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Mit den illustrierten Beilagen »Feierstunden» Unsere Heimat",Die Mod« vom Tage".

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Mit der landwirtfchaftlichen Wocheubeilage: Haus-, Garten- und Landwirtschaft"

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Mittwoch, den 14. August 1929

Fernsprecher Nr. 29

103. Jahrgang

Graham zur Sachlieferungsfrage

Die Haager Konferenz

Haag, 13. Aug. Der englische Handelsminister Graham empfing heute vormittag eine Anzahl Pressevertreter, denen er Darlegungen über den britischen Standpunkt in der S a ch- lieferungsfrage machte. Dabei legte er besonderen Nachdruck auf den Rückgang der englischen Kohlenaus­fuhr nach Italien und mehreren anderen Ländern, den er auf den Wettbewerb der Reparationskohle zurückführte. Er forderte Freiheit des Wettbewerbs für alle Nationen, de" durch das unnatürliche Element der Sachlieferungen behin­dert sei. Cr gab jedoch zu, daß es für Deutschland schwierig sei, seinen Reparationsverpflichtungen ohne Sachlieferungen nachzukommen. England sei bereit, auf diese Notwendig­keit Deutschlands Rücksicht zu nehmen, doch erscheine ihm der Zeitraum von zcyn Jahren, der für den Ablauf des Sach- lieferungssystems im Noungplan vorgesehen sei. zu lang. Den von der deutschen Abordnung in dieser Frage ein­genommenen Standpunkt könne man auf englischer Seite verstehen. Die britische Regierung würde sich gern mit dem Gedanken internationaler privater Abmachungen nach Art der für verschiedene Industrien bereits bestehenden inter­nationalen Kartelle außerhalb der Konferenzaufgaben oder nach deren Abschluß befassen.

Von englischer Seite wird betont, daß die französische Unterstellung, England wolle den Toungplan überhaupt zu Fall bringen, durchaus unrichtig sei, vielmehr sei Snowden bereit, bei einem Eingehen auf seinen grundsätzlichen Stand­punkt zum Zustandekommen des Werks nach Kräften ber- zutragen. In französischen Kreisen wird angedeutet, daß man allenfalls Zugeständnisse mit Bezug auf die Verteilung der ungeschützten Tributleistungen machen würde, wenn

Sicherheit bestünde, daß damit einem Widerstand gegen den Poungplan an sich vorgebeugt werde.

Besprechung Henderson-Driand über die Ueberwachung

Haag, 13. August. Reuter meldet, der englische Außen­minister Henderson habe sich mit Briand über die Einsetzung einer Ueberwachungskommisfion besprochen. Hen­derson trat dafür ein, daß die Kommission dem Völker­bund unterstellt sein solle; die Ueberwachung solle nicht über 10. Januar 1035 dauern, wo nach dem Versailler Ver­trag jede Besetzung ihr Ende finden solle. Briand bestand darauf, daß die Kommission als besondere Einrichtung vom Völkerbund gang unabhängig sein solle. Beide Diplomaten konnten sich nicht einigen.

Japan soll auf seinen Anteil am Uoungplan von 12 Millionen Mar! .jährlich zu verzichten sich bereit erklärt ha­ben. Weiter soll in dem Finanzausschuß versucht worden sein, auf Italien dahin einzuwirken, daß es sich mit den bisherigen 10 v. H. der Tributzahlungen begnüge, statt der im Boungplan vorgesehenen Erhöhung seines Anteils arH 12 v. H.

Di^ Winterleiden der Besehungstruppea

Im politischen Ausschuß beklagte sich Briand darüber, vie schwer die französischen Besetzungstruppen unter dem rheinischen Winter zu leiden gehabt hätten. Eine Räumung >m Winter wäre für die Truppen unerträglich. Strese- nann erwiderte, es liege ganz in Briands Hand, daß den Truppen durch eine frühere Räumung ein zweiter rheini­scher Winter erspart bliebe. Allgemeine Heiterkeit. Der Vorsitzende Hende-son klopfte dabei Briand lächelnd auf die Schulter.

