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Samstag, den 11. Oktober 1930

Jahrgang 103

Vor dem Zusammentritt des Reichstages

Erneute Besprechungen des Kanzlers mit den Führern der Sozialdemokratie mw Volkspartei Vorläufig kein Wechsel im Kabinett zu erwarten

TU. Berlin, 11. Okt. Am Montag vormittag findet im Reichstag eine Frakttonsführerbesprechung beim Präsidenten Löbe statt, in der die ersten beiden Neichstags- sttzungen, die der Feststellung der Beschlußfähigkeit und der Präsidentenwahl gewidmet sind, noch einmal besprochen wer­den sollen. Es ist möglich, daß man nach einem ruhigen Ver­lauf der ersten Sitzung auch die zweite Sitzung noch am Montag nachmittag abhält, um dann die Präsidentenwahl sofort vorzunehmen. Fast alle Fraktionen halten am Montag Sitzungen ab.

Sozialdemokratie «nd Notverordnungen.

In einer Vorschau auf den Zusammentritt des Reichs­tages weist derVorwärts" darauf hin, daß die Sozial­demokratie einem Antrag auf Aufhebung der Notverordnungen nicht zustimmen werde. Sic werde zunächst den Versuch machen, auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung diejenigen Bestimmungen zu be­seitigen, gegen die sich der Widerstand der Massen richte. Die restlose Aufhebung der nun einmal seit Wochen in Kraft be­findlichen Notverordnungen, ohne daß etwas anderes an ihre Stelle gesetzt wird, würde die schwerste Erschütterung der öffentlichen Finanzen bedeuten. Die Sozialdemokratie werde deshalb verlangen, daß die Notverordnungen in einem Ausschuß des Reichstages beraten würden. Gleichzeitig sei für die Verordnungen, die auf Grund des Artikels 48 erlassen worden seien, die erforder­liche verfassungsmäßige Unterlage zu schaffen. Die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Breit- scheid, Wels und Müller hatten gestern eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler.

Die Enrtinö-Krise vertagt.

Die NeichstagSfraktion der DVP. hielt gestern eine Sit­zung ab, die bis in die späten Abendstunden dauerte. Die Beratung und Beschlußfassung über das Regierungs­programm wurden auf Montag vertagt. Inzwischen sol­len eingeleitete Verhandlungen über das Programm mit an­deren Parteien sortgesührt werden. Die Fraktion setzte einen Ausschuß ein, der Vorschläge zur Ausgestaltung des Negierungsprogrammes machen soll. Es wird ausdrücklich versichert, daß ein Antrag aufAbberufungdesReichs- anben Ministers Dr. Curtius der Fraktion nicht Vorgelegen habe.

Den Beratungen ging eine Besprechung zwischen dem Reichskanzler und dem Parteiführer der DVP. voraus, in der Dr. Brüning dem Abgeordneten Dr. Scholz seine Auffassungen über die innenpolitische Lage darlegte. Auf Grund dieser Besprechung hat dann die Reichstagsfraktion der DVP. ihre Beratungen ohne Beschlußfassung abgebro­chen. Insbesondere hat man es daraufhin bis ans weiteres unterlassen, vom Reichsaußenminister Dr. Curtius das Aus­scheiden aus dem Kabinett zu verlangen.

Zu der Unterredung, die der Parteiführer Dr. Scholz mit dem Reichskanzler Dr. Brüning hatte, vermag SieBer- liner Vörsenzeitung" ergänzend zu berichten, daß sich die Beratungen in erster Linie um die Frage drohten, ob sich die Deutsche Volkspartei noch stärker von der Negierung Brü­ning distanzieren und dementsprechend den Außenminister Dr. Curtius zum Rücktritt ausforöern solle. Wie verlautet, habe ber Reichskanzler Dr. Brüning die Deutsche Volks­partei wissen lassen, daß eine Zurückziehung des Außenministers die Gesamtöemission zur Folge haben dürfte. Weniger aus diesem Grunde als in­folge von Einwirkungen seitens einer außenstehenden finanz­politischen Persönlichkeit fDr. Luther?), deren Name vor­läufig noch nicht genannt werden solle, habe sich die Fraktion schließlich dahin entschieden, von einer Beschlußfassung in der Angelegenheit Curtius Abstand zu nehmen. Eine gewisse Rolle dürfte dabei allerdings auch die Erivartung gespielt haben, daß die bevorstehende parlamentarische Entwicklung schon bald zu einer Entscheidung über die Besetzung des Außenministeriums führen und die DVP. damit von der Notwendigkeit, selbst Stellung zu nehmen, entheben könnte.

Die Verhandlungen, die die Deutsche Volkspartei mit den übrigen Negierungsfraktionen zu führen gedenkt, sollen sich sowohl auf den sachlichen Inhalt des Negierungsprogram­mes, wie auf dessen parlamentarische Behandlung erstrecken. Von dem Verlauf und Ausgang dieser Verhandlungen man spricht von einer Annäherung cm die Rechtsparteien dürfte die volksparteiliche Reichstagsfraktion vermutlich ihre weitere Haltung abhängig machen.

