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Zernsprecher Nr. 9

verantwort!. Lchriftleitung: Zrieärich Hans Scheele vrack unä Verlag äer A. Oelschläger fchen Suchäruckeret

Nr 281

Montag, den 1. Dezember 1930

Jahrgang 103

Vor Erlaß einer neuen Notverordnung

Das Reichskabinett hat sich sür Anwendung des Artikels 48 entschieden Noch diese Woche Reichstagsentscheid über die Sanierungsgesetze

TU. Berlin, 1. Dez. Reichskanzler Dr. Brüning teilte «m Samstag in seinen Besprechungen mit den Partei­führern, mit dem preußischen Ministerpräsidenten Vra»« und dem Führer der preußische» Landtagsfraktion des Zentrnms, Dr. Heß, diesen mit, daß er nnnmehr die Absicht habe, die Finanzresorm durch Notverordnung in Kraft z» setzen. Die Notverordnung wird alle Vorlagen mit Aus­nahme derjenigen umfasse«, die versassungsändernden Cha­rakter tragen. Es handelt sich dabei «m Las Pensionskür- zungsgesetz und das Persoualaufivandsgesetz, das die Be­soldungssperre enthält. Dagegen soll das Ausgabenbe- grenznngsgesetz so «mgestaltet werden, daß hier -er verfassungsändernde Charakter beseitigt wird. Die beiden versassungsändernden Gesetze sollen dem Reichstag zur par­lamentarische« Erledigung zngeleitet werde».

Die bevorstehende Notverordnung wird darüber hinaus a«ch Aendernnge« -er Notverordnung vom Juli enthalten. Es handelt sich hier vor allem um Aende­rnnge« bei -er Krankenversicherung, also «m die Kranken- scheingebühr «nd um Aenderungen bei der Staffelung -er Bürgerstener, die bei den Besprechungen der Regierung mit den Parteien vereinbart worden sind.

Das Reichskabinett ist am Sonntag nachmittag zu­sammengetreten, um die Beratungen über die Behandlung des Regierungsprogrammes fortzusetzen. Die Sitzung dau­erte bis nach Mitternacht. Wie dieBerliner Montagspvst" erfährt, ist das Sanierungsprogramm vom Reichskabinett in der Sonntagssitzung so weit fertiggestellt worden, daß es in Form einer Notverordnung heute dem Reichspräsi­denten zur Unterschrift vorgelegt werden kann. Die zu­ständigen Ressorts werden heute nur noch die letzten Formu­lierungen vorznehmen haben. Reichskanzler Brüning hat die Ministerpräsidenten der Länder für heute nach Berlin gebeten, um ihnen den vorliegenden Beschluß des Kabinetts zu unterbreiten und sich ihrer Zustimmung zu versichern.

Erste Lesung des Neichshanshaltsplanes am Mittwoch.

Die Tagesordung der nächsten Reichstagssitzung, die am Mittwoch stattfindet, liegt jetzt vor. Es wird sofort der Reichs- Haushaltsplan für 1931 zur ersten Lesung gestellt. Ferner stehen Anträge auf Aufhebung von Strafverfolgungen, sowie kleine internationale Abkommen auf der Tagesordnung.

Um den Rücktritt Dr. Bredts.

Reichsjustizminister Dr. Bredt weilt zur Zeit noch krank in Marburg. Mit seiner Rückkehr nach Berlin ist vor mor­gen kaum zu rechnen. Der Vorsitzende der Wirtschaftspartei, Reichstagsabgeordneter Drewitz, vertritt die Ansicht, daß

