Seite 2 — Nr. 211
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Württemberg
Stuttgart, 8. Sept. Verhaftung von Einbrechern. Seit etwa 1 siahr wurden hier in unregelmäßigen Zeitabständen immer wieder Laden- und Büroeinbrüche, sowie Schaukastendiebstähle verübt, wobei den Tätern jeweils größere Geldbeträge und Waren von erheblichem Werte in die Hände gefallen sind. In einem Falle erbeuteten sie 1250 RM. Bargeld, bei einem Ladeneinbruch wurden Textilwaren im Wert von etwa 4000 AM. mitgenommen und bei dem kürzlich gemeldeten Diebstahl des Uhrmachers Hoffmeister in der Marienstraße Bijouteriewaren im Werte von annähernd 3000 AM. entwendet. Nunmehr wurden durch die Kriminalpolizei als Täter eine Reihe hier ansässiger Personen ermittelt. Es sind dies der vielfach vorbestrafte 24 I. a. led. Gärtner Karl Fichte, der 26 3. a. led. Elektrotechniker Rudolf Benoit, der 26 3. a. led. Dreher Hermann Beck, der 27 I. a. led. Kaufmann Oskar Bidling- maier, der 22 3. a. led. Ofensetzer Emil Klotz, der 22 3. a. led. Kraftwagenführer Edmund Fichte, der 24 Z. a. led. Friseur Hermann KL m m und die 25 5. a. Kontoristin Helen« Baudach. Sie hakten nach ihren eigenen Angaben für die nächste Zeit weitere größere Einbrüche in kiesige Ladengeschäfte geplant. Bis jetzt sind über 20 größere Einbrüche aufgeklärt, aus denen noch Beutestücke im Wert von etwa 2600 AM. beigebrachk werden konnten.
Reichstagung der Kriegsbeschädigten. Freitag nachmittag hielt der Berbandsausschuß des Zenkralverbands deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegshinterbliebenen im Schmollsaal des Kunstgebäudes eine Sitzung ab, in der Berbandsan- oelegenheiken beraten wurden. "Im Anschluß daran wurde im Kuppetsaail der Berbandstag selbst eröffnet, zu dem Vertreter her einzelnen Landesverbände sowie der Regierung erschienen waren. Die Mitgüederzahl hat um etwa 60 Prozent Angenommen. das Vermögen sich verdoppelt. Der Verband hat ein zweites Erholungsheim erworben und die Sterbeunker- stützung eingeführt. Abends fand im Kuppelsaal ein Begrüßungsabend statt.
Der kaufmännische Stellenmarkk im August wurde durch «°EEEgungstermin ungünstig beeinflußt. Zahl- reich« Kündigungen in den verschiedensten Wirtschaftszrvei- ü ^kennen, daß für ein« Besserung der allgemeinen Wi r tschaftslage nicht die geringsten Anzeichen vorhanden Gegenteil konnte wieder ein« reckt erhebliche Zahl von Betrievsmllecmnaen beobachtet werden, besonders ln det
Eisen- und Metallindustrie. Die Banken schritten an verschiedenen Plätzen zu weiterem Personalabbau.
Der Fall Böblingen vor der Entscheidung. Die Entscheidung über die Frage, ob für die Inbetriebnahme der angefochtenen Starkstromleitung vor dem Döblinger Flugplatz die erforderliche polizeiliche Erkenntnis zu erteilen oder zu versagen ist, wird in der kommenden Woche fallen.
Hagelwetter. Aus Möhringen a. d. F-, Schnaitheim a. Br. und Gemarkung Heidenheim werden schwere schadenbringende Hagelwetter gemeldet.
Ludwigsburg, 8. Sept. Straßenbahn Ludwigs- burg — Stuttgart. Die Genehmigung für die Straßenbahn durch das Wirtschaftsministerium ist in nächster Zeit zu erwarten. Schwierigkeiten bereiten noch die Einwände der Gemeinde Kornwestheim wegen der Grunderwerbungskosten (von denen die Geschäftsführung des Elekkrobahnenoerbands G. m. b. H- nur 225 000 Mk. anerkennen will) und der Gemeinde Zuffenhausen wegen ihres Beitrags. Beide Einwände zusammen betreffen eine Summe von 600 000 Mark.
Dapfen, OA. Münsingen, 8. Sept. Der Blitz schlägl in eine Schafherde. Bei einem Gewitter schlug der Blitz in eine auf dem Oberhardt weidende Schafherde und tötete zwei wertvolle Schafe. Der Schäfer blieb unverletzt.
