Nüslunqsfreiheit oder Völkerbundsauslrilt

TU. Berlin, 30. Nov. Dr. Hugenberg hat namens der Deutschnationalen Volkspartei an Reichskanzler Brüning folgendes Telegramm gerichtet:

»Die Vorgänge in der Genfer Abrüstungskonferenz ent­hüllten kraß den bösen Willen Frankreichs und der seine Rüstungspolitik stützenden Staaten in der für die Erhaltung des europäischen Friedens entscheidenden Abrüstungsfrag«. Sie widerlegen zugleich Kurs und Methoden der bisherigen deutschen Außenpolitik. Angesichts dieser Erfahrungen und angesichts der für die ungeschützte Ostmark durch Polens Terror drohenden Gefahren wiederholen wir heute nachdrück­lich unsere Forderung auf Erklärung des Selbsterhaltungs­rechts der deutschen Nüstungsfreiheit. Bei Nichtanerkennung dieses Rechts durch die Versailler Vertragsgegner halten mir den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund, in dem die Gleichberechtigung zur hohlen Phrase wurde, für unerläß­lich. Gez. Dr. Hugenberg."

v. Seeckt über Dounyplan und Abrüstung

Die italienische Zeitung Messager»" veröffentlicht eine Unterredung ihres Berliner Vertreters mit Generaloberst a. D. von Seeckt. Der General bezweifelt, daß Deutsch­land noch lange alle im Noungplan enthaltenen Verpflichtun­gen erfüllen könne, ohne die Lebcnsbeöingungen des deut­schen Volkes dadurch schwer zu beeinflussen. Tentschland könne nur dann erfüllen, wenn es von den anderen die nötige Unterstützung erhalte. Deutschland stehe zurzeit unter dem Eindruck der Verfolgungen von deutschen Bürgern in Po­le n. Es sei Recht und Pflicht des Völkerbundes, seine ganze Autorität wirken zu lasten, damit eine Minderheit, die sich unter seinen Schutz begebe, geachtet werde. Auf die vorbe­reitende Abrüstungskonferenz übergehend, sagte Seeckt: Deutschland werde mit den anderen Staaten nur dann znsammengchen, wenn die Lösung der Abrüstungs- frage dem, was in dem Versailler Vertrag festgesetzt worden sei, sowie der Grundidee des Völkerbundes, die ans die Gleichheit der Völker hinzielc, gebührend Rechnung trage. Deutschland sei nur dann eine ernste Garantie des Frie­dens, der Ordnung und der Gerechtigkeit, wenn es über eine entsprechende militärische Stärke verfüge, die seine Sicherheit gewährleiste.

Keine Winlerbeibilfe des Reiches

für Erwerbslose und Kleinrentner.

Im HauSHaltsausschuß des Reichstages wurde letzte Woche erneut über den kommunistischen Antrag verhandelt, der eine Winterbeihilfe für die Arbeitslosen, die So - zial-und Kleinrentner verlangt. Neichsfinanzmini- ster Dietrich führte dazu aus, der Antrag würde einen Aufwand von 354 Millionen erfordern. Er sehe keine Mög­lichkeit, eine ordnungsmäßige Deckung hierfür zu beschaffen. Nach längerer Aussprache wurde der Antrag gegen die Stim­men der Antragsteller und der Nationalsozialisten bei Stimm­enthaltung der Deutschnationalen abgelehnt mitsamt den Zu­satzanträgen der Deutschnationalen und der Wirtschaftspar­tei, welche die Wintcrbcihilfe in Naturalien gewähren woll­ten. Der Ausschuß setzte dann die Beratung der Notver­ordnung bei dem Abschnitt fort, der die Erschließung von Einnahmequellen für die Gemeinden behandelt.

Unzulängliche Anrarpolilik

Eine Entschließung der de»tsch-n Bauernschaft.

