Seite 2 Nr. 195

Nagolder TagblatlDer Gesellschafter«

Mittwoch, 21. August 192g.

eine plumpe Unwahrheit politischer Gegner. Adolf Hitler erklärt imVölkischen Beobachter" die Berliner Meldung für eine reine Erfindung.

Ein Aufruf der tzeimwehrsührer

Wien, 20. Aug. Wie die Blätter berichten, weisen die Führer der österreichischen Selbstschutzverbände, Steidle und Pfrimer, in einem Aufruf darauf hin, daß die große An­zahl verwundeter Heimwehrleute gegenüber den wenigen verletzten Schutzbündlern in St. Laurenzen beweise, daß von sozialdemokratischer Seile gegen die un- bewaffnete Heimwehr geschossen worden ist. Der Auf­ruf verlangt Bestrafung der Schuldigen und Entwaff­nung des republikanischen Schutzbundes, andernfalls wür­den die Heimwehrführer nicht vor der Selbsthilfe zu­rückschrecken.

Württemberg

Stuttgart. 20. August. Dassozialdemokratische Berfassungs st reitoerfahren gegen die württ. Regierung. In dem Verfassungsstreitverfah­ren, das die sozialdemokratische Landtagsfraktion atn 10. Juni d. I. gegen die württ. Regierung beim Staatsgerichts- hof für das Deutsche Reich anhängig gemacht hat, liegt nun- mehr die Klagebeantwortung der württ. Negierung vor. Die Regierung verweist erstens darauf, daß der württ. Landtag seit dem 11- Juni infolge Eintritts zweier Volksrechtsparteiler und eines Nationalsozialisten eine andere Zusammensetzung aufweist als vor diesem Zeitpunkt, und betont die Tatsache, daß in dem neu zusammengesetzten Landtag ein Miß- trauensantrag gegen die Regierung nichtgestellt worden ist. Zweitens erhebt die Regierung Einspruch gegen die Zuständigkeit des Reichsstaatsgerichtshofs und behaup­tet, daß evtl, der Württ. Staatsgerichtshof für zuständig erklärt werden müsse. Ausführlich geht drittens die Klage­beantwortung auf die Frage ein, ob die Regierung nach der Landesverfassung des Vertrauens des Landtags bedarf. Diese Ausführungen stellen eine Widerholung der Erklärungen dar. die Staatspräsident Bolz im Landtag abgegeben hat. Weiter wird dann nachgewiesen, daß auch Kultminister Bazille im Einklang mit der Verfassung seines Amtes waltet und daß die Geschäftsordnungsbestim­mung. wonach Stimmenthaltung als Nein zählt, nicht gegen die Verfassung verstoße.

Von der Handwerkskammer. Im Monat Juli 1929 haben di« Meisterprüfung bei der Handwerkskammer Stuttgart mit Erfolg abgelegt: 7 Bäcker, 9 Buchdrucker, 17 Schriftsetzer, 2 Drechsler, 1 Elektro-Installateur, 2 Friseure, 1 Glaser, 4 Gipser, 4 GoDschmiede» 1 Graveur, 15 Mechaniker, 17 Metzger, 15 Schlosser, 20 Schneider, 16 Schreiner, 10 Schuh­macher und 11 Tapezierer.

Eröffnung der Landwirtschafisschulen. Sämtliche Land- wirtschaftsschulen des Landes werden in diesem Jahr am 4. November eröffnet. Am gleichen Tag wird die Landwirt­schaftsschule in Reresheim eröffnet. An den Landwirt- schaftsfchulen in Aalen und Rottenburg sind einkurstge Mäd­chenklassen eingerichtet, die zur Ausbildung in erster Linie von Landwirtstöchtern in Haus- und Landwirtschaft be­stimmt sind.

Eine Diätküche auf der Ausstellung für Ernährung und Körperpflege. Eine wertvolle Seite der Ausstellung für Er­nährung und Körperpflege bringt die Diätküche, die im Einvernehmen mit Stuttgarter Aerzten eingegliedert wor­den ist. Jede Diät, für Zucker-, Nieren-, Magenkranke u. a. wird unter streng sachkundiger Leitung hergestellt und ver­abreicht, so daß sich der auf besondere Diät angewiesene Mittagsgast mit der Diätvorschrift seines Arztes anmelden kann.