Ein neuer Skandalprozeß in der Türkei

Konstantinopel, 13. August. Im vorigen Jahr erregte der Prozeß gegen den türkischen Marineminister Jchsan und einige seiner Beamten Aufsehen, die sich von einer französischen Firma für Lieferung verschiedener Marinebauten hatten bestechen lassen. Jchsan und seine Mit­schuldigen wurden schwer bestraft. Ein ähnlicher Fall, in den auch französische und italienische Firmen verwickelt sind, bildet jetzt wieder das Tagesgespräch. Die Inhaber der Fir­ma Ibrahim Sade Lutfi Bej u. Co., die ersten Inhaber des vor zwei Jahren gegründeten Sprengstoffmonopols, wurden wegen Durchstechereien verhaftet. In der Untersuchung ga­ben sie an, sie hätten an sehr hohe türkische Beamte wert­volle Geschenke und viele hunderttausend Pfund Schmier­gelder (ein türkisches Pfund gleich rund 2.20 Mark) geben müssen, um das Monopol zu erhalten. Den Verhafteten wurde darauf eröffnet, daß sie auch wegen Beleidigung des türkischen Staats angeklagt würden. Inzwischen ist in der ZeitschriftEconomiste" aus der Feder des angesehenen Herausgebers Rechet Safet Bes ein Aufsatz erschienen, de'' besagte, diese Behauptung sei gar nichts Absonderliches, da-- Schmiergelder- oder Backschischnehmen sei leider auch an vielen andern Stellen in der Türkei gang urch gäbe. Trotz­dem wurde die Untersuchung in der Richtung weiteraetübrt.

daß die Angeklagten mit der den Staat beleidigenden Be­hauptung den Steuerfiskus um einen großen Teil der ihn» geschuldeten Gewinnsteuern, rund 520 000 türk. Pfund, hät­ten betrügen wollen. Jetzt hat die Geschichte, bei der außer Ibrahim Sade Lutfi Bej noch ein Abgeordneter, zwei Rechts­anwälte und die Gebrüder Fresco und Bassat aus angesehensten" Konftantinopler Kaufmannskreisen als An­geklagte erscheinen, eine aufsehenerregende Wendung ge­nommen. Die Untersuchung hat ergeben, daß die Angeklag­ten tatsächlich dem türkischen Finanzminister zur Zeit der Monopolgründung, Hassan Bej, der setzt noch Abgeord­neter von Trapezunt und Vizipräsident der Nationalver­sammlung ist, ein wertvolles großes amerikanisches Auto­mobil geschenkt, einem andern sehr hohen Staatsbeamten, dessen Namen aber noch geheimgehalten wird) 25 000 türk. Pfund in bar gegeben haben. Hassan Bej soll sichzufällig" jetzt im: Ausland befinden.

Es war von Anfang an klar, daß die Beschuldigung, die Angeklagten hätten den türkischen Staat beleidigt, nur vor­geschoben war, um eine Handhabe für die Untersuchung zu bekommen. Der Erstminister Jsmet Pascha geht mit äußerster Strenge gegen die Bestechlichkeit der Beamten vor.

Ak. 189 Gegründet 1827

lagesspiegel

Der Entwurf des Reichsmilchgesehes wird dem Reichs- kabinelt demnächst vorgelegt werden.

Die Bolksparkei hat gegen die Hinausschiebung der Ein­berufung des Sozialpolitischen Reichstagsausschusses zur Beratung der Arbeitslosenversicherung vom 15. zum 22. August, die eine Verschleppung sei. Einspruch erhoben. Die Einberufung erfolgt nun wahrscheinlich auf 15. August.

An Stelle Skegerwalds, der zurzeit Reichsverkehrs­minister ist. wurde vom Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbunds Reichskagsabgeordn. Heinrich Imbusch (Zkr.), Vorsitzender des Gewerkvereins christlicher Berg­arbeiter, einstimmig gewählt. Der Ausschuß wird am 3. und 4. November d. I. eine größere Tagung in Essen ab­halten.

In Rumänien soll wieder ein Butsch gegen die Regierung Alanin geplant sein. Die Regierung hat Vorsichtsmaß­nahmen getroffen.

