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Freitag, den r3 Dezember 1NSV

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1V3. Jahrgang

Kritische Lage in Berlin

Berlin, 12. Dez. Bezeichnend für die augenblickliche Lage ist, daß gestern sich das Gerücht verbreitete, die Reichsregierung werde zurücktreten, da das Finanzprogramm keine Aussicht habe, im Reichstag an» genommen zu werden. Zwar solle die Große Koalition Wiederkommen, doch ohne den Reichskanzler Müller und den Reichsfinanzmimster Hilferding. Als Finanz­minister solle ein Parlamentarier aufgestellt werden, in dessen Fähigkeiten der Reichsbankpräsident mehr Vertrauen setzen könne. Für den Posten wurde der Führer der Zen­trumsfraktion Abg. Dr. Brüning genannt.

Das sind Gerüchte, aber Tatsache ist allerdings, daß in den Besprechungen der fünf Fraktionsführer in der Reichskanzlei noch keinerlei Einigung erfolgt ist. Die Frak­tionen wollten zwar der Regierung das Vertrauen aus­sprechen bezüglich des Doung-Plans und der Entgegnung gegen Dr. Schacht, und einer Finanzreform im all­gemeinen, gegen die Einzelheiten des Finanz­programms erhob sich aber bei einigen Fraktionen entschie­dener Widerspruch. So sind die Sozialdemokraten scharf gegen die Milderung der direkten Steuern, während andere Parteien es für unmöglich halten, daß die 800 Mil­lionen, die die vorgeschlagenen Steuererleichterungen brin­gen sollen, anderweitig aufzubringen seien, da doch der Finanzbeüarf des Reichs immer größer werde. Die über­stürzte Arbeitsweise des Kabinetts habe überdies das Pro­gramm so unklar und unübersichtlich gemacht, daß die Par­teien dafür keine Verantwortung übernehmen könnten. In der gegenwärtigen Form könnten also diese Parteien dem Programm nicht zustimmen.

Die Verständigungsoersuche wurden am Donnerstag vormittag fortgesetzt. Im Reichstag hält man es für mög­lich, daß das Kabinett sein Programm wieder ändert.

Nachdem der Reichskanzler kürzlich erklärt hatte, daß das Kabinett mit dem Finanzprogramm als Ganzem stehe oder falle, befindet es sich in der Zwangslage, bei Ableh­nung auch nur eines Teils zurücktreten zu müssen, oder die Regierungsparteien werden ihre Fraktionsbe-

schlösse umfloß ell, das heißt Umfallen" müssen. Der Reichs­kanzler ist nach Vch.Z. angesichts der zerfahrenen Lage ent­schlossen, den ganzen Ernst unserer Lage rückhaltlos zu schil­dern. Das Zentrum hat sich geeinigt, für das Finianz- proaramm einzutreten: die Reform durch Ermächti­gungsgesetz für die Regierung durchführen zu lassen, wurde abgelehnt, da für ein solches Gesetz die verfassungs­mäßige Zweidrittelmehrheit doch nicht aufzubringen sei.

Anträge im Reichstag

Berlin, 12. Dez. Die Reichstagsfraktion der Wirtschafts­partei hat eine Aenderung der Reichsverfassung beantragt, wonach das Wahlalter von 21 auf 26 Jahre herauf­gesetzt werden soll. Ferner fordert die Wirtschaftspartei von der Reichsregierung ein F i n a n z p r o g r a m m. das folgende Punkte vorsieht: Die Hausbaltplänr kür 1930 -31 und 1932 sind 15 Proz. unter dem Haushalt für 1929 zu halten. Auf Länder und Gemeinden soll im Sinne einer gleichen Haushaltsenkung eingewirkt werden. Alle Steuern, deren Erhebungskosten in keinem Verhältnis zum Steuer-- ertrag stehen, sollen beseitigt werden. Verbrauchssteuern sollen grundsätzlich nur vom Reich erhoben werden dürfen.