Vorbereitung zum Hochverrat. Die kommunistischen Jung­arbeiter Karl Weber und Paul Schuhmacher sind letz­ten Donnerstag wegen Vorbereitung zum Hochverrat ver­haftet worden.

Pflastereinsturz. Bei Pslasterarbeiten in der Markt­straße brach gestern nachmittag zwischen den Gleisen der Linie 4 der Boden durch, weil ein Teil des darunter be­findlichen Nesenbachgewölbes eingestürzt war. Durch die Einbruchstelle konnte man auf den Nesenbach hinuntersehen.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung 69)

Das Knabengesicht war dunkel gerötet. Die eine Hand knüpfte die Matrosenbluse zu, während die andere den Schweiß von der Stirn wischte und dann die Haare zu­rückstrich.

Auch der Geschlagene hatte sich erhoben und griff tau­melnd nach seiner Mütze, aus der die Bücher verstreut la­gen. Eilig wollte er sich entfernen. Da vertrat ihm der andere nochmals den Weg.Wirst du noch einmal?-

Ein trotziges Aufwerfen der Lippen, da hatte ihn eine Hand schon wieder am Kragen des Rockes gefaßt.Ja oder nein?"

Ebrach legte begütigend seinen Arm um die Schulter des Fragenden.Weshalb streitet ihr?"

Zwei große blaue Augen blitzen ihn an.Er hat mei­nen Vater beschimpft".

Max lächelte.Es wird wohl nicht so schlimm sein?"

Nicht schlimm!" fuhr der Junge auf, ohne den an­deren loszulassen.Er hat gesagt, mein Vater sei ein Schuft! Ein Schuft!"

Du hast ja gar keinen Vater!"

Ein Aufschrei! Der Junge wollte sich wieder auf sei­nen Gegner stürzen, aber Max von Ebrach hielt ihn fest, bis der andere sich in Sicherheit gebracht hatte. Die Kna­benaugen sprühten ihn in Hellem Zorn an. Ohne ein Wort zu sagen, klopfte er mit den Händen den Staub von seiner Matrosenjoppe und suchte die Schmutzflecken von den Kniehosen zu entfernen. Dicht unter dem Saum, wo die Strümpfe sich unter das blaue Rändchen des Bein­kleides schoben, saß ein klaffender Riß. Der Junge biß die Zähne übereinander und begann die Strümpfe abwärts zu rollen.

Mutter zankt wohl?" sagte der General, der immer noch auf der Bank saß und halb zwischen Lachen und Er­zürntsein nach dem Missetäter hinsah.

Der Knabe zuckte die Achseln, nahm die Mappe auf,

Aus dem Lande

Fellbach, 20. Aug. Legbüchsenexplosion bei s i n e m E i n b r u ch. In der Nacht aus Sonntag wurde in dem an der Schulstraße gelegenen Garten des Oberlehrers Ad. Leins zum dritten Mal in diesem Sommer eingebrochen. Diesmal öffnete der Dieb das Gartentor, wobei er die auch im Mondlicht gut lesbare Warnungstafel vor Legbüchsen für Bluff hielt. Der Dieb kann kaum an derArbeit" ge­wesen sein, als eine Legbüchse losging. Der Dieb flüch­tete. Gestohlen wurde auf diesen Vorfall hin nichts. Vom Täter fehlt jede Spur; vielleicht gibt eine etwaige Ver­letzung Aufschluß über seine Person.

Rottweil, 20. Aug. Aus dem Fenster gesprun­gen. Am Montag vormittag 10 Uhr sollte ein hiesiges Dienstmädchen infolge schlechten Lebenswandels in die Für­sorgeanstalt zurückgebracht werden, in der sie schon früher war. Als sie von der Fürsorgeschwester abgeholt wurde, schloß sie sich in ihr Zimmer ein und drohte, aus dem Fenster zu springen, wenn sie gewaltsam herausgeholt werde. Da sie aber die Tür nicht öffnete, wurde diese von der Polizei eingeschlagen, das Mädchen aber an dem Versuch, aus dem Fenster zu springen, von einem der Polizeibeamten ver­hindert. Als sie dann ihre Sachen zusammenpackte, benützte sie eine günstige Gelegenheit, sich in den Abort einzuschließen, sich durch das schmale Abortfenster durchzuzwängen und aus etwa 10 Meter Höhe aus dem 2. Stock berauszuspringen. Sie erlitt bedeutende innere und äußere Verletzungen und mußte ins Krankenhaus übergeführt werden.

