, 27. August 1828
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Zaiser (Karl Zaster) Nagold
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Gegründet 1827
Mittwoch, den 28. August 1S2S
Fernsprecher Nr. 29
103. Jahrgang
Los Angeles — Haag
Berge von Zweifel und Spott, von Kleingläubigkeit und Uebelwollen hat Graf Ferdinand Zeppelin abtragen müssen, ehe sein Glaube der allgemeine geworden war: daß es möglich sei, sein Luftschiff zu lenken, wie man ein Schiff im Meer lenkt. Als die Lenkbarkeit des starren Luftschiffs eine Tatsache geworden war, da türmten sich neue Berge von Zweifeln auf, ob dies Luftschiff nun auch mehr sei als ein Spielzeug. Als Dr. Hugo Eckener sich vor wenigen Jahren an die Opferwilligkeit des deutschen Volks wandte, ihm, wie einst dem Grafen Zeppelin, dis Mittel zu geben, das Werk fortzuführen, — da war die Stimmung keineswegs ungeteilt dafür. Dennoch seine Gemeinde, die ihm die Kraft zutraute, Berge zu versetzen, harte auch Eckener im deutschen Volk. Und diese Gemeinde brachte immerhin so viel auf, daß der Bau des neuen Luftschiffs nicht ins Stocken geriet. Heute, wo das Schiff ein paarmal das Atlantische und nun auch das Stille Weltmeer gekreuzt hat, sind sie es natürlich alle gewesen, haben sie es alle vorher gewußt! Deutscher Glaube hat eine neue Tatsache geschaffen, woran sich aufrichten mag, wer an der deutschen Zukunft verzweifeln wollte. *
Die neue Tatsache ist die: Das Zeppelinluftschiff ist für den Weltverkehr brauchbar. Es ist das nicht nur technisch-wissenschaftlicher Selbstzweck. Es ist bereit, in den Dienst lebensnotwendiger Zwecke der Menschheit zu treten. Es ist nicht an dem, daß Eisenbahn und Schiffahrt nun einpacken und ihre Aufgaben an das Luftschiff abtreten könnten. Es ist noch nicht einmal an dem, daß die Einrichtung regelmäßiger Luftverkehrslinien nur mehr eine Frage absehbarer Zeit wäre. Nicht umsonst betont Eckener immer wieder, daß das gegenwärtige Schiff für die Einstellung in regelmäßige Verkehrslinien ungeeignet sei. Das Schiff, das sich nicht mehr Selbstzweck ist, sondern das als reines Mittel zum Zweck in den Weltverkehr eingestellt werden kann, bleibt erst noch zu bauen- Was aber über jeden Zweifel sestgestellt worden ist, auch unabhängig vom weiteren Verlauf der Weltfahrt des „Graf Zeppelin", das ist die Gewißheit: daß es gebaut werden kann.
Wenn ein noch mit den Mängeln eines „Versuchskaninchens" behaftetes Luftschiff die beiden Leistungen vollbracht hat, in rund 100 Stunden von Friedrichshafen über Rußland und Sibirien nach Tokio und dann von Tokio in 74 Stunden über das Stille Weltmeer nach Los Angeles zu fahren, dann ist damit der Beweis erbracht, daß hier ein neues Verkehrsmittel wirklich verkehrsfälsia geworden ist,
Das ist im letzten Grund eine reine Geldfrage. Aber eben diese Geldfrage wird vermutlich durch die glänzenden Fahrtleistungen dieser Erdumsegelung in der Luft rascher ihrer Lösung zugeführt -als es durch die vollendetsten Verhand- lunaskünste geschehen könnte. Daß die Hapag mit im Geschäft ist, sagt uns Deutschen verständlich genug, daß der entscheidende Schritt von wissenschaftlicher Theorie und technischen Versuchen zur Praxis des Verkehrsalltags eben jetzt getan wird.