In dem Hasen von Lumana bei Caracas (Venezuela) landeten Aufständische, um die Hauptstadt zu überrumpeln. Sie wurden jedoch von den Regierungstruppen zurück­geschlagen.

Die Regierung von Peru hak beschlossen, wieder vollen Anteil an den Arbeiten des Völkerbunds zu nehmen.

Vas will England?

England ist nie ein Freund der deutschen Sachliefe­rungen gewesen. Es übernimmt aber nicht nur selber überhaupt keine Sachlieferungen von Deutschland, sondern fühlt sich auch noch dadurch beschwert, daß die deutschen Sachlieferungen der englischen Industrie auf anderen Märkten Konkurrenz machen. Besonders liegt den Eng­ländern die Entwicklung der Kohlenausfuhr am Her­zen; die englische Kohlenausfuhr bleibt immer noch hinter dem Stand der Vorkriegszeit beträchtlich zurück, während die deutsche ihn trotz der gewaltigen Verschmälerung des deutschen Kohlesbesitzes durch Versailles annähernd wie­der erreicht hat, und zwar wesentlich durch das System der Sachlieferungen: so bezieht Italien, das vor dem Krieg nur etwa eine Millionen Tonnen deutscher Kohle abnahm, heute fast 5 Millionen Tonnen Reparationskohle, und der Unter­schied geht wesentlich zuungunsten der englischen Kohlen­ausfuhr. Offenbar möchte die englische Abordnung im Haag Aenderungen des Doung-Plans zugunsten der englischen Kohlenausfuhr erreichen, die es ihr ermöglichen würden, die Herabsetzung der Löhne, mit der die englischen Bergarbeiter den Streik von 1926 bezahlen mußten, bald wieder zum Ausgleich zu bringen. Es handelt sich hauptsächlich um drei Punkte: namentlich Frankreich, der Hauptabnehmer der deutschen Sachlieferungen, begünstigt diese noch durch Zoll- und Transportermäßigungen, von denen letztere übrigens direkt aus den deutschen Tributen bezahlt werden. Ferner ist die Bestimmung des Dawesplans, nach der Sach- üeserungen von dem Empfangslande nicht nach anderen Märkten ausgeführt werden sollten, praktisch seit Jahren durchbrochen worden und soll im P o u n g p l a n zu völliger Aufhebung kommen. Der englische Vertreter Graham hat agegen besonders scharf Einspruch erhoben mit der Be- siündung, daß Deutschland auf diese Weise den Zugang zu Märkten erhalte, die ihm sonst verschlossen wären. Beide Leschwerdepunkte interessieren natürlich nicht nur den eng­lischen Kohlenhandel, sondern auch die gesamte englische Industrie. Weitere Sorge aber macht England noch, daß die Bestimmungen des Versailler Diktats, nach der die Preise für deutsche Reparationskohle nicht unter den Weltmarkt­preisen liegen dürfen, 1930 in Wegfall kommt; die Rede Grahams läßt kaum einen Zweifel daran, daß England ihre AufrechterhaltunL auch über 1930 hinaus wünscht.

Sehr entschiedenen Widerspruch hat Graham weiterhin gegen die im Poungplan vorgesehene Verkoppelung von Sachlieferungen und A u s f u h r a b g a b e n erhoben. Nach dem Poungplan hätte England 23,05 v. H. der künftigen Sachlieferungen, das wären für das erste Noung-Jahr rund 173 Millionen Mark, abzunehmen: will es das nicht, so würden das ist wohl der Sinn der reichlich unklar ausgedrückten Bestimmungen des Poungplans seine Einnahmen aus der Ausfuhrabgabe, die im laufenden Jahr rund 340 Millionen Mark betragen dürften, ent­sprechend herabgesetzt werden.

