Nagolder Tagblatt «Der Gesellschafter"

Mittwoch, 11. Dezember 1929.

Seite 3 Nr. 291

Zerstörung einer Gefallenen-Gedenkiasel. Mitglieder der französischen Patriotenliga haben zum Zeichen des Wider­spruchs gegen die deutsch-französische Sozialistenkundgebung, die am 1. Dezember inChampigny bei Paris stattfand, und in deren Verlauf eine Gedächtnistafel für die im Krieg 1870/71 Gefallenen angebracht wurde, diese Tafel zerbrochen und Stücke davon am Denkmal des Deutschenseinds Derou- lede in Paris niedergelegt.

Schwerer Unfall einer Fußballmannschaft. Als die Mannschaft des FußballklubsBritannia" in Eichszell bei Fulda am Sonntag auf einem Lastkraftwagen von einem Spiel in Lauterbach (Oberhessen) heimkehrte, rannte der Wagen bei Lauterbach auf einen Kaum und ging in Trüm­mer. Die Insassen wurden alle mehr oder weniger schwer verletzt, einer ist bereits gestorben.

Von der Geschäfksleilhaberin erschossen. Am Samstag nachmittag wurde der Kaufmann Fritz Hübner in Gießen in seinem Kontor von der Geschäftsteilhaberin, der 29jähri- gen Else Lukas, nach einem heftigen Streit durch zwei Re­volverschüsse getötet. Darauf verletzte die Lukas sich selbst durch einen Schuß sehr schwer. Das Geschäft war vor zwei Jahren von beiden gemeinsam gegründet worden.

Der Brandstifter selbst verbrannt. In der Nacht zum Samstag brannte in Bo dm an am Ueberlinger See das Anwesen eines Landwirts mit reichen Futtervorräten ab. In dem Schutt fand man die verkohlte Leiche eines Knechts, der entlassen worden war und aus Rache die Scheuer an­gezündet hatte. Er fand den Weg ins Freie nicht mehr recht­zeitig und mußte seine böse Tat mit einem gräßlichen Tode büßen.

Erdbeben in Bulgarien. Nachdem bereits in letzter Woche in Bulgarien einige starke Erdstöße verspürt worden waren, traten am Sonntag neue Erschütterungen ein, von denen namentlich die Gegend von Philippopel betroffen wurde. Der Schaden ist groß, doch sollen Menschenleben nicht zu beklagen sein.

Infolge der Stürme am Samstag und Sonntag ist die Unter-Eider (Schleswig) angeschwollen. Der Eider­deich ist an drei Stellen gebrochen.

Im Golf von Gascogne ist der italienische Dampfer Chieri" untergegangen. Von 41 Mann konnten nur der Kapitän und 5 Matrosen gerettet werden; zwei weitere italienische Dampfer wurden aufgegeben: die Mannschaften wurden gerettet.

An den Felsen bei Naz de Scan, südwestlich von Brest, ist der dänische DampferHelena" zerschellt. Der erste und zweite Steuermann sind ertrunken

Brand in einer Filmwerkstakk in Neuyork. In der drei- stockigen Werkstatt der Manhattan Studios Co. und der PathL-Filmverleihgesellschaft in Neuyork brach ein Brand aus, der das Gebäude zum größten Teil zerstörte. 5 Män­ner und 4 Frauen kamen bei dem Brand um, mehrere Personen wurden vermißt.

Handel und Verkehr

Der mitteldeutsche Braunkohlenbergbau gegen die kanalbauten

Der Verein der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie hat den Reichskanzler in einer Denkschrift ersucht, durch Versagen der Geld­mittel die Fortführung der Bauarbeiten des Mittel­landkanals zu unterbinden und für neue Kanäle vor­läufig keine Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Denkschrift be­ziffert den Betrag für den Ausbau des Reststücks des Mittelland­kanals mit 320 Millionen. Der Ausbau des Kanals würde der Ruhrkohle das Eindringen in das Absatzgebiet des mitteldeutschen Braunkohlenbergbaus erleichtern, der die Grundlage der mittel­deutschen Wirtschaft sei und dadurch schwer geschädigt würde. Zum mindesten müßten Kanalabgaben und Schleppkähne in solcher Höhe gefordert werden, daß neben den Betriebskosten auch die Abschreibungen und Verzinsungen sichere Deckung finden. Auch gegen den Hansakanal und gegen die süddeutschen Kanalpläne nimmt die Denkschrift Stellung.

