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Montag, den 2. September 1929

Fernsprecher Nr. 29

103. Jahrgang

Was wird am 1. September gezahlt?

Es ist völlig unmöglich, daß der Doung-Plan am 1. Sep­tember rechtsgültig in Kraft treten könnte, da weder die technischen Vorbereitungen geleistet, noch die nötigen Be­stätigungen so schnell zustande kommen können. Selbst wenn eine Vereinbarung über die Verteilung der Iahreszahlun- gen nach dem Poung-Plan gesichert wäre, bleibt doch noch eine ganze Reihe von Untersragen, die im besonderen die Organisation der Tributbank betreffen, ungeklärt Da­für müssen erst Unterausschüsse eingesetzt werden. Erst wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, kann am einer besonderen Konferenz der Doung-Plan von den Regierungen endgültig angenommen werden. Danach wer­den die Bestätigungen beginnen. Auf der anderen Seite ist es unbestreitbar, daß es nicht angängig wäre, bis zu diesem vorläufig noch unbestimmten Zeitpunkt die Zahlun­gen nach dem Dawes-Plan weiter zu leisten. Im Zusam­menhang damit ist der Gedanke an eine vorläufige Lösung aufgetaucht, die in einem besonderen Abkommen unter den beteiligten Regierungen gesucht werden sollte. Diesen Gedanken hat man wieder fallen lassen. Statt dessen

wird ein AusuOeg wohl darin gesucht werden, daß der Dawes-Agent mit der stillschweigenden Zustimmung der Gläubigerregierungen mit dem Reichsfinanzminister ein Abkommen schließt, das vorsieht, daß am 1. September di" Zahlungen zwar noch im Rahmen und mit dem Mechanis­mus des Dawes-Plans geleistet, aber auf die Höhe der im Doung-Plan vorgesehenen Summen gebracht werden

Die Kosten der Ausschutzarbeiken

Haag, 1. Sept. Zu den Kosten der kommenden Ausschuß- ardeiten für die Ingangsetzung des Zoungplans Hai Deutschland einen Zuschuß von 6 Millionen Mark za leisten. Außer den bereits im Toungplan vorgesehenen Ausschüssen wurden noch aufgestellt: ein zweiter Sonder­ausschuß für die Tribütbank, ein Ausschuß für Neuregelung der Sachlieferungen, ein Ausschuß für die Uebergangsmaß- nahmen, ein Ausschuß für die Fragen der sogenannten Nachfolgestaaten (die aus der Zerschlagung Oesterreich-Un­garns gebildet wurden), für die Befreiungsschuld usw. W o das Heer dieser Ausschüsse tagen wird, ist noch nicht be­stimm!.

Neuer Raub im Haag

Scharfe Auseinandersetzung

Haag, 31. August. WTV. meldet: In der heutigen Dor- mittagssitzung kam es noch einmal zu einer ziemlich scharfen Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der Gläubiger- mächte und den deutschen Delegierten, Reichsminister Cur - tius und Hijferding. Es wurde von Deutschland ver­langt. daß es auf Grund von Kapitel 9 H 145 des Doung- planes eine Verzichterklärung abgebe, die sich auf alle Entschädigungen namentlich solcher Liquidationseclöse aus dem beschlagnahmten deutschen Eigentum erstrecken sollte. Manverständigte" sich jedoch angesichts des hart­näckigen deutschen Widerstands schließlich dahin, daß eine besondere Unterkommission für die weitere Behandlung dieser Fragen eingesetzt wird.

Das hat gerade noch gefehlt. DenGläubigermächten" ist der Appetit beim Essen nicht schlecht gewachsen. Also nicht nur die Mehrauflage von 800 Millionen des ver­schärften Doungplans, Tragung der Besetzungs- und Kam- missionskosten, ewige Ueberwachung usw., sondern auch noch ein deutscher Verzicht auf das gestohlene deut­sche Eigentum, das in England allein noch über 250 Millionen Goldmark ausmacht, soll in den Boungplan hin­eingeschmuggelt werden. Hat man Worte? Und zu was eineUnterkommission"? Entweder lehnt Deutschland die Zumutung mit einemehrlichen Nein" ab, dann braucht man keineUnterkommission", oder die Kommission wi-d eingesetzt und dann weiß man, wieviel die Glocke geschlagen hat.

Die Schlußsitzung im Haag

Die Konferenz genehmigte in ihrer Schlußsitzung am Samstag vormittag die Berichte des politischen und des

Finanzausschußes, die dann Zwischendo'kumente vom Vor­sitzenden Jaspar und vom Sekretär unterzeichnet und den Gesandten der beteiligten Mächte im Haag zur Uebermitt- lung an ihre Regierungen übergeben wurden. Die ver­schiedenen Abordnungsführer drückten sich gegenseitig den Dank aus (Briand war schon abgereist) und der Königin Wilhelmine telegraphisch der Dank und Glückwunsch zu ihrem heutigen Geburtstag ausgesprochen. Als die Abord­nungen das Sigüngsgebäude verließen, spielte der auf­gestellte Bläserchor das niederländische Dankgebet und an­schließend «Ein' feste Burg ist unser Gott!' und mehrere Choräle.

