Brandt und der sowjetische Botschafter in Bonn, Semjon Zarapkin, haben gestern eine Wiederaufnahme der deutsch-sowjetischen Gespräche vereinbart. Die Fortsetzung der Gespräche soll „in den nächsten Monaten“ erfolgen. Sie soll sich nicht nur auf praktische Fragen beziehen, die beide Staaten berühren, sondern auch auf „allgemeine politische Fragen“. Ob darunter auch ein weiterer Meinungsaustausch über die Frage eines gegenseitigen Gewaltverzichts zu verstehen ist, geht aus den amtlichen Verlautbarungen nicht hervor.
Brandt hatte den Botschafter gestern morgen auf dessen Wurtsch kurz nach seiner Rückkehr aus Moskau empfangen. In dem Gespräch hat Zarapkin „den Wunsch seiner Regierung nach Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten“ zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig hat Zarapkin allerdings auch die sowjetischen Einwendungen gegen die Veranstaltung der nächsten Bundespräsidentenwahl in West-Berlin wiederholt. Ob der Botschafter dabei offene
Semjon Zarapkin und Willy Brandt
England steht allein
London (AP). In der Rhodesien-Debatte der Commonwealth-Konferenz in London ist die Uneinigkeit zwischen Großbritannien und seinen 27 Partnern gestern unverhüllt zutage getreten. Der britische Premierminister Harold Wilson bestand in seiner abschließenden Rede auf dem Recht Großbritanniens, mit dem weißen Minderheitsregime des rhodesischen Ministerpräsidenten Ian Smith eine ehrenhafte Einigung über eine neue Verfassung auszuhandeln. Die Regierungschefs fast aller übrigen Commonwealth-Länder hatten in ihren vorausgegangenen Reden die gegenteilige Ansicht vertreten und gefordert, daß die britische Regierung den Kompromißplan, den Wilson Smith im vergangenen Herbst auf dem britischen Kriegsschiff „Fearless“ übergeben hatte, zurückziehen müsse. Dies wurde von dem britischen Regierungschef rundweg abgelehnt.
Konfetti-Regen in New York auf Apollo-Mannschaft
New York (dpa). Die Stadt New York bereitete gestern den drei Apollo-8-Astronau- ten einen triumphalen Empfang, dessen Höhepunkt eine Konfetti-Parade in Manhattan, ein Empfang durch Bürgermeister J ohn Lindsay auf den Stufen des Rathauses, ein Besuch in den Vereinten Nationen und ein Gala-Diner im New Yorker State Theater waren. Die drei Astronauten trafen aus Washington kommend auf dem New Yorker La-Guardia-Flughafen ein und fuhren zusammen mit ihren Frauen und Kindern in einer Autokolonne zum Finanzviertel an der Südspitze von Manhattan, wo sie von den New Yorkern mit einer Konfettischlacht begrüßt wurden.
oder versteckte Drohungen ausgesprochen hat, ist noch nicht bekannt. Mit Sicherheit hat er aber geltend gemacht, daß die Aktivität des Bundes in West-Berlin eine Belastung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses darstelle. Brandt, der Zarapkin im Beisein von Staatssekretär Duckwitz empfing, wies die sowjetischen Einwendungen zurück.
Unter den „praktischen Fragen“, die zwischen den beiden Regierungen erörtert werden sollen, ist dem Vernehmen nach in erster Linie das deutsch-sowjetische Luftverkehrsabkommen zu verstehen, über das im Februar weiter verhandelt werden soll. Daneben denkt man aber auch an eine Erneuerung der Grundlagen für den deutsch-sowjetischen Handel. Der Abschluß des neuen französisch-sowjetischen Handelsabkommens, das eine Verdoppelung des Warenaustausches in den nächsten Jahren vorsieht, hat nach Ansicht der Bundesregierung das sowjetische Interesse an einer Ausweitung des Handels mit den westlichen Staaten deutlich erkennen lassen.
In Bonner' diplomatischen Kreisen wird Genugtuung darüber geäußert, daß sich bei dem Gespräch zwischen Brandt und Zarapkin der Eindruck bestätigt hat, den Brandt bei seiner Unterredung mit dem sowjetischen Außenminister Gromyko im Spätherbst in New York gewonnen hatte: Die Sowjetregierung will den Dialog mit Bonn, der im vorigen Sommer mit der Veröffentlichung von Teilen des geheimen Notenwechsels zwischen beiden Regierungen abgebrochen war, wieder aufnehmen. Allerdings neigt man auch im Auswärtigen Amt dazu, an diese Tatsache keine übermäßig großen Erwartungen zu knüpfen. Es besteht völlige Klarheit darüber, daß die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen fortbestehen.
