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Mit den illustrierten Beilagen „Feierstunden* „Unsere Heimat", „Die Mode vom Tage*.
Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn 1.60; Einzelnummer 10 — Erscheint au
jedem Werktage. — Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Schriftleitung, Druck und Verlag v. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
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Mit der landwirtschaftlichen Wocheubeilage: „Haus-, Garten- und Landwirtschaft*
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Ar. 158 Gegründet 1827 Dienstag, den s. )uli 1929 Fernsprecher Nr. 29 193. Jahrgang
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Die Aussprache zur Thronrede im englischen Unterhaus ist durch die Ausführungen LockerLampsons, Chamber l a i n s und des jetzigen Außenministers Henderson zu einem Ereignis geworden. Es wurden Erklärungen ge- macht, die für die kommenden Regierungsverhandlungen über den Doungplan bindend sein werden. Dasenglische Wort ist durch sie feierlich verpflichtet worden. Wenn auf der bevorstehenden Konferenz von französischer Seite wieder Quertreibereien versucht werden sollten — wie sie die Pariser Presse gegenwärtig schon auf höheren Befehl in Szene setzt — wird es nötig sein, an die Unterhausreden Chamberlains und Hendersons vom 6. Juli zu erinnern. Offenbar nach vorheriger Besprechung mit Hen- derson hat der Wortführer der konservativen Opposition im neuen Unterhaus, Chamberlain — der nicht gerade der gute Geist der vorigen Regierung genannt werden kann-- unter starkem Beifall des ganzen Hauses festgestellt: es sei der allgemeine englische Wunsch, „das Rheinland in seiner Gesamtheit so bald wie möglich von allen englischen, französischen und belgischen Truppen geräumt zu sehen". Und er fügte hinzu, daß dieser Wunsch keine Partei frage sei, sondern „eine Forderung des ganzen englischen Volk s".
Von britischer Seite ist wohl keine" so schwerwiegende Erklärung mehr abgegeben worden, seit vor Anfang des Kriegs der damalige britische Außenminister Grey heuchlerisch nach einem Kriegsgrund fahndete, mit dem er dis britische Kriegserklärung dem Mann in der Straße verständlich zu machen hoffte; Grey fand diesen Grund endlich in der „Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland" — der Neutralität, die von Belgien selbst, sowie von England und Frankreich schon seit zehn Jahren „verletzt" worden war. Grey machte Belgien zur „Forderung" des ganzen britischen Volks, und der Mann in der Straße verstand die Verpfändung des englischen Worts aus diesem Anlaß.
Nimmt man nun hinzu, daß Henderson, der Nachfolger Chamberlains im Amt, es als „nicht im Interesse des europäischen Friedens" liegend erklärte, daß die Rheinlandräumung „stufen- und staffelweise" unternommen werde, so lesen wir Deutsche daraus eine ebenso feste
Bindung, wie sie Stresemann auf sich nahm, als er in seiner letzten Reichstagsrede verkündete: ohne Rheinlandräumung und Erledigung der Saarangelegenheit keine Annahme des Doung- schen Plans. Das ist wichtig, zu wissen und sestzustellen, weil in Frankreich offenbar Verschleppungsabsichten für den Beginn der Regierungsverhandlungen bestehen. Man möchte dort offensichtlich so lange warten, bis die Annahme des Houngschen Plans brennend wird. Der Stichtag für ihn ist ja der 1. September. Wird bis dahin die Zusage der Rhein- landräumüng nicht erreicht, so könnte man durchzusetzen versuchen, daß der Plan zwar angenommen wird, die Rheinlandräumung aber als „Rückwirkung" zu erwarten bleibt. Was etwas ganz anderes bedeutet, als wenn vorher beschlossen wird: gleichzeitig mit der Annahme beginnt die Räumung. Gegen diese Verschleppungsversuche gilt es, sich zu wehren, und das Wort Englands soll uns dabei eine wirksame Hilfe sein!
