Mit den illustrierte» Beilage» »Feierstunden" »Unsere Heimat", »Die Mode vom Tage".

Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn -K 1.60; Einzelnummer 1V Erscheint an jedem Werktage. Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. Schriftleitung, Druck und Verlag v. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

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Mit der landwirtschaftlichen Wocheubeilage: »Haus-, Sorten- und Landwirtschaft"

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Nr. 1S8 Gegründet 1827 Samstag, den 24. August 1L2S

Die deutsche Delegation wird wankelmütig?

Die Haager Konferenz

Vertagung?

Die Franzosen machen gar keinen Hehl mehr daraus, daß es nach ihrer Ansicht ganz in der Ordnung sei, wenn die zur Erfüllung der englischen Forderungen nötigen Sum­men von Deutschland ausgebracht werden; die erfor­derliche Erhöhung der Jahreszahlungen würde den Deut­schen ja immer noch lieber sein als die Aussicht, auf abseh­bare Zeit den ganzen Dawesplan ausführen zu müssen. Die Hoffnung, die man in der deutschen Abordnung auf den von Dr. Stresemann in der Donnerstag-Sitzung vorgeleg­ten Plan eines Zwischenabkommens setzte, hat nicht erfüllt. Briand, Henderson, Iaspar, der italienische Finanzminister und der japanische Botschafter Adatschi führten aus, daß man dem Ausweg im Augenblick nicht näherzutreten brauche, da noch nicht alle Möglichkeiten einer Einigung der Gläubiger erschöpft seien. Es wurde beschlossen, daß die deutsche Abordnung zunächst mit Vertretern der fünf Gläu­bigermächte gesonderte Besprechungen abhalien sollen. So­mit stellt sich nun immer klarer heraus, daß den Franzosen, Belgiern, Italienern und Japanern daran liegt, in ihren Gegensatz zu England auch die Deutschen hineinzuziehen, indem man sie zu einer Art von Vermittlern macht, auf deren Rücken die Austragung des Gegensatzes und wo- möglichauchdieSchuldfüreinScheiternder Konferenz aufgeladen werden soll. Das erste, was man den Deutschen abzuhandeln versuchen wird, be­trifft die berühmten 300 Millionen Goldmark, die sich als Ueberschuß am Ende des ersten Poungjahrs ergeben wer­den. Snowdon wollte diese Summe zur Begleichung der Besatzungskosten herangezogen wissen, und die Fran­zosen rechnen stark damit, daß die Deutschen über die Ver­wendung der Millionen mit sich reden lassen.

Man hat sich nun entschlossen, bis Samstag mit Hoch­druck noch einmal a«f allen Gebieten einen Versuch zur Einigung zu machen. Gleichzeitig sollen die neuen Aus­schüsse eingesetzt werden, die den Schein einer Fort­dauer der Konferenz erwecken sollen. Es er­scheint aber als zwecklos, diese Ausschüsse, wenn sich wahr­scheinlich die Konferenz nun vertagt, etwa allein, d. h. nach Abreise der führenden Minister im Haag tagen zu lassen. Man hat erkannt, daß auch zur Regelung von scheinbaren Nebenfragen immer wieder das Eingreifen der Finanz- und Außenminister nötig ist.

Die Deutschen vor schicksalsschweren Fragen

Die Berichte aus dem Haag stimmen darin überein, daß die Lage nach den Besprechungen am Donnerstag abend erheblich klarer und ernster geworden ist. Die deutsche Abordnung steht vor den neuen Zumutun­gen, esnzuwilligen, daß die Lasten des Doungplans noch vermehrt und ein Teil der im Doungplan in Aussicht ge­stellten vorübergehenden Vorteile preisgegeben werde. Um diese Fragen drehten sich die letzten Verhandlungen. Also nicht nur die Räumung, sondern sogar die Annahme des Houngplans durch die Gläubigermächte soll mit neuen Opfern erkauft werden. Die Stimmung in der deutschen Abordnung ist jetzt sehr gedrückt, da sie glaubt, an wei­te renZuge st ändnissen nicht mehr vorbeizukommen. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen, sie will die V e r- antwortung nicht allein tragen und daher sind die Führer der Koalitionsparteien und Reichs­bankpräsident Dr. Schacht gebeten worden, nach dem Haag zu kommen.