Die Deut sch eVauernschaft faßte nachstehende Ent- schli ßung: Die Ursachen des Mißerfolges der amtlichen Agrarpolitik liegen darin, baß ihre Führung sich im wesent­lichen darin erschöpft, die Auswirkungen der niedrigen Ge- treiüeweltmartkpreise von dem deutschen Getreidebau abzu­wenden. Bei aller An rkennung der Notwendigkeit ausrei­chender Gctreibcpreise für die Bauernwirtschaft muß festge­stellt werden, daß der Kernpunkt der Unrentabilität in der Landwirtschaft, die Hebung und Förderung der Veredelungs- Produktion, fast völlig übergangen wird. Alles was auf di:- sem Gebiet in der letzten Zeit geschehen ist, z. B- Regelung des deutsch-finnischen Handelsvertrages und die Verabschie­dung des Reichsmilchgesctzes können dem Bauertum keine Hilfe bringen, solange nicht die Voraussetzung für ihre Aus­wirkung, nämlich elne gut sunktioniercnge Absatzorgani- saston für milchwirtschaftliche Produkte, geschaffen ist. Im Gegenteil, die Inkraftsetzung des NeichSmilchgcsetz s ohne Sicherung und Regelung des Absatzes für milchwirtschaftliche Produkte zwingt die Landwirtschaft zu neuen Investierun­gen, ohne daß ihr die Garantie ausreichender Preise gege­ben wird. Auch die jetzt bekannt gewordenen Absichten des Neichsernährungsministeriums in Bezug auf die weitere Erhöhung der F u t t e r m i t te l z ö l l e, die die Erzeugung von tierischen Produkten verteuert sowie die Zucker­rübe n anbaukontingentterung, die sich einseitig gegen den bäuerlichen Zuckerrübenanbau richtet, zeigen dem deutschen Bauerntum, daß von der heutigen Agrarpolitik die erwähnte Besterung nicht zu erwarten ist.

Bauernkundgebung gegen Zwangsversteigerungen.

Zu einer großen Bauernkundgebung hatte die Kreis­gruppe Usedom-Wollin des pommerschen Landbundes und das Landvolk im Usedomer Winkel anfgerufen. Die Ver­anlassung hierzu gaben zwei Zwangsversteigerungen bei Landwirten in den Ortschaften Zecherin und Gneventhin. Der Kroisgeschäftssührer des. Landbundes, Buchardi- Swinemünöe wandte sich gegen die ländlichen Zwangsver­steigerungen und protestierte gegen daF heutige Negierungs­und Steuersystem, das dem Landwirt und Bauern das Letzte nehme, nämlich das Erbe seiner Väter. Das Landvolk wolle sich nicht von der heimatlichen Scholle vertreiben lasten. Die Versammlung forderte einmütig die Aufhebung der Zwangs­versteigerungen.

Das Urteil der Wirtschaft

Industrie nnd Handel zu Saniernngsprogramm und Preissenkung.

Der Hauptausschuß des Deutschen Industrie- und Han- LelstageS »ahm nach einem Vortrag des Leiters des Reichs-

wirtschaftsministeriums, Staatssekretär Treudeleuburg, zu dem Finanzprogramm der Reichsregierung und zu der Frage der Preissenkung eine Entschließung an, in der der Wirtschafts- und Finanzplan der Regierung als Anfangs­maßnahme begrüßt und an den Reichstag der Appell z » rascher Tat gerichtet wird. Im einzelnen wird bedauert, daß der Gedanke der Nealsteuersenkung im Reichs­rat in einer Weise abgeschwächt worden sei, die dem Zweck, die gegenwärtige Ucberlastung wirksam zu mindern und die Preissenkung zu untermauern, stark widerspreche. An dem Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes wer­den erhebliche Verbesserungen für nötig erachtet, so insbe­sondere die Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Wirtschafts­betriebe der öffentlichen Hand nnd der der privaten Hand.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag hält eine weitere Anpassung der Warenpreise auf allen Stu­fen der Gütererzeuguug und -Verteilung an die veränderte Weltmarktlage für ein dringendes Gebot der Selbsterhaltung. Indes wird vor allem die Senkung der öffentlichen Lasten, die Ermöglichung von Kapitalbildung nnd eine beweglichere Anpassung der Löhne an die Konjunkturlage für erforderlich gehalten. Wo Preisvereinbarungen einer wirtschaftlich mög­lichen Preissenkung entgegenstehen, müssen die beteiligten Kreise sich freiwillig zu einer Anpassung entschließen. Die Preisabbauaktion habe vielfach zu einer stärkeren Zurückhal­tung der Käufer geführt, als sie aus der Minderung der Ein­kommen zu erklären sei.

Thüringen lehnt Lie Bürqersteuer ab

TU. Weimar, 30. Nov. Im Thüringer Landtag wurde letzte Woche das Gesetz über die Bürgersteuer der Gemein­den mit den Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalsozialisten gegen die übrigen Parteien abge­lehnt. Nach Inkrafttreten der entsprechenden reichsgesetz- lichcn Bestimmungen werden nunmehr die Neichssütze als LandeSsätze selbsttätig Geltung erhalten.

Gegen den Terror

Die große Stndentenknndqcbuug rn der Reichshauptstaot vor der Berliner Universität.

