Anrts» undÄirzeiy evlatt kür

Mit de» ikustrirrte» ve.il«>r« ,Fei«rst»»de," Unsere Kei««t", .Die W«dr »o« l,>e".

«e,ug»»reise: Monatlich einschließlich TrLgerlohn 1.6V; Einzelnummer 10 Erscheint »»

jedem Werktage. verbreitetst« Zeitung im O>A.-Bezirk Nagold. Echriftleitung, Druck und Verlag o. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

Mit »er londwirtschostliche» Woche»beil»ge: ,-«»»-, Sarteu- «»d Landwirtschast-

Anzeigenpreise: Die 1-spaltige Boraiszeile oder deren Raum 2V Familien-Anzelgrn 18 L, Reklamezeile L, Eammelanzeigen 80^ Nufschl. "ür das Erscheinen von Anzeigen in bestimmten

Ausgaben und an besonderen Plätzen, wie fLr telephonische Aufträge und Thiffre-Lnzeigen wird keine Gewahr übernommen. : : :

Telegr.-Adresse: Gesellschafter Nagold. In Füllen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung »der Rückzahlung de» Bezugspreise». Postsch.-Kto. Stuttgart 8118

Nr. 262

Gegründet 1827

Donnerstag, den 7. November 1828 Fernsprecher Nr 2 g

183. Jahrgang

Der Würkk. Landtag hak beschlossen, daß die Ortsvoc- sicher künftig nicht mehr Schultheißen, sondern Bürger­meister zu nennen seien. '

Zum badischen Landkagspräsidenken wurde zum sieben- tenmal Abg. Baumgartner (Zenkr.), zun, 1. Vizepräsidenten Abg. Maier-Heidelberg (Soz.). zum 2. Vizepräsidenten Abg. Dr. Waldeck (D. Vp.) gewählt.

Zu der Meldung, daß bei dem Flugzeugunglück in Eng­land ein Prinz zu Schaumburg-Lippe verletzt worden sei. verlautet in Bückeburg, daß es sich um den Prinzen Lugen handelt.

Der Reichspräsident hat der Prinzessin Max von Baden zum Ableben ihres Gemahls telegraphisch seine herzliche Teilnahme ausgesprochen. Auch der Reichskanzler hat im Namen der Reichsregierung ein Deleidstelegramm gesandt.

Beim Reichskanzler fand am Mittwoch nachmittag eine Besprechung der Führer der Reichsparkeien statt. Wie ver­lautet. kam dabei der Streb über die Ehescheidungsreform. die frühere Einberufung des Reichstags, die vom Zentrum gewünschte Umbildung des Kabinetts u. a. zur Sprache.

Das endgültige Ergebnis des Volksbegehrens wird erst nach dem Zusammentreten des Reichswahlausschusses am 21. November bekannkgegeben.

Der neugewählte badische Landtag ist am Mittwoch er­öffnet worden.

Das englische Unterhaus hat den Regierungsantrag bekr. Wiederaufnahme der Beziehungen mit Rußland mit 324 gegen IW Stimmen angenommen, einen konservativen Gegenantrag Daldwins abgelehnl.

Prinz Mar von Baden ch

Konstanz. 6. Nov. Prinz Max von Baden ist heute früh 5.45 Ahr gestorben.

Mit Prinz Max von Baden ist eine Persönlichkeit dahin­gegangen, die seit dem Kriegsende viel geehrt und viel angefochten wurde. In früheren Jahren ist er, obgleich nach dem Tod des Prinzen Ludwig Thronerbe in Baden, nur wenig in der Öffentlichkeit hervorgetreten. Auch als Mitglied in der ersten Kammer (seit 1893) und als deren Präsident (1907) hat er sich am politischen Leben nicht mehr beteiligt, als es sein Amt verlangte. In der Kammer ver­trat er einen auf streng religiöser Grundlage beruhenden gemäßigten Liberalismus. Es hat überrascht, als Prinz Max, man kann sagen in letzter Stunde, am 3. Oktober 1918 aus Vorschlag des ihm befreundeten Konrad yaußmann, damaligen Reichsstaatssekretärs, als Kanzler berufen wurde. Er hat die Verhältnisse nicht mehr zu meistern vermocht. Am 5. Oktober wurde jenes verhängnisvolle Telegramm an den amerikanischen Präsidenten Wilson gesandt, das diesen um die Frie­densvermittlung bat. Die Verbündeten zogen die Angelegenheit bis zum 5. November hin und dann war jede Vermittlung überflüssig geworden, obgleich die Lage an der Front sich gebessert hatte denn schon zog die Wetterwolke des Umsturzes herauf. Prinz Max, der ge­glaubt hatte, durch die Abdankung des Kaisers W il h e l m II. die Lage noch retten zu können, verzweifelte jetzt an der Möglichkeit und übergab am 10. November 1818 die Regierungsgewalt dem sozialdemokratischen Neichs- tagsabgeordneten Friedrich Ebert als dem Vertreter der stärksten Reichstagspartei.