Das Baugewerbe fordert Aufträge- Der Reichsverband in­dustrieller Bauunternehmungen hat gemeinsam mit dem Reichs­verband des Tiefbaugewerbes an die zuständigen Ministerien eine Eingabe gerichtet, in der ein Sofortprogramm für den Konjunk­turausgleich und Bauaufträge gefordert werden. Die öffentlichen Aufträge schrumpfen immer mehr zusammen. So habe z. B. die Reichsbahn 1926 noch für 238 Millionen Bauaufträge vergeben, 1928 nur noch für 222 Will. Dabei habe sich der Wert der ! dringlichen, aber aus Geldmangel zurückgestellten Bauarbeiten bei der Reichsbahn bereits auf 450 Will, erhöht. Aehnlich stehe l es bei der Reichspost. Es wird verlangt, daß die Notstands- j arbeiten unverzüglich vergeben werden.

i Der Firma Säst und Ehinger G. m. b. h., Druckfarbenfabrik in Stuttgart-Feuerbach, wurde auf der Weltausstellung in Barcelona ! derGroße Preis" zuerkannt.

Der Ertrag der nordamerikanischen Baumwollernte wird vom staatlichen Ackerbauamt am 1. Dezember auf 14 919 000 Ballen (zu 500 am. Pfund zu 453 Gramm) geschätzt.

Illm, 10. Dez. Arbeitsmangel. Ein wenig erfreuliches Christkindle wurde den Arbeitern der Firma Mayser am letzten Freitag zuteil. Die ganze Belegschaft muß wegen Arbeitsmangel ab 20. Dezember aussetzen.

Französische Angstgespenste

Paris, 11. 2ez. Welche Angstpsychose vor der deutschen ! Hunderttausendnann-Reichswehr immer noch gewisse i französische Krere beherrscht, zeigte die Rede des Bericht- l erstatters über len Militärhaushalt, des Obersten Fabry, ; der unter anderem ausfllhrte:Wir werden die Deutschen > mit keinerlei Mittel davon abhalten können, eine kriege- s rische Nation zu sein. Der Berfailler Vertrag hat Deutsch- - land eine Berufs, d. h. Angriffsarmee auferlegt. Wir da- s gegen müssen eine Verteidigungsarmee heranbilden. Von ! der deutschen Arnee weiß man, daß sie von einer Stunde ! zur anderen über 400 000 Mann eingeübte Soldaten ver? > fügen kann, die ir wenigen Stunden bedeutende Schäden ! im französischen Crenzgebiet anrichten kann. Angesichts ! dieser Gefahr miissm wir ausreichende Verteidigungsmatz- > nahmen schaffen. handelt sich darum, die erste Zone an der Grenze zu beseitigen und hinter ihr mit beweglichen Truppen als Deckurg für einen möglichen Einbruch zu sor­gen.

Um das Finanzprogramm der Regierung.

Berlin, 11. Dez. von einer Einigung über das Finanz­programm der Regierung scheint man nach den Besprech­ungen der Fraktionm der Regierungsparteien zu urteilen noch weit entfernt z» sein. Der Vorwärts stellt fest, daß in der Sitzung der soz.)em. Reichstagsfraktion eine Neigung, sich auf das Finanzprogramm der Regierung festzulegen, nichts zu bemerken gewesen sei. Das sei zu begreifen. Zur Ausführung des Programms seien etwa 17 Gesetzent­würfe, zum Teil sehr umfangreiche, notwendig. Alle diese Gesetzentwürfe seien nur in wenigen Sätzen angegeutet. Dabei sei jeder von ihnen wirtschaftlich von größter Trag­weite. Wie die Lörsenzeitung über die Fraktionssitzung der DVP. erfährt, hat namentlich die Teilung der Regie­rungsvorschläge in ein Sofortprogramm und in ein spä­ter erst zu erledigendes Hauptprogramm Mißstimmung ausgelöst. Man habe festgestellt, daß das Sofortprogramm nur aus Maßnahmen bestehe, die auf eine weitere Bela­stung der Wirtschaft hinausliefen, während die verspro­chenen Steuersenkungen alle in demSpäterprogramm" enthalten seien, das erst nach der Annahme des Poung-