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Die Nationalsozialisten erscheine« z«r RcichStagSeröffnnng im Braunhemd.

In einer nationalsozialistischen Massenversammlung sollte gestern abend der Berliner Gauleiter der NSDAP., Reichs- tagSabgeorbneter Dr. Göbbels, über die zukünftige poli­tische Entwicklung sprechen. Der Versammlungsleiter teilte unter starker Entrüstung der Anwesenden mit, es sei der Partei dank ihrer guten Beziehungen zur Kenntnis gekom­men, baß die Gerichtsbehörden beabsichtigt hätten, Dr. Göb­bels aus dieser Versammlung heraus zur Durchführung eines Strafverfahrens zu verhaften. Man habe aber die Ab­sicht, Dr. Göbbels und einige weitere nationalsozialistische Abgeordnete noch kurz vor der Eröffnung des Reichstages zu verhaften, zu vereiteln gewußt. Unter großem Beifall machte der Redner, Reichstagsabg. Hinkel, dann davon Mitteilung, baß die 107 Mitglieder der nationalsozialistischen Reichstagsfraktton geschlossen in dem Ehrenkleid der SA., in dem in Preußen verbotenen Braurchemd, an der Eröffnungssitzung des neuen Reichs­tages teilnehmen würden.

Der Reichspräsident in Aachen

--- Aachen, 11. Okt. Reichspräsident von Htndenburg ist von begeistertein Kübel empfangen in der Stadt Aachen eingetroffen. In einer schlichten Befreiungsfeter im Kaiser­krönungssaal des Rathauses begrüßten Regierungspräsident Stielerund OBM. Dr. Rombach den Reichspräsidenten und feierten ihn als Vater des Vaterlandes, der zu Einigkeit und Volksgemeinschaft aufrufe. Herr v. Hindenburg wurde der Ehrenbürgerbrief der Stadt überreicht. In herzlichen Worten dankte der Reichspräsident für den Empfang und führte dann aus:

Ich will in dieser Stunde nicht mehr die vergangenen schweren Jahre harten Leidens in Ihre Erinnerung zurück- rufcn. Aber eine Zeit lebt gerade in diesem Ihrem altchr- würdigen Rathaus vor unseren Augen wieder auf. Jene sor­genschweren Tage, in denen sich Ihr Bürgersinn uucrschrok- ken und opferbereit zur Wehr setzte gegen landesverräterische Umtriebe. Ganz Deutschland blickte damals mit stolzer Be­wunderung auf Sie. Sie haben sich würdig erwie­sen der großen Vergangenheit Ihrer Stadt. In Tagen jüngster Vergangenheit haben Sie, die trotz aller äußeren Bedrückung innerlich freie und unabhängige Bürger von Aachen blieben, das stolze Vorrecht für sich in Anspruch genommen, in treuem Dienste am Vaterlande dem ganzen deutschen Volk ein leuchtendes Vorbild zu sein. Wir wollen Liese festliche Stunde nicht schließen, ohne auch für öle Zu­kunft des Vaterlandes Treue und einigende Arbeit zu geloben.

Keine Begnadigung der Ulmer Offiziere

TU. Berlin, 11. Okt. Amtlich wird mitgeteilt: Ter Herr Reichspräsident hat das von einem der Verteidiger der drei

vom Reichsgericht verurteilten Reichswehrossiziere an ihn gerichtete, in der Presse veröffentlichte Gesuch um Begnadi­gung mit ber Begründung abschlägig beschieden, daß die Notwendigkeit gerade in politisch bewegter Zeit dienstliche Zucht und Unterordnung in der Reichswehr unerschüttert aufrecht zu er­halten, die gnadenweise Aufhebung des Urteils und wenigstens zur Zeit auch eine Milderung der Strafe nicht zuläßt.

Hochwasserschäden im Saargebiet

TU. Saarbrücken, 11. Okt. Bon dem Hochwasser der Saar und ihrer Nebenflüsse ist nunmehr fast das gesamte Saar­gebiet in Mitleidenschaft gezogen worden. Aus allen Orten werden große Schäden gemeldet. In Dlllingen wurden Teile des Hüttenwerkes überflutet, sodaß der Betrieb stillgelegt werden mußte. In Nounkirchen hat das Hochwasser den höch­sten Stand von 1918 um 10 vis 15 Zentimeter überschritten. Der Verkehr in der Stadt ist völlig unterbunden. In Ober- Linxwciler mußte die Feuerwehr um Menschen und Vieh zu retten, bis an den Hals durch das Wasser waten. Der Eisenbahnverkehr ist infolge von Dammrutschen und Gleis- überschwcmmungen teilweise gestört.

Der Überbrückungskredit abgeschlossen

TN. Berlin, 11. Okt. Nach Berliner Vlättermeldungen ist der Uebcrbrückungskrebit für das Reich, der von einem Kon­sortium unter Führung des amerikanischen Bankhauses Lee Higinson u. Co. gewählt wird, perfekt geworden, wenn er auch noch nicht formell untcrzeichnet ist. Der Kredit beläuft sich auf 125 Millionen Dollar. Die Verzinsung beträgt 4N Prozent, dazu kommt 1)L Prorent Provision vro anno. Die

Tages-Spiegel

Der Reichskanzler empfing gestern die Führer der Sozial, demokratie «nd der Deutschen Volkspartei er«e«t zu Be» sprechungeu.

