Neue yausyallsschmerzen

I» den Aemtern wird fieberhaft an der Aufstellung des Haushalts für 1030 gearbeitet. Die Regierung drängt auf sein« beschleunigte Fertigstellung. Daß die kostspielige Hilser- dingsche Verschleppungstaktik für die Haushalts-Ausstellung einer geordneten und verantwortungsbewußten technischen Vorbereitung dieser wichtigsten Grundlage für die Abwicklung unseres öffentlichen Lebens weichen mußte, ist aber so ziem­lich das einzige Erfreuliche, rvas darüber zu berichten wäre. Der sachliche Teil der Haushaltsgestaltung vollzieht sich genau auf den verhängnisvollen Wegen der Vorjahre. Die Aemter haben immer noch nicht die eigentliche Lage unseres Landes und unserer Wirtschaft erfaßt. Sie treten mit gigantischen Forderungen e - Neichsfinanzministerium, den Treu­händer der R gierung für die Haushaltsvermittlung, heran, mit dem Wunsche und in der durch Erfahrung gerecht­fertigten Ueberzeugung, daß die ganz sicher erfolgenden Ab­striche durch die Reichsregierung, wenn man diesen Vorgang mit den üblichen protestierenden Gesten und Einwänden be­gleitet, noch mehr übrig lassen wird, als man zu hoffen wagte, und vor allem mehr, als man nötig hat.

Dieser Kernfehler unseres Haushaltsaufbaus in den Verivaltungen nicht nur des Reiches sondern auch der Länder und Gemeinden, man darf sagen, dieser grobe Unfug bei der Durchführung der wichtigsten, zum guten Teil schicksalbestim- mendcn Aufgaben der Aemter unterwirft deshalb auch heute schon das Haushaltsjahr 1931 der Ungewißheit, Unsicherheit und Unzuverlässigkeit der öffentlichen Finanzgebarung trotz aller Anstrengungen der gegenwärtigen Regierung, endlich einmal wieder einen Haushalt der unausweislichen Notwen­digkeiten, der radikalsten Sparsamkeit, der Entkleidung von allem Entbehrlichen aufzustellen. Di« Aemter haben es den­noch so wett gebracht, mit Forderungen hervorzutreten, die selbst nach den bisher erfolgten Abstrichen durch das Reichs­finanzministerium noch eine ungedeckte Mehrausgabe von über 300 Millionen übrig lasten. Das heißt nichts anderes, als daß unter dem Druck einer hohen Beamtenschaft, über die ungeheuerlichen Steuerforderungen des letzten Jahres hin­aus eine neue Belastung von mindestens 300 Millionen für Verwaltungszwecke des Reiches verlangt wirb.

Noch ist das letzte Wort innerhalb der Verwaltung selbst über den Umfang des neuen Haushalts nicht gefallen. Umso schärfer und rücksichtsloser hat in diesem Jahre die frühzeitige Kritik der Öffentlichkeit einzusetzen. Die leitenden Köpfe der Verwaltung, die über ihre Minister hinweg diktatorisch die Anziehung der Steuer-Daumenschrauben verlangen, müssen endlich wieder zu einer Anerkennung der Wirtschafts- und Lebensnotwenbigkeiten der Gesamtheit gebracht werden. Die öffentlichen Verwaltungen schluckten nicht nur den ursprüng­lich für die Steuersenkung bestimmten Nachlaß der Tribut­zölle restlosfür sich, sondern zogen noch eine Steuermehrlast von rund 1,3 Milliarden für ihre Zwecke an sich .

Diese Ausartung der Restortinstinkte einer im Kern ver­antwortungsbewußt erzogenen führenden Beamtenschaft ist mit Lebens- und Wirtschaftsfremdheit allein nicht er­schöpfend zu erklären. Sie erhielt vielmehr ihre stärksten Antriebe durch den Dilettantismus der Minister. Deren Un­sicherheit hinsichtlich der Einfühlung in ihren ministeriellen Aufgavenkrets, ihre Unfähigkeit zur Führung eines maß­gebenden Verwaltungskörpers zwangen zunächst die Staats­sekretäre, die Ministerialdirektoren, die Oberregierungsräte und anderen Referenten zu selbständigem Handeln. Da ihr gegebener Führer, der Minister, aus Mangel an Können oder Mangel an Selbstvertrauen nicht den Weg zeigte, sondern sich begnügte, möglichst viele Parteifreunde in möglichst gut- bezahlte Posten unterzubringen, mußte die hohe Beamten­schaft selbst sehen, wie sie weiter kam. Sie ging sehr stürmisch vor,' denn sie hatte ja keine Verantwortung.