Die sozialdemokratische Fraktion beantraat ->ine Gsletzes- änderunq, wonach die R»ichsregieruna mll Z'-st-mm-mg des Reichsrots und eines R-ichstnasaus'chnflrs d'e .imd» der gesetzlichen Miete im Reich einheitlich festsetzen soll.

Oberfohren Frakkionsvorsrhender der DRAP

Berlin, 12. Dezember. In der Sitzung der deutschnatio­nalen Reichstaqsfraktwn n-urde durch Zuruf einstimmig der Abgeordnete Dr. Oberfohren zum ersten Fraktions- norsitzenden gewählt. Ebenfalls durch Zuruf wurden ein­stimmig die Abgeordneten Berndt und Dr. Koch-Düs­seldorf mit den Aemtern der stellvertretenden Vorsitzenden betraut.

Kanzler-Erklärung im Reichstag

Aussprache heute Freitag Dertrauensfrage morgen Samstag

Berlin. 12. Dezember.

Die 114. Sitzung wird um 12.12 Uhr eröffnet.

Reichskanzler Müller

verliest sofort folgende Erklärung:Die Regierung bedauert, daß der ordnungsmäßige Termin der Vorlegung des Haus­haltplans für 1930 nicht eingehalten werden konnte, weil er mit der Annahme des Doung-Plans zusammenhängt. Als sich herausstellte, daß sich die Erledigung des Poung- Plans länger hinauszögert, hat die Reichsregierung an­geregt, -am 13. Dez. die Fragen der Finanzreform im Reichstag zu erörtern. Wir behandeln diese Frage nun einen Tag früher. Den Anstoß dazu gab die be­kannte Denkschrift des Reichsbankpräsiden­ten Dr. Schacht. Bei der Erörterung dieser Denkschrift wollen wir dem Umstand Rechnung tragen, daß Dr. Schacht den Reichstagsverhandlungen beiwohnt. In der Kritik sei­nes Vorgehens soll auch keine Beeinträchtigung der geschicht­lichen Verdienste liegen, die Dr. Schacht sich als deutscher Vertreter bei den Pariser Verhandlungen erworben hat. Andererseits steht die Reichsregierung der Denkschrift m i t Befremden gegenüber. Aus Gründen, die in Anbetracht der Vorbereitungen für die Haager Konferenz maßgebend sind, werde ich mich bei der Erörterung einzelner Punkte einer gewissen Zurückhaltung befleißigen müssen.

In der Denschrift des Herrn Dr. Schacht handelt es sich im wesentlichen um Punkte, die unsere Sachverständigen schon bei den Pariser Verhandlungen beschäftigt haben, bei denen es aber auch ihnen nicht gelungen ist, den Erfolg zu erzielen, der am meisten der deutschen Sache entsprochen hätte und den sie selbst gewünscht hätten. Die deutsche Reichsregierung hat dies seinerzeit bedauert, hat aber hier­aus keinerlei Vorwürfe gegen die deutschen Sachverständigen hergeleitet.

In der Denkschrift des Herrn Dr. Schacht handelt es sich habe auf der ersten Haager Konferenz und in der darauf folgenden Zelt auf Rechte verzichtet, die uns nach dem Boungplan zugeslanden und habe über die Lasten des Aoungplans hinausgehende Zugeständnisse gemacht. Der Sachverständigenbericht hat in einer Reihe von Fragen die Entscheidung den Regierungen überlassen. Der Grund hier­für lag darin, daß es den Sachverständigen nicht gelungen ist, in diesen Punkten den deutschen Standpunkt durchzu­setzen. Die Formulierungen, mit denen dies geschehen ist. sind zum Teil mehrdeutig, zum Teil enthalten sie klare Ent­scheidungen zu Ungunsien Deutschlands. Auf der Grundlage dieser Formulierungen war der deutsche Standpunkt im Haag und später ebensowenig durchzusetzen, wie dies wäh­rend der Pariser Sachoerständigenkonferenx möalicb aewe-

sen war. Auch die Reichsregierung bedauert, daß bei den Verhandlungen der letzten Monate die Gegenseite nicht das Entgegenkommen und das Verständnis für unsere schwie­rige Lage gezeigt hat, das wir erwarten durften.

