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Nr. 186 Gegründet 1827 Samstag, den 16. August 1S2S Fernsprecher Nr. 29 103. Jahrgang
Besprechung Stresemann—Biaad
Die Haager Konferenz
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Reichspräsident v. Hindenburg wird nach der Verfaffungs- feier am kommenden Sonntag abend Berlin verlassen, um feinen Urlaub anzulreten. Der Reichspräsident will diesen Urlaub, wie alljährlich, in Dietramszell verbringen.
Ist England nicht mehr die erste Zlollen- macht der Welt?
Das war das stolze Albion seit den Tagen, wo die spanische „Armada in Trümmer flog". Wer heute? Man bekommt aus den gegenwärtigen englisch - amerikanischen Seeabrüstungsverhandlungen den unwillkürlichen Eindruck, daß eine andere Weltmacht sich anschickt, England, wenn nicht zu überholen, so doch mindestens einzuholen. Der amerikanische Präsident Hoover und der britische Ministerpräsident Mac Donald arbeiten zur Zeit an einem sogenannten „Hollstock", d. h. daß nicht bloß wegen der Panzerschiffe, für die ja das Washingtoner Abkommen 1920 die Gleichheit an Tonnenzahl festsetzte, sondern daß auch für die Kreuzer und die andern Schiffseinheiten dieselbe Zahl festgelegt werde — also für die vollkommene Gleichheit beider Flotten.
Bekanntlich gingen die Flottenabrüstungspläne Coolid- ges in die Brüche, weil die Engländer wegen ihrer auf dem ganzen Erdball zerstreuten Kolonien es ablehnten, ihre Kreuzerbauten abzustellen. Sie erklärten, daß sie mehr Kreuzer als die Amerikaner brauchen. Dieser Widerstand führte zu einer bedenklichen Mißstimmung zwischen den beiden angelsächsischen Großmächten. Diese Mißstimmung zu beheben lag in beiderseitigem Interesse. Hoover, der neue Präsident der Vereinigten Staaten, nahm den unter seinem Vorgänger abgerissenen Faden auf und strich, trotz des Widerspruchs des Senators Hale und des Kongreßvertreters Britten, einige Kreuzer- und Tauchbootsneubauten. Was blieb da England anders übrig, als diesem großzügigen Vorgang sich anzuschließen? Namentlich der jetzigen Arbsiter- regierung, die auf ihr außenpolitisches Programm den Punkt „Herstellung voller Freundschaft mit Washington" gesetzt hatte. Und so ordnete MacDonald Minderung des englischen Bauprogramms an. Die Presse- stimmte zu. Sogar die konservative Presse hat den Schritt als zweckmäßig gebilligt. Der Abbau der den Amerikanern lästigen englischen Flottenstation Bermuda soll eingeleitet werden. Bei dem Ausbau Singapurs (Hinterindien) soll, trotz des australischen Einspruchs, auf Befestigungsanlagen verzichtet werden. Kurz: es soll zwischen Amerika und England in der Seeabrüstungsfrage alles, was irgendwie den im Oktober erfolgenden Besuch Mac Donalds bei Hoover beschweren könnte, vorher „liquidiert" werden.
Freilich fehlt gegen diese weitgehenden Pläne, welche tief in die weltgeschichtliche Bedeutung der britischen Flotten- Politik eingreifen, es nicht an Widerspruch. So hat der frühere Schatzkanzler Winston Churchill der angestrebten „Gleichheit" den schärfsten Kampf erklärt: „Bedeutet der von Amerika vorgeschlagene „Zollstock" Vergleiche von Kanonen, Panzerstärken, Schiffsgeschwindigkeiten und sonstigen Einzelheiten (wie dies Hoover in der Tat vorzuschwe- i>en scheint), so würden alle Einigungsversuche zur Quelle endloser Schwierigkeit:: werden. Dann besser gar keine Verhandlungen." Auch die englische Fachpresse trägt ihre schweren Bedenken gegen den amerikanischen „Zollstock" vor und weist dabei auf die Kriegserfahrungen, namentlich daraus hin, daß es bei S k a g e r r a k sich gezeigt habe, wie es nicht bloß auf die Tonnenzahl der Kriegsschiffe, sondern auf allerlei „Qualitäten" ankomme. Also völlige Gleichheit lasse sich unmöglich durchführen.