Wer in dieser Stunde der Not unseres Landes, unserer Wirtschaft, unserer Gesamtbevölkerung und wahrlich nicht zu­letzt unserer Arbeitnehmerschaft das verantwortungsvolle Amt eines Ministers bekleidet, hat vor allem di« Pflicht, der Beamtenschaft seines Ressorts klar zu machen, baß in ihm etwas anderes steckt als ein Glücksritter. Eine Regierung muß vor allem erst einmal regieren wollen, ein Minister führen wollen, wenn das Land gedeihen soll. Das deutsche Volk erwartet von seinen Ministern, baß sie in ihren Aemtern die Zügel in die Hand nehmen und für einen Haushalt sorgen, der endlich mit Steuernachlässen und dadurch mit der Neubele­bung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes verbunden ist.

Aus Württemberg

Staatspräsident Dr. Bolz zur Lage.

In einer Wahlversammlung des Zentrums in Ravens­burg sprach Staatspräsident Dr. Bolz zur Lage. Er führte u. a. aus:Die Ziele des Wahlkampfes sind: Ordnung im Staat und in den Finanzen. Das sind die Grundlagen für die Besserung unserer Wirtschaftslage, die erreicht werden durch eine Beschränkung unserer Ausgabenwirtschaft. Das deutsche Volk hat sich eine Lebenshaltung in der Nachkriegszeit ange­wöhnt, die nicht gehalten werden kann. Auch die Ausgaben tn der Verwaltung müsse« herunter. Dabet besteht in Würt­temberg im Gegensatz zu Norödeutschland immer noch Ord­nung. Wir haben keine Städte, die vor dem Konkurs stehen, unsere Gemeinden sind in Ordnung. Die jetzige Retchsregie- rung hat versucht, zu sparen, und st« hat versprochen, noch mehr zu sparen, und sie wird dieses Versprechen halten. Wir aber sollen durch starke Wahlbeteiligung sorgen, daß es wenig­stens nicht noch schlimmer wird. Die Wahlztffern müssen Heuer andere werden als bas letztem»!. Ueberlassen sie die Wahl­urne nicht dem Radikalismus. Nach dem Verlauf der bis­herigen Wahlversammlungen habe ich die Hoffnung, daß sich die Bevölkerung diesmal zahlreicher an den Wahlen beteiligt. Bedenken sie, daß der jetzigen Regierung durch die Wahlflau­heit bei den letzten Wahlen 16 Mandate zur Erzielung einer sicheren Mehrheit gefehlt haben. Die 15 Mandate bedeuten aber die Aufbringung von 900 000 Stimmen. Daraus ergebe sich, wie wichtig es ist, daß jedermann an der Wahlurne er­scheint. Sorgen sie, daß der 14. September ein Ehrentag für das deutsch« Volk wird und daß das Volk sich reif für die Verfassung reigtt*

Sxr S-raud der Früchte k« Württemberg zu Anfang

September.

Veröffentlicht vom Statistischen Landesamt.

Landesdurchschnitt fl --- sehr gut, 2 gut, 3 --- mittel, 4 --- gering, 6 sehr gering),- Haber 2,9 ftm Vormonat 2,9), Spätkartoffeln ,'2,7 (2,6), Zuckerrüben 2,1 (2,3), Runkelrüben

2.4 (2,5), Hopfen 2,9 (3,1), Klee 2,6 (2,6), Luzerne 2,5 (2,4), Vewässerungswiesen 2,5 (2,5), aydere Wiesen 2,4 (2,6), Aepfel

4.4 (ch4), Birnen 4,4 (4,4), Weinberge 2,1 (2,1), Das Getreide, auch der Haber, ist beinahe überall unter Dach gebracht wor­den, freilich sehr oft bei ungünstiger Witterung und in schlech­ter Beschaffenheit. Soweit bereits Druschergebnisse vorliegen, befriedigen sie nur selten. Die Körner sind, ein« Folge der häufigen Lagerung der Halmfrüchte und des Auswachsens, unvollkommen und klein. Die Kartoffeln haben unter Nässe und mangelndem Sonnenschein empfindlich gelitten und sind, besonders tn den schweren Keuperbööen, an Kraut und Knol­len krank. Die anderen Hackfrüchte (Zucker- und Runkelrü­ben) stehen befriedigend,' die häufigen Regen haben ihr Wachs­tum sehr gefördert. Die Zuckerrüben sind allerdings da und dort von Gitterrost befallen. Die Hopfenfelder weisen einen guten, gesunden Wuchs und reichen Lupulingehalt auf; ver­einzelt findet sich etwas Dolöenbräune. Die Oehmdernre ist restlos beendet und wo nicht gerade Hochwasser die Talniede­rungen überschwemmt«, nach Menge und Güte noch ordentlich ausgefallen. Die Obstaussichten haben sich in vielen Gegenden noch mehr verringert durch heftigen Wind und wurmstichiges Fallobst. Die Birnen versprechen da und dort einen besseren Ertrag als die Aepfel.