Auf der Haager Konferenz soll Deutschland auf einen fünfmonatigen Ueberschuß von 400 Millionen Reichsmark verzichtet, die ungeschützten Annuitäten erhöht und mit dem Abschluß des deutsch-belgischen Markabkommens eine zusätz­liche Belastung von 19,5 Millionen aus sich genommen haben. Bezüglich der Ueberschüsse von 400 Millionen RM-, die sich daraus ergeben, daß die Zahlungsperiode des Poung-Plans bereits im April dieses Jahrs einsetzt, die Dawes-Zahlungen jedoch bis Ende August 1929 vorgesehen sind, bestimmen Ziffer 83 und 84 des Poung-Plons und Ziffer 192 der Anlagen, daß sie, falls erforderlich,zur Befriedigung der Bedürfnisse der Gläubigerländer" wäh­rend dieses Uebergangszeitraums behandelt werden sollten. Und, so heißt es in Ziffer 84 weiter,verbleibt nach Be­friedigung dieser Bedürfnisse ein Ueberschuß, so soll die Frage nach seiner Verwendung von den Re­gierungen geregelt werden". Nach dem Wortlaut des Poung-Plans kann also Deutschland nicht ohne wei­teres diesen Ueberschuß für sich beanspruchen. Die Reichs­regierung teilt das Schicksal der Sachverständigen, denen es nicht gelungen ist, in der Frage der Ueberschüsse eine für Deutschland günstigere Regelung erzielt zu haben- Es ergab sich dies als eine zwangsläufige Folge der im Haag erhobenen englischen Mehrsorderungen. zu deren Be­friedigung auch seitens einer Reihe von Gläubigerregierun­gen Opfer gebracht werden mußten. Ohne eine solche Lö­sung war die Gefahr eines Scheiterns der Haager Kon­ferenz gegeben.

Gegenüber der Behauptung, daß durch Erhöhung des ungeschützten Annuitätenteils die Entlastung Deutschlands während der ersten Jahre vermindert werde, muß fest­gestellt werden, daß tatsächlich die jährliche Belastung röllig gleich bleibt. Nur im Falle eines Transfermorato­riums wäre der zu übertragende Betrag um eine ver­hältnismäßig geringe Summe höher. In einem solchen Fall kommt es aber nicht entscheidend darauf an, ob 060 oder 700 Millionen jährlich übertragen werden müssen.

Ueber die deutsch-belgische Markfrage hat Deutschland mit verschiedenen Unterbrechungen schon seit 1919 verhan­delt. Die belgische Regierung hat ihre Annahme des Doung- plans von der Vereinbarung abhängig gemacht.

Bei den weiteren Zumutungen, denen Deutschland nach der Haager Konferenz entsprochen haben soll, handelt es sich besonders um die Ansprüche gegen den polnischen Skoak und endlich um eventuelle Zahlungen, die aus einem späteren

Avkommen zwischen Deutschland und Frankreich über di« Saarfrage herrühren. Das deuksch-polnische Abkommen fußt aus den .Empfehlungen' des Kapitels 9 des Toungplans und bildet gleichzeitig die Fortsetzung früherer Verhandlun­gen mit der polnischen Regierung über Liquidationen unk finanziellen Ausgleich. Zn dem Abkomme nwird sowohl deutscherseits wie polnischerseits auf eine Reihe von fluaa- ziellen Ansprüchen verzichtet. Deutschland hat Zugeständnisf« gegenüber Polen aber nurgegen sehr gleichwertige Lei­stungen" gemacht. Polen verzichtet auf das Recht zu weito> ren Liquidationen und auf das Miederkaufsrecht, das es für die Rmtengüter für sich in Anspruch nahm.

Eine besondere Beurteilung müssen die Saarfragen firi- i den, über die zurzeit ein deutsch-französisches Einvernehmen gesucht wird. Diese Erörterungen sind nicht auf den Doung» plan gegründet, sondern auf dem Bestreben nach einerGe­samtliquidation aller schwebenden politischen Fragen" ein­geleitet worden. Ueber ihr Ergebnis läßt sich zurzeit noch nichts sagen.