Dennoch läßt sich nicht verkennen, daß England auf dem Weg ist, in seiner Flottenpolitik der Tochter jenseits des Ozeans nachzugeben, um so mehr, als seine großen wirtschaftlichen Sorgen ihm heißer auf den Fingern brennen als die Seemachtsfrage. Der deutsche Vizeadmiral a. D. Hollweg schreibt daher: „Von historischer Warte aus gesehen, sind die bei dem guten Willen der Beteiligten allem Anschein nach ausstchtsvollen englisch-amerikanischen Seeabrüstungsverhandlungen ein Ereignis von erstaunlich großer politischer Bedeutung. Eine dreihundertjährige, ruhmreiche englische Ueberlieferung paßt sich unter der Führung einer Arbeiterregierung weitgehenden Wünschen der zur ersten Weltmacht aufgestiegcnen Tochternation Amerika an."
Das Gutachten über die Neureglung der Arbeitslosenversicherung
Berlin, 9. Aug. Zu dem Gutachten der vom Reichsarbeitsministerium eingesetzten Sachverständigenkommission, we sich mit den Fragen der Neuregelung der Arbeitslosen- Versicherung zu beschäftigen hatte, führte Ministerialdirektor Weigert vor Vertretern der Presse u. a. aus: Die Kommission ist in den meisten ihr gestellten Fragen zu einer Entscheidung gekommen. Wenn die Kommission alle ihre Vorlage auch nicht mit einheitlichen Mehrheiten gemacht l>at, M kann doch festgestellt werden, daß es der Wunsch aller puppen war, die Arbeitslosenversicherung aufrecht zu erhalten und diesen wichtigen Zweig der Sozialgesetzgebung anszubcmen. Die Kommission hatte sich mit zwei Haupt-
Der Berichterstatter der amerikanischen „United Preß" will von französischer Seite erfahren haben, in der Besprechung am Freitag habe Briand vorgeschlagen, das Rheinland solle drei Monate nach dem Inkrafttreten des Zoungplanes geräumt werden und nachdem die erste Fälligkeit der Reparationsschuldoerschreibungen an den Börsen verkauft sei. Dies würde für die französische Regierung von erheblicher Bedeutung sein, da sie dadurch dem französischen Volk und Parlament zeigen könne, daß der Poung- plan bereits in Wirksamkeit sei, bevor das Rheinland geräumt werde.
Stresemann soll darauf hingewiesen haben, der Hauptzweck der Haager Konferenz sei die wirkliche Aus- derwellschaffung des Kriegs; die Errichtung eines neuen Ueberwachungsausschusses könne die Befriedung Europas nicht fördern. Die Locarnoverlräge bieten doch Frankreich genügend Sicherheit, außerdem könnte es jederzeit den Völkerbund anrufen, wenn es sich bedroht glaube. Der von Briand verlangten Verkoppelung von Rheinlandräumung und „Kommerzialisierung" der Reparationsschuldverschreibungen müsse er widersprechen.
Briand soll schließlich vorgeschlagen haben, daß Deutschland und Frankreich die Verhandlungen über die Räumung und die Ueberwachung allein fortsehen sollen (I), da diese Fragen ja nur diese beiden Staaten angehen. Die Einsetzung eines Ueberwachungsausschusses beeinträchtige die deutsche Souveränität nicht (!), da ja auch Deutschland im Ausschuß vertreten sein solle.