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Der Moskauer Hochverralsprozeß

Im Moskauer Prozeß machte der Sekretär des technischen Institutes, Otschkin, Aussagen über eine Gruppe sowjet- russischer Ingenieure, die seit 1028 bestrebt war, in Rußland ein wirtschaftliches Chaos herbeizuführen. Ramsin habe nicht gewollt, daß nach dem Sturz der Sowjetherrschaft die alte Aristokratie die Führung der Ncgierungsgeschäfte wied.'r übernehmen sollte, sondern daß die Macht den Ingenieuren, denen die Zukunft in Rußland gehöre, zukomme. Otschkin erklärte, er habe gewußt, daß die Organisation Gelder aus Frankreich erhalten habe. Sitnin, der in dem amtlichen Prozeßbericht als der ideologische Organisator der Schäd- ltngsarbeit bezeichnet wird, erklärte, er sei b:strebt gewesen» ein neues Wirtschaftsprogramm zu schaffen, das von vorn­herein unerreichbare Ziffern enthalten sollte, um der Regie­rung ihre Unfähigkeit zu beweisen. In seinen Verhandlun­gen mit englischen Firmen habe er ein halb vom Hundert Provision erhalten. Die gleiche Vereinbarung habe er so­dann auch in Amerika getroffen. Sitnin gab zu, auf diese Weise 100 000 Rubel verdient zu haben. Der oberste Staats­anwalt Krylcnko führte schließlich aus, die Geständnisse der Angeklagten bestätigten die Anklageschrift. Er erhebe gegen sämtliche Angeklagten die Anklage wegen Hochverrat, die als erwiesen zu betrachten sei.

Kleine politische Nachrichten

Die Steuereinnahmen im Oktober. Wie das Reichsfinanz- ministertum mittcilt, sind im Oktober 1S30 an Besitz- und Verkehrssteuern rund 772 Millionen Mark (davon Einkom­mensteuer 244 Millionen Mark) und an Zöllen und Ver­brauchsabgaben 327 Millionen Mark eingegangen. Gegen­über Juli ist bei der Einkommensteuer ein Mehraufkommen von 26,8 Millionen Mark zu verzeichnen, was auf Sie Ein­gänge aus den neuen Steuern (Zuschlag zur Einkommen­steuer für Einkommen von mehr als 8800 Mark und Ledi­gensteuer) zurückzuführen ist. Bei den Zöllen und Ver­brauchsabgaben ist eine Mehreinnahme von 61 Millionen im Vergleich zum September zu verzeichnen.

Die Osthilfe im Haushaltsansschuß. Der Haushaltsaus­schuß des Reichstages setzt« die Beratung der Osthilfenot.

Verordnung fort. Reichsmiuister Trevirauus erklärte, daß durch die beantragte Verlängerung des VollstreckungsschutzeS die gesamte Kreditwirtschaft aufs schwerste erschüttert und gefährdet werden würde. Für die Ostgrenze Bayerns sei be­reits eine Million Mark vorweg von den Mitteln Ser West- Hilfe abgezweigt worden. Für die schlcsischen und sächsischen Grenzgebiete seien entsprechende Maßnamen vorgesehen.

Rückgängig gemachter Preisabbau. Vor kurzem ist in Berlin mit allen Propagandamitteln als großer Erfolg der Preisabbauaktion die Herabsetzung des Milchpreises von 80 auf 28 Pfg. verkündet worden. Jetzt veröffentlicht der Ver­band des Vereinigten Berliner Milchhandels ein lakonisches Schreiben, in dem es heißt, daß am 29. November der Klein­handelspreis für Milch wieder auf 30 Pfg. erhöht werben würde. Die Schuld wird der Landwirtschaft in die Schuhe geschoben, die den Grundpreis um 2 Pfg. je Liter erhöht habe.

Keine Aufhebung des Fünf-Uhr-Ladrnschluffes am Heili­gen Abend. Die deutschnationalen NeichStagsabgeordnetcn Dr. Wienbeck-Jaeger-Celle und Timm haben auf ihre An­frage an die Reichsregierung, ob angesichts der schweren Wirtschaftslage in diesem Jahre der 7-Uhr-Ladenschluß am 24. Dezember zugelassen werde, eine verneinende Antwort erhalten.

Der Rnhrschiedsspruch für verbindlich erklärt. In der Arbeitszcitstreitigkeit im Ruhrbergbau hat der Reichsarbeits­minister den Schiedsspruch vom 12. November, der die Bei­behaltung der gegenwärtigen ArbeitSzeitrcgelnng vorschlägt, für verbindlich erklärt.

Hallesche Stnöeute« von der Polizei bei Mensuren über­rascht. In einer Schenke in Ammenüorf wurden 86 Ange­hörige Hallescher studentischer Verbindungen, die sich dort zur Abhaltung von Mensuren versammelt hatten, von der Polizei »auf frischer Tat ertappt" und ausgehoben. Wie das Polizeipräsidium mitteilt, sind die Studenten sämtlich auf freiem Fuß belasten worden: nur ihre Namen wurden fest- gestellt. Es handelt sich hauptsächlich um Angehörige des Ver­eins Deutscher Studenten Halle.

