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Mit den illustrierten BeilagenFeierstunden" Unsere Heimat",Die Mode vom Tage".

Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn »tl 1.60; Einzelnummer 10 Erscheint an

jedem Werktage. Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. Schriftleitung, Druck und Verlag v. E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage: Haus-, Garten- und Landwirtschaft"

Anzeigenpreise: Die 1-spaltige Borgiszeile oder deren Raum 20 Familien-Anzeigen 15 »Z, Reklamezeile 60 -Z, Sammelanzeigen 50?L Aufschl. Für das Ersckeinen von Anzeigen in bestimmten Ausgaben und an besonderen Plätzen, wie für telephonische Aufträge und Chiffre-Anzeigen wird keine Gewähr übernommen. : : :

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Nr. 150 Gegründet 1827 Samstag, den 29. Juni 1929 Fernsprecher Nr. 29 103. Jahrgang

Die Landwirtschaft in Not

Am die Agrarzölle

Die Verhandlungen im Handelspolitischen Ausschuß so­wie im Reichstag haben wieder einmal deutlich gezeigt, daß die regierende Sozialdemokratie die Vernichtung und den Untergang des Bauernstandes will. Es ist grobschlächtige Heuchelei, wenn die Sozialdemokratie durch willfährige Mäuler und Schreiber behaupten läßt, der Widerstand gegen die Agrarzölle solle nur die Verteuerung der Lebens­haltung der breiten Massen verhindern. Wer hat seit zehn Jahren die Lebenshaltung verteuert? Die Sozialdemo­kratie, die nach der Eroberung der politischen Macht die Produktionskraft des deutschen Volkes durch eine Kette törichter sozial- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen ab­gebaut hat. Wenn die Sozialdemokratie sich für eine Ar­beitslosenversicherung einsetzt, die mit dem Begriff der wirklichen Arbeitslosigkeit Mißbrauch treibt. Wenn sie die die Kosten dieser Versicherung sowie des gesamten sozialen Versicherungswerks der deutschen Wirtschaft aufbürdet, so verteuert sie offenbar nicht die Lebenshaltung der breiten Massen!

Lassen wir Zahlen reden. Wenn der Reichstag die Zölle auf Brotgetreide, also insbesondere auf Weizen, von 5 -K auf 8 -1t für den Doppelzentner hinaufsetzt, so wird das, roh gerechnet, zu einer Steigerung der Zolleinnah­men um 75 Millionen Mark führen. Volkswirt­schaftlich bedeutet diese Steigerung aber nichts anderes als eine Sicherung der deutschen Agrarproduk­tion, die sich sofort darin auswirkt, daß auch die Kauf­kraft der deutschen Landwirtschaft steigt. Sie wird Ma­schinen bestellen, sie wird Einrichtungen treffen, um die Käse und Buttererzeugung dem höchsten Stand der Mol­kereitechnik anzupassen. Gewiß gehört dazu auch eine Er­höhung der Viehzölle, sowie eine Erhöhung der Zölle, die auf der Einfuhr von Molkereierzeugnissen lasten. Selbst wenn der Butterzoll auf 80 -K je Doppelzentner er­höht wird, so führt das nicht zu einer Verteuerung der Lebenshaltung der breiten Massen. Es ist wohl möglich, daß die Buttereinfuhr zurückgeht, es ist aber sicher, daß die Erzeugung im Inlands zu angemessenem Preise steigt. Je höher der Fehlbetrag im Außenhandel ist, desto größer und verhängnisvoller wird die Verteuerung der Lebens­haltung der breiten Massen. Die Einfuhr von Lebens­mitteln, die wir selbst erzeugen können, geschieht immer nur

auf Kosten der Einfuhr industrieller Rohstoffe, die wir nicht selbst erzeugen, die wir aber in Fertigwaren für die Ausfuhr umwandeln können. Systematisch verteuert die Sozialdemokratie die Lebenshaltung der breiten Massen, die sie ihr in Form der Sozialversicherung sowie vor allem durch die hohen Verwaltungsunkosten für sie aufgezwungen hat. Diese Verwaltungskosten betragen einige hundert Millionen Mark, jedenfalls erheblich mehr, als die Steige­rung der Zolleinnahmen auf Grund der von der Reichs­bauernfront geforderten Zollerhöhungen. Die Regierungs­parteien sind trotz abweichender wirtschaftspolitischer Auf­fassungen untereinander der Sozialdemokratie glatt unter­legen.