Auf seinen Abgang fällt allerdings ein Schatten, oer ihm nie verziehen worden ist. Er veröffentlichte noch vor seinem Rücktritt eine Kundgebung, der Kaiser habe abgedankt. In Wahrheit war das nicht der Fall, und im großen Hauptquartier war man von der Kundgebung aufs höchste überrascht, denn sie konnte nicht anders denn als eine Absetzung des Kaisers durch die Regierung in Berlin ausgelegt werden. Prinz Max hat sich später in seinem BuchErinnerungen und Urkunden" (1927) mit der Entschlußlosigkeit des Kaisers zu recht- fertigen versucht, da er sich weder zum Einmarsch in Berlin an der Spitze einer zuverlässigen Truppe noch zu der nach Ansicht des Prinzen Max unvermeidlichen Abdankung habe aufraffen können. Aber wie dem auch sei, mit einer bewußten Unwahrheit durfte, zumal in so kri­tischer Zeit, nicht Geschichte gemacht werden. Und es ist dies von Prinz Max, auch wenn er von seiner Umgebung zu dem Schritt gedrängt worden sein sollte, um so unver­ständlicher, als er immer als ein Mann von tadelloser Ehrenhaftigkeit sich erwiesen hatte.

Nach seinem Rücktritt vom Kanzleramt zog er sich von der Politik vollständig zurü und lehnte auch hohe Aemter, die ihm von der Reichsregierung nach dem Umsturz angöboten wurden, ab. Er lebte seitdem auf seinem Gut Salem in der Nähe des Bodensees. Am 22. November 1918 verzichtete er mit Großherzog Friedrich II. für sich und seine Nach­kommen auf den Thron in Baden.

Die Uebersührung der Leiche wird nach Salem, dem Wohnsitz des Prinzen,, erfolgen. Die Beisetzung findet.vor­

aussichtlich in der dortigen Familiengruft am Freitag statt. Zur Beisetzung des Prinzen werden sämtliche Verwandte des Prinzen urck seiner Gemahlin erwartet. Auch die frühere Großherzogin von Baden wird an den Beisetzungsfeierlich­keiten teilnehmen. Die Mutter der Prinzessin, die Herzogin von Cumberland, ist am Dienstag in Konstanz eingetroffen.

ilh

Prinz Max von Baden wurde am 10. Juli 1866 als Sohn des Prinzen Wilhelm, eines Bruders des Großher- zogs Friedrich I. und der Prinzessin Marie Romanowfki, Herzoain von Leuchtender« geboren. Er studierte zusammen

mit "seinem Vetter,'dem später in der Schweiz verunglückten Prinz Ludwig, in Heidelberg und Freiburg, trat dann in das Garde-Kürassierregiment in Berlin ein und wurde später Kommandeur des badischen Leibdragonerregiments. ^908 quittierte er den Militärdienst. Seiner Ehe mit Prin­zessin Marie Luise, einer Tochter des 1923 verstorbe­nen Herzogs Ernst August von Cumberland, Schwester des Herzogs Ernst August von Braunschweig, des Schwieger­sohns des Kaisers, entsprossen Prinzessin Marie Ale­xandra (geb. 1901), seit 1924 mit dem Prinzen Wolfgang von Hessen vermählt, und Prinz Berthold, geboren 1906.