Aus Stadt und Land

Calw, den 9. September 1930.

Schwere Gewitter

sind in der Nacht vom Samstag zum Sonntag über dem Na- golbtal niedergegangen. Sie hatten ungewöhnlich starke elek­trische Entladungen und Niederschläge im Gefolge und richte­ten durch Erdabschwemmungen in Feldern und Gärten Scha­den an,- die Nagold führte große Wassermengen.

Das Bienenjahr

nähert sich mit dem Einwintern der Bienen seinem Abschluß. Es hat einen vielversprechenden Anfang genommen, endet aber Mt einem starken Mißklang. Durch die äußerst un­günstige Witterung im Juli und anfangs August wurden die Honigvorräte, die die Bienen im günstigen Vorsommer ein­tragen konnten, größtenteils aufgczehrt, so daß viele Stöcke keinen Honig mehr auswiesen. Das Resultat des heurigen Bienenjahres kann dahin zusammengefaßt werden: im all­gemeinen wenig Schwärme und wenig Honig. Die starken Gewitter, bas kühle Wetter und eine Reihe von Regentagen verhinderten die reichen Trachtquellen des Tannenwaldes am Fließen. Die jetzigen schönen Tage bringen keinen Honig mehr, es muß jetzt mit der Auffütterung der Völker be­gonnen werden, damit die Bienen den Winter über mit ge­nügendem Futtervorrat versehen sind.

Aus Len Parteien.

WSHlerversammlung Deutsche Volkspartet- Deutsche Staatspartei.

Im großen Saal desBad. Hofes" in Calw hielten am Samstagabend die Ortsgruppen der beiden den Wahlkampf gemeinsam führenden Parteien der bürgerlichen Mitte unter Leitung von Fabrikdtrektor Carl Schmiö eine gutbesuchte Wählerversammlung ab. Landtagsabgeordneter Dr. Bur­ger, Syndikus der Handelskammer Stuttgart, sprach über den Sinn der bevorstehenden Wahlen und die Aufgabe des Staatsbürgertums. Seine Ausführungen galten in erster Linie Fragen der Wirtschaftspolitik, die heute das schicksal­hafte Kernproblem barstellt: Wirtschaftsschicksal ist Bolks- schicksal. Nur wenn es gelingt, eine gesunde wirtschaftliche Grundlage zu schaffen, werde Deutschlands Wiederaufrich- tung möglich sein. Deshalb müsse der Weg zur inneren Ge­sundung, den das Kabinett Brüning jetzt mit Hilfe der Not­verordnungen eingeschlagen habe, weiter beschritten werden; eine breite bürgerliche Front habe die Sicherung zu über­nehmen und die heutige schmale Basis des Brüningschen Ka­binetts, dessen Verdienst es sei, in klarer Erkenntnis des seit­herigen Irrweges die Bahnen der Erzbergerschen Finanz­reform verlassen zu haben, zu festigen. Der Referent gab ein eindrucksvolles Bild von der übersteigerten Ausgaben­wirtschaft im heutigen Staat und der damit verbundenen Wirtschaftslähmung und Erschütterung der Grundlagen der Privatwirtschaft. Deutschlands Ausgabenetat sei von 7 Milliarden vor dem Kriege auf 20 Milliarden angewachsen,' die Soziallasten hätten allein um mehr als 5 Milliarden Reichsmark zugenommen. Zwanzig Prozent des Volkes lebten auf öffentliche Kosten, L. h. je vier Deutsche hätten einen fünften zu unterhalten oder 30 Prozent des jährlich erarbeiteten Volkseinkommens würden für öffentliche Zwecke verwendet. Man müsse sich jetzt, nachdem die Reserven der Wirtschaft aufgebraucht und die Ströme ausländischen Kapi­tals versiegt seien, auf die Verhältnisse der Gegenwart um­stellen. Man verspreche sich zur Zeit viel von einem Preis­abbau, ein solcher sei aber nur möglich, wenn der Staat die starren Lasten der Wirtschaft abbaue. Dies müsse durch spar­same Ausgabenwirtschaft ermöglicht werden. Zur Bekämp­fung der Arbeitslosigkeit gebe es nur ein Mittel, die Förde­rung der Produktion durch Sparwirtschaft. 7,6 Milliarden würden heute jährlich allein für die Sozialversicherung auf­gebraucht,' durch Veschneidung der Auswüchse und eine ge­sunde Reform wäre« Einsparungen möglich, ohne an einen allgemeinen Leistungsabbau zu denken. Die derzeitigen Ver­suche zur Änderung der Krankenversicherung seien sehr zu be­achten. Durch Einführung des Krankenschein- und Arznei­kostenbeitrages würde das Verantwortungsbewußtsein ge­weckt und jährlich 2300 Millionen eingespart. Einen sehr guten Sinn habe auch die durch die Notverordnung eingeführte Kopfsteuer insofern, als sie eine weitere Erhöhung der Er­tragssteuern verhindern werde. In Bayern, Schweden, Schweiz und USA. habe man damit die besten Erfahrungen gemacht. Der Sinn der Brüningschen Notverordnung sei, die Ausgaben zu drosseln und den Weg zu einer Neuordnung der Finanzen in Reich, Ländern und Gemeinden sowie zu