Dank dem Wunder des Rundfunks haben Millionen Deutscher das Schauspiel der Landung des Zeppelins auf amerikanischem Boden wenigstens durchs Ohr genießen können. Ob sich viele von ihnen dabei des grotesken Gegensatzes bewußt geworden sind, daß zur selben Zeit, wo die Kunde von dieser Großtat deutscher wissenschaftlich-technischer Glaubenskraft die Welt umfliegt, im Haaa die deutsche Lebenskraft auf zwei Menschenalter hinaus dem Konsortium unserer welr- kapitalistischenAusbeuterverschacher t wird? Mit uns haben Millionen und aber Millionen Funkbörer in aller Welt den Reden der Männer gelauscht, die die Ankunft des deutschen Luftschiffes im Sonnenlande Kalifornien schilderten. Und wenn sie von diesen Reden auch nicht alkuvie! verstanden Haben. Wieder und wieder ist doch das Wort „Gras Zeppelin" an <,r Ohr geklungen. Sie haben sich bekennen müssen: Es sind deutsche Namen, deutsche Männer, es ist ein deutsches Wer? — ein epochemachendes Werk, wie der amerikanische Rundfunkmann wiederholt sagte — dem hier die ganze Welt durch leidenschaftliche Anteilnahme huldigt. Ob der lauschenden Welt für eines Augenblicks Dauer dabei auch der grelle Widersinn bewußt geworden ist, daß die Diplomaten aller Großmächte zur Zeit kein wichtigeres Vroblem kennen, als wie man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes für alle Ewigkeit künstlich verkrüppelt? Zwei Milliarden Kaufkraft glauben sie jährlich aus dem deutschen Wirtschaftskörper Herauspumpen und den reichsten Völkern der Erde zuführen zu müssen, damit das Volk, das der Welt die epochemachende Tat des Weltluftverkehrs geschenkt hat, nur nicht wieder auf die Bei--» komme!
Wie ist dieser Gegensatz, wie ist dieser Widersinn möglich geworden? Schließlich doch nur durch den wunderlichen Gegensatz in der Seele des deutschen Volkes selbst- Daß dieses Volk, das auf technisch-wissenschaftlichem Gebiet den stärksten Glauben, den mutigsten Willen zur Tat bat. auf politischem Gebiet kleinmütiger, kleingläubiger ist, als die Balkanvölker, die Türkei oder das erwachende China.
Wie steht es heule im Haag? — Abbruch?
Es ist schwierig, durch die buntbewegte Oberfläche des Haager Kuhhandels hindurch das tiefere Wesen und die inneren Ereignisse zu erkennen, zumal ja über viele Dings ein absichtliches Dunkel gebreitet wird. Natürlich gelingt die Geheimhaltung schließlich doch nicht, aber ein rechtzeitiges, wirksames Zusammenarbeiten der amtlichen Stellen mit der deutschen Oefjenllichkeit ist dann oft nicht mehr möglich.
Die deutsche Abordnung hat heute keinen anderen brauchbaren Trumpf mehr auszuspielen als eben die Stimmen der Presse und Li-- Haltung der Heimat. Die Gläubigermächte
fürchten, die Reichsregierung könnte gestürzt werden, und diese Erwägung allein kann sie allenfalls abhalten, Deutschland das Aeußerste zuzumuten.
Die Schwäche der deutschen Stellung im Haag ist in erster Linie durch das unkluge Drängen nach dem Poungplan und nach der Räumung verschuldet worden. Es ging also wieder wie bei der Sachverständigen- konferenz in Paris. Während es Frankreich war, das sich nach der Aufhebung des Dawesplans sehnte, um durch die „Kommerzialisierung" der Reparationsschulden sofort in den Besitz der Milliarden zu kommen — um London den Rang als Weltbank abnehmen zu können —, verstand es die verschlagene Kunst Briands, diese Sehnsucht auf dis deutsche Regierung und die deutsche Abordnung zu überragen und Berlin als Bittsteller um die Sachvsrstän- digenkonferenz und den Poungplan vorzuschieben. Genau so ist es im Haag wieder zugegangen. Erst trat Bricmd mit Feuereifer für die Sicherstellung des „unveränderten" Doungplans ein, als er aber auf den unerwartet hartnäckigen Widerstand Snowdens stieß, manövrierte er dis deutsche Abordnung in die Stelle derer hinein, denen am Joungplan und Räumung am meisten gelegen sei. Nur so konnte der Doungplan mit dem weiteren finanziellen Opfer des deutschen Anteils an dem 300-Millionenüberschuß — sur die Annahme des Poungplans muß Deutschland also auch noch bezahlen — erkauft, die noch unsichere Räumung mit der nun doch zugestandenen Ueberwachung über 1935 hinaus — durch den französischen und belgischen „V e r g l e i ch s a u s s ch u ß" — belastet — und die Saa r- irage sang- und klanglos unter den Tisch geschoben werden.