Die Hilfe für die Landwirtschaft muß so­fort kommen, sie kann also nicht zu Kuhhandelszwecken aus Monate hinaus verschoben werden. Von den Weizen­ländern in Ueberste droht Europa eine Ueberschwemmung, die, wenn sie die Märkte erreicht, in keinem Lande zur Senkung der Mehl- und Brotpreife führen wird. Wohl aber wird die Landwirtschaft zufammenbrechen, wenn es nicht gelingt, ihrdenSchutz zufchaffen, den Frank­reich und Italien ihrer eigenen Landwirtschaft ohne weiteres gesichert haben. Bei uns aber kriecht entweder der deutsche Bauer zu Kreuze oder er wird erbarmungslos von den Marxisten dem Untergang preisgegeben. Wie verhängnisvoll sich das auswirken kann, zeigt der Umsall des demokratischen Reichsernährungsministers Dietrich in Sachen des 8 12 des Fleischbeschau-Gesetzes. Die Sozialdemokratie will unter allen Umständen das zollfreie Gefrierfleischkontingenk durch- -rücken, nicht etwa, um die Lebenshaltungskosten der Massen zu senken, denn das ginge mit deutschem Frisch­fleisch viel besser, sondern deshalb, um den sozialistischen Konsumaenossenschasten das ganze zollfreie Gefriersleischkon- tingent in die Hände zu spielen. Als Lock- und Werbemittel für jenen Teil der Bevölkerung, der noch nicht dem roten Konsumverein hörig ist. Die Beschlüsse des Reichstags sind ein unzulänglicher Notbehelf. Sie werden uns nicht einmal über die Sommermonate hinwegbringen, sie werden also auch nicht verhindern, daß die Agrarkrisis sich verschärft. Die Mittel, die dann ergriffen werden müssen, werden größer und kostspieliger sein, werden sich vor allem nur einsttzen lassen, nachdem inzwischen wieder gewaltiges Produktiv- kapital vergeudet worden ist.

Dr. Schacht zum Pariser Abkommen

München, 28. Juni. Reichsbankpräsident Dr. Schacht behandelte auf der heutigen Hauptversammlung des Deutschen Industrie- und Handelstages die Pariser Sachverständigenkonferenz in einer umfangreichen und eindrucksvollen Rede, in der er in den einleitenden Sätzen das Ergebnis der Konferenz als für Deutsch­land nicht erfreulich bezeichnet e.

Wenn die deutschen Sachverständigen dennoch den

Zoung-Plan unterschrieben hätten, so dürfe die deutsche

Öffentlichkeit hierüber Rechenschaft fordern.

Dr. Schacht bezeichnete es als völlig gleichgültig, ob die Unterschrift aus wirtschaftlichen, politischen oder psycho­logischen Gründen erfolgte, ob die Sachverständigen unter irgendwelchen Einflüssen vonPrivaten" oder Regierungs- seite gehandelt hätten, die Verantwortung für ihre Unter­schrift könne ihnen niemand abnehmen und maßgeblich sei einzig und allein, ob unter den gegebenen Verhältnissen für das zukünftige Wohl des deutschen Volkes Besseres er­reicht werden konnte und ob das Erreichte gegenüber dem bestehenden Zustand den Vorzug verdiene oder nicht. Man werde das Ergebnis nur richtig würdigen können, wenn man es in dm Gang des großen politischen Geschehens einreihe.

Die deutschen Sachverständigen, so führte der Redner aus, hatten mit den gegebenen politischen Verhältnissen, mit den bestehenden Verträgen und Abgaben zu rechnen, und die Umgrenzung des Auftrages machte es unmöglich, Fragen der großen Politik aufzurollen, wie etwa die Kriegsschuldlüge. Dagegen, so fuhr der Redner fort, haben wir mit möglichster Eindringlichkeit und Voll­ständigkeit die wirtschaftlichen Grundlagen und Möglich­keiten auseinandergesetzt und versucht, die übrigen Sach­verständigen dazu zu bringen, eine Abschätzung der jähr­lichen Reparationsleistungen nach wirtschaftlichen Gesichts­punkten vorzunehmen. Dieses Bemühen kontrastierte mit dem Verlangen der Gläubigerregierungen, unter allen Umständen bestimmte Mindestzahlungen von Deutschland zu erhalten, deren Höhe im wesentlichen von vornherein festgelegt war, nicht nur für Frankreich, die berühmte Nettoindemnität, sondern auch für alle anderen alliierten Mächte diejenigen Summen zu erhalten, die diese per Saldo an Amerika schuldeten.