planes verabschiedet werden solle. Man sei sich darüber im Klaren, daß die Sozialdemokraten wohl an der raschen Erledigung des Sofortprogramms, das ja einzig und allein den Besitz treffe, ein Interesse hätten, nicht aber an dem Hauptprogramm, dessen Aufgabe es sein solle, Besitz und Wirtschaft zu entlasten. DasBerliner Tageblatt" stellt fest, daß am auffälligsten und bedenklichsten in der Lage, die sich nach der Parteiführerbesprechung ergeben habe, die sichtbare Scheu mehr oder minder aller Parteien gewesen sei, ihrer eigenen Regierung in Verbindung mit der Fi­nanzreform eine Vollmacht auszustellen, die weiter reiche, als die sehr bedingte, die in der bisherigen losen Verbin­dung der Regierungsparteien untereinander und mit der Regierung vorhanden sei. Das sei ein weiteres Zeichen dafür, daß es sich jetzt nicht mehr um eine Zweckmäßig- keits- oder Prestigefrage, sondern um die Existenzfrage für die Regierung handle. DieVossische Zeitung" hegt kei­nen Zweifel, daß die Regierung bei einiger geschickter Taktik ein Vertrauensvotum für ihre Gesamtpolitik und das Einverständnis der Mehrheitsparteien erreiche, die Finanzreform durchzuführen auf der Basis des Regie­rungsprogramms, das im Kabinett einstimmig gutgeheis­sen worden sei. Es werde natürlich noch manches Hin und Her zwischen Regierung und Parteien geben und es sei auch jetzt noch nicht gewiß, ob der Reichskanzler schon am Donnerstag die angekündigte programmatische Rede werde halten können.

Ueberreichung des Nobelpreises an Thomas Mann.

Stockholm, 11. Dez. In der hergebrachten Form fand am Dienstag abend im Stockholmer Konzerthaus die feierliche Ueberreichung der Nobelpreise statt. Alle Preis­träger nahmen ihre Diplome und die Anweisungen auf den Geldbetrag persönlich in Empfang, außer dem durch Krankheit verhinderten Holländer Professor Eijkman. Sein Diplom nahm der holländische Gesandte in Stockholm ent­gegen. Den literarischen Nobelpreisträger Thomas Mann feierte Professor Vöök, der sich besonders bei dem Erst­lingswerk von Thomas Mann aufhielt, nämlich dem Buddenbrooks".

Zahlungseinstellung. Infolge des Zusammenbruchs der Bank Fiorino und Sichel in Kassel, bei dem bedeutende Depotunter­schlagungen iestgestellt wurden, haben die seit 1898 bestellende Holzgroßhandlung I. Rosenmeyer und die seit 1901 bestehende Maschinenfabrik Wilhelm Penndorf m Kassel die Zahlungen einstellen müssen.

Im Konkurs gegen die Bank Otto Bürkle u. Co. in Frei­burg i. Br. belaufen sich die Schulden auf 6 Millionen Mark. Die Höhe der Vermögenswerte steht noch nicht fest.

Märkte

Sluklgarler Schlachlviehmarkt, 10. Dez. Dem heutigen Markt im Stuttgarter Vieh- und Schlachthof waren zugetrieben: 48 Och­sen, 45 Bullen, 350 Junabullen, 344 Jungrinder, 301 Kühe, 1324 Kälber, 1893 Schweine, 1 Schaf, 1 Ziege. Davon bliebentunverkaust: 6 Ochsen, 35 Jungbullen, 34 Jungrinder, 15 Kühe. Verlauf des Marktes: Großvieh mäßig belebt, Ueberstand; Kälber und Schweine belebt.

Ochsen:

ausgeinästet

vollfleischig

fleischig

Bullen:

ausgemästet

vollfleischig

fleischig

Jungrinder:

ausgemästet vollfleischig fleischig gering genährt

Kühe:

ausgemästet

vollfleischig

18. 12.

5. 12

Kllhe:

16. 12.

52-86

_

fleischig

2227

44-88

gering genährt

1721

Kälber:

5882

49-52

feinste Mast- und beste Saugkälber

74-76

46-48

4548

mittt. Mast- und

42-45

gut« Saugkälber

66-72

gering« Kälber

5764

53-57

52-55

Schweine:

88-82

47-51

46-58

über 388 Pfl» 248-388 Md-

43-46

42-55

8182

288248 Pfd.

7981

168288 Pfd.

7779

128-168 Pfd.

74-76

48-44

48-45

unter 128 Pkd.

74-76

2836

38-37

Sauen

61-78

8. 12. 23-3» 18-33

71-78

63-89

88-61

7980

7988

78-88

77- 78

78- 76 75-76

68-87

Pforzheim, 10. Dez. Schlachtoiehmarkt. Auftrieb: 14 Ochsen, 7 Kühe, 45 Rinder, 27 Farren, 6 Kälber, 475 Schweine. Preise: Ochsen 1. 5355, 2. 4953, Farren 1. 52, 2. und 3. 51 bi, 48, Kühe 2. und 3. 40-25, Rinder 1. 5557, 2. 51-53, Kälber 2. 7579, 3. 7074, Schweine 2, 3. und 4. 7679 -6. Marktverkauf: mäßig belebt.