Reichsminister Dr. Stresemann und Staatssekretär o. Schubert sind am Sonntag vom Haag nach Gens abgereist.

Briand wurde bei seiner Ankunft in Paris stürmisch begrüßt.

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Die schlauen Amerikaner

Mt der größten Hartnäckigkeit haben die Amerikaner immer an der Grundforderung festgehalten: Reparationen und Verbandsschulden (an Amerika) haben nichts mitein­ander zu tun. Heute wissen wir, welches Ziel diese Hart­näckigkeit im Auge hatte: die Vereinigten Staaten haben sich für die Bezahlung der Kriegsschulden eine doppelte Sicherheit geschaffen. Einmal haben sie die Sonder­abkommen mit ihren Schuldnern England, Frankreich, Italien usw. in der Tasche, und dann haben den 2) oung - Plan, ihre eigenste Erfindung, demzufolge Deutsch­land die Schulden der Schuldner Amerikas bezahlt. Für den Fall, daß Deutschland einmal der Atem ausgehen sollte, bleiben den Amerikanern also immer noch die Abkommen mit den Schuldnern selbst. Ein glänzendes Geschäft.

Ax. 205 Gegründet 1827

ragessmegel

Der Nakionalverband deutscher Reichselssnbahner (Bres­lau) hat in einer Entschließung den Joung-Plan für unan­nehmbar erklärt. Der Plan verlange allein von der Reichs­bahn einen Betrag, der ausreichen würde, um jährlich 10 Üvll Kilometer Gleise zu erneuern.

Die zweite Operation Poincares mußte aufgeschoben wer­den, weil sich in den letzten Tagen ein Blutandrang in der Lunge zeigte. Der englische Erstminister Mac Donald und die anderen Mitglieder der englischen Abordnung zur Völker­bundsversammlung haben auf der Durchreise Poincare in seiner Wohnung einen Besuch abgestattet.

Mac Donald wird am 1. Oktober zum Besuch in Washing­ton erwartet. In der lausenden Woche soll eine wichtige Erklärung über die beabsichtigte Flotlenkonferen; bevor- fiehen.

Rach einer havasmeldung aus Schanghai sollen einige Mitglieder der Leibgarde Tschiangkaischeks von einem Be­auftragten Fengjusiangs zur Ermordung Tschiangs gedun­gen worden sein. Die Tat kam aber nicht zur Ausführung. Die Leibgarde wurde ausgelöst.

Die Mulbank

Die Haager Konferenz war in der Hauptsache ein Streit der fünf Gläubigermächte untereinander um die Verteilung des Tributs. Die deutsche Abordnung mußte sich als Zu­schauer mit einer mehr als untergeordneten Rolle begnügen. Für so manchen wichtigen Teil des Poung-Planes blieb daher keine Zeit übrig, die Herren müssen ja zur 56. Rats­tagung vom 1. September in Genf sein. So begnügte man sich damit", wenigstens den Zahlungsbefehl an Deutschland unter Dach und Fach zu bringen, d. h. ihn Deutschland in letzter Stunde eufzuzwingen mit der Einladung: Vogel friß oder stirb!

Unter den unerledigten Gegenständen spielt die Haupt­rolle die Tributbank, oder wie man nach Briandscher Manier sie schämig genannt hat, dieBank für den internationalenZahlungsausgleich" denn das Wort Tribut klingt den HerrenGläubigern" nicht an­genehm in den Ohren, nachdem doch seiner Zeit der Ehren- Wilfon die Deutschen zum Waffenstillstand verlockt hatte mit der Versicherung, es solle nach dem Weltkrieg keinen Tribut geben.

Wer ist aber wohl darüber klar, was aus dem Kindlein Tributbank" eigentlich werden soll? Manche in Deutsch­land freuen sich darüber, daß mit dem Poung-Plan und der Tributbank die fremde F i n a n z Überwachung aufhören soll. Es soll in Zukunft keinen Generalagenten für die Reparationszahlungen mehr geben, kein Transferkomitee, keinen Kommissar für die verpfändeten Einnahmen, keinen fremden Cisenbahnkommissar, keinen Kommissar bei der Reichsbank, keinen Treuhänder für die Industrie-Obligatio­nen, keinen Treuhänder für die Eisenbahnobligationen, keine Ausländer warum bisher deren vier? im Verwal­tungsrat der Reichsbahn, keine Ausländer (7) im General­rat der Reichsbank, keine Ausländer (7) im Aufsichtsrat der Bank für Inöustrieobligakionen. Alle diese Herrschaften mit Herrn Parker Gilbert an der Spitze verschwinden. Das alles hört sich recht schön an. Aber nun kommt das dicke Ende an ihre Stelle tritt diebankmäßige Verwal- waltung der Reparationszahlungen" d. h. di« Tribütbank. Ihr Direktorium besteht aus 25 Mitglie­dern, und zwar zunächst aus den Präsidenten der zen­tralen Notenbanken der 7 im Voung-Komitee vertretenen Länder und den von diesen ernannten Vertretern, wobei Deutschland und Frankreich das Recht haben, noch einen zweiten Vertreter zu stellen.