Wellendingen, OA. Rottweil, 8. September. Bestattung von General Blaul. Am Freitag wurde hier Generalmajor a. D. Bla ul zu Grabe getragen. Für die Gemeinde Wellendingen legte Schultheiß Schneider dem verstorbenen Ehrenbürger einen Kranz nieder.
Tuttlingen, 8. Sept. Als deutscher Lehrer des Auslands. Studienassessor Dr. Rheinwald, seit etwa 3 Jahren an der hiesigen Oberrealschule angestellt, übernimmt eine Lehrstelle an der Deutschen Kaiser-Wil- Helms-Schule in Schanghai.
Alm. 8. September. Unterschlagung. Der Buchdruckereibesitzer und Rechner der Darlehenskasse Erbach bei Ulm hatte sich wegen Unterschlagung zu verantworten. Er hatte von den Mitgliedern Geld eingenommen, ohne es sofort zu buchen und bei der Revision ergab sich ein Fehlbetrag von nahezu 3000 Mark. Der Angeklagte hat diesen Betrag teils in bar, teils durch ein« Hypothek gedeckt. Das Gericht, das den Angeklagten freisprach. war der Meinung, baß da» Gebaren des Angeklagten am Rand »in«r Unterschlagung vorbeigehe. Ein Teil der Schuld sei auch der nachlässigen Kontrolle zuzuschreiben.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 9. September 1929.
Die Welt ist voll Torheit, Dumpfheit, Inkonsequenz und Ungerechtigkeit; es gehört viel Mut dazu, diesen nicht das Feld zu räumen und sich beiseite zu begeben. Goethe.
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Bilder vom Wochenende Seplembertage
Man gestehts sich's nicht gerne ein, denn die Sommerlage sind so schön, so hell und noch so heiß, aber es ist doch so: 2m September geht der Sommer zur Neige, denn immer kleiner wird die Bahn der Sonnenkugel und immer kürzer die Tagesfrist. Der September wird zum Zeitraum und die Erde in ihm zum Schauplatz eines erbitterten Kampfes, in dem die Nachhut des Sommers mit der Vorhut des Herbstes mit den verschiedenartigsten Waffen um die Palme des Sieges kämpfen. Der Sommer schickt seine Eonnenglut (40 und mehr Grad in der Sonne) und seine Gewitter ins Treffen, damit es am nötigen Gefechtslärm nicht fehle, der Herbst sucht den Feind mit Einnebelung oder mit Kältewellen (nur 2 Grad noch des Nachts) zu überwinden. Nun. wir wissen, wer siegen wird, wir beugen uns dem Stärkeren und gehen getrost dem Kommenden entgegen, denn er ist auch Herrscher und schön in seiner Art.
Herbst in der Natur und Herbst im Menschenleben, sie ähneln beide einander, sie haben beide gemein, daß für die Menschheit die Arbeit geleistet ist und nun Nuhe kommen darf und muß. So sehen wir einen städtischen Beamten, Herrn
Stadtpfleger Lenz
aus dem Dienste scheiden. Samstag nachm, fanden sich die Stadt- und Gemeindepfleger im goldenen Adler in Nagold zusammen. Es galt, den in in den Ruhestand getretenen, bisherigen Vorsitzenden, Herrn Stadtpfleger Lenz-Nagold, in Dankbarkeit für seine langjährige eifrige Tätigkeit im Verein eine gebührende Ehrung anzubringen. Herr Stadtpfleger Krapf- Altentteig brachte als Leiter der Veranstaltung zum Ausdruck, daß Herr Lenz es immer verstanden habe, die Belange des Vereins und seiner Mitglieder tatkräftig und nach Möglichkeit zu vertreten. 20 Jahre lang lag die Leitung in seinen Händen, gewiß eine geraume Zeit, was vollste Anerkennung verdient. Herr Stadtpfleger Frauer-Wildberg erinnerte an die stets treue Zusammenarbeit und Herr Gemeindepfleger Gayer-Sulz ließ seine Gedanken in humorvoller Weise in vergangene Tage zurückschweben. Als Zeichen der Dankbarkeit wurde Herr Lenz zum Ehrenvorsitzenden ernannt und mit einem kleinen Angebinde bedacht. Mit bewegten Worten brachte der Geehrte seinen Dank zum Ausdruck und versprach, auch fernerhin dem Verein mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zum Vorsitzenden wurde Herr Stadtpfleger K raps-Altensteig gewählt.