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Der Wettlauf.
Israel: Sowjetischer Friedensplan nicht annehmbar
Präsident Johnson soll angeblich vor seinem Rücktritt Nahost-Initiative entfalten
Jerusalem/Kairo (dpa/AP). Die israelische Antwort auf den sowjetischen Friedensplan für den Nahen Osten kann nach Aussage politischer Kreise Jerusalems nur „nein“ lauten. Ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem erklärte, der sowjetische Plan komme auf arabische Vorstellungen zurück, die vom israelischen Standpunkt aus „keinesfalls in Frage“ kämen, hauptsächlich deshalb, weil Israel keinen Schritt von seiner Forderung nach einem Verhandlungsfrieden abzugehen bereit ist. Die Regierung Johnson wird die sowjetischen Vorschläge für ein gemeinsames Vorgehen der vier Großmächte zur Regelung des Nahost-Konflikts nach einer Meldung der halbamtlichen Kairoer Zeitung „Al Ahram“ in den nächsten Tagen „positiv“ beantworten.
In der Korrespondentenmeldung des Blattes aus New York heißt es, Vertreter der Regierung Johnson hätten in Zusammenarbeit mit dem Stab des designierten neuen Präsidenten Richard Nixon, vor allem mit dem kommenden neuen UN-Botschafter der USA, Charles Yost, die sowjetischen Vorschläge in den vergangenen Wochen eingehend geprüft. Von informierter amerikanischer Seite sei versichert worden, daß Johnson plane, vor seinem Ausscheiden aus dem Amt Initiativen im Nahost-Konflikt zu entfalten.
Zwar liegt von dem sowjetischen Plan bisher keine offizielle Fassung vor, doch haben die seit Tagen umlaufenden Versionen nach Meinung von Beobachtern die zugrundeliegende Konzeption erkennen lassen. Als die am ehesten authentisch klingende Fassung betrachtet man in Jerusalem die gestern von
„Al Ahram“ veröffentlichte und auch von westlichen Diplomaten in Kairo verbreitete Version.
Danach sollen Israel und seine arabischen Nachbarn erklären, daß sie die Nahost-Resolution des Weltsicherheitsrates vom 22. November 1967 annehmen und verwirklichen. Mit Hilfe des UN-Sonderbeauffragten Gun- nar Jarring sollen sich die Beteiligten auf einen „Fahrplan“ für die Erfüllung der Entschließungen einigen. Außerdem enthält der sowjetische Plan „Al Ahram“ zufolge folgende Punkte:
1. Rückzug der Israelis aus den arabischen Gebieten, die sie nach dem 5. Juni 1967 besetzt haben, und Rückkehr der arabischen Verwaltung in diese Gebiete, einschließlich der Polizei und Armee.
2. Beendigung des Kriegszustandes nach
Die US-Mondmannschaft steht fest
Astronauten Armstrong, Collins und Aldrin sollen Erdtrabanten betreten
Washington (dpa). Die amerikanischen Astronauten Neil A. Armstrong, Michael Collins und Edwin Aldrin werden die ersten Menschen sein, die eine Landung auf dem Mond versuchen. Die Ernennung wurde jetzt in Washington von der Raumfahrtbehörde (NASA) bekanntgegeben. Die Landung ist für Juli dieses Jahres geplant.
Der entscheidende Mondlandungsflug soll mit „Apollo 11“ unternommen werden. Das Startfenster für „Apollo 11“ öffnet sich zwischen dem 15. und dem 22. Juli. Bei Verschiebungen kann der Flug auch zwischen dem 13. und dem 21. August starten.
Neil Armstrong, Kommandant, Michael Collins, Kapselpilot, und Edwin Aldrin, Mondfährenpilot, sind erfahrene Astronauten. Armstrong mußte mit „Gemini 8“ im März 1966 notlanden. Edwin Aldrin hält den Rekord im „Weltraumspaziergang“ mit 129 Minuten.
Die Ernennung der Landungsmannschaft ließ zunächst offen, ob es überhaupt einen Flug „Apollo 10“ geben wird oder ob dafür
Jetzt zwei Sonden zur Venus
Sowjetunion startete gestern morgen neue Raumstation zum Morgenstern
Moskau (dpa). Zwei sowjetische Raumsonden sind auf dem Weg zum sonnennäheren Nachbarplaneten der Erde, der Venus. Gestern in den frühen Morgenstunden folgte „Venus 6“ von einem Startplatz der Sowjetunion ihrer Vorgängerin „Venus 5“, die diese Reise bereits am vergangenen Sonntag angetreten hatte. Beide Stationen, so berichtete gestern nachmittag die amtliche Nachrichtenagentur TASS, funktionieren normal.