Wo aber soll nun diese Zentral-Reparationsbank ihren Sitz haben? Der Poung-Plan hat die heikle Frage schlauer­weise offen gelassen. Sie kann und wird jetzt als Handels­objekt ausgespielt werden. England spannt darauf, Frankreich ebenfalls und nicht zuletzt Italien. Das amtliche Organ Mussolinis hat sich bereits darüber auf­geregt, daß London sie haben will, und bemerkt bezeichnen­derweise:Kann nicht auch Rom oder Paris in Frage kom­men? Warum muß es gerade London sein?" Die Eng­länder beanspruchen als Pflaster auf die Wunden, die der Boung-Plan der britischen Wirtschaft schlage, unbe­dingt die Tribütbank. Der Angriff Snowdens gegen den öoung-Plan im Haag ging eigentlich darauf hinaus, die beherrschende Stellung Londons am Weltgeldmarkt durch d>e Errichtung der Tribütbank in London wiederherzusieüen. Nicht mit Unrecht nannte der PariserTemps" den Sitz der Bank dieheikelste Frage" des Poung-Plans.

Selbstverständlich haben das Land und die Stadt, die 3um Sitz der Tributbank gewählt werden, einen großen Borteil für ihren Geldmarkt durch die vielen, vielen Gold- Milliarden, die der Bank auf 60 Jahre Zuströmen. Nach Berlin wird daher die Tributbank nicht kommen, und so kann es uns Deutschen im Grund gleich sein, ob wir unfern Tribut nach London oder Paris oder Nom abliefern.

zumal diese Bank nach dem Yourrgplan völlige Steuerfreiheit genießt. Nur dürfen wir nicht übersehen, daß sie unmittel­bare Gläubigerin ist und daß sie weil sie das Recht hat, mit deutschen Tributschulden deutsche Be­triebe aufzukausen Aufkäuferin der deutschen Wirtschaft sein kann und sein wird.

Neueste Nachrichten

Bombenanschlag im Reichstagsgebäude

Berlin, 1. Sept. Im Keller des Reichstagsgebäudes platzte am Sonntag früh, etwa um 4.23 Ubr, eine Bombe. Es wurde geringer Sachschaden an den Fenstern angerichtet. Ein Brand brach nicht aus.

Berlin, 1. Sept. Dr. Stresemann, Dr. Curtius und Dr. Hilferding sind mit der deutschen Abordnung heute vor- nchtag in Berlin wieder eingetrosfen.

Beschwerde des Reichsrats gegen Wisset!

Berlin. 1. Sept. Bei der Beratung des Entwurfs zur Arbeitslosenversicherung im Reichsrat wurde scharfe Beschwerde erhoben, daß Reichsarbeitsminister Wissell unter Außerachtlassung der parlamentarischen Ordnung und der Verfassungsvorschriften es unternommen habe, dem Neichs- rat eine unfertige Vorlage zu unterbreiten. Ferner wurde gerügt, daß die Vorlage aleichzeitia dem

Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags übergeben wor­den ist, während nach der Verfassung der Reichstag sich mit den Gesetzesvorlagen erst zu befassen hat, wenn sie vom Reichsrat erledigt sind. Der Reichsrat wird eine Tadels­erklärung gegen Wissell beschließen.

Mensch-mjäger >n Berlin

Berlin, 1. Sept. Seit einiger Zeit treiben französi­sche Werber für die Fremdenlegion in Berlin, besonders in den Bahnhöfen und in deren Nähe ihr ver­brecherisches Unwesen. Sie haben es besonders auf arbeits­lose junge Leute abgesehen. Kürzlich wurde ein Werber verprügelt, es gelang ihm aber, in der Menge zu entkom­men, ehe er verhafte! werden konnte.

Vor einem englischen Schritt in der Kohlenfrage ln Genf

Genf, 31. August. In der heutigen Sitzung des Völker­bundsrates kündigte der englische Unterstaatssekretär Dal« ton die Absicht der englischen Abordnung an, der bevov- stehenden Völkerbundsversammlung eine Entschließung über eine internationale Regelung der Kohlen­frage vorzulege?

Englische Sirafmaßnahmen gegen die Araber

London, 1. Sept. Wie dieDaily News" berichten, haben englische Flugzeuge und Panzerwagen in Palästina das Araberdorf Sudakir beschossen, besten Einwohner das jüdische Dorf Telpiot bei Jerusalem angegriffen und zum Teil einaeäschert hatten. Das Dorf wurde im Bajonett-