Noch ein Wort zur Saarfrage, deren Erledigung sicher zur „Liquidierung des Kriegs" gehört, auch wenn der Buchstabe des Versailler Vertrags ihr heute noch entgegensteht. Regelt man die Reparation, so muß auch diese Reparationskonferenz verschwinden. Ist in Frankreich ernstlich der Wille vorhanden, ein „neues Zeitalter herauszuführen, wie Herr Briand es ankündigt, so darf man sich an den Paragraphen nicht stoßen, die erst in sechs Jahren eine Regelung vorsehen. Die Volksabstimmung, die vorgesehen ist, kann ebensogut 1929 wie 1935 geschehen, in Deutschland fürchtet man sie nicht. Der Grundsatz des Uoungschen Plans, der allein ihn uns annehmbar machen könnte, ist der, daß Deutschland erlöst werden soll von allen Kontrollen wirtschaftlicher und politischer Art. Auch Briand hat ja gesagt, die Vertragstreue Deutschlands stehe außer Zweifel. Also kann auch ein Weg gefunden werden, wenn man ihn ehrlich sucht, der das Saargebiet erlöst. Das „Zeitalter Briands", das neue, vor wenigen Tagen verkündete, das angeblich den Clemenceauschen Geist der Rache und der Vernichtung ersticken soll, hat keinen Sinn, wenn es nicht beginnt mit der Befreiung des Rheinlands und der vaar!
Ser Nsullg-PIiin siir die deutsche LandMislW »möglich
Die im Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft vereinigten landwirtschaftlichen Spitzenverbände haben zu den Vorschlägen der Pariser Sachverständigenkonferenz folgende Stellung eingenommen:
In dem Bericht der Pariser Sachverständigenkonserenz vom 7. Juni 1929 sind den beteiligten Regierungen Vorschläge für eine vollständige und endgültige Regelung des Reparationsprobiems unterbreitet worden. Ohne zu der grundsätzlichen Frage der Reparationsforderungen überhaupt Stellung zu nehmen, hält der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft an dem Grundsätze fest, daß Reparationszahlungen nur im Rahmen der Leistungsfähig» keit der deutschen Wirtschaft möglich sind.
Die im Reichsausschuß der deutschen Landwirtschast vereinigten Spihenverbände Hallen sich für verpflichtet, ihrer Ueberzeugung Ausdruck zu geben» daß die im Doung-Plan der deutschen Wirtschaft zugemuleken Leistungen, für deren Bemessung nicht die wirtschaftliche Prüfung der Leistungsfähigkeit Deutschlands, sondern politische Gesichtspunkte ausschlaggebend gewesen sind, und zu denen noch die ständig geigende Verzinsung der von Deutschland aufgenommenen Anleihen hinzukommt, über die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft weit hinausgehen.
Die Landwirtschaft ist unter der Herrschaft des Dawes- plans in eine immer drückender werdende unproduktive Neuverschuldung hinabgeglitten, deren Höhe sich mit dem Betrag der an die ausländischen Gläubiger Deutschlands abgeführten Zahlungen ungefähr deckt. Sie ist infolgedessen schon über" die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit hinaus belastet und unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen nicht imstande, weiterhin unmittelbare und mittelbare Reparationslasten, insbesondere nicht durch weitere Eingriffe in die Wirtschaft, zu tragen.
Der Reichsausschuß der deutschen Landwirtschaft erwartet daher von der Regierung, daß sie diesen Tatsachen bei ihrer Entscheidung über den Bericht der Pariser Sachverständigenkonferenz und insbesondere auch bei den diplomatischen Verhandlungen Rechnung tragen und keine Verpflichtungen und Regelungen annehmen wird, die nicht der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und den besonderen Verhältnissen der deutschen Landwirtschaft entsprechen.