TU. Berlin, 1. Dez. In einer Unterredung mit einem Pressevertreter äußerte sich Reichswehrminister Gröner über das Abrüstungsproblem u. a. wie folgt? Heute wirb in der Welt mehr Geld für Rüstungszwecke ansgegebc» als vor dem Kriege. Allein in Europa hat sich die Zahl der «uter Waffen stehenden Männer nm 5ÜÜ vvv Mann erhöht. Deutsch­land und seine ehemaligen Verbündeten haben allein- gerüstet. Unter den Augen der Interalliierten Kontrollkom­mission ist die uns auferlcgte Entwaffnung restlos durch­geführt worden. Sechs Millionen Gewehre und Karabiner, 180 000 Maschinengewehre, 60 OM Geschütze, 15 700 Flugzeuge, 5t7 Flugzeughallen, 30 Luftschiffhallen und eine Unmenge Munition wurden zerstört oder ausgeliefert. Sämt­liche modernen Waffen mußten abgelicfert werden. Alle Festungen im Westen sind geschleift. Die Organisation der neuen Wehrmacht ist auf das Genaueste bestimmt worden. Deutschland ist das einzige Land, dem eine Entmilitari­sierung der Grenze aufgezwungen worden ist.

Was ist nun aus der im Versailler Vertrag und in der Völkerbundssatzung verbrieften Abrüstung geworden? Die Regierungen einzelner Lander erfinden immer neue Vor­wände, «m weiter anfznrListen und die Abrüstung z« sabo­tieren. Deutschland verfüge, so heißt es, über einpotcntiel de guerre", durch das das deutsche Heer der französischen Armee gleichwertig werde. Wie kann sich unsere Industrie auf den Bau von Kriegsmaterial umstellen, wenn diese Um­stellung ohne jeden Schutz vor Sen hochgerüsteten Armeen Frankreichs und seiner Verbündeten erfolgen müßte? In Deutschland sind soviel Fabrikbetricvc zerstört ober «mgcstcllt worden, daß die Herstellung von Kriegsmaterial ««möglich

der endgültige Rücktritt Dr. Bredts nicht mehr zweifelhaft sein kann und daß alle Versuche, ihn von diesem Schritt ab- znhalten, vergeblich sein werden.

Trennung der deutschen Bauernschaft vom Bayerische« Bauernbund.

Die deutsche Bauernschaft teilt mit: Der geschäftssüh- reude Ausschuß der deutschen Bauernschaft hat beschlossen, sich von dem Bayerischen Bauernbund, der bisher der benschen Bauernschaft angehört, zu trennen. Damit scheidet der Ver­treter des Bayerischen Bauernbundes innerhalb der Deut­schen Bauernschaft, Minister a. D. Prof. Dr. Fehr, aus dem Vorstand der deutschen Bauernschaft aus.

Tarissenkungen bei der Reichsbahn

TU. Berlin, 1. Dez. Amtlich wird mitgeteilt: In den Preissenkungsverhandlungen zwischen der Neichsregierung und dem Generaldirektor der Deutschen Reichsbahngesell­schaft ist Uebereinstimmung über eine Ermäßigung wichtiger Eisenbahn tarife, die auf die Lebens­haltung von wesentlichem Einfluß sin-, erzielt worden.

Zur Verbilligung der Lebenshaltung weiter Kreise der werktätigen Bevölkerung werden die Preise der Arbeiter­wochenkarten, Kurzarbeiterwochenkarten, Monats- «nd Teil­monatskarten, sowie Schülcrmonatskarten gesenkt. Der Vor­ortsverkehr fällt, soweit für ihn schon ermäßigte Sätze be­stehen, nicht hierunter. Im Güterverkehr wirb die Versor­gung der Bevölkerung mit wichtigen Lebensmitteln frachtlich erleichtert. Für Kartoffeln werden, nachdem die Reichs­bahn im Interesse der Kleiybezioher schon die Stückgutsrach- ten gesenkt hat, auch di«'Sätze für Wagenladungen ermäßigt. Frachtsenkung für Getreide, Mehl und Qualttäts- eier soll die Preissenkung auch dieser wichtigen Lebens­mittel fühlbar beeinflusse». Entsprechend seiner großen Be­deutung für die Fleischversorgung der Bevölkerung wird a«ch -er Tiertarif gesenkt. Für alle bereits im Nottarif ent­haltenen Lebensmittel wird, um Wünschen der kleineren Ver­frachter entgegenzukommen, eine Ermäßigung für Fünf- und Zehntonnenladungen gewährt. Zur Senkung der landwirtschaftlichen Produktionskosten wird auch eine Reihe von D üngemittelw in die Frachtsenkung einbe­zogen. Im Kohlenversand werden für bestimmte Empfangs­gebiete Ermäßigungen durchgeführt, die dazu dienen sollen, durch Hebung des Gesamtabsatzes den Arbeitsmarkt zu be­leben und dadurch der Wirtschaft neuen Antrieb zu geben. Die Erleichterungen für Kohlen gelten ab I. Dezember. Die übrigen Ermäßigungen werden in kürzester Frist in Kraft gesetzt.