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Die Lage des Kabinetts Brüning hat sich durch den Entschluß -er Sozialdemokratie, nicht für Aufhebung der Notverord­nungen z« stimmen, und die Entscheidung der Bolkspaxtci» vorläufig keiue« Wechsel im außenpolitischen Kurs zu for­dern, gefestigt.

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Die Verhandlungen über den Neberbrücknngskrcdit für das Reich in Höhe von ISS Millionen Dollar sollen versekt sein. Die Unterzeichnung fehlt noch.

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In Anwesenheit des Nelchsprästdeute« von Hindeubnrg hat am Freitag mittag iu Aache« eine schlichte Befreinngsscier stattgefnnde«.

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Die kanadischen Flieger Boyd und Connor haben von Neu­fundland ans den Ozean überflogen und sind auf de« Scilly-Jnseln notgelau-et; ihr Ziel ist London.

Laufzeit ist zwei Jahre, jedoch hat das Reich das Recht, in der Zwischenzeit zu jedem halbjährigen Termin zurückzuzah­len und zwar auch teilweise. Voraussetzung für den Kredit ist die vom Parlament zu beschließende Bildung eines Til­gungsfonds.

Die Spaltung der Staatspartei

Die Jungdeutscheu verlasse« auch die NeichstagSfraktion.

TU. Berlin, 11. Oktober. Die sechs der Volksnationalen Reichsvereinigung angehörenden Reichstagsabgeordneten haben au den Vorsitzende» der Fraktion der Deutschen Staatspartei einen Brief gerichtet, in dem es heißt: Nachdem vom Reichsaktionsausschuß der Antrag der Volks- nattonalen, die Partei auf föderativer Grundlage und da­mit die Reichstagsfraktton zu erhalten, abgelehnt worden ist und nachdem der Minister Dr. Hoepker-Aschoff in einer Pressekonferenz erklärt hat, daß der Jungdeutsche Orden durch seine Mitwirkung an der Staatspartet sich nur mit Hilfe ber demokratischen Organisationen größeren Einfluß und größere Macht habe verschaffen wollen, sehen wir uns zu unserem Bedauern genötigt, unseren Austritt an­der Fraktion der Staatspartei anzumeldcn. Eine Teil­nahme an der Fraktionssttzung am Montag dürfte sich unter diesen Umständen erübrigen, und wir bitten, von einer Ein­ladung Abstand zu nehmen.

Wie die TU. erfährt, werden die jungdeutschen Abgeord­neten sich keiner anderen Fraktion anschließen, also selbstän­dig bleiben.

Lohnkürzungen

in der Berliner Metallindustrie

TN. Berlin, ii. Okt. In dem Lohnstreit der Berliner Metallindustrie hat die Schlichterkammer »inen Schieds­spruch gefällt, in dem es heißt: Die bisherigen Tarif-Min- destlöhne der Arbeiter über 18 Jahren werden in allen Lohnklassen um 8 v. H., der fugendlichen Arbeiter unter 18 Jahren und der Arbeiterinnen um 6 v. H. gekürzt. Die Akkordberechnungsgrundlagen ändern sich tm gleichen Ausmaße.

Den Parteien wird von der Schlichterkammer empfohlen, zu prüfen, ob und in welchem Umfange durch Kürzung der Arbeitszeit Wiedereinstellung von Arbeitslosen bewirkt wer­den kann. Soweit der bisherige Bestand an Arbeitskräften nicht aufrecht erhalten werden kann, wird den Arbeitgeber» empfohlen, durch Arbeitsstreckung Entlassungen größeren Umsanges zu vermeiden.

In ber Begründung des Schiedsspruches wird ausgesührt: Die Schlichterkammer ist überzeugt, daß eine Lohnsenkung erforderlich tst, um die Gestehungskosten der Wirtschaft zu senken und damit der immer mehr um sich greifenden Ar­beitslosigkeit zu steuern. Es ist sozialpolitisch richtiger, die Löhne, die im Zeichen eins guten Ganges der Geschäfte ^est- gesetzt sind, zu senken, als durch Festhalten an dem bisheri­gen Lohnniveau die Krise zu verschärfen und weitere Ar­beitskräfte der Arbeitslosigkeit anheimfallen zu lassen.

Die Lage in Brasilien

TU. Nenyork, 11. Okt. Ueber die Lage in Brasilien ist es völlig unmöglich, sich ein klares Bild zu machen. Sowohl die Negierungstruppen wie die Aufständischen behaupten von sich, auf der ganzen Linie erkolgreich zu sein. Die letzten Meldungen aus Buenos Aires scheinen jedoch zu bestätigen, daß die Aufständischen ihren Marsch ans Rio de Janeiro un­aufhaltsam fortsctzen. Die Regierungstruppen sind sozusagen umzingelt, da die Aufständischen ans fünf verschiedenen Rich­tungen in die Staaten Sao Paulo und Rto de Janeiro eiu- marschiereu.