Die schwerste Entscheidung betrifft die Frage, ob die deutsche Abordnung einer Verschiebung der Verteilung der Tributleistungen vom geschützten auf den ungeschützten, kom­merzialisierbaren Teil zustimmen könnte. Die Begrenzung des ungeschützten Teil des Tributs gehörte ja seinerzeit in Paris zu den am heftigsten umstritten-m Punkten. Der u n- geschützte Teil ist bekanntlich als die Neparationsschuld im engeren Sinn aufzufassen, auf den die Gläubiger auch bei einer Zahlungsunfähigkeit Deutschlands niemals ver­zichten würden.

Dazu kommt die weitere Frage, ob Snowden, selbst wenn seine Forderungen voll erfüllt wären, dann dem Poung- plan zustimmen, oder ob er mit neuen Vorbehalten hervor- treten würde. Snowden bleibt aber noch immer zurück­haltend. ^

Reuter meldet, in der Sonderbesprechung der «Mer* mit Reichsminister Hilferding sei direkt verlangt worden- Deutschland solle auf seinen Anteil aus dem Zahlungsüber­schuß von 500 Millionen verzichten. Hilferding h..br ab- gelehnk. Briand habe erklärt, es sei unmöglich, die Räu­mung vor September 1930 zu beginnen. Die Räumung werde 8 bis 10 Monate beanspruchen.

Der französische Oberbefehlshaber General Guillau-« mat ist im Haag einZetroffen.

Reichstagsabgeordneter Dr. Breitscheid (Soz.) ist am Donnerstag, Reichsbankpräsident Dr. S ch a ch L am Freitag im Haag eingetroffen.

Das württ. Landesschulgesetz

Der erste Entwurf des Kuliministeriums

Der vom Kultministerium ausgearbeitete erste Entwurf eines Landesschulgesetzes ist nunmehr im Druck erschienen. Das Landesschulgesetz bildet einen Teil der im Jahre 1924 planmäßig eingeleiteten Kodifikation des württembergischen Rechts. Den eigentlichen Gesetzentwurf für den Landtag wird das Staatsministerium erst fertig stellen, wenn die Aeuße- rungen der Oeffentlichkeit und der ausdrücklich angegangenen Stellen und Organisationen vorliegen werden.

Der Entwurf gliedert sich in fünf Teile mit insgesamt 118 Artikeln. Der 1. Teil handelt von der Verwaltung des Schulwesens und schlägt in dieser Hinsicht vor, den 5 Ober­schulbehörden die Stellung selbständiger Landesämker zu geben, was in Wirklichkeit alle fünf bisher schon gewesen sind.

Die Verteilung der Schullasten

Der 2. Teil enthält allgemeine Vorschriften für die öffent­lichen Schulen der Gemeinden, Amtskörperschaften und Schulverbände. Besonders wichtig ist hier der 2. Abschnitt über die Unterhaltung der Schulen und die Verteilung der Schullasten. Die Uebernahme der ganzen Kosten für die Schule auf den Staat ist, wie in der Begründung ausgeführt wird, aus grundsätzlichen und praktischen Erwägungen nicht möglich. Außerdem ist die Uebernahme der ganzen Ko­sten oder auch nur der persönlichen bei der gegenwärtigen Finanzlage des Staates schlechthin ausgeschlossen. Den sach­lichen Aufwand sollen die Gemeinden, Schulverbände, Amts­körperschaften allein, den persönlichen Aufwand sollen sie ge­rneinsam mit dem Staate tragen. Der Staat beteiligt sich jedoch an den persönlichen kosten nur bei denjenigen Schu­len oder Schulklassen, deren Notwendigkeit das kulkmini- sterium anerkennt. Soweit letzteres nicht geschieht, fällt auch der persönliche Aufwand ganz dem Schulträger zu. Bei den Landwirkschaftskckmken m-- s^rr oon-

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BeMungsauftvand sollen die Schulträger zur Hälfte an den Teuerungszulagen beteiligt werden. Der Anteil der Ge- meinden am durchschnittlichen Gehalt soll betragen bei oro-

tzen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern 65 v. H. gegenüber bisher 80 v. H., bei großen Städten bis zu 100 000 Einwohnern und mittleren Städten 45 v. H. <65 v. H.), bei den übrigen Gemeinden mit Ausnahme der Ge­meinden 3. Kl. 30 v. H. (45 o. H.), bei den Gemeinden 3. Kl. 25 v. H. (45 v. H-). Das durchschnittliche Wohnungsgeld sollen die Gemeinden ganz tragen.

