Ärnts-rmSÄnzetsÄMUttür
eseltscli crkter
Mit den illustrierten Beilagen ,Feierstunden' „Unsere Heimat', „Die Mode vom Tage".
Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn -A 1.60; Einzelnummer 10 — Erscheint an
jedem Werktage. — Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Echriftleitung, Druck und Verlag v. <8. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
GbMuntsvVtrkLaWlS
Mit der la»dwirtschaftlicheu Wochenbeilage: „Haus-, Garten- und Landwirtschast'
Anzeigenpreise: Die 1-spaltige Borgiszeile oder deren Raum 20 Familien-Anze:gen IS -Z, Reklamezeile 60 Sammelanzeigen 50 Aufschl. Für das Ersckeinen von Anzeigen in bestimmten Ausgaben und an besonderen Plätzen, wie für telephonische Aufträge und Thiffre-Anzeigen wird keine Gewähr übernommen. : : :
Telegr.-Adresse: Gesellschafter Nagold. — In Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung de» Bezugspreises. — Postsch.-Kto. Stuttgart 5118
Wx. 194 Gegründet 1827
Dienstag, den 20. August 1929 Fernsprecher Nr 2g 103. Jahrgang
Besprechung Strefenmrm-Wirth mit den Befetzungsmächten
Die Haager Konferenz
Haag, 19. Aug. Heute 4 Uhr nachmittags traten die Vertreter der drei Besetzungsmächte zu einer Besprechung msi Dr. Stresemann und Dr. Wirth zusammen, nachdem Stresemann vorher noch eine besondere Unterredung mir Briand gehabt hatte.
Annäherungsversuche im Haag?
Parks, 19. Aug. Der „Exzelsior" erfahrt aus dem Haag, daß Annäherungsversuche im Gang, seien dergestalt, daß Briand veranlaßt'werden solle, Snowden einen persönlich», n Besuch abzustatten, den dieser dann erwidern würde.
Man versucht zu mogeln
In den Verhandlungen der Finanzsachverständigen der fünf Gläubigerstaaten ist bis jetzt auch noch kein Fortschritt erreicht. Die „anderen Vier" erwägen, England eine einmalige Zahlung, nämlich einen sehr erheblichen Teil der Summe von 250 bis 300 Millionen Goldmark, anzubieten, die sich aus deutschen Ueberschußzahlun- gen dadurch ergeben wird, daß Deutschland bis 1. September die Dawesjahreszahlungen leistet, das Young- Jahr aber schon am 1. April beginnt. Von diesen Summen verlangt Deutschland natürlich mit Fug und Recht, daß sie mit Deutschland verrechnet werden. Hier liegt also wieder der Versuch vor, Deutschland zu bemogeln und mit deutschen Leistungen den «Frieden" unter den Verbündeten wiederherzustellen.
Gemeinde« und Arbeitslosenversicherung
In der bisherigen Erörterung der Arbeitslosenversicherung und ihrer Aenderung hat die Stimme der Gemeinden gefehlt. Soeben ist nun eine Schrift von Dr. Elsas, dem Vorstandsmitglied des Deutschen Städtetags (früher gemeinderätlicher Rechtsvat in Stuttgart), erschienen, die sich zur Aenderung der Arbeitslosenversicherung äußert.
Die Schrift übt stellenweise scharfe Kritik an der Praxis der heutigen Arbeitslosenversicherung und dem Ausbau der Reichsanstalt. Elsas kommt zu der Forderung, daß für Saison- und Heimarbeiter eine Sonderregelung unbedingt erforderlich sei. Die Saisonarbeiter müssen zwar in der Versicherung belassen werden, aber Beiträge und Leistungen sollten in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden, auch müsse die Frage einer verlängerten Wartezeit für Saisonarbeiter erneut geprüft werden. Die Arbeitslosenunterstützung sei nach dem Durchschnittseinkommen eines längeren Zeitraums als den letzten drei Monaten zu bemessen, N7le es heute der Fall ist, denn so würde ein wichtiger Anreiz gegeben, Dauerbeschäftigung an Stelle kurzfristiger und hochbezahlter Arbeit zu suchen. Elsas möchte, daß in den Gedanken der Arbeitslosenversicherung der Grundsatz der sozialen Fürsorge hineingetragen werde. Ihm schwebt dabei ein verbundenes System aus Versicherung und Fürsorge vor, das den Kreis der von der Arbeitslosenversicherung Betreuten möglichst auf alle arbeitsfähigen Erwerbslosen ausdehnt und sie der Gemeindefürsorge ab nimmt. Es kommt aber gerade darauf an, den Versicherungscharakter der Reichsanstalt klarer zur Geltung zu bringen, also dafür zu sorgen, daß die Arbeitslosenversicherung sich möglichst selbst trägt und keine Zuschüsse erfordert, daß Beiträge und Leistungen in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden und das Risiko der Saisonarbeiter erträglich gemacht wird. In diese Aufgabe, die zur Zeit zur Lösung steht, trägt aber die Idee der Fürsorge nur Verwirrung hinein, vor allem wenn sie von der Absicht eingegeben ist, die kommunale Fürsorge zu entlasten und möglichst viel in die Arbeitslosenversicherung hineinzupressen.