Neueste Nachrichten
Das Rekchsmmlstergeletz
Berlin, 8. Juli. Die Zeitschrift „Der Beamtenbund" veröffentlicht den Gesetzentwurf über die neue Regelung der beamtenrechtlichen Stellung der Reichsminister. Danach dürfen im Amt befindliche Reichsminister keinem Vorstand, Ver- waltungzrat oder Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören oder eine Nebenbeschäftigung, mit der eine Vergütung verbunden ist, berufsmäßig ausüben. Sie dürfen gegen Entgelt weder als Schiedsrichter tätig sein noch außergerichtliche Gutachten abgeben. Gerichtlich dürfen sie nur mit Genehmigung der Reichsregierung vernommen werden über Umstände, auf die sich ihre Pflicht der Amts- versckwiegenbeit bezieht.
Die wichtigste Bestimmung ist, daß ausscheidende Reichsmini st ervondemZeitpunkta b, wodas Ministergehalt aufhört, mindestens für ein Jahr und höchstens für fünf Jahre sogenannte Uebergangsgehalte beziehen, die für die ersten drei Monate das volle Ministergehalt, für die spätere Zeit die Hälfte desselben ausmachen. Stirbt ein Reichsminister. so stehen seinen Hinterbliebenen tür drei Monate das volle Ministeraehalt, für die fernere Zeit die Hinterbliebenenbezüge zu. Das Gesetz soll keine rückwirkende Kraft haben.
Von der Länderkonferenz
Berlin, 8. sul!. Die zusammengetretene Länderkonferenz hat zwei Ausschüsse eingesetzt, den finanzpolitischen Ausschuß und den Verfassungsausschuß. Der ersiere bereitet den neuen Finanzausgleich vor. Der zweite hat seinerseits zwei Unterausschüsse gebildet, einmal den für die Neugliederung des Reichs und ferner den für Organisationsfragen und Beseitigung des „Dualismus" zwischen dem Reich und Preußen. Der zweite Ausschuß hat zwei Berichte in Auftrag gegeben, einen über die Organisationsfragen, einen anderen über die Zuständigkeiksfragen. den elfteren unter Brecht, den zweiten unter Reichsminister a. D. Koch. Die Abstimmung über den ersten Bericht soll im September vorgenommen werden. Wenn die Unterausschüsse dann ihre Arbeiten abgeschlossen hoben, muß der gesamte Verfassungsausschuß der Länder zusammenkreten und der Länderkonfe- renz berichten. Die Länderkonferenz hat dann an §ie Rejchsregierung zu berichten.
Lagesspiegel
Rach dem Ausweis des Reichsfinanzministeriums fü» die Monate April und Mai 1929 beläuft sich der Fehlbetrag im Reichshaushalt auf 975,3 Millionen RM., wovon allerdings aus dem vorigen Rechnungsjahr 1058,9 Mill. übernommen wurden. An sich haben die beiden Monate Mehreinnahmen von 83,ö Mill. erbracht. Der Gesamkfehlbetrag wird gedeckt durch 332 Mill. Reichsschahwechsetz 577 Mill. unverzinsliche Schahanweisungen, 257 Mill. kurzfristige Darlehen und Vorauszahlungen der Reichsbahn auf die Vorzugsaktiendividende und der Reichspost auf den Ileberschuß für 1928.
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In einer Mitgliederversammlung des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen im Rheinland und Westfalen in Düsseldorf, der u. a. auch alle bedeutenderen Industriellen anwohnten» wurde unter all- seitiger Zustimmung zum Ausdruck gebracht, daß das deutsche Volk mit der im Poung-Plan vorgesehenen Festlegung de» Tribni: auf weitere 59 Iahre sich nicht abfinden könne. Die Ausländer werden bald einen großen Teil der deutschen In- duslrie beherrschen. Unter großem Beifall erklärte Geheimrat Prof. Dr. Weber-München, Deutschland habe bereits 50 Milliarden Tribut bezahlt. Ls wird zwar seine Währung halten können, aber es wird durch hohen Zinsfuß und fortschreitenden Kapitalschwund dem Untergang entgegea- getrieben. Der Poung-Plan sei eine Unmöglichkeit.