Daulmergen OA. Rottweil, 20. Aug. Brand. Sonn­tag mittag halb vier Uhr brach in dem großen Oekonomie- und Mühlegebäude des Martin Seemann Feuer aus. In kurzer Zeit lag das umfangreiche Gebäude in Asche. Außer dem Vieh konnte nichts gerettet werden. Die Familie befand sich zum Teil bei einer Beerdigung auswärts, zum Teil auf Krankenbesuch bei Verwandten ebenfalls auswärts. Bloß der Mühleknecht war zu Haufe. Diesem verbrannte ein erheb­licher Betrag Bargeld und Kleider.

Ankerhausen OA. Reutlingen, 20. Aug. Seltener Fund. Einen seltenen Fund im Jagdrevier Unterhausen machte der Waldschühe. Er fand im sog. Zollertal am Fuß­ende einer Schlucht zwei schöne, noch lebende Rehböcke mit je einem gebrochenen Fuß. Es wird vermutet, daß die Tiere anscheinend durch Neckerei in die Tiefe gestürzt sind, denn beide wiesen keinen Schuß auf. Der Finder erhielt als Finderlohn von beiden Exemplaren nach Iägerbrauch den Aufbruch.

Göppingen, 20. August. Skadkvorstandswahl. Die Wahl des Stadtvorstands ist auf 15. September fest­gesetzt. Bewerbungen müssen bis 29. August eingereicht sein. Oberbürgermeister Harkmann tritt wieder als Bewerber auf.

Alm, 20. Aug. Die letzte Pferdepost. Ein be­kränzter Paketpostwagen, der gestern durch die Straßen der Stadt fuhr, deutete an, daß die Pakete in Ulm zum letzten­mal durch Pferdegespann ausgeführt wurden. An dessen Stelle tritt der Betrieb mit Kraftwagen.

Von der badischen Grenze. 20. Aug. Heimattag in Wolf ach. Bei außergewöhnlich starker Beteiligung hat am Samstag und Sonntag hier ein Heimattag mit großem Volkstrachtensest stattgefunden. Eingeleitet wurde das Fest mit einer Heimatausstellung, in der Möbel, Hausgeräte. Trachten sowie durch Gemälde bekannter Haimischer Künst­ler (Liebich, Hasemann u. a.) ausgestellt sind. Abends gab es dann noch Umzug der örtlichen Vereine, Promenade­konzert und Feuerwerk. Am Sonntag früh begann der Tag mit Böllerschießen und Wecken. Festgottesdienst für beide Konfessionen. Frühschoppenkonzerte in den zahlreichen Restaurants und ein schönes Platzkonzert der Stadtkapelle

vor dem Rathaus füllten den Vormittag. Im Mittelpunkt des Nachmittags stand der große Volkstrachtenfest- zug, der eine Fülle herrlicher und farbenfroher Bilder, Festwagen u. a. zeigte. Nach dem Festakt fuhr an der Kin­zigbrücke das letzte Floß, gesteuert von den noch lebenden alten Flößern, darunter einer aus Schiltach mit 86 Jahren, die Kinzig hinab. Auf dem großen Festplatz und in den Gasthäusern war kaum ein Platz mehr zu erhalten.

Langenargen, 20. Aug. InderKircheverhaftet. Gestern abend wurde in der Pfarrkirche eine ledige Frauens^ Person M. M. aus dem Badischen in Haft genommen, die sich nach dem Gebetläuten hatte einschließen lassen. Eine barmherzige Schwester des Spitals, die sich noch zu später Stunde in dem an den Chor der Kirche anstoßenden Raum, dem sogenannten Chörle, aufhielt, hörte verdächtiges Ge- räusch. Auf erfolgten Zuruf ward ihr die Antwort:I stehl 'it!" Ob es sich um einen weiblichen Kirchenmarder handelt, der in die Fälle lief, oder ob der nächtliche Gast bloß ein Freiquartier suchte, wie er behauptet, muß die Untersuchung ergeben. Die M. hatte nur etwa 90 Pfennige bei sich. Die polizeilichen Ermittlungen erstrecken sich vor allem darauf, ob sie mit der gleichnamigen Person identisch ist, die von der Staatsanwaltschaft Ulm wegen Diebstahls und Betrugs gesucht wird.