Sicherlich bestehen enge Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen Arbeitslosenversicherung und kommunaler Wohlfahrtspflege, und sie sind oft nicht aufeinander abgestimmt. Aber hier liegt die Schuld auch bei den Gemeinden. Es ist keineswegs nötig, daß eine Entlastung und größere Sparsamkeit der Reichsanstalt auf Kosten der Gemeinden erfolgt. Vielfach liegen die Durchschnittsleistungen der Wohlfahrtspflege höher als die Unterstützungssätze der Arbeitslosenversicherung. Zugegeben, daß der soziale Aufbau der Richtsätze der Wohlfahrtsfürsorge, vor allem in bezug auf den Familienstand, besser ist, hier wird die Reform der Arbeitslosenversicherung eine Aenderung bringen müssen. Aber dann ist es auch erforderlich, daß die kommunale Fürsorge sich mit ihren Sätzen nach der Arbeitslosenversicherung richtet und nicht umgekehrt. Es fehlt auch an der nötigen Anpassung und Zusammenarbeit, wenn die Wohlfahrtspflege in der Wartezeit zwischen Arbeitslosmeldung und Versicherungsbeginn Unterstützungen bezahlt. Das gleiche gilt für den häufigen Fall, daß ein Erwerbsloser, der ang'ebotene neue Arbeit abgelehnt hat und daher für vier Wochen vom Bezug der Unterstützung ausgeschlossen wird, in dieser Zeit von der Wohlfahrtspflege betreut wird. Auf diese Weise wird der Zwang, neue Arbeit zu suchen und alte möglichst zu behalten, verringert.
Wenn Elsas eine bessere Zusammenarbeit zwischen Arbeitslosenversicherung und Wohlfahrtspflege fordert, kann man ihm grundsätzlich nur zustimmen. Der häufige Zustand, daß Erwerbslose neben- und nacheinander von drei Einrichtungen — der regelrechten Versicherung, der Krisenfürsorge und der Gemeindewohlfahrt — betreut werden, ist nicht ideal und schafft viel Doppelarbeit. Ein Nebeneinanderwirken und Nacheinanderstehen von Versicherung und Fürsorge ist durchaus sinnvoll. Hinter den Rechtsanspruch auf Unterstützung muß die Bedürftigkeitsprüfung und individuelle Behandlung durch die Fürsorge geschaltet werden: ein Gefälle der Behandlung und Unterstützung ist nötig, um den Willen zur Arbeit und die freiwillige Arbeitssuche anzuspannen und Mißbräuche unter verschiedenen Gesichtspunkten durchzusieben. Nur müssen beide Systeme besser aufeinander
abgestimmt werden. Wenn die Reform der Arbeitslosenversicherung verabschiedet ist, wird die Zusammenarbeit zwischen ihr und der Wohlfahrtspflege als Problem und Aufgabe an die Reihe kommen müssen. Nichts märe aber falscher, als zurzeit aus einem kommunalen Sonderrnreresse heraus, das unberechtigterweise von Aendsrungen des heutigen Zustands eigene Belastungen befürchler und sich daher für die innere Gesundung der Arbeitslosenversicherung nicht sachlich einsetzt, die nötige Reform der Relchsanircnt §u erschweren.