Der Berichterstatter des Pariser „Journal" meldet, Briand habe die sofortige Einsetzung eines militärischen Unterausschusses gefordert, der die Bedingungen prüfen solle, nnker denen die etwaige Räumung stattfinden könnt«. Stresemann habe zuerst den Unterausschuß abgelehnt» wett er nur die Wirkung haben könne, die Räumung auf die lange Bank zu schieben, er habe aber schließlich uachgegebeu.
aufgaben zu beschäftigen; 1. die Abstellung von entstandenen Mißständen in der Praxis der Arbeitslosenversicherung und 2. die Lösung der finan- zielten Schwierigkeiten. Die Kommission könnt» über die Abstellung von Mißständen in einer Reihe von Fragen einstimmige Feststellungen treffen. Bei der finanziellen Seite ging die Kommission von einer durchschnittlichen Arbeitslosenziffervon 1,1 Million im Jahr aus. Bisher rechnete das Gesetz nur mit durchschnittlich 800 000 Unterstützten im Jahr (dem Durchschnitt der Jahre 1926 bis 1928). Für diese Unterstützten stehen nach den Berechnungen 279 Millionen Mark im Jahr zur Verfügung. Es wurden einerseits Sparvor- schläge von insgesamt 163 Millionen Mark gemacht und andererseits wurde eine Beitragserhöhung von Prozent vorgeschlagen, um den Rest zu decken. Die Ersparnisvorschläge sehen u. a. vor, die Höhe der Unterstützung nicht mehr nach Lohnklassen zu staffeln, sondern nach der Dauer der Beschäftigung. Dadurch hofft man, 80 Millionen Mark zu sparen. 11 Millionen Mark hofft man durch Aenderung der Saisonarbeiterfürsorge und 25 Millionen Mark durch eine Neurege- lung der Wartezeit eimufparen. Der restliche Betrag der einzusparenden Summe soll aus der Aenderunq der Krankenversicherung und Anrechnung der Renten gedeckt werden.
Neueste Nachrichten
Das neue Republikschutzgesetz
Berlin, 9. August. Die Vorarbeiten für das neue Repu- blikrich^tzc-'setz sind im Reichsministerium des Innern so weit fortgeschritten, daß das Reichskabinett den Entwurf gegen Ende dieses Monats erledigen und und anfangs September an den Reichstag weiterleiten kann.
22 000 Mark Belohnung
jflel. 9. August. Rach einer Zusammenstellung des Kieler Polizeipräsidiums sind für Angaben, durch die die Urheber der Sprengsivffanschtäge in Schleswig-Holstein und Lüneburg ermittelt werden können, von amtlichen Stellen ingesamt 22 000 ,4t Belohnung ausgesetzt.
Die Veruntreuungen beim Deutschen Sängerbund
Im Zusammenhang mit den Veruntreuungen beim Deutschen Sängerbund in Höhe von 900 000 Mark durch den früheren Schatzmeister Redlin werden schwere Anschuldigungen durch offizielle Organe des Badischen Sängerbundes auch gegen den früheren Bundesvorsitzenden List erhoben. List erscheint nicht unerheblich belastet dadurch, daß in verschiedenen Fällen seine Handlungsweise einen starken Mangel von Korrektheit aufweist. Hierzu gehört in erster Linie die schier unglaubliche Tatsache, daß sich List dre. aahre lang seinen ehrenamtlichen Posten als tzundespräsident mit einem Monatsaebalt
Die Saarfrage
In der Unterredung Stresemanns mit Briand wurde auch die Saarfrage angeschnitten. Briand soll Stresemann aufgefordert haben, ihm schriftliche Vorschläge vorzulegen, aus denen heroorgehe, wie man sich in Deutschland die Zurückgabe des Saargebiets vor dem Jahr 1935 denke. Frankreich müsse aber einen Nutzen für die Abtretung haben. Stresemann stellte einen solchen Plan für die nächsten Tage in Aussicht. In der Ausarbeitung wird versuch- werden, insbesondere den Rückkauf der Saargruben durch Deutschland, die Frage der Saarkohle, Zolloerein- barungen und andere wirtschaftliche Fragen klarzulegen. Ueber diese Fragen wird voraussichtlich während der Konferenz, jedoch außerhalb ihres amtlichen Rahmens, zwischen der deutschen und der französischen Abordnung in Gegenwart eines englischen Bevollmächtigten verhandelt werden.