Das streikende Zentrum

Berlin» 6. November. Im Rechtsausschuß des Reichs­tags stand die Reform über die rechtliche Stellung der un­ehelichen Linder zur Behandlung. Die Abg. v. Freytag - Loringhoven (dtl.) und Hanemann (dtl.) wiesen auf den allgemeinen Brauch hin, daß Ausschüsse nicht zu tagen pflegten, wenn eine große Partei (in diesem Fall das Zentrum) im Ausschuß nicht vertreten sei. Auch scheine die Regierungskoalition sehr ins Wanken geraten zu sein, wenn eine große Regierungspartei, wie das Zentrum, plötzlich seine Mitarbeit einstelle. Der stellv. Vorsitzende Lands­berg (Soz.) erwiderte, die Nichtteilnahme des Zentrums beruhe auf der Obstrukttonsabsicht und es sei nicht

Brauch im Reichstage, infolge Obstruktion einer Partei not­wendige und dringende Arbeiten zu verzögern. Die Ab­geordneten Hanemann und Strathmann (beide dtl.) beantragten hierauf, die Sitzungen des Rechtsaus­schusses solange zu vertagen, bis das Zentrum wieder teilnehme, weil das Ergebnis der Beratungen nun ja doch in der Luft hänge und wahrscheinlich später werde wieder umgestoßen werden müssen.

Abg. Dr. Rosenseld (Soz.) wandte sich gegen diesen Antrag. Das Zentrum werde sich schon wieder bald an der Beratung beteiligen. Der deutschnationale Antrag auf Ver­tagung wurde gegen die Stimmen der Deutschnationalen abgelehnt.

Ministerialrat Brand is (Reichsjustizministerium) be­gründete den Gesetzentwurf. Daß ein Kind, dessen Mutter in der Empfängniszeit mit mehreren Männern verkehrt habe, von keinem dieser Männer Gewährung von Unter­halt verlangen könne, sei eine nicht gerechtfertigte Härte für das Kind. Mangelhaft sei auch der gegenwärtige

Rechtszustand hinsichtlich der elkerlichen Gewalt, der Ehe­lichkeitserklärung nnd der Annahme an kindesstatt. § 1705 BGB. soll nach der Regierungsvorlage durch eine Vorschrift ersetzt werden, wonach das uneheliche Kind im Verhältnis zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kind» haben soll.

Die Kommunisten beantragten, daß das unehe­liche Kind im Verhältnis zum Vater und zur Mutter und zu den Verwandten von Vater und Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kinds haben soll. Die Sozial­demokraten schlossen sich diesem Antrag an. Vo« seiten der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen V*olkspartei wurde darauf hingewiefen, daß mit der Annahme dieses Antrags grundsätzlich eine völlige rechtliche Gleichstellung des unehelichen Kindes mit dem ehelichen Kind erfolge. Hiernach würden die meisten Bestimmungen des vorliegenden Gesetzentwurfes über­flüssig, denn wenn die unehelichen Kinder den ehelichen gleichgestellt würden, so gäbe es eben keinen Unter­schied mehr.

Die Deutschnationalen hatten beschlossen, sich der Stimme zu enthalten, solange die'Vertreter des Zentrum» im Ausschuß nicht anwesend sind. Der Antrag hatte aHo Aussicht auf Annahme. Die Sozialdemokraten beantragten nunmehr, daß über den kommunistischen An­trag erst abgestimmt werden solle, nachdem der Ausschuß über die übrigen Bestimmungen beschlossen habe. Der sozialdemokratische Antrag auf Vertagung der Abstimmung wurde mit S gegen 6 Stimmen bei 8 Stimmenthaltung en sngsnommen. Wsrterberaftmg Donnerstag.