Rottweil, 10. Dez. Zuchtfarrenversteigerung. Bel der Zuchtfarrenversteiegrung war keine starke Kauflust zu verzeich­nen. Es waren etwa 30 Farren aufgetrieben, deren Qualität aber nur mittelgut war. Die Gebote waren ziemlich niedrig, die Preise bewegten sich zwischen 500 und 1340 Verchiedene Bezirksgemein­den, wie Laufen, Tieringen, Oberdigisheim, die kaufen wollten, gingen unverrichteter Dinge wieder heim.

Schweinepreise. Aalen: Milchschweine 3214. Bopfingen: Läufer 70-80, Saugschweine 2540. hall: Milchschweine 26 bis 44, Läufer 61. Airchheim u. T.: Milchschweine 3046, Läufer 4070. Ludwigsburg: Läufer 75, Milchschweine 2550. Nie­derstetten: Saugschweine 2535. Oehringen: Milchschweine 35 bis 50. Riedlingen: Milchschweine 28-45, Mutterschweine 250 bis 285. Tuttlingen: Milchschweine 2437 -4t.

Fruchtpreise. Aalen: Kernen 1212.20, Weizen 11.6012 30, Roggen 9.60-3 80, Gerste 9.209.80, Haber 77.80. Ellwan- gen: Weizen 12.3012.65, Roggen 9.2010.30, Gerste 99.50, Hafer alt 9.50, neu 7.207.80. Heidenheim: Kernen 12.80 bis 13.40, Weizen 11.5012.30, Roggen 9.409.60, Gerste 99.20, Haber 77.40. Leutkirch: Roggen 10, Gerste 9, Haber 7.508. Tuttlingen: Weizen 13-14, Gerste 9, Roggen 12, Haber 89-4t.

Würtkembergische Nadelslamm- und Schichtnuhholjverkäufe. In letzter Zeit wurden bei Verkäufen aus den württ. Staatswal. düngen folgende Erlöse erzielt: 1) für Nadelstammholz aus Forst- bezirken des Schwarzwalds, und zwar für 308 Fm. Fichten und Tannen neuer Fällung durchschnittlich 104 Proz. der Landes- grundpreise, für 5539 Fm. Fichten und Tannen alter Fällung durchschnittlich 94 Proz., für 2324 gm. desgleichen (teils zerstreut liegendes Scheidholz, teils schwierige Abfuhr) im Durchschnitt 87 Prozent und für 489 Fm. Forchen 89 Proz. der Landesgrund- preise: aus 5 Forstbezirken des Unterlands für 385 Fm. Fichten und Tannen und 16 Fm. Forchen (Holz neuer Fällung) 103 Proz.; aus 9 Forstbezirken des Nordostlands für 1255 Fm. Fichten und Tannen durchschnittlich 95 Proz. und für 13 Fm. Forchen 98 Proz., aus 8 Forstbezirken der Alb für 1816 Fm. Fichten und Tannen im Durchschnitt 96 Proz. und für 15 Fm. Weimutsforchen 121 Prozent: aus 4 oberschwäbischen Forstbezirken für 321 Fm. Fich­ten und Tannen 100 Proz- und für 77 Fm. desgleichen, sowie 9 Fm. Forchen (lauter zerstreut liegendes Scheidholz mit be­schwerlicher Abfuhr (85 Proz. der Landesgrundpreise: 2) für Schichtnutzholz aus verschiedenen Forstbezirken, und zwar für 100 Raummeter Forchenrugel 14,80 RM., für 70 Rm. desgleichen

14.50 RM., für 30 Rm. desgleichen von 22,50 Meter Länge

16.50 RM., für 44 Rm. Forchenroller 12,16 RM. und für 30 Rm. Weißbuchenrugel, 1 und 2 Meter lang, 20 RM. je Rm. Zwei oberschwäbische Privatforstverwaltungen brachten größere Men­gen Nadelholz aller Klassen auf dem Stock zum Verkauf. Erlöst wurde hiebei für 7000 Fm. im Durchschnitt 95 Proz. und für 4950 Fm. Fichten durchschnittlich 96 Proz. der Landesgrundpreise.

Wetter

Schwachem Hochdruck über Spanien und Frankreich steht eine starke Depression im Norden gegenüber. Bei dieser Luftdruck­verteilung ist immer noch unbeständiges, auch zu zeitweiligen Niederschlägen geneigtes Wetter Zu erwarten.

Gestorbene: Johannes Stickel, 76 Jahre, Egenhausen Marie Klein, 73 Jahre, Alten steig.

Die heutige Nummer umfaßt 12 Seiten.

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