Nachdem das Memorandum der alliierten Sachverstän­digen für die ersten 37 Jahre eine Durchschnittsannuität von rund 2,2 Milliarden gefordert hatte, sei es nicht verwun­derlich gewesen, daß die Schätzung der deutschen Sachver­ständigen mit einer Annuität von durchschnittlich 1,650 Mil­

liarden die Gegenseite nicht zufrieden stellte und daß sie zu ^em billigen Mittel griff, die von der deutschen Delegation vorgebrachten wirtschaftlichen Anregungen, die eine Stei­gerung der deutschen Leistungsmöglichkeit ermöglichen soll­ten, als politische Forderungen hinzustellen. Dr. Schacht . ergriff hier die Gelegenheit, um in entschiedenen Worten ! Kritik daran zu üben, daß in diesem Augenblick dieselben ! deutschen Zeitungen, die die angeblichen Beeinflussungsver­suche gewisser deutscher Wirtschaftskreise auf die Sachver­ständigen kritisiert hatten, sich nicht gescheut hätten, nunmehr die deutschen Sachverständigen wegen ihres angeblichen taktischen Ungeschicks zu tadeln und daß der Fraktionsführer der größten deutschen Regierungspartei sich an dieser Kritik beteiligt habe. Dies Hobe die Arbeit in Paris schwer beein­trächtigt. Dr. Schacht streifte dann die weitere Entwicklung der Konferenz bis zu dem Vermittlungsvorschlag Owen Poungs, der eine Durchschnittsannuität von 1988,8 Millionen vorsah. Nach einer Aufzählung dieser Sicherungen betonte Dr. Schacht, daß die geplante Bank für den internationalen Zahlungsausgleich kein Kontrollorgan darstelle und daß er hofft, niemand werde in ihrer Verwaltung Platz finden, der mit dem Apparat der Reparationskommission verquickt ge­wesen ist. Nachdem Dr. Schacht dann nachdrücklich unter­stpichen hatte, der Umstand, daß die deutschen Sachverstän­digen sich dem Urteil der übrigen Konferenzmitglieder über die wirtschaftliche Tragbarkeit der Poung-Annuitäten nicht habe anschließen können, entbinde niemanden von der Ver­pflichtung, in ehrlichster Weise um die Erfüllung der Zah­lungen aus dem Poungplan bemüht zu sein.

Neueste Nachrichten

Die Siuventen protestieren

Zusammenstoß mit der Polizei ln Berlin

Berlin. 28. Juni. Die Allgemeine Studentenschaft hatte am Freitag mittag auf dem Hebbelplatz eine private Kund­gebung veranstaltet, auf der ein Student eine mit starkem Beifall aufgenommene Rede hielt. Gegen Ende der Feier kam auch der Rektor der Universität, Geheimrat His, hinzu und drückte dem Redner die Hand mit dem Bemerken, daß er ihm wenigstens die Hand drücken wolle, wenn er auch nichts sagen dürfe. Gegen Ende der Studentenkundgebung erscholl der Ruf:Auf zum Kultusmini st eriu m". Es bildete sich sehr bald ein Zug von Studenten, der sich, die Bannmeile überschreitend, zum preußischen Kultus­

ministerium hin bewegte. Dort sangen die Burschen das Deutschlandlied und das Lied:Burschen heraus". Rufe wieNieder mit Becker" undNieder mit dem Vertrag von Versailles" erschollen. Ein Schupomann forderte den Zug zum Auseinandergehen auf. Pfui und Nisderrufe ant­worteten.

Darauf schoß der Beamte fünf Schüsse in die Lust. Sofort herbeibsmmende Schupoverstärkungen zerstreuten den Demonstrationszug in Richtung Brandenburger Tor und llniversitätsgebäudc.

Um die Mittagsstunde sind die Straßenzüge der Wilhelm­straße und Unter den Linden mit starken Schupoabteilungen besetzt. Schupostreifen in Autos fahren hin und her. Vor dem Universitätsgebäude befindet sich eine erregte Menge.