»

Die Haltung Englands im Haag zeigt nun zweierlei: die englische Arbeiterregierung vertritt einen streng protek­tionistischen, man möchte sagen hochschutzzöllnerischen, Stand­punkt. Sie will aber auch aus dem Tributplan schlechthin alles beseitigen, was die deutsche Waren­ausfuhr begünstigen könnte; obwohl doch auch sie wissen dürfte, daß ein Land an andere Länder auf die Dauer nur mit Waren zahlen kann. Es ist kaum verständ­lich, daß nicht schon ein Vertreter Deutschlands die kurze Frage an die englische Abordnung gerichtet hat: womit Deutschland denn nach der Meinung der englischen Regie­rung seine Tribute überhaupt bezahlen solle?!

Im übrigen wäre es mehr als verkehrt, wenn die deutsche Abordnung im Haag sich durch diese englischen Forderungen etwa in eine Front gegenEngland Hineintreiben ließe. Gegenüber dem Verlangen, den Zahlungsschlüssel des Doungplans zugunsten Englands zu ändern, muß Deutschland strengste Neutralität üben, solange nicht etwa der Versuch gemacht wird, den Zahlungsschlüssel znLaster, Deutschlands zu ändern. Von England ist ein Vorstoß in dieser Richtung kaum zu erwarten, zumal Snowden ;a ausdrücklich das Zahlungsschema des Youngplans an­genommen hat. In diesem Punkt erscheinen auch Aus­gleichungen für England auf anderen Gebieten, etwa hin­sichtlich der Tributbank, durchaus möglich. Weit bedeutungs­voller und schwieriger sind die englischen Forderungen hin­sichtlich der Sachlieferungen und der Ausfuhr­abgabe. Natürlich wird dadurch Deutschland in höchstem Maß berührt, und von Deutschland müsse im Haag hervor­gehoben werden, wie sehr durch deren Erfüllung die deutsche Zahlungsfähigkeit beeinträchtigt werden müßte.

Nichts beweist deutlicher als die englischen Forderungen, wie gefährlich nicht nur für Deutschland, sondern auch für den ganzen Tributplan der Wegfall des im Dawesplan vorgesehenenabsoluten" Transfer- Schutzes sein würde. Die englischen Borstöße zeigen des­halb auch in vollster Klarheit, wie notwendig es ist, daß Deutschland im Haag die Forderungen stellt: Nicht nur Ein­schränkung, sondern völlige Beseitigung der Ausfuhr­abgabe (Recovery Act, nach dem der Wert der von Deutschland in England eingeführten Waren in erster Linie zur Begleichung der Tributleistungen dienen soll), denn sie erschwert nach dem Zugeständnis der Engländer die deutsche Ausfuhr, damit selbstverständlich die Tributzahlung über­haupt und insbesondere noch eine reibungslose Abwicklung

des Transfer; sie ist deshalb mit dem Ponngpla« jedenfalls dann üh-rhaupt nicht mehr vereinbar, wenn die Verant­wortung für den Transfer nunmehr auf die deutschen Schultern gelegt werden soll.

Neueste Nachrichten

Jur Aenderung der Arbeitslosenversicherung

Berlin. 13. Aug. Bei der Besprechung der Reichsminister Wissell und Seoering mit Curtius und Hilferding im Haag wurde vereinbart, daß dem sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags, der am 22. August zusammentreten soll, nach vorausgehender Besprechung der Führer der fünf Frak- tionsparteien eine Kabinettsvorlage unterbreitet werden soll.

Nach E. P. sieht man in den Kreisen der deutschen Ab­ordnung im Haag die innerpolitische Lage Deutschlands sehr ernst an und gibt zu erkennen, daß angesichts der schwierigen Entscheidung im Haag alles vermieden werden müsse, was Deutschland in dieser Stunde in eine innerpoli- tische Krise bringen könnte wie der Kampf um die Arbeits­losenversicherung.

sozialdemokratische Fraktion zur Arbeitslosenversicherung

Berlin. 13. Aug. Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion trat heute unter Hinzuziehung von Leipart, Müller-Lichtenberg und Schliedt vom Vorstand des A.D.G.B. zu einer Besprechung über diepolitischeLage zusammen, wie sie durch die Differenzen der Gestaltung ärr Arbeitslosenversicherung entstände nist. An dieser Sitzung