Das Finanzprogramm

Das finanzielle Gesamkprogramm der Reichsregierunz umfaßt Maßnahmen zur Sanierung der deutschen Finan­zen und zur Entlastung der Kassenlage, insbesondere durch Verstärkung der Einnahmen der Arbeitslosenversicherung und durch eine umfassende Steuerreform, wovon ich heute nur die Grundzüge darlegen kann, weil sich die Reichs­regierung bis zum Abschluß der Verhandlungen über den Poungplan die erforderliche Verhandlungs- und Entschluß­fähigkeit wahren muß. Eine der Voraussetzungen für die Annahme des Voungplans ist die Ordnung der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, den Haus­halt an den Erleichterungen des Doungplanes teilnehmen zu lassen.

Trotz aller scharfen Drosselung der Ausgaben wird das laufende Haushaltjahr mit einem Fehlbetrag abschließen, der mehr als das Doppelte des Fehlbetrags 1928 aus­machen wird, der rund ISO Millionen betragen hak. Wenn nun aber der Poung-Plan angenommen sein wird, so wird die für das Haushaltsjahr 1929 mit rückwirkender Kraft eintretenüe Haushaltsentlastung gerade ausreichen, um di» Fehlbeträge aus 1928 und 1929 abzudecken.

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Nach der Regierungserklärung vertagte sich der Reichs­tag. Die Aussprache beginnt am Freitag, die Ab­stimmung über den Vertrauensantrag wird am Samstag erwartet. *

Die Vertrauenserklärung soll die kurze Fas­sung haben:Die Regierung besitzt das Vertrauen des Reichstags."

Mit dieser Erklärung würden sich die Regierungsparteien verpflichten, den ersten Teil des Finanzprogramms (Tabak­steuer und Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversiche­rung) als eigene Parteianträge zu übernehmen und dt« Regierung von der Verantwortung zu entlasten,

Neueste Nachrichten

Starke Zunahme der Arbeitslosigkeit

Berlin, 12. Dez. In d-r zweiten Novemberhälfte ist die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeits­losenversicherung um rund 185 000 oder 18 Prozent gestiegen. Sie beläuft sich nunmehr auf 1.2 Millionen Per­sonen, darunter rund 960 000 Männer und 240 000 Frauen. In der Krisenunter st ützung befanden sich außerdem am 30. November 187 000 Personen, also 8000 mehr als in der Mitte des Monats.

Die Aolltarifvorlage ungeeignet

München, 12. Dezember. Im bayerischen Landtag kam eine Anfrage über die Notlage Der Landwirtschaft zur Be- Handlung. Landwirtschaftsminister Dr. Fehr erklärte, di« im Entwurf der Reichsregierung vorgeschlagenen zollpoliti­schen Maßnahmen seien nicht ausreichend oder über­haupt nicht geeignet, das erstrebte Ziel zu errei­chen. Der Vertrag mit Polen rufe den schärfsten Widerspruch wach. Eine ständige Quelle der Beun­ruhigung seien auch die Handelsvertragsverhandlungen mit der Tschechoslowakei. Die deutsche Handesver- tragspolitik der letzten 5 Jahre sei sehr anfechtbar. Es gehe nicht an, daß immer wieder die deutsche Landwirt­schaft die Kosten einer wirtschaftlichen Verständigung mit dem Ausland zu tragen habe.

Der letzte Auswanderertransport in Eydtkuhnen

Eydtkuhnen, 12. Dezember. Heute nacht traf der 9. und letzte Transport deutsch-russischer Auswanderer in Eydt­kuhnen ein. Er brachte 682 Personen, darunter 230 Kinder, mit. Auch diese Flüchtlinge gaben an, daß sich in Moskau noch etwa 2000 deutschstämmige Bauern befinden, die eben­falls auswandern müßten, die russische Regierung oer- weigere aber die Ausreisegenehmigung. Innerhalb acht Tagen sind im Beobachtungslager Eydtkuhnen insgesamt 5053 Flüchtling« abgefertigi worden.

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