Der König von Italien empfing am Monlaa mittag in feierlicher Audienz den ersten pästlichen Runlius, Borgongini- Duca, der ihm sein Beglaubigungsschreiben überreichte.
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In allen Kirchen des britischen Königreichs wurden am Sonntag Dankgottesdienste für die Genesung des Königs Georg äbgehalten. *
Der „Daily Telegraph" meldet, die britische Regierung der Arbeiterpartei stimme mit Frankreich darin überein, daß es nicht zweckmäßig sei. aus der kommenden Regierungskonferenz für den Toungplan auch die Saarfrage zu behandeln. — Es scheint, daß man die so vertrauenerweckenden llnterhausreden der neuen Männer in England denv doch mit Vorsicht genießen muß. ^
In Rumänien sind etwa 200 aktive und Reserveoffiziere, darunter einige Generale, wegen eines geplänken Staatsstreichs gegen die Regierung Maniu verhaslet worden.
Ein erstes Nachgeben des preußischen Ministerpräsidenten
Zu den Ergebnissen der Beratungen über die Kirchenverträge im Hauptausschuß des preußischen Landtags wird uns aus evangelischen Kreisen geschrieben.
Die Annahme des demokratischen Entschließungsantrags auf unverzügliche Einleitung von Verhandlungen mit den evangelischen Kirchen über paritätische Verträge, deren Inhalt umschrieben wird, im Hauptausschuß des preußischen Landtags bedeutet zunächst, daß sich der Anspruch der evangelischen Kirche auf paritätische gleichwertige Verträge von einer Mehrheit des Ausschusses und vor allem von der Staatsregierung selbst, die sich zu dem Antrag in einer förmlichen Erklärung bekannte, durchgeseht hat. Es ist bekannt, welche starken Widerstände in den Kreisen der Staatsregierung, insbesondere beim Ministerpräsidenten Braun, gegenüber der Forderung bestanden, im Fall des Zustandekommens des Konkordats auch die Beziehungen zur evangelischen Kirche im Wege des Vertrags, nicht einseitiger Staatsgesetze, zu ordnen. Dieser Widerstand ist überwunden. Vertrags- fähigkeit und Recht der evangelischen Kirche auf eine vertragliche Sicherstellung nach den Grundsätzen der Parität ist in bindender Form anerkannt. Dagegen ist irgendeine Sicherung für eipen raschen, befriedigenden Abschluß der einzuleitenden Verhandlungen leider nicht gegeben. Es hat in der evangelischen Oeffentlichkeit starkes Befremden hervorgerufen, daß alle Anträge, die «ine zeitliche Verknüpfung der Verträge mit der katholischen und mit der evangelischen Kirche erstreben — wenn auch nur in der Form einer (befristeten) Gleichzeitigkeit des Inkrafttretens — abgelehnt wurden. Damit hat oie Ausschußmehrheit dem evangelischen Volksteil die von ihm einmütig geforderte Garantie einer zeitlichen Bindung für die Erfüllung seiner Paritätsforde- , rung verweigert. Und die Paritätskrisis ist mit den Ergeb- l Nissen der Ausschußberatungen lecher nicht gelöst. Man > muß erwarten, daß die bevorstehenden Plenarberatungen genützt werden, um diese bedenkliche Lücke auszufüllen und der evangelischen Kirche diejenigen wirklichen Sicherungen zu geben, die ihr von den verschiedensten Parteien zugesagk sind.
Zugeständnisse an Polen
Berlin, 8. Iuli. Obgleich zurzeit der Reichskanzler, der Außenminister und andere Mitglieder des Reichskabinetts in Urlaub abwesend sind, sind heute die in Berlin verbliebenen Rffchsminister zu einer Beratung über die Handelsvertragsverhandlungen mit Polen, die I wegen der Hartnäckigkeit Polens noch immer nicht vor-