*
Der Fehlbetrag, der bei der Arbeitslosenversi cherung zu decken ist, beläuft sich auf 279 Millionen Mark. Die zur Deckung vcrgefchlagenc Beitragserhöhung von ein halb Prozent wird auf rund 140 Millionen geschätzt. Reichsarbeitsminister Wissell wollte den Beitrag auf dreiviertel Prozent erhöht wissen, was ein jährliches Mehraufkommen aus der Wirtschaft von rund 210 Millionen bedeutet hätte.
Neueste Nachrichten
Die Arbesislosenreform vom Reichskabinekt verabschiedet
Berlin, 19. Aug. Das Reichskabinett stimmte in seiner heutigen Sitzung dem vom Reichsarbeitsminister vorgelegten Gesetzentwurf zur Aenderung der Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu. Der Entwurf wurde dem Reichsrat und dem sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags übergeben.
Ehrung der englischen Geistlichen für deutsche Sriegsgefallenen
Berlin, 19. Aug. Die Abordnung englischer Geistlicher, die zurzeit in der Reichshauptstadt weilt, hat am Sonntag am Ehrenmal für die Kriegsgefallenen in der Dreifaltigkeits- kirche einen Kranz aus Lorbeer und Eichenblättern niedergelegt. Der Kranz trägt auf englisch die Inschrift: „Ein Zeichen tiefer Hochachtung und tiefen Mitgefühls — von der Abordnung der britischen Vereinigung des Weltbunds für Freundschaftsarbeit der Kirchen."
Abreise des italienischen Geschwaders
kiel, 19. Aug. Die italienischen Kriegsschiffe „Pisa" und „Fcrruccio" haben in den heutigen frühen Morgenstunden nach sechstägigem Aufenthalt Kiel wieder verlaßen und die Weiterreise durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal nach der Nordsee angetreten. Das Geschwader fährt zunächst nach Portsmouth (England), dann über Le Havre nach Vigo zurück.
Blutige Zusammenstöße ln Steiermark
Sk. Lorenzen, 19. Aug. In der Ortschaft St. Lorenzen in Obersteiermark kam es am Sonntagnachmittag zu schweren Zusammenstößen zwischen Heimwehrleuten und Sozialdemokraten. Im Verlauf eines heftigen Handgemenges fielen mehrere Schüsse. Ein Mann, angeblich ein Sozialdemokrat, wurde getötet. Zehn Personen sind schwer, fünfzig leicht verletzt worden. Es dauerte ziemlich lange, bis ein großes Aufgebot von Gendarmerie die Ruhe wieder hergestellt hatte. In St. Lorenzen hatte eine sozialdemokratische Versammlung stattgefunden, zu der am Nachmittag auch politische Gegner erschienen waren.
Nach Anlegung von Notverbänden im Krankenhaus Bruck an der Mar konnte etwa die Hälfte der verwundeten Heimwehrleute und der sozialistischen Schutzbündler in die Krankenhäuser von Kapfenberg, Leoben und Denawitz gebracht werden. Der Zustand von je zwei Heimwehiieuten und Schutzbündlern, die Bauchschüsse oder schwere Kopfverletzungen haben, ist sehr ernst. Die Erregung in Obersteiermark ist groß.
TiMssMZel
Der Zusammenstoß zwischen den Helmwehrleuten und den Schutzbündlern in Sk. Lorenzen (Oberskeiermark) hat zwei Todesopfer gefordert, den sog. Schutzbündler Richter und den Ingenieur Pichler aus Donawitz. Zwei weitere Schwerverletzte ringen mit dem Tod. 75 Verwundete, darunter 30 Schweroerwundete, befinden sich in pflege. Die Volizei hat festgestellt, daß an die Schutzbündler Jnfankerie- gewehre verteilt wurden. Von beiden Seiten soll je ei« Maschinengewehr verwendet worden sein.
Chinas Verteidigung
Paris, 19. August. Der „Petit Parisien" meldet au» Schanghai, Marschall Tschanghsühliang treffe Maßnahme« zur Verteidigung der Grenze und habe bte Mobilisierung von weiteren 100 000 Mann angeordnet.
Württemberg
Stuttgart, dK, 19. August.