einer Neichsreform frei zu machen. Das Staatsbürger,um dürfe keine Zeit mehr verlieren, es müsse in der Stunde der Gefahr für die inner« Ordnung des Staates eintreten. In Württemberg und Baden habe man di« Zeichen der Zeit er­kannt und eine bürgerliche Einheitsfront gebildet, wenn, gleich es leider nicht gelungen sei, in Württemberg auch di« Wirtschafispartei zum Anschluß an Volks- und Staatspartet zu gewinnen. Bedauerlicherweise habe man im Reich nicht diesen gesunden Sinn bewiesen, so baß auch diesmal dem Bürgertum die Kraft zu einem überwältigenden Siege fehlen werde. Der Referent zeigte im letzten Teil seiner Rede die politische Haltung der vereinten Volks- und Staatspartei auf. Sie macht Front gegen den Marxismus und die destruktiven Elemente der Linken und Rechten. Mit Schärfe wandte sich Dr. Burger gegen die Politik Hugenbergs und das Pro­gramm der N.S.D.A.P., welcher er sozialistische, bürger- feindliche Tendenzen nachsagte,' besonders verurteilte er dir wirtschastspolttischen Pläne des Nationalsozialismus, die an­gesichts der unumstößlichen Gesetze der Weltwirtschaft kata- strophale Folgen zeitigen müßten. Zur Außenpolitik erklärte der Redner, daß vor einer wirtschaftlichen Gesundung eine aktive Befreiungspolitik nicht geführt werden könne, denn die innere Ohnmacht werde uns andernfalls doch immer wie­der zu Zugeständnissen zwingen. Die Politik Strefemanns müßte deshalb fortgeftthrt und der Weisung des Neichspi äsi­denten v. Hindenburg folgend, der schwere Weg zur inneren Gesundung mit dem Ziel der Wiederaufrichtung deutscher Leistungsfähigkeit und deutscher Kultur beschritten werden. An den mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich eine Aussprache an, in welcher der Führer der Ortsgr. Calw der N.S.D.A.P., Kfm. Wurster, Dr. Bur. ger und der Versammlungsleiter für und wider den Natio­nalsozialismus sprachen.

Wählerversammlung der Sozialdemo­kratischen Partei.