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Die englische Abordnung war bei dieser Besprechung nicht vertreten, jedoch soll sie zu erkennen gegeben haben, sie werde mit jeder Lösung der Rheinlandfrage einverstanden sein, die für Deutschland und Frankreich annehmbar sei.
Aus den Berichten, die im wesentlichen zutreffend za sein scheinen, ist jedenfalls so viel ersichtlich, daß für die deutschen Vertreter viel Geschicklichkeit, Phantasie und Strategie erforderlich wäre, um gegen die Front der belgischfranzösischen Winkelzüge so anzukommen, wie es den deutschen Notwendigkeiten entspricht.
Die Finanzkomrmssion
Die Finanzkommission der Haager Konferenz trat m» Donnerstag nachmittag zusammen. Ans dem ausgegebene» Bericht ist bemerkenswert, daß der französische Vertreter Cherou erklärte, der Vorschlag Snowdens, de» Ponngplan -urch einen Unterausschuß nachprüfen und cch-, Luüeru zu kästen, fei füL Frankreich unannehmbar. ....
von 1000 Mark dotieren ließ, ohne daß davon Hauptausschuß und Gesamtausschuß nur eine Ahnung hatte. Wie war es möglich, daß dieser jährliche Betrag von 12 000 Mark von den Revisoren nie bemerkt und beanstandet werden konnte? List hat sich ferner für seine „Leistungen" beim Wiener Fest den gewiß nicht geringen Betrag -wn 10 000 <4l zahlen lasten bei obendrein vollständig freier Verpflegung und Wohnung während des ganzen Festes. List sind s^ner 40 000 Mark vnmUeberschuß des Hannoverschen Festes (1924) von Redlin darlehensweise überlasten worden, obgleich der Betrag lau: Beschluß <!'.) als neuer Grundstock für die durch die Inflation auf- qefressene „Deutsche Sängerbundes-Stiftung" dienen sollte, lieber die spätere angebliche Verwendung eines Teils dieser 10 000 Mark herrschen noch starke Zweifel, über den Rest oon etwa 16 000 Mark vollkommene Unklarheit. Die vom Sängertag in Nürnberg eingesetzte Unterfuchungskommiffio« vird wohl noch aus manche „Ueberrajchungeu" komme».
Württemberg
Handroerkerfragen
In einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft des württ. Handwerks und der Handwerkskammer in Stuttgart wm> den die Handwerksvertretungen dringend gewarnt, bei Lohnvechandlungen den Forderungen der Gewerkschafter, auf Einbeziehung der Lehrlinge in den Ta- r:fvertrag-irgendwelche Zugeständnisse zu machen. Die Arbeitsgemeinschaft wird in dieser bedeutsamen Frage noch an die einzelnen Organisationen herantreten und auch oer- ,uchen, beim Württ. Wirtschaftsministerium zu erreichen, daß die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Schieds- spruchs, dem ein Tarifvertrag mit Einbeziehung der Lehr- lmgs zugrunde liegt, nicht ausgesprochen wird. Zur Frage der Aufstellung von Richtlinien über die Gewährung von Urlaub und Aufwandsentschädigungen an Lehrlinge werden die Handwerkskammern davon ab- sehen, selbst Richtlinien für die Gewährung von Urlaub an Lehrlmge aufzustellen, sondern es den Landesfachverbän- den überlassen, in einer gemeinsamen Besprechung dieser Frage zu erörtern und geeignete Richtlinien aufzustellen. Ferner wurde mitgeteilt, daß hinsichtlich der städtischen Preislisten für laufende Vauarbeiten der Württ. Städtetag nunmehr damit einverstanden ist, daß die von den einzelnen Landesfachverbänden eingesandten Preislisten nebst Kalkulationsunterlagen den einzelnen Mitgliedsstädten als Unterlagen zur Aufstellung der Preislisten für den jewei- ligen Bezirk dienen.
Stuttgart, 9. August.
Amerikanischer Besuch. 80 Mitglieder der Deutschen Zentrale in Cleoeland (Ohio) besuchten am 6. und 7. August Siuttgart. Die Deutsche Zentrale ist ein deutick-amerika»