Von der bayrischen Grenze, 20. Aug. Das Leichen­hausabgebrannt. In der vorletzten Nacht ging ein heftiges Gewitter über die Gegend von Günzburg nie­der. In das Leichenhaus im neuen kath. Friedhof schlug der Blitz ein und zündete. Das Leichenhaus brannte bis auf die Grundmauern nieder. Eine Leiche befand sich nicht im Haus.

Nicht geklebte Jnvalidenmarken >

Schadenersatzpflicht

Eine bemerkenswerte Entscheidung fällte das Reichs- arbeitsgericht in der Frage der Schadenersatzpflicht des Ar­beitgebers wegen unterlassener Mitwirkung bei der Klebung von Versicherungsmarken zur Invalidenversicherung. Die Klägerin war bei dem beklagten Arbeitgeber nahezu zehn Jahre beschäftigt. Sie wurde in den Sommermonaten täg­lich, in den Wintermonaten nach Bedarf beschäftigt. Es war vereinbart worden, daß der Beklagte die Invalidenmarken klebte. Vor einiger Zeit wurde die Klägerin erwerbsunfähig.

Ihr Antrag auf Invalidenrente wurde jedoch von der Lan­desversicherungsanstalt ab gewiesen, da sie nicht dis vorgeschriebene Anzahl von Jnvalidenmarken Nachweisen konnte. Die Klägerin forderte nun Schadensersatz dafür, daß sie keine Invalidenrente bekommt. Das sei Schuld des Be­klagten. Dieser hat wohl anfänglich die Marken geklebt, spä­ter aber nicht mehr. Das Arbeitsgericht gab dem Klageanspruch statt und verurteilte den Beklagten zur Zah­lung einer Rente von monatlich 15 Mark. Da die Klägerin eine gewisse Pflicht gehabt habe, sich darum zu kümmern, ob der Beklagte die Marken klebte und diese Pflicht nicht er­füllt habe, haben ihr nur zwei Drittel der Invalidenrente als Schadensersatz zugebilligt werden können. Das Landes­arbeitsgericht bestätigte das Urteil erster Instanz. Es wies die Einwände des Beklagten, daß es sich nur um ein« unständig Beschäftigte gehandelt habe, als unbegründet zu­rück. Auch das Reichsarbeitsgericht hat die Revi­sion des Beklagten zurückgewiesen. In den Entscheidungs­gründen wird dargelegt, daß der Arbeitgeber dafür verant­wortlich gemacht werden könne, daß er das Kleben der Mar­ken unterlassen habe. Es habe eine Vereinbarung Vorgelegen, daß der Arbeitgeber das Kleben der Invaliden­marken zu besorgen habe. Das sei entscheidend, UM den Be­klagten zum Schadensersatz zu verpflichten.

Aus Stadt und Land

Nagold, den 21. August 1929.

Das Erste in der Liebe ist der Sinn füreinander, und das Höchste der Glaube aneinander. Fr. von Schlegel.

Herbstgefühl.

Es ist ein eigenartiges Gefühl, das uns Heuer mitten im Sommer schon beschleicht. Eben hatte noch der ganze leuch­tende Frohsinn, die ganze strahlende Lebensfülle des Sommers unseren Tag vergoldet und uns das Herz ange­füllt mit der Kraft und Freude des Lebens, mit der satten Schönheit der Reifezeit und mit der ganzen Bewußtheit und Bejahung, die dem-Sommer zu eigen ist. Und dann? Dann wacht schon im August ein regenschwerer, nebelver- hangener Frühherbstmorgen auf, der uns allzufrüh schon

dann die blaue Matrosenmütze, die er auf das verwirrte Haar drückte, und machte eine Bewegung nach der Bank hin, die einenGuten Tag" bedeuten sollte, und ging dann den Kiesweg nach dem Fluß hinunter.

Max sah ihn niederknien und sein Taschentuch heraus­ziehen, das er eine Weile ins Wasser hängen ließ und dann über das Knie legte.Er scheint sich verletzt zu ha­ben!" sagte er.Ich will doch noch nach ihm sehen".