ist. Man hat weiter behauptet, Saß die Sicherheit Frankreichs bedroht sei, da die langüienenben Berufssoldaten den kurz- -ienenden Wehrpflichtigen überlegen seien. Die Deutschland aufgezwungene Form der neuen deutschen Wehrmacht soll nun ein Beweis der Gefährlichkeit deutscher Rüstungen sein. Das Reichsheer verfügt über keine Kampfwagen, über keine schweren Geschütze. Auch kann es sich nicht a«f Reserve« er­gänzen. Seitdem die Votschafterkonfercnz bestätigt hat, daß Deutschland entwaffnet sei, bringt man Behauptungen über angebliche deutsche Gohcimrüstungen, ohne zu sagen, worin diese eigentlich bestehen. Man führt als Beweis den hohen Wehretat an, obwohl uns im Versailler Vertrag das teuerste Wehrsystem aufgezwungcn worden ist. Während Dentschland seine Ausgaben sür die Landesverteidigung herabgesetzt hat, weisen die Nüstungsansgaben der Nachbarländer eine starke Erhöhung ans. Frankreich hat im letzten Jahr dreimal soviel für seine Landesverteidigung ansgewendet als Deutschland.

Frankreich sucht seine Sichcrheitsforderungen mit Be­hauptungen zu vertreten, zu denen deutsche Organisatio­nen und deutsche Presseorgane bas Material geliefert haben. Alle Bemühungen um eine allgemeine Abrüstung wurden mit Broschüren und Flugblättern über die Gefähr­lichkeit deutscher Rüstungen bekämpft. Auch die neuen fran­zösische» Behauptungen über die Absichten einer Geheim- rüstung und die Gefährlichkeit der deutschen Verbände haben ihre Quelle in böswilliger und verleumderischer Kritik deut­scher Presseorgane. Die Behauptungen stütze» sich auf die Propaganda von Denunzianten «nd Verleumder». Glaubt man in Frankreich, daß cs in Deutschland überhaupt möglich wäre, auch nur eine Waffe geheim herzustellen, wenn Hun-

Tages-Spiegel

Das Reichskabinett hat gestern beschlossen, die Sanierungs­gesetze im Wege der Notverordnung in Kraft z« setzen «nd die alte Notverordnung entsprechend den Wünsche» der Sozialdemokratie abznändern.

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Der Reichstag, welcher »m Mittwoch Zusammentritt, soll noch in dieser Woche über die neuen Gesetze vsrsafsungsändern- den Charakters entscheiden. Zugleich wird die Etatberatnng ausgenommen.

Neichswehrminister Gröner gab eine ausführliche Darstel­lung über die dentsche Abrüstnng «nd den Nüstungsstan- der anderen Länder.

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Die Reichsbahn hat die Ermäßigung wichtiger Tarife be­schlossen, die in kürzester Frist in Kraft gesetzt werden.

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I« de« Städten Oberschlesiens fanden gestern Massenkund­gebungen gegen die Polnischen Terrorakte in Ostober» schlesie» statt.

