Seite 4 — Nr. 148
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter-
Donnerstag, 27. Juni 1929.
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3m 3uni vor 2S Jahren — 1904
1. Liebenzell feiert in Anwesenheit des Königs und feines Gefolges seine 300-jährige Zugehörigkeit zu Württemberg (Ordensverleihungen, Festzug usw.). Im Jahre 1603 wurden nämlich Stadt und Amt Liebenzell mit 15 Oortschaften und Stadt und Amt Altensteig mit 13 Ortschaften gegen Ueberlassung einiger minderwertiger Enklaven (Kellereien Malsch und Langensteinbach) und einer Kaufsumme von 500 000 Gulden von Baden an Württemberg (Herzog Friedrich) abgetreten. In Baden saß damals der verschwenderische und lebemännische Eduard Fortunat auf dem Thron.
1. Bezirksschulinspektor Schott hält in Altensteig eine Hauptkonferenz für sämtliche Lehrer des Bezirks ab, in welcher Unterlehrer Erieb eine Lehrprobe über „Warnung vor dem Alkoholmißbrauch" hält.
3. Zimmermann Joh. Lehrer stürzt von der alten Haiterbacherstraße die steile Böschung zur Waldach ab. Er bleibt so unglücklich mit seinen Kleidern am Gestrüpp hängen, daß er den Erstickungstod erleidet.
3. In Wart wird ein starker Hirsch mit 207 Pfund erlegt. 15 Jahre vorher war der letzte zur Strecke gebracht worden.
5. Der Schwarzwaldverein unternimmt auf dem Zinsbach eine Floßfahrt von Pfalzgrafenweiler nach Altensteig.
5. Nach 13jährigem Bestehen weiht der Liederkranz Wildberg seine Fahne.
11. „Unsere Zeit steht im Zeichen des Verkehrs! schreibt der „Gesellschafter", trotzdem z. B. in dieser Zeit niemals etwas von einem Verkehrsunfall zu lesen ist, höchstens das ein Hund einen friedsamen Bürger unverschämterweise anspringt, ihn vom Gehsteig herunterwirft und der arme Bürgersmann dabei den Fuß bricht. Wenn man diesen vielsagenden Satz auf die Jetztzeit (1929) anwenden will, muh für „Verkehr" erst noch ein anderes Wort erfunden werden.
12. Der Schwarzwaldverein Wildberg und andere Brudervereine unternehmen mit 400 Personen eine Flohfahrt von Wildbcrg nach Calw. Allgemeines Wehklagen herrscht, alldieweil das Bierfuhrwerk zu spät eintrifft. (Eine nicht minder durstige Zeit denn
heute!)
15. Dekorations- und Flachmaler Johannes Walz- Nagold eröffnet ,n der Jnselstrahe ein Malergeschäft (heute Fa. Jean W a l z-Malermeister).
18. Der 24jährige Schuhmacher Karl Sindlinger aus Mötzingen wird beim Heuen vom Blitz erschlagen.
19.2m Tourniergarten auf dem Schlohberg feiert der Turnverein Nagold ein groh aufgezogenes und auch glänzend verlaufenes Fest.
20. Ehr. Schill fängt in Ebhausen einen Fischotter.
24. Zum ersten Mal in Nagold! Elektro-Bioskopie, d. h.
Theater der lebenden Fotographie, zeigt vor dem Easthof zum Schiff die Leidensgeschichte Jesu und „Die Astronomenreise auf den Mond".
25. Hochw. Herr Pfarrer Reitter von Vollm «ringen wird zum Dekan des Kapitels Horb gewählt.
29 Das K. Oberamt mahnt wiederholt dringend die Schultheißenämter wegen des schleppenden Eingangs der letztjährigen Steuerbeträge. (In einer Beziehung scheint die Menschheit sich gleich geblieben zu sein, bezahlt sie doch heute genau so ungern die Steuern wie ehedem). .
29. Martin Kalmbach, Bäcker in Nagold übernimmt die bisher von Gottlieb Schittenhelm im Hause des Carl Schuon betriebene Bäckerei.
29. Fritz Stöhr von Untermusbach stirbt m Sudwestafrika den Heldentad fürs Vaterland.
3m 3«ni vor 50 3ahren — 1879
1. Erohfeuer in der Nazarenerschule in Egenhausen.
10. Fertigstellung des äuheren Baues der Präparan-
denan st alt Nagold. . .. .