Auf Sonntag nachmittag hatte die Ortsgruppe Calw der SPD. zu einer Versammlung in den Weitzschen Saal ein­geladen, in der Landtagsabgeordneter O st e r - Stuttgart über die Bedeutung der Reichstagswahl sprach. Der Redner bedauerte einleitend die Auswüchse und die Verrohung des politischen Kampfes, um dann die Gründe aufzuzeigen, welche zur Reichstagsauflösung führten, und die Beschuldigung der Finanzmißwirtschaft gegen die SPD. abzuweisen. Die be­vorstehende Reichstagswahl stehe im Zeichen des Kampfes gegen den Marxismus. Das Ziel, die SPD. aus der Regie­rung zu bringen, sei erreicht; jetzt wolle man zur Beseitigung des Parlamentarismus, der Volksrechte und zur Regelung der innerpolitischen Fragen im Sinne der Reaktion schrei­ten. Alle Parteien schieben heute der SPD. die Schuld an der gegenwärtigen Notlage zu, obwohl sie nie die Mehr­heit in einem Reichstag gehabt habe und stets mit Kompro­missen arbeiten mußte. Die Schuld trage in Wahrheit der verlorene Krieg: er habe die wirtschaftlichen Verflechtungen in der Welt zerstört und damit in allen Ländern Krisen hervorgerusen. Zudem übe die Reparationspolitik eine solche wirtschaftliche Störung in der Welt aus, daß über kurz oder lang mit ihrer teilweise» oder gänzlichen Beseitigung gerechnet werden dürfe. Eine friedliche Verständigung liege heute im Interesse der ganzen Welt; die SPD. setze sich für eine wirtschaftliche Verständigung ein, denn sie werde die politische erleichtern. Sie verfolge den Gedanken einer euro­päischen Zollunion, deren Verwirklichung die Aufgabe der jungen Generation sein müsse. Ein einiges Wirtschafts, europa werde wie einst im Reich der Deutsche Zollvereii die Voraussetzung zur politischen Einigung der Staaten sein und Deutschlands wirtschaftliche Bedeutung im Herzen Euro­pas voll zur Geltung bringen. Andere lehnten eine Politik der Verständigung und des Friedens ab und glaubten mit Hilfe einer Gewaltpolitik Deutschland zu befreien. Diese Katastrophenpolitiker sollten sich an die Folgen der Haltung Deutschlands auf der Londoner Konferenz erinnern: Ruhr­einbruch (er kostete soviel wie der Weltkrieg), Inflation und völlige Verarmung des Volkes. Man spiele mit dem Ge­danke» eines neuen Krieges und glaube, mit einiger Ener­gie den Aoungplan abschütteln zu können. Man mißbrauche die Jugend und ihren Glauben an persönliches Heldentum; sie wisse nichts von der Sinnlosigkeit der zermalmenden Kriegsmaschinerie, dem technischen Mord. Wie im 30jähr. Kriege werde Deutschland in einem kommenden Kriege Kriegsschauplatz sein. Deshalb sei es national, eine Politik der Verständigung zu treiben. Im Grunde verberge sich hin­ter der Kriegsphrase nur der Wunsch nach Diktatur, nach Unterdrückung der Volksrechte. Dies aber müsse den Bür­gerkrieg zur Folge haben, denn das deutsche Volk wolle auf sich selbst gestellt seine Aufgaben lösen. Es sei zu wün­schen, baß bas Ergebnis der Reichstagswahl den National­sozialismus zwingen werde, praktische Arbeit im Parlament zu leisten; dabet würbe sich für den Wähler der beste An­schauungsunterricht ergeben. Im übrigen begrüße die SPD. das eifrige Wirken der NSDAP., die mft der Zerschlagung der Rechtsparteien einen guten Dienst leiste. Sie selbst werde den Sturm übersteheu. Die wirtschaftliche Entwicklung arbeite für sie und werde es ihr ermöglichen, die Grund­lagen der Zukunft zu schaffen. Unter dem Druck der Kartelle werbe die Privatwirtschaft bald erliegen und der Gemeinwirt­schaft Raum geben. Das Abstnken des Mittelstandes und der Intellektuellen ins Proletariat mache täglich Fortschritte. Die SPD. werde dereinst bas große Sammelbecken für diese Volksschichten sein. Der Redner schloß Mt einem Appell an die Wähler, die alte Macht der Sozialdemokratie zu erhalten zur Abwehr gegen Diktatur und Volksentrechtung. An einer anschließenden Aussprache beteiligten sich der Versamm­lungsleiter Erbmann Just, Kfm. Wurster, Hauptlehrer D teile-Altburg und der Referent. Wettere Versamm­lungen der S.P.D. fanden in Oberreichenbach, Oberkollbach, Stammheim, Holzbrunn und anderen Orten statt.

Kundgebung der NSDAP.

Am Sonntag abend hielt nach einem Werbeumzug mehre­rer auswärtiger SA.-Abtcilungen mit Musik und Wahlpla­katen die NSDAP, auf dem Markt eine Kundgebung ab, i» der in einer Rede für den Nationalsozialismus geworben wurde.