Hat nun der Stadtpfleger i. R. seine Lebenskraft und Lebensarbeit in den Dienst der Stadt Nagold und der bürgerlichen Gemeinde gestellt, so durfte die Gemeinde am gestrigen Tage eine neue Kraft begrüßen, Herrn Stadtpfarrer Brecht, der bereits am Mittwoch vom Kirchengemeinderat in sein Heim geleitet wurde und nunmehr die Nachfolge des hier so beliebten Herrn Stadtpfarrers Presse! verwalten wird. Somit darf der gestrige Sonntag, an dem die
Investitur von Herrn Stadtpfarrer Brecht
stattfand als ein Festtag der evangelischen Kirchengemeinde gelten. Der Blumenschmuck auf dem Altar der Kirche gab dem Ganzen ein festliches Gepräge. Seiner Antrittspredigt legte der neue Geistliche 1. Petri 4, 10 zugrunde: „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes". Man spürte es aus den Worten des Seelsorgers, wie sehr er von der Schwere des Pfarramts
durchdrungen ist. Nun gilt es unserer Gemeinde wie auch jeder anderen: Land, Land, Land, höre des Herrn Wort! Die Amtseinsetzung fand im Anschluß durch Herrn Dekan Otto statt, der über die Aufgaben eines Pfarrers sprach und sodann eindringlich der Gemeinde ans Herz legte, was ihre Aufgabe sei. Als Zeuge sprach Herr Stadtpfarrer F i s ch e r-Verneck, nachdem die Herren Vertret- ter der Gemeinden Nagold ynd Jselshausen (Stadtschultheiß Maier und Schultheiß Rau sei), sowie der Vater des Herrn Stadtpfarrers, Herr Jugendrat a. D. Brecht, ihre Glückwünsche dargebracht hatten. Zu Anfang des Gottesdienstes hatte der Kirchenchor „Wie schön leuchtet der Morgenstern" gesungen und nun ließ er „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'" erklingen. Hiermit war die feierliche Handlung beendet. Möge allezeit ein herzliches Verhältnis zwischen Seelsorger und Gemeinde bestehen. Unsere besten Wünsche für eine gesegnete Wirksamkeit begleiten ihn.
Im großen und ganzen sind es lokale Fragen, die Menschen von heut am meisten und brennendsten interessieren. Aber es gibt auch andere Dinge, besonders im Jahre 1929, die uns Deutschen auf den Nägeln brennen und in die wir uns hinein vertiefen müssen. Eine Partei ist es hier am Orte, die unermüdlich für ihre Ideen wirbt, die immer wieder kommt, um Bericht über die neuesten Vorgänge zu erstatten, die N. S. D. A. P. So war Herr
Landtagsabg. Prof. Mergenthaler von der NSDAP.
zu einem Referat „Die Youngplan-Verbrecher" am Samstag Abend im Waldhornsaal erschienen. Nach einleitenden Vegrüßungsworten des Ortsgruppenvorsitzenden führte der Redner in ganz kurzen Zügen gefaßt ungefähr folgendes aus: Die letzte Zeit wurde zu ganz unbootsmäßigen Hetzereien der deutschesten aller deutschen Kundgebungen benutzt, dem Reichsparteitag in Nürnberg, den man sich nicht scheute durch die unglaubgichsten Entstellungen in den Schmutz zu ziehen und schließlich durch die gemeinen Verdächtigungen anläßl. der verschiedenen Bombenattentaten inNorddeuschl.Derartige Handlungen lehnen wir aus sittlichen und politischen Gründen unbedingt ab und scheuen uns nicht, den Verdacht auszusprechen, daß diese Attentate von Spitzeln der Polizei Zörgiebel provoziert worden sind (siehe Aufruf Hittler auf Seite 1). — Unsere Prophezeiungen in Bezug auf den Dawesplan sind restlos eingetrosfen, ja übertroffen worden. Wir erwähnen sie nicht, weil wir uns freuen, recht behalten zu haben, sondern weil es das Volk ist, das darunter zu leiden hat. Wenn man die dauernde Steigerung der Arbeitslosenziffern betrachtet, so wird man zugeben müssen, daß wir katastrophalen Verhältnissen entgegen gehen und es wird nicht anders werden, so lange der Marxismus Führung behält und unsere Außenpolitik treibt. Vom Dawesplan haben die Freunde des Youngplanes gesagt, daß er doch erfüllt worden sei. Ja, aber mit 13—15 Milliarden Auslandsschulden, die jährlich 1,5 Milliarden Verzinsung verlangen, und nicht, wie es vorgesehen war, mit Ueberschüs- sen aus den Ausfuhr. Dazy kommen nun noch die durchschnittlich 2,5 Milliarden Abgaben auf Grund des Young- planes, zusammen also jährliche Zahlungen von 3,8 bis 4 Milliarden. Dies muß zum Abgrund und Untergang führen. Auch die Verhandlungen über die Arbeitslosenversicherung sind Machenschaft des Marxismus, der sich mit Hilfe des internationalen Finanzkapitals verankern will. Die Meldungen, daß der Youngplan günstiger sei, sind Lüge, denn der Dawesplan sieht nur eine Zahlungszeit von 37 Jahren, der Youngplan von 58 Jahren vor, d. h. im ganzen 62—67 Milliarden für den Dawesplan. aber 114 Milliarden für den Youngplan. Wenn es möglich wäre, die Wahrheit des Youngplanes in das Volk zu tragen, so würde es sich aufbäumen. Eine Lüge ist auch die Abschaffung der Kontrollorgane. An ihre Stelle tritt die intenationale Weltbank. Eine interessante Aeußerung ist
Montag, 9. September 192g.