Ach, laß ihn!" meinte der General,das ist dann eine Lehre für ihn, daß man sich nicht so ungebührlich be­nimmt." Sie gingen aber trotzdem zu ihm hin und sahen, wie er eben das Tuch um das Knie wand.

Tuts weh?" fragte Max.

Nein!" kam es abweisend.

Warum machst du dir dann einen Verband", forschte der General.

Damit es wieder heil ist, bis ich heimkomme".

Mutter zürnt wohl?"

In die Augen des Knaben kam ein Ausdruck, der das ganze Gesicht im Nu verwandelte.

Es wurde weich und zärtlich.

Nun?" drängte Max.

Er schüttelte den Kopf und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser, das er auf das Knie träufelte.Mutter

schilt nie!-Nie! Aber sie sorgt sich und weint dann,

und sie hat es so nicht leicht". Der Knabenmund zuckte, etwas Heißes, Feuchtes schoß ihm in die Augen, er nickte und wollte gehen.

Der General hielt ihn zurück.Und dein Vater?-"

Du hast keinen! Hat nicht dein Mitschüler so ähnlich gesagt?" forschte Max.

Eine tiefe Röte brannte in dem schmalen Kindergesicht. Das Leder seiner Mappe knirschte, so fest preßte er die Hände darum. Max sah, wie tief er ihn gekränkt hatte. Ich meinte natürlich", begütigte er,daß du ihn durch den Tod verloren hast".

Der Junge wurde ruhiger.Ich weiß es nicht! Mutter sagt, als ich noch klein war, ging Vater auf Reisen und

kam nicht mehr.-Aber gehabt-gehabt habe ich

schon einen Vater!!"

Natürlich, mein Junge!-Das bezweifelt auch

niemand! Warum sagt aber der andere, dein Vater sei ein Schuft?"

Einen Augenblick kämpfte das Kind mit sich. Dann

überstürzten sich die Worte, die aus seinem Munde kamen.

Die Leute sagen-er hätte Mutter davongejagt".

Die Tränen liefen ihm über die Backen, und sein schmaler Körper wurde geschüttelt.

Der General zog ihn zu sich auf die Bank, die zwischen den Sträuchern stand.Du mußt nicht glauben, was die Leute sagen!"

Der Junge fing das salzige Wasser seiner Augen mit den Lippen auf, denn er trug sein Taschentuch noch immer um das Knie gebunden. Max wischte ihm die Backen trok- ken.Dein Vater ist doch gewiß kein schlechter Mensch ge­wesen, daß er so an deiner Mutter gehandelt hätte".

Der Knabe verneinte.Mutter sagt, er sei der edelste Mensch gewesen". Die Tränen versiegten, das Kinderge­sicht wurd wieder weich und zärtlich.Mutter erzählt mir alle Tage von ihm. Wie gut er war und wie er sie ge­liebt hat und mich auch. Und nie, sagt Mutter, habe sie ein böses Wort von ihm bekommen! Nie! Alles hat er für

sie getan!"-Dann plötzlich ganz nach Kinderart auf

ein anderes Thema überspringend, strahlte er Ebrach an. Ich habe Sie kürzlich spielen hören im Konzert".

Du gehst in Konzerte?" lächelte Max.Ei, siehe da!'

Mutter hat zwei Billette geschenkt bekommen im Ge­schäft, und ich hatte eine Schülerkarte. Wir gehen sonst nirgends hin. Wir haben kein Geld dazu", sagte er etwas leiser und ein klein wenig verlegen.

Kommst du übermorgen wieder, mich zu hören?"

Nein!"

Es hat dir wohl nicht gut gefallen das erstemal.

O, doch!" Die Knabenaugen wurden ganz Andacht im Erinnern.Aber zweimal geht es nicht. Mutter hat diesmal kein Billett. Und ich brauche neue Strümpfe". Er sah mit einem bedauernden Blick auf seine zerrissenen herab.

Wenn ich dir aber nun zwei Billete schenke", sagte Max.

Der Knabe machte einen Sprung mit beiden Fugen. Bitte!" Dann ein jähes Besinnen.Ich weiß nicht, ob es Mutter erlaubt. Sie kann Musik nicht gut hören. Als wir das letztemal im Konzert waren, hat sie die ganze Nacht gewernt und konnte am nächsten Morgen nicht rns Geschäft gehen, weil sie solch arge Kopfschmerzen hatte .

Fortsetzung folgt.