Der innenpolitische

Man hat den innenpolitischen Kampf, der nunmehr in Sowjetrußland im Entstehen ist, kommen sehen. Es ist nicht ein Kampf gegen irgendwelchezaristischen oder weiß-gardi- stischen Verschwörungen", sondern um die B a u e r n f r a g e. Fünfundneunzig Prozent der Bevölkerung Rußlands besteht aus Bauern und Menschen, die mit der Landwirtschaft un­mittelbar verbunden sind. Mit der Bauernfrage ist Moskau noch nie fertig geworden. Mit allen Mitteln der Unter­stützung und der blutigsten Gewalt Hot man es versucht, die Bauern, besonders dieGroßbauern" oder Kulaken darunter versteht man im heutigen Rußland solche, die min­destens e i n eigenes Pferd besitzen für den Bolschewis­mus und Las marxistische Wirtschaftsleben zu gewinnen, aber alle Versuche waren vergeblich. Aus zwei Gründen. Auch der russische Bauer hat ein instinktives Gefühl, daß das marxistische Wirtschaftssstem für die Landwirtschaft nicht paßt, weil es auf diesem Gebiet erzeugungshemmend ist und weil der Bauer von Natur freier Herr auf seiner Scholle sein will und sein muß, um dem Boden die höchst­möglichen Erträge abzuringen. Zum andern fühlt sich der zäh an seiner orthodoxen Kirche hängende russische Bauer abgestoßen durch den religionsfeindlichen Bolschewismus, die Zerstörung der Kirchen und Klöster, die ihm ein Heiligtum waren und sind. Damit ist dann auch die wesentliche Auf­gabe der Sowjetregierung gescheitert: die ständigen Ernäh­rungsschwierigkeiten des russischen Reichs durch Hebung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu beseitigen. In Rußland, einem Land von ungeheuren Gebieten, fruchtbarsten Bo­dens, sterben heute Tausende jährlich den Hungertod, und in den großen Städten müssen heute noch die Scharen stun­denlang täglichSchlangen stehen", um die kärglich auf je­den Kopf zugemessenen Nahrungsmittel für teures Geld in Empfang zu nehmen. Es ist damit schlimmer bestellt, als es bei uns in Deutschland in der schlimmsten Kriegsnot war. Dazu hat der Bolschewismus den Grundfehler gemacht, die für die Getreideversorgung namentlich der Großstädte un­entbehrlichen landwirtschaftlichen Großgüter zu zerschlagen und sie mit Kolonisten zu HAetzen. Diese Kolonisten, meist den Großstädten entnommen^ eigneten sich größtenteils nicht

Kampf in Rußland

für landwirtschaftliche Betriebe und sind keine Bauern ge­worden, oder soweit sie sich den neuen Verhältnissen an» paßten, verhielten sie sich ablehnend gegen die bolschewisti­sche Wirtschaftsweise. Auf jeden Fall steht die Erzeugung dieser Ackerskellen mengenmäßig und qualikaiv entfernt in keinem Verhältnis mehr zu derjenigen der alten Großväter. Rußland, das früher eine bedeutende Getreideaus­fuhr hatte, muß heute aus Kanada und Argentinien Ge­treide einführen.

Jetzt, in der Zeit einer besonders auffälligen Getreide­knappheit versucht man wieder mit äußerst strengem Vor» gehen gegen die Bauern die landwirtschaftliche Erzeugung zu heben, aber das Ziel wird man schwerlich erreichen. Denn die Ursache der ständigen Krise liegt, wie gesagt, im System der bolschewistischen Zwangswirtschaft, di« den Bauern das Interesse an der Förderung der Erzeugung nimmt und sie obendrein noch ungenügend mit den Erzeugnissen der In­dustrie versorgt, die sie für sich und für die Bestellung ihrer Aecker brauchen.

»

Nach Berichten Moskauer Blätter hätten die russischen Bauern begonnen, vom passiven Widerstand zum Terror gegen den Terror Lberzugehen undreligiöse Sekten" zum Kampf zu bilden- So wird aus Moskau gemeldet: In Ruß­land wurden 22 Führer und 500 Anhänger der religiösen Sekte derK r e u z t r ä g e r" verhaftet. Sie sind angeklagt, Komplotte zur Wiedererrichtung derMonarchie" ange­zettelt zu haben. Man bringt die Sekte auch in Zusammen­hang mit der Tätigkeit antisowjetistischer Geheimbünde in der Ukraine. Diese Bünde sollen Brandstiftungen und Morde gegen Sowjetanhänger begehen, insbesondere gegen solche, die sich im Kampf gegen die Kulaken hervortun- Die Mitglieder dieser Bünde sollen ganze Listen von Leuten, denen sie an Gut oder Leben wollen, schon eine Woche vor Begehung des Verbrechens öffentlich anschlagen. So wurden in Voznesenowka anonyme Plakate ange­schlagen:Wir raten den folgenden Personen, ihre Häuser zu verlassen, die an allen vier Ecken brennen werden!" (Es