11. Golde ne Hochzeit Kaiser Wilhelm 1., die ,m ganzen Reich, so auch in Nagold, festlich begangen wurde.
22. Der Veteranenverein Pfalzgrafenweiler feiert seine Fahnenweihe.
24. Einen Blick auf die damalige geistige und sittliche Einstellung läht uns ein von einem gewissen Müller verfaßtes Gedicht werfen, das die Ueberfchrift „Zur Heuernte" trägt und den Untertitel „1 Petr. 1, 24, 25 Jes. 40, 6. 7. 8." hat:
Wia isch so still, so ruhig no. — Am Morgahimmel stoht der Mo — Und zündet Horm der Sommernacht; — Der Moraastern ist au verwacht. .
Er klopft ans Lädle: „Liabe Leut, — letzt isch zuam Maha hohe Zeit; — D'Nacht ist vorbei ohn Sorg und Klag, — So schenk Euch Gott an froha Tag!"
Und horch, wias rauscht in Feld und Au, — Mas glitzeret im Morgathau! — Lueg. wia der Sense scharfer Stahl — Aufblitzt im ersta Morgastrahl!
Und wieder « netzt und wieder g wetzt — Und fleißig Mahd an Mahda «setzt. — „Liabs Blüamle mei! letzt isch vorbei; — Kaum hast no bluaht, bist z Obed Heu!
So Hot zuam Ehne s Meile g'sait, — Dos d Mahda aus- anander g'streut. — Der Ebne aber woißt scho was: — „Die Herrlichkeit der Welt ist Gras", vielleicht mei letzter Heuet isch, — Doch du bist no a Blüamle frisch —, Und wenn i Feierabend Hab, — Bluaht 's Meile an seins Ehnes Grab. ^ .
Doch mit beim Blüaha gohts vorbei — Liabs Meile, alles Fleisch ist Heu." — Was bluaht verwelkt oft über
Nacht-Horch, d'Morgaalocka ist erwacht!
Der Ehne nimmt sei Käpple ab' — Er denkt an Ewigkeit und Grab, — Und 's Meile faltet seine Hand: — „Wer weiß, wie nahe mir mein End'!"
— Als ich von fern die Beiden sah, — Da mußt ich mcht, wie mir geschah; — Ich wandte mich im Frühlichtschein Und sah ins Morgenroth hinein.
O Quell des Lichts! aus Laienmund — Gibst du die höchste Weisheit kund; — Last fernerhin auch die Gemein — In Deinem Wort gegründet sein.
O ew'ger Geist! wohl weiß ich das: — „Die Herrlichkeit der Welt ist Gras". — So mag sie einstens denn vergehn; — Dein Wort Herr bleibet ewig stehn.
So ernten wir mit Freuden ein — Der Wagen stattlich volle Reihn — O 's ist a Heuet, 's ist a Pracht! — Drum hau i au dös Liadle g'macht.
24. Egenhausen meldet eine Fuchsplage, der jeden Tag Gänse und Hühner zum Opfer fallen. Biktualienpreise:
Ochsenfleifch, Kalbfleisch und Schweinefleisch, das Pfd. 50 L. Butter 80 Pfg. und 2 Eier 8 und 9 Pfg. — Da soll man sich nun nicht nach der guten alten Zeit sehnen!
Wildberg, 26. Juni. Noch glücklich abgegangen. Heute Nacht brach auf noch unaufgeklärte Weise in dem Hause der früheren Schuldienerin Anna Hezel Feuer aus. Ein zur Zeit bei ihr wohnender Besuch wachte am Knistern des Feuers auf. Sofort eilte sie in die nahe gelegene Wirtschaft z. „Rose", wo noch einige Männer beisammen saßen. Diese alarmierten die Nachbarschaft und machten sich sofort an die Löschung des Feuers. Zum Glück gelang es ihnen, den Brand zu ersticken. Die rasch am Platze erschienene Feuerwehr brauchte nicht mehr in Tätigkeit zu treten. Es ist kaum auszudenken, was für ein Unglück entstanden wäre, wenn bei dem eng gebauten Häuserkomplex der Brand zum Ausbruch gekommen wäre.