Bei den Lehrern der übrigen Schularten, mit Ausnahme der Landwirtschaftsschulen, soll der tatsächliche Besoldungs- aufwanv auf den Staat und die Schulträger verhälknis- mätzig verkeilt werden. Bei den Mittelschulen soll der An­teil der Schulträger wie bei den Volksschulen bemessen wer­den. Der Anteil der Schulträger bei den Berufsschulen soll wie bisher 50 v. H. betragen. Allerdings kommt bei ihnen für die Zukunft das Schulgeld in Wegfall und haben die Ge­meinden in einem gewissen Umfang auch den Aufwand für Lernmittel zu übernehmen.

Dagegen erfahren die Schulträger bei den Schullasten für die Volksschulen eine wesentliche Entlastung. In den ländlichen Bezirken wird ihnen die Aufbringung durch den Zusammenschluß zu Schulverbänden erleichtert werden. Die Erhebung von Schulgeld an Berufsschulen ist so wenig wie an der Volksschule mehr angängig, da die Reichsverfassung die Unentgeltlichkeit vorschreibk. Den Gemeinden entsteht dadurch ein Gefamkausfall von 581 400 RM. Bei den höheren allgemein bildenden Schulen, den höheren Gewerbe- und Handelsschulen und den Frauenarbeilsschulen, bei denen den Schulträgern Einnahmen aus Schulgeld zufließ-m, ist der Anteil der Schulträger auf 50 v. H. festgesetzt (bisher 60 v. H.).

Werden die persönlichen Schullasten nach den Vor­schlägen des Entwurfs zwischen Staat und Schulträgern verteilt, so ergibt sich unter Zugrundelegung des im Staats­haushaltplan für 1929 vorgesehenen Personalaufwands für den Staat ein Mehraufwand bei den Volks- und Mittel­schulen von 6,58 Millionen, bei den höheren Schulen r.n 1,18 Mill^men, bei den Berufs- und Fachschulen eine Ver­minderung um 77 500 Mark. Der Geiamtmehraufwand für den Staat beträgt 7 693 342 Mark. Die Aufbringung dieser hohen Summe durch den Staat ist vorläufig ganz unsicher.

Fernsprecher Nr. 29 103. Jahrgang

lagesspiegel

Der Reichsausschuß für das Deutsche Volksbegehren hat an Dr. Skresemann im Haag ein Telegramm gesandt, in dem die Haltung der Reichsregierung zum Boungplan als unverantwortlich vor Kind und Kindeskindern bezeichnet wird. Der Äoungplan mik seinen unerhörten Forderungen sei ein Unglück nicht nur für Deutschland» sondern auch für die Ruhe. Wirtschaft und Entwicklung der andern Völker, er bringe die »Liquidierung" des Kriegs nicht. Die Gefahr werde immer brennender, daß die amtlich als bedingungs­los versprochene Räumung mit neuen Opfern erkauft werde. Dieser Vorgang bedeute die geschichtliche Verurteilung eines Systems, bei dem Jahre hindurch die Außenpolitik nichf aus Leistungen, sondern auf nackten Mehrheitsverhältnissea beruhe. .

Königin Wilhelmine hat die Führer der Konferenz­abordnungen und das ganze diplomatische Korps für Freilag abend zu einem Festmahl im Schloß im Haag eingeladen.

Mac Donald wird am 31. August zur Völkerbnads- tagung nach Genf abreisen.

Reuter meldet, zur englischen Räumung von Wiesbaden sei noch kein Befehl cingegangen, es werden aber Vorberei­tungen getroffen.

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Die chilenische Regierung ist zurückgekreken.