Die beiden Raumsonden sollen den wolkenverhüllten Planeten Mitte Mai erreichen und langsam auf dessen Nachtseite zur Oberfläche hinabschweben. Aus den über
mittelten Meßdaten erhoffen sich die sowjetischen Wissenschaftler neue Aufschlüsse über die Temperaturen, den Druck und die Zusammensetzung der Atmosphäre.
Mit ihrem Doppel-Unternehmen im interplanetaren Raum will die Sowjetunion die Erkenntnisse vertiefen, die ihre Sonde „Venus 4“ im Oktober 1967 bei der ersten wissenschaftlich auswertbaren Landung eines irdischen Flugkörpers auf einem Planeten erzielt hatte. Den USA sind bisher zwei Erfolge mit Venus-Raumsonden der Serie „Mariner“ gelungen, die beide — 1962 und 1967 — beim Vorbeiflug wertvolle Informationen zur Erde übermittelten.
„Apollo 11“ einrückt. „Apollo 10“ kann übersprungen werden, wenn der nächste, am 28. Februar startende Flug von „Apollo 9“ voll erfolgreich ist und die Einsatzreife der Mondfähre in einer Erdkreisbahn beweist.
Wenn „Apollo 11“ eine Mondkreisbahn erreicht hat, werden Kommandant Armstrong und Mondfährenpilot Edwin Aldrin das „Beiboot“ der Raumschiffskombination besteigen und rund 100 Kilometer zur Mondoberfläche „hinunterfliegen“. Nach der weichen Landung sollen die Astronauten Bodenproben einsammeln, sich in eine Fernsehsendung einschalten, und Geräte verankern. Die Aufenthaltsdauer der ersten Menschen, die den Mond betreten, ist nach den letzten Planungen auf drei Stunden beschränkt worden, da eine schnelle Erschöpfung befürchtet wird.
Vollzug des Abzuges (Anmerkung: Offenbar durch Erklärung vor dem Sicherheitsrat).
3. Fortsetzung der Tätigkeit des UN-Sonderbeauffragten Jarring zur Lösung des Flüchtlingsproblems und der Frage des Rechts auf freie Schiffahrt in internationalen Gewässern.
4. Der Sicherheitsrat kann eine Resolution über die Entsendung einer intemationafen Friedensstreitmacht an die Konfliktsgrenzen beschließen.
5. Eine Garantie des Sicherheitsrates für die Grenzen des ganzen Gebietes.
Nach Meinung von Beobachtern in Jerusalem ist unter diesen fünf Punkten nicht einer, den Israel akzeptieren könnte, ohne das Steuer seiner Politik um 180 Grad herumwerfen zu müssen. Das aber ist, so meint man in Jerusalem, im Wahljahr noch weniger zu erwarten als sonst.
Zu Punkt 1 des Plans in der in Kairo verbreiteten Version meint man in Israel, die Räumung der besetzten Gebiete ohne vorherigen Friedensschluß sei ein einem Selbstmordversuch gleichkommendes Sicherheitsrisiko. Aus demselben Grund muß nach dieser israelischen Auffassung auch Punkt 2 abgelehnt werden.
Die in Punkt 4 angesprochene Möglichkeit der Entsendung einer UN-Streitmacht in die Grenzgebiete würde deren Entmilitarisierung bedeuten. Das erscheint den Israelis kaum annehmbar angesichts der Tatsache, daß sich ihr Sicherheitssystem stellenweise sehr auf „Wehrsiedlungen“ verläßt.
Kein Besuch französischer Kriegsschiffe in Beirut
Beirut (dpa). Ein Sprecher der libanesischen Regierung erklärte gestern in Beirut, daß eine Ankerung von Einheiten der französischen Marine im Beiruter Hafen „nicht zur Debatte steht“ und die libanesische Regierung Frankreich auch nicht um einen Flottenbesuch gebeten habe. Der Sprecher nahm damit zu Beiruter Presseberichten Stellung, wonach die Regierung Einheiten der französischen Mittelmeerflotte die Erlaubnis zum Anlaufen Beiruts gegeben habe. Die libanesische Regierung erklärte bereits vor mehreren Tagen, daß auch von einer bevorstehenden Ankerung der sowjetischen Mittelmeerflotte in Beirut, als Demonstration der Moskauer Haltung angesichts israelischer Aktionen gegen Libanon keine Rede sei.