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Der Zentralvorstand der Volkspartei wählte den Abgeord­nete« Dingeldey einstimmig zum Parteiführer.

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Das Kabinett Bangoin ist zurückgetreteu. Der christlich­soziale Landeshauptmann von Vorarlberg, Ender, wnrde mit -er Kabinettsbildung beauftragt.

derte von Menschen an dem Herstellungsprozeß beteiligt sind? Man gefährdet die Frieden, solange die Abrüstung auf ei« Land beschränkt bleibt und es jedem feindlichen Einfluß wehrlos auSgeliesert bleibt. Dem kleinen deutschen Heer stehen die Niesenarmeen der Nachbarländer gegenüber. Wenn Frankreich unter diesen Umständen erklärt, es könne noch nicht mit einer fühlbaren Abrüstung beginnen, so bedeutet das den Bruch feierlicher Verpflichtungen. Dem unerträglichen Mißverhältnis der Rüstungen innerhalb Europas muß ein Ende gemacht werden.

Die Regierung in Oesterreich zurückgeireien

TU. Wie«, 1. Dez. Bundeskanzler Vauguoin hat dem Vundespräsidenten den Rücktritt des Gefamtkabinctts an- geboten. Der Bundespräsident hat den Rücktritt genehmigt und dem Kabinett die einstweilige Weiterführung der Ge­schäfte übertragen. Mit der Kabinettsbildung wurde der Vorarlberger Landeshauptmann Dr. Ender lChr.Sozial) betraut, -er sich bereit erklärt hat, diese Mission zu über­nehmen.

Der rechte Flügel der Christlich-Sozialen versucht, auf Ender einen Druck auszuüben, ein möglichst rechtsgerichtetes Kabinett zusammenzusetzen und auch das Organ Dr. Sei­pels, die ^steichspost", warnt vor einer schwachen Mehrheits­regierung ohne Heimwehren, die einem unfruchtbaren und verhängnisvollen Radikalismus zugetrieben würden.

Brand auf Do X

TU. London, 1. Dez. Ein Telegramm derExchange Tele­graph Company" aus Lissabon besagt, daß die Verkleidung eines der Flügel derDo X" durch Feuer zerstört worden sei. Das Feuer sei an Bor- -er Do X" ausgebrochen, die auf dem Tejo an einer Boje lag.

Wie von Bord derDo X" gemeldet wird, entstand der Brand durch Funkenflug aus dem Auspuff eines Motors. Die Funken flogen auf die obere Tragfläche und setzten die Stoffbespanmrng des Backbordflügels in Brand. Alle wesent­lichen Teile sind intakt geblieben, alle Ersatzteile für die Reparatur sin- vorrätig. Eine Reparaturmöglichkeit besteht in etwa zwei bis drei Wochen aus der Unterseebootstation in Lissabon. Der Flug wird nach Ausbesserung der Schäden fortgesetzt werden. Der Unfall hat auf den geplanten Ozean­flug keinerlei Einfluß. Die Löschung des Brandes erfolgte ausschließlich mit Borümitteln und allein durch die Besatzung.

LloyddawpferLudwigshafen" in Seenot

TU. London, 1. Dez. Auf dem 0000 Tonnen großen LloyS- dampfcrLudwigshafen" ist ein Brand ausgebrochen. Der bei Cap Mala im Golf von Panama brennende Dampfer befindet sich in schwerer Seenot. Die Fahrgäste und Mann­schaften haben das Schiff in Rettungsbooten verlassen. An der Unglücksstelle befinden sich drei Schiffe, darunter ein Armcctransportdampfer.

Wie der Nordd. Lloyd mitteilt, liegt der Lloyddampfer Ludwigshafen" seit dem 24. November vor der Küste Süd­amerikas. Der Dampfer hatte eine Ladung Salpeter au Bord.

Wehrminister Gröner zur Abrüstungsfrage

Deutschland ist entwaffnet Frankreichs Abrüstungsweigerung ein Bruch feierlicher Versprechungen