Die Verteilung der Schullasten bildet einen Teil des Finanz­ausgleichs zwischen Staat und Gemeinden. Die im Ent­wurf vorgesehenen Zahlen sollen für normale Zeiten gelten. In der Gegenwart und für die nächste Zukunft kann, so mißlich dies ist, die Verteilung der Schullasten nur von Jahr zu Jahr festgesetzt werden.

Die Neuordnung des Volksschulrechts

Der dritte Teil des Entwurfs enthält besondere Vor­schriften für einzelne Arten öffentlicher Schulen und behan­delt im ersten Abschnitt Volksschulpflicht und Volksschulen, im zweiten Abschnitt Berufsschulpflicht und Berufsschulen, im dritten Abschnitt die besondere Schulpflicht gebrechlicher Kinder und die Anstalten für sie und im vierten Abschnitt die Mittelschulen. Was die Neuordnung des Volksschulrechts anlangt, so soll vor allem die Bildung von Bezirksschuien erleichtert werden. Neu ist die Vorschrift, wonach die Ge­meinden zur Errichtung von Sonderschulen für geistig und körperlich gehemmte Kinder verpflichtet sein sollen, wenn ihre Zahl dauernd mindestens 20 beträgt. Die Vorschriften über die Schulpflicht schließen sich an den gegenwärtigen Rechtszustand an. Nach Inkrafttreten des Landesschul- gesetzes können einzelne Gemeinden vom 8. Schuljahr nicht mehr befreik werden. Neu ist ferner die Bestimmung, wo­nach Kinder, die wegen geistiger Schwäche, wegen ihrer seelischen Beschaffenheit oder wegen körperlicher Mängel vom allgemeinen Unterricht der Volksschule nicht mit ge­nügendem Erfolg teilnehmen können, auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten in eine Hilfsschule eingewiesen' werden können, jedoch nur in eine solche Sonderschule, die für das Bekenntnis des Schülers eingerichtet ist.

Hat eine Volksschule mehr als 60 Schüler, so müssen zwei Lehrstellen errichtet werden, bei jeder weiteren Stei- gerung der Schülerzahl um 50 (mehr als 110, 160 usw.) je eine weitere. An Sonderschulen soll auf durchschnittlich 20 Schüler eine Lehrstelle errichtet werden.

Bezüglich der Neuordnung des Berufsschulwesen» sind im wesentlichen folgende Neuerungen vorgeschlagen: 1. Die Berufs- und Fortbildungsschulen sollen in allen ihren Arten und Formen soweit irgend möglich auf die Bedürfnisse der Berufsausbildung Rücksicht nehmen und beruflich gegliedert werden (kaufmännische, gewerbliche, hausuürtfchaftliche, landwirtschaftliche und Berufsschule für Ungelernte). 2. Die Bildung von Bezirksschulen soll erleichtert werden. 3. Die Berufsschulpflicht soll in gleicher Weise auf die gesamte männliche und weibliche Jugend erstreckt werden. 4. Die Dauer der Schulpflicht wird für alle Jugendlichen (hier­unter versteht man die nicht mehr volksschulpflichtigen jungen Leute beiderlei Geschlechts unter 18 Jahren) auf 3 Jahre festgesetzt. Die Pflichtstundenzahlen werden durchweg er­höht. 6. Auch für die ländliche Berufsschule soll die Mög- lichtest geschaffen werden, Lehrer im Hauptamt anzustellen. 7. Alle Berufsschulen sollen einer Oberschulbehörde unter- stellt werden.

Hinsichtlich der Einführung einer besonderen Schulpflicht Gebrechlicher faßt der Entwurf Blinde, Taubstumme und solche Kinder, die wegen mangelhaften Seh-, Hör- und Sprachvermögens oder wegen sonstiger geistiger oder kör­perlicher Gebrechen am Unterricht der Volksschule oder Be- rufsschule nicht mit Erfolg teilnehmen können, unter dein gemeinsamen Namengebrechliche Kinder" zusammen und fuhrt für sie eine besondere Schulpflicht ein, sofern nicht die Schulbehörden ihre Bildungsunfühigksit feststellen.

Der Entwurf gibt den Mittelschulen künftig einen eige­nen Ortsschulrak und eine eigene Schulkasse, was ihr die selbständige Vertretung ihrer Belange ermöglichen soll.