Edwin Aldrin
Michael Collins
Neil Armstrong
(Zeichnung: Heyne)
Sprung über den Atlantik
Von. Hans Willauer
In dichten Flocken fiel der Schnee auf die Pisten der US-Luftstützpunkte Spangdah- lem und Hahn in der Eifel, als die „Phan- tom“-Jäger mit schrill heulenden Düsen aufsetzten. Nach einem Nonstop-Flug über den Atlantik, unterwegs in der Luft aufgetankt, waren diese 24 Maschinen als Vorhut von insgesamt 96 „Phantom“-Jägern gelandet Auf dem Rhein-Main-Flughafen waren zur selben Stunde die ersten Truppentransporter niedergegangen und hatten mit der j Ausladung von 12 000 Heeressoldaten begon- ' nen. Wegen des schlechten Wetters hatten am Donnerstag allerdings elf -Transporter nach US-Stützpunkten in Spanien umgeleitet werden müssen.
Das größte Truppenmanöver der USA in Europa unter der Bezeichnung „Reforger I“ hatte begonnen. Es fand von der ersten Stunde an weit mehr Beachtung, als normalerweise einer militärischen Übung zukommt. Für den Westen, in erster Linie natürlich die USA, soll es Bestätigung oder Grund zur Änderung der bisherigen strategischen Konzeption sein, im Osten wird es als „Provokation“ gewertet.
Der Name dieser spektakulären Übung, die in Neu-Mexiko mit dem Start der Maschinen begann und Ende Januar auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr nahe der tschechischen Grenze endet, hat eine doppelte Bedeutung. Wörtlich übersetzt könnte es „Wiedererhärten“ (des Eisens) heißen, andererseits ist es eine Zusammenziehung der Worte „Redeployment of Forces in Germa- ny“, was etwa „Wiederbereitstellung der Streitkräfte in Deutschland“ bedeutet.
Vor knapp zwei Jahren beschlossen die Vereinigten Staaten, 35 000 Soldaten aus dem NATO-Bereich, hauptsächlich der Bundesrepublik, in die USA zurückzuverlegen. Dort blieben diese Einheiten aber weiterhin dem westlichen Verteidigungsbündnis unterstellt. Jedes Jahr einmal sollten die Truppen mit Flugzeugen über den Atlantik nach Europa geflogen werden, um in vierwöchigen Übungen mit ihrem Einsatzgebiet vertraut zu bleiben. Diese „Rotations-Theorie“, zum erstenmal 1963 bei den Manövern „Big Lift“ geübt, wurde von Militärs und Politikern in Europa mit reichlich Argwohn aufgenommen. Die militärischen Fachleute bezweifelten, ob im Ernstfall die Truppen so schnell und unangefochten den Atlantik überqueren könnten, in den Depots in der Pfalz die schweren Waffen aufnehmen und dann dort hinverlegt werden könnten, wo sie benötigt würden. Die Politiker glaubten, eine Verlegung in Krisenzeiten, also vor dem Ernstfall, würde unter Umständen die Spannungen noch vermehren, also gerade das Gegenteil von dem erreichen, was beabsichtigt wäre.
„Reforger I“ wird als Antwort der Amerikaner auf die sowjetische Besetzung der Tschechoslowakei gewertet. Auch daß das eigentliche Feldmanöver ausgerechnet in dem Raum stattfand, in dem der „Schwarze Löwe“ der Bundeswehr im September nicht brüllen durfte, unterstreicht diese Absicht. Washington kündigte den Zeitpunkt der Übung bereits im November an und ließ wissen, ursprünglich sei „Reforger I“ erst für den Sommer geplant gewesen, aber die politische Entwicklung habe eine Vorverlegung des Termins geraten erscheinen lassen. Im übrigen wird die Verlegung der 15 000 Mann und die anschließende Übung über 60 Millionen DM kosten.
Da „Reforger I“ zu einer Zeit geplant wurde, als der neue Präsident der USA noch nicht feststand, daß es abgehalten wird, während in Washington die eigentliche Re- gierungsübemahme erst stattfindet und noch niemand sagen kann, wie Präsident Nixon sich in den großen politischen Fragen entscheiden wird, kann eine politische Bewertung dieser Übung erst im Sommer erfolgen. Zu vieles ist heute noch in der Schwebe.