die des Berliner Tagblatts, die besagt, daß die überschüssigen Gelder dieses Bankinstituts „fruchtbar" dazu benutzt werden sollen, um nutzlos Gebiete in der Welt urbar zu machen. Zu diesem Zwecke müsse man Musterungen in Deutschland abhalten und die besten deutschen jungen Männer und Mädchen dorthin versenden. (Uebrige Ausführungen brauchen wir über den Youngplan nicht mehr zu bringen, da sie bereits in Mitteilungen des Reichsaus- schusses für das Volksbegehren von uns veröffentlicht wurden. D. Schr.) Was wollt Ihr nun machen? Diese Frage wird oft an uns gerichtet. Sie soll beantwortet sein. Der Gang der Außenpolitik ruht auf der Kriegsschuldlüge und wir müssen bezahlen, weil wir die Alleinschuld am Kriege übernommen haben. Aus diesem Grunde und nicht weil wir den Krieg nicht gewonnen haben, müssen wir bezahlen. Die Kriegsschuldfrage ist auch keine Eelehrten- frage, wie man sie bei uns hinzustellen beliebt, sondern eine politische Frage. Wir wollen bezahlen, doch nur das, was wir zu leisten in der Lage sind, Wissenswert ist auch die Tatsache, daß durch die 600 Millionen-Abgabe der Reichsbahn, diese gezwungen sein wird, das Personalkonto zurück zu schrauben, da die Youngplanzahlungen an erster Stelle stehen. Dafür wird aber der Internationalen Bank Steuerfreiheit gewährt! In den letzten Tagen kam in dem amtlichen Organ der Württ. Regierung eine Stellungnahme zum Youngplan, die wir in seiner unglaublichen Abfassung, d. h. in seiner bejahenden Tendenz rückhaltlos ablehnen müssen. Wir werden, so dies nicht anders wird und der Leitartikler des Staatsanzeigers im Einvernehmen mit der Regierung handelte, als ausschlaggebende Stimme im Landtag künftighin die heutige Regierung nicht mehr gegen den starken Ansturm der Linken stützen können. Das in Aussicht genommene Volksbegehren ist d i e Gelegenheit, das Schicksalsschiff unseres Volkes herum zu reißen und wenn dies nicht gelingt, ist unser Volk auf Generationen hinaus verloren und versklavt. Wir brauchen eine Regierung, die nicht kapituliert vor dem internationalen Finanzkapital und eintritt für die Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes. Ich hoffe, daß bei der kommenden Arbeit unserer Partei für das Volksbegehren der Schwarzwald seinen alten gesunden Sinn zeigt, und daß er mithilft, damit unser deutsches Volk nicht untergeht, denn Deutschland soll leben in Ewigkeit!" — Freudiger und überzeugter Beifall bedankte den Redner ßür sein treffliches Referat. — Herr PH. Bätzner sprach die beschließenden Worte. Es wurde auch noch auf den am 17. Oktober in Nagold stattfindenen Vortrag des bekannten Nationalsozialisten Straßer hingewiesen.