Der Tributplan — und Sie
Wissen Sie, dag jeder berufstätige Deutsche nicht weniger als volle fünf Arbeitswochen im Jahr für nichts anderes würde arbeiten müssen als für die Tribute, wenn der Poungplan angenommen und der Versuch zu seiner Durchführung gemacht werden sollte?
Wissen Sie, daß jeder zwanzigste Pfennig, der in Deutschland verdient bezw. ausgegeben wird, dem Poung- Plan zufolge an Deutschlands Gegner abgeführt werden soll? — daß Sie also nicht nur dem Finanzamt Ihren Tributantcil zu entrichten haben, sondern daß Sie von den 5ü Pfennig für jedes Brot, das Sie essen, 2^ Pfennig, von den 20 Pfennig für jede Straßenbahnfahrt, die Sie in der Großstadt machen, 1 Pfennig, von dem Preis für jeden Anzug, den Sie kaufen, soundsoviele Mark, kurz: daß Sie für alles, was immer Sie brauchen und kaufen, über den eigentlichen Preis hinaus einen Aufschlag für die Tribute bezahlen müssen?
Wissen Sie aber auch, daß es von Ihrer Entscheidung abhiingen kann, ob der neue Tributplan angenommen ! werden soll oder nicht?
Weitere Beitritte zum Neichsausschuß.
Dem Reichsausschuß für das Deutsche Volksbegehren, der sich bekanntlich den Kampf gegen den Pariser Tributplan als nächste Aufgabe gestellt hat, sind folgende weitere Verbände geschlossen beigetreten:
Verband nationaler Arbeitnehmer Deutschlands „Der deutsche Arbeiter", Essen (Ruhr).
Staatsbürgerliche Arbeitsgemeinschaft e. V., Königsberg (Pr).
Deutscher Kampsbund gegen die Kriegsschuldlüge, Rothenburg o. d. T.
Reichsvereinigung deutscher Hausfrauen, Lübeck.
Rentnerbund, Breslau.
Landesbürgerrat Bayern, München.
Frauenausschuß des Reichs-Landbundes, Breslau.
Mit dieser neuen Verstärkung der nationalen Front werden die verzweifelten Versuche der Linkspresse, durch Tatarennachrichten über ein selbstverständlich rein aus den Fingern gesogenes „Ultimatum" Hugenbergs an Hitler und andere Lügen die ständig wachsende Bedeutung der nationalen Front gegen den Pariser Tributplan herabzumindern, am besten als ohnmächtig gekennzeichnet. — Die nationale Front wächst weiter!
geiegenheiten äussetze, wenn man den Erpressungen Snowdens nachgebe.
Der Ueberwachungsausschuß
Aus den Verhandlungen über die Räumung ist betreffs der Ueberwachung die Jahreszahl 1935 verschwunden. Der deutsche Jurist G a us hat in den Verhandlungen mit dem französischen Juristen Fromageot ein» geräumt, daß die in den Schiedsverträgen von Locarno eingerichteten Vergleichsausschüsse „für die Behandlung von sranzöschen und belgischen Beanstandungen wegen Verstößen gegen die Entwaffnungsbestimmungen des Rheinlandes zuständig" seien. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu der Auffassung in Deutschland, die besonders Prälat Kaas vertreten hat: Die Vereinbarung, die sich in den kehlen Tagen zwischen Brian d, Skresemann und Wirkh ergeben hak, beruht darauf, daß den an keine Zeitdauer gebundenen Schiedsverträgen von Locarno zwar eine „Auslegung im Sinn der Kaas-Auffassung gegeben" wird, daß sie aber im Sinn der Gausschen Rechtsformel geändert und ergänzt werden sollen. Mit anderen Worten, die Ueberwachung wird dauernd sein. Die Franzosen haben damit erreicht, was sie wollten. Sie haben, wenn das Abkommen rechtsgültig wird, zwei Instanzen, bei denen sie Beanstandungen Vorbringen können: das Richterkollegium der Schieüsverträge von Locarno und die politische Körperschaft des Völkerbundsrats.