Die freien Gewerkschaften. Der Mg. deutsche Gewerk- schaftsbund (sozialistische Richtung) gibt in der Gewerkschaftszeitung einen Ueberülick über den Stand der freien Gewerkschaften zu Ende 1928. Die Umorganisation zu großen Industrieverbänden nahm auch 1928 weiteren Fortgang. Die Zahl der Zentralverbände beträgt nur noch 35, die Zahl der Ortsgruppen 13 810. Ende 1927 zählten die freien Gewerkschaften 4 415 673 Mitglieder, Ende 1928 war diese Zahl aus 4 866 926 gestiegen. Der Mitgliedergewinn beträgt 12,1 v. H.» der Anteil der weiblichen Mitglieder 15,3 v. H. Die Gesamteinnahmen der freien Gewerkschaften werden mit 221 696 195 Mark beziffert gegenüber 1927 ist eine mehr als zwanzigprozentige Einnahmesteigerung festzustellen. An Beiträgen allein wurden eingenommen 1927 pro Kopf 40,87 und 1928 44,02 Mark. Die Beitragsleistung hat den Realwert des Standes der Vorkriegszeit wieder erreicht. Ausgegeben wurden rund 189 Millionen Mark, davon rund ein Drittel für Unterstützungszwecke. Presse und Bildungswesen erforderten rund 12 Millionen. Ortsausschüsse der freien Gewerkschaften wurden an 1269 Orten festgestellt: die größten sind Berlin, Hamburg, Dresden und Leipzig. In 127 Orten werden eigene Arbeitersekretariate unterhalten, in 114 Orten besitzen die freien Gewerkschaften eigene Gewerkschaftshäuser, die Millionenwerte darstellen.
Lin Autodieb gefaßt. Vorgestern nacht fuhr ein betrunkener Fahrer mit seinem Auto an der König-Karls-Brücke auf einen Laternenmast auf. Er wurde darauf zur Polizeiwache gebracht und dort stellte sich heraus, daß der Fahrer, ein Gablenberger, das Auto in Stuttgart gestohlen hatte.
Aus dem Lande
Heilbronn, 19. Aug. Autoreifen als Schwimmgürtel. Die Reifen von Privatautos wurden in den letzten Tagen sowohl in Sontheim als in Heilbronn mehrfach zerschnitten und die Luftschläuche entwendet. Die Täter wurden ermittelt. Sie haben die Luftschläuche zum Erlerne» des Schwimmens verwendet.
Neckargartach OA. Heilbronn, 19. August. Ein tödlicher Faust schlag. Kurz vor Mitternacht wurde vor einer Wirtschaft in der Frankenbachstraße der 22 Jahre alte Schlosser Adolf Wildenstein von dem 26jährigen Arbeiter Hermann Zerrer, der angetrunken war, angerempelt. Es kam zu Streitigkeiten; in deren Verlauf holte Zerrer in drohender Haltung 'zum Scblag gegen Wildenstein aus. Ehe es jedoch soweit kam, stieß Wildenstein den Zerrer mit der Faust mehrmals vor die Brust und versetzte ihm einen Schlag ins E^cht. Zerrer sank in sich zusammen und war nach wenigen Minuten tot. Dies wurde jedoch erst bemerkt, nachdem ein weiterer Arbeiter, der dem Zerrer zu Hilfe kommen wollte, ebenfalls von Wilbenstein niedergeschlagen worden war; er war zunächst auch ohnmächtig, erlitt jedoch nur geringfügige Verletzungen. Wildcnstein wurde festgenommen.
Welzheim, 19. August. Sommernachtsfest auf dem Ebnisee. Am Sonntag wurde vom Welzhetmer Waldverein am Ebnisee ein Sommernachtsfest veranstaltet,- das von einigen tausend Personen besucht war. Verschiedene blumen- und abends lamvengeschmückte Boote belebten den
See. Den Abschluß bildete ein Feuerwerk. Diele Gäste hielten bis zum Sonnenaufgang aus.
Abends siel eine jungverheiratete Frau unweit des Fest- Platzes von dem von ihrem Mann gesteuerten Motorrad und war sofort tot.
Aalen. 19. August. Omnibusgesellschaft und Re ichspoft. Don Montag ab wird von der Deutschen Reichspost Arbeiterverkehr auf der Strecke Aalen—Hütt- lingen—Abtsgmünd eingeführt. Im letzten Halbjahr hatte das die Omnibusgesellschaft Aalen besorgt mit immer guter Benützung.