Im Löwensaal war am Sonntag Nachmittag der Reichsbund versammelt, der es sich nicht hatte nehmen lassen, seine Mitglieder und Freunde zu dem
10jährigen Reichsbund-Stiftungsfest
einzuladen. 10 Jahre Arbeit im Dienste der Frontsoldaten ist schwer und wert, unumschränkt anerkannt zu werden. Ueber diese Tagung erhalten wir von anderer Seite folgende Zeilen:
„Ein schöner Septembertag war's, Mariä Geburt! Und an diesem Tag feierte der Reichsbund der Kriegsbeschädigten etc. Bezirk Nagold seinen 10. Geburtstag! Der „Löwensaal" in Nagold hätte ja noch mehr fassen können, doch wir waren zufrieden, wenigstens, weil die Kameradinnen und Kameraden unseres Bezirks zahlreich erschienen waren. Nach dem flotten „Stadion-Marsch" und dem wuchtigen Männerchor „Volkes Wille" entbot der Bezirksleiter, Kamerad Soulier, herzl. Willkommgruß. Ein Rückblick auf die verflossenen 10 Jahre und ein getreues Gedenken unserer gefallenen und an den Folgen des unseligen Krieges gestorbenen Kameraden aus seinem Mund leitete die Feier ein, worauf der „Musikkolleg" mit seinem einschmeichelnden „Krausköpfchen" einsetzte. Der gemischte Chor „O Täler weit, o Höhen" v. Mendelsohn — von unserem unsterblichen Schlesier Eichendorsf gedichtet, war Heimatsehnen und Heimatliebe, echt und wahr, und auch vom Arbeitergesangverein „Frohsinn" so vorgetragen. Nun die Festrede! Kamerad Boy na — unser bewährter Kämpe — fand gleich den richtigen Kontakt zu uns. als er von der Schützengrabenkameradschaft sprach. Da fühlten wir gleich, daß einer da stand, der den Krieg nicht aus schönen Beschreibungen kannte, sondern, daß er selbst mit von der Partie war. Kamerad Boyna kritisierte zunächst die Interesselosigkeit der Oeffentlichkeit an unserer Feier, die wiederum beweise, daß die im Krieg ausgegebenen Schuldscheine „Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiß!" heute nach 15 Jahren nicht mehr anerkannt werden. Auch die Kriegervereine, die doch das Wort „Kameradschaft" auf ihre Fahne geschrieben hätten, hätten völlig versagt, wenigstens in Bezug auf die Kriegsopfer! Beim Ruhrkampf, bei Jndustriesubventionen, bei der Fürstenabfindung, bei Pensionen etc., wäre immer der gute Wille und das — Geld da! Nur bei den Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen würde ständig geknausert! Ein Wink für die, die morgen schon wieder die Flinte auf den Buckel nehmen möchten! So stünden die Kriegsopfer immer wieder allein und wenn ihre Organisationen, vorab der Reichsbund nicht wäre, könnte man ein noch viel traurigeres Lied singen. Aber nicht nur um das Versprechen an unsere gefallenen Kameraden im Felde: für die Hinterbliebenen zu sorgen, einzulösen, sei der Reichsbund da, sondern auch: kommende Geschlechter vor dem Wahnsinn eines neuen Krieges zu warnen! Mit voller Ueberlegung habe der Reichsbund auf seine Fahne geschrieben: „Nie wieder Krieg!" Warum? Kann man von jedem Kriegsopfer erfahren; Darum treu bleiben den Idealen des Reichsbunds, eine spätere Zeit wird bestätigen, daß wrr auf dem richtigen Wege sind! Herzlicher Beifall war der Dank der Festversammlung für Kamerad Boyna, der uns allen aus den Tiefen unserer Herzen gesprochen hat. Nach einem weiteren Männer- und Gemischten Chor ging »Der Herrgottsschnitzer von Ammergau" über die Bretter! Wieviel Humor, Ernst, Scherz und Gemüt legt doch der urbay- rische Eanghofer in dieses Stück! Und wie verstanden es unsere Nagolder Spieler, sich in das Ganze hineinzudenken! Wem sollen wir denn das meiste Lob erteilen? Zunächst der fachmännische typische Klosterwirt — rm Nebenamt Bürgermeister — (Herr M ü l l e r), dann seiner liebreichen Pflegetochter Loni, der nachdenklichen halv- und zuletzt Ganzverliebten (Frl. Lutz), der Landschaft^ maler Baumiller (Herr W. Stikel) war gut, hätte doch ein bisserl „malerischer" sein dürfen! Die Üohner-Traudl (Frl. Hamann) war 'ne würdige Matrone und ryr Sohn Paul, der Herrgottschnitzer (Herr Eugen Kern) wie immer, ganz bei der Sache trotz seiner Muhen, Arbeiten und ... Sorgen als Regisseur. Der Muhe Uers. die Loni, war ihm herzlich zu gönnen! Auch der Mu (Herr Alb. Schweikle) und besonders der alte Pecher- lehnl (Herr Eng. Stikel) waren würdig in ihren Aw-