Auch die Breslauer Studenten protestieren

Breslau, 28. Juni. Aus Anlaß des Verbots der für heute vormittag in der Breslauer Universität wie überall im Reiche geplanten Kundgebung der Studentenschaft gegen die Kriegsschuldlüge durch den für alle Hochschulen geltenden Er­laß des preußischen Kultusministers beabsichtigen die Stu­dierenden Breslaus heute mittag eine öffentlich« Demonstration zu veranstalten.

Annahme des Konkordats im preußischen Staatsrat

Berlin, 28. Juni. Der preußische Staatsrat hak heute mit 44 Stimmer» der Sozialdemokraten, Demokraten und des Zentrums gegen 36 Stimmen der Arbeitsgemeinschaft und der Kommunisten bei einer Stimmenthaltung das Kon­kordat angenommen.

Das Reichskabinett und die Vorbereitung der politischen Konferenz

Berlin, 28. Juni. Das Reichskabinett beschäftigte sich in seiner heutigen Sitzung, die infolge der Erkrankung deS Reichskanzlers wieder unter dem Vorsitz des Reichsaußen­ministers abgehalken wurde, mit den vorbereitenden Arbeiten für die sich aus dem Abschluß der Pariser Sachverständigen­beratungen ergebende politische Konferenz. Es nahm dann die Berichte der Reichsminister des Auswärtigen und der Finanzen entgegen und befaßte sich insbesondere mit den die einzelnen Organlsakionskomikees betreffenden Personal­fragen. Das Reichskabinett stellte dann einige der für die Haltung der deutschen Delegation maßgebenden Voraus­setzungen fest.

Württemberg

Stuttgart. 28. Juni.

Ehrensenatoren. Rektor und Senat der Technischen Hochschule haben Otto Kunz, Mitinhaber der Firma Stoecker u. Co. GmbH., Fabriken feuerfester Materialien in Käln-Mülheim, und Generaldirektor Grockenberger der Heilmann u. Littmann AG., München, in Anerken­nung ihrer tatkräftigen Unterstützung und Förderung der Technischen Hochschule die Würde eines Ehrensenators ver­liehen.

Kundgebung für Prof. Sempff. Die Lehrer und Stu­dierenden der Württ. Hochschule für Musik haben mit tie­fem Bedauern über das Entlassungsgesuch ihres Direktors, Professor Wilhelm Kemp ff, in einer einmütigen Kund­gebung ihn ihres vollen Vertrauens versichert und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß die Bemühungen, ihn der Hochschule, der Stadt und dem Land zu erhalten, Erfolg haben möchten.

Von der Hochschule für Musik. Der Staatspräsident hat den nebenamtlichen Lehrern der Württ. Hochschule für Musik, Kammervirtuos Herr und Kammervirtuos Ma­ter, auf die Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Lehrkörper der Württ. Hochschule für Musik die Dienstbezeichnung Professor der Musik" verliehen.

Diamantene Hochzeit. Die Eheleute Prediger a. D. Albin Beck und Frau Wilhelmine, geb. Mcttti, feierten in erfreulicher Rüstigkeit das Fest der diamantenen Hochzeit- Der Jubilar ist 83, seine Frau 84 Jahre alt.

Keine Operette im Wilhelmatheater? In diesem Jahr finden lautCannstatter Zeitung" keine Operettengastspiels im Wilhelmatheater statt. Die Feuerpolizei hat wegen des beinahe als baufällig zu bezeichnenden Zustandes des In­nern des Theatergebäudes verschiedene Ein- und Umbauten verlangt, so vor allem einen eisernen Borhang zur Erhöhung der Sicherheit. Es stehen aber hierfür keine Mittel zur Verfügung, so daß die Polizei die Erlaubnis zu Theater- Aufführungen für diesen Sommer nicht gab.

Tödlicher Unfall. In der Ludwigsburgerstraße wurde ' am Mittwoch nachmittag ein 4 Jahre altes Mädchen, das unmittelbar hinter einem parkenden Lieferungswagen die Straße überschritt, von einem anderen Lieferungskraft­wagen erfaßt, zu Boden geworfen und überfahren. Das Mädchen war sofort tot. Der Lenker des Kraftwagens soll an dem Vorfall schuldlos sein.