Snowden lehnt ab
Der britische Schatzkanzler ließ den vier anderen Glau- bigermächten auf ihr Angebot von 36 Millionen Goldmark jährlich statt der von England verlangten 48 Millionen aus dem Toungplan die schriftliche Antwort zugehen, daß er das Angebot ablehne und auf der Erfüllung der ganzen Forderung beharr?.
„Echo de Paris" meldet, Loucheur habe Briand wiederholt gewarnt, es bis zum Zusammenbruch des Toung- plans und zum Sturz Stresemanns kommen zu lassen, denn es bestehe eine sehr starke Strömung in Deutschland gegen die Politik Stresemanns. Die übrige französische Abordnung im Haag sei dagegen der Ansicht, daß die französische Regierung in Frankreich sich den schlimmsten Un-
Abbruch im Haag?
Durch die Ablehnung Snowdens ist der Plan der vier andern sozusagen über den Haufen gefallen. Von deutscher Seite ersäht man, daß Deutschland an dem letzten Angebot von 36 Millionen nicht beteiligt gewesen sei. Die französische Abordnung steht auf dem Standpunkt, daß Deutschland kein Anrecht auf den 300-Millionen-Ueberschuß habe. Die vier Mächte beschlossen, daß über die Räumung nicht mehr verhandelt werde, nachdem durch die Weigerung Englands der Doungplan und die Konferenz in Frage gestellt worden sei. Snowden selbst lehnte weitere Verhandlungen ab, wenn die englische Forderung nicht voll anerkannt werde. Am Dienstag nachmittag 6 Uhr werden die sechs Abordnungen darüber beschließen, ob die Konferenz fortgesetzt werden soll.
Die Pariser Blätter sind höchst erregt über die Aussicht, daß die Konferenz abgebrochen werden könnte und sie beschwören Stresemann. den erhöhten Zahlungen Deutschlands zuzustimmen; nur so könne das Scheitern des Toungplanes vermieden werden. Frankreich werde sich dafür in der Räumungsfragr erkenntlich zeigen. (?) In ihrer furcht vor dem Scheitern der Konferenz entlarven sich die Franzosen wieder selbst. S i e sind es, die den Poungplan mit ollen Mitteln erstreben: er liegt nicht im deutschen Interesse.
Wo noch Geld zu holen ist
Auf der Haager Konferenz wird auch wieder etwas mehr als in den vergangenen Jahren von den Reparations- Verpflichtungen der Tschechoslowakei gesprochen. Um oie Erinnerung aufzufrischen, sei erwähnt, daß die Tschechoslowakei eine Verpflichtung übernommen hak, an die Reparativ n-i Kasse für die von der ehemaligen Monarchie übernommeucn Staatsgüter einen Ersatz zu leisten, dessen zahlenmäßige Höhe weder früher angegeben noch nachher dugch sachmrständio; Schätzungen fest- zusetzen vsr"°chi wurde, denn in Prag rechnete man immer damit und ist auch jetzt -er Auffassung, daß dieser Zweig der Rcparationsverpflichtung in stillem Einverständnis mit den Hauptmächten einfach unter den Tisch fallen werde.
Außerdem hat die Tschechoslowakei, ähnlich wie die andern neuentstandenen Staaten, namentlich Polen, ein« Reparationsverpfiichlung, der der Name Befreiung s„ taxe beigelegt worden ist und die, im Gegensatz zu der erwähnten Zahlungsverpflichtung, zahlenmäßig festgestellk wurde. Von allen Befreiungstaxen entfallen auf die Tschecho- s owakei 51 v. H. oder 750 Millionen Goldfranken, die ursprünglich in der Aufstellung der Staatsschulden
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