Politische Verrohung. In Koburg wurden nach Neustadt abfahrende Lastkraftwagen mit sozialdemokratischen Ver­sammlungsteilnehmern mit Steinen, Flaschen usw. bewor­fen. Der Führer des letzten Kraftwagens wurde durch einen Wurf derart verletzt, daß er die Herrschaft über die Steue­rung velor. Der Wagen durchbrach eine Schranke und fuhr eine drei Meter hohe Böschung hinab. Von den 40 Insassen wurden zwei schwer- und mehrere leicht verletzt und mußten ! in das Landeskrankenhaus eingeliefert werden. Vier Per­sonen wurden verhaftet.

Aus aller Welt

Bergwerksnnfälle.

In dem oberbayerischen Kohlenbergwerk Hausham hat sich ein schweres Unglück ereignet. Wie das bayerische Obcr- bergamt mitteilt, sind drei Arbeiter in einem Abbau durch Grubengase erstickt, die plötzlich in größeren Mengen anf- tratcn. Der Steiger Neil, der den Abbau befahren wollte, konnte noch gerettet werben. Für die übrige Belegschaft be­steht keine Gefahr, da alle Sicherheitsmaßnahmen getroffen sind. Auf der Zeche Viktor III in Castrop-Rauxel er­eignete sich ein Grubenunglück. Im Flöz Geitling ging ein Strebpfeilcr zu Bruch, wodurch 2 Maurer verschüttet wur­den. Die Hoffnung, sie lebend zu bergen, ist anfgegeben worden.

Raubüberfall auf eine Sparkasse.

In Beverstedt (Bremen) wurde auf Sie Sparkasse ein i dreister Raubübcrfall verübt. Zwei maskierte Männer dran- gen mit vorgehaltenem Revolver in die Sparkassenräume ein, während zwei Helfershelfer im Hausflur Wache standen. DtL Täter zwangen den Kassierer zur Herausgabe des Bar­geldes und flüchteten dann in einen bereitstehenden Kraft­wagen. Etwa 7000 NM. sind ihnen in die Hände gefallen.

Ein ordnungsliebender Selbstmörder.

In Vaux bei Paris hat in der letzten Woche ein SOjähriger Kaufmann Selbstmord durch Erhängen begangen, weil er sich nicht mit dem Gedanken vertraut machen konnte, demnächst durch Scheidung seine Frau zu verlieren. Zu seinem Todes­tag wählte er absichtlich den Tag der Schlichtungsverhanü- lungen vor dem Friedensrichter, versäumte cs aber nicht, vor seinem Tobe sämtliche Einzelheiten zu regeln und peinlich genau alle Formalitäten einschließlich seiner Beerdigung vor­zubereiten. Er ließ zunächst Todesanzeigen drucken, die er selbst an seine Freunde und Bekannten schickte, bestellte sich einen Sarg und begab sich dann zum Ortsgeistlichen, um die Einzelheiten für seine Beerdigung festzusetzen. Als ihm der katholische Pfarrer erklärte, daß Selbstmörder aus der Kirche ausgeschlossen seien und daß er infolgebesten auf keine wirk­liche Beerdigung rechnen dürfe, fügte der Kaufmann mit eigener Hand auf den Todesanzeigen hinzu:Weltliche Bei­setzung". Dann begab er sich in sein Schlafzimmer, band sich einen Strick um den Hals und erhängte sich am Fensterkreuz.

Straßenbahuunglück in Mittelitalien.

Bei Macerata entgleiste ein Straßenbahnwagen, wobei der Schaffner getötet und zwei Fahrgäste verletzt wurden. Ein zur Hilfeleistung an die Unfallstelle beorderter Straßenbahn­wagen entgleiste an der gleichen Stelle und stürzte auf den ersten Wagen. Dabei wurden drei Personen getötet und IS verletzt.

Eisenbahnunglücke in Spanien.

Der Schnellzug BarcelonaValencia stieß bei Carcagente mit einem Güterzug zusammen. Beide Maschinen und mehrere Wagen darunter Schlafwagen wurden umge­worfen. 6 Personen wurden schwer verletzt. Von der Eisenbahnbrttcke bei Monforte stürzten mehrere Wage» eines Güterzuges in den darunter fließenden Fluß, wobei mehrere Telegraphenstangen umgerissen wurden.

- Der Kunstpavillon in Sevilla eingestürzt.

Der Kunstpavillon der Ausstellung in Sevilla ist völlig zusammengestürzt. Es ist gelungen, vorher noch rechtzeitig Kunstgegenstände im Werte von über 30 Millionen zu bergen