..AE?*bach, 2g. Juni. Kinderfest. Die Haiterbacher Kinder mutzen bei Sankt Peter wohl angeschrieben sein, denn just am Morgen des Tages, an dem im Anschluß an das Eauturnfest stattfinden sollte, hingen unheilverkündende Wolken am Himmel und das Wetterglas stand auf Regen, so dag schon allen Ernstes an einen Ausfall oder eine Verlegung des Festes gedacht werden muhte. Doch der Mensch hat keinen Einblick in die tieferen Ursachen göttlichen Wirkens. Sankt Peter hatte seine düstersten Wolken nur deshalb aufmarschieren lassen damit die Bevölkerung zu Hause bleibe, um an dem Fest ihrer Kinder teilzunehmen und sich nicht verleiten lasse, der Heuernte auf den Wiesen den Vorzug zu geben. Und er hatte recht. Die Einwohnerschaft nahm an dem Fest, das unter den Schatten spendenden Wolken einen überaus schönen Verlauf nahim regsten Anteil. Um 1.30 Uhr bewegte sich der farbenfrohe Zug unter Vorantritt der Stadtkapelle durch die Hauptstraßen der Stadt. Vorauf zwei stolze Germanen auf hohem Roß. Der Turnverein, der Urheber des Festes, hatte sich rasch noch eingereiht. Ihm folgten in reichem Wechsel die zahlreichen bunten Gruppen teils zu Fug teils auf Wagen. Vertreten waren die Könige, Prinzen, Prinzessinen und sonstige Gestalten aus den bekanntesten Volksmärchen, ferner markante Persönlichkeiten aus dem Volksleben, Schornsteinfeger, Hoch- zeits- und Taufegesellschaft Kinder mit Puppenwagen geleitet von Kinderschwestern, Blumenmädchen, Erntearbeiter und dergl. Ein dickbeleibter Büttel, in Zivil ABC-Schütz, hatte die öffentlichen Bekanntmachungen betr. Freibankfleisch.' Pferchverkauf, Steuerzahlung u. a. übernommen, wobei die übliche Drohung mit dem Gerichtsvollzieher nicht fehlte. Der Eindruck seiner Worte wurde rasch verwischt durch das folgende Kasper- theater mit seinen Dauervorstellunaen. Ein Trupp Indianer war aus Wildwest Lekommen, zwischen Tannenbäumen lugte das „Haus im Spegard", Schwarzwaldnixen hatten an einer Quelle Platz genommen, auch eine Gruppe Tiroler war in Nationaltracht erschienen, selbst der Gestiefelte Kater hatte sich auf seinem Galawagen eingefunden. Uebermütigen Waschmädeln machte das Bespritzen neugieriger Zuschauer mehr Spaß als die Arbeit am Zuber. Den Schluß des Zuges bildeten die 7 Schwaben, die der „Seehaas" unermüdlich über den Haufen purzeln lieh, wobei sie nicht immer sanft mit dem Erdboden in Berührung kamen. Auf dem Festplatz angelangt, erscholl der gemeinsame Gesang „Geh aus mein Herz und suche Freud". Schulvorstand Br einina gedachte in seiner Ansprache zunächst des Eauturnfestes, das tags zuvor an derselben Stelle abgehalten wurde. Er wies auf die Bedeutung und den Zweck einer solchen Veranstaltung hin. Es handle sich dabei nicht um eines der vielen meist überflüssigen, in der Nachkriegszeit entstandenen Feste. Vielmehr haben solche öfsentl. Turn- und Sportfeste fast bei allen Völkern, bei allen Anhängern einer großen nationalen Idee schon in frühesten Zeiten stattgefunden. Wie einst der Hellene im sonnigen klassischen Griechenland von allen Gestaden des Mittelmeers zu den nationalen Olympia-Festspielen herbeigeeilt sei, wie der Inder und Araber heute noch wie vor Jahrhunderten zu seinen heiligen Orten walle, so haben sich unsere teutonischen Vorfahren alljährlich um die Mitte des Sommers in den heiligen germanischen Eichenhainen versammelt, um, nach Stammesart verschieden, ihre Waffenspiele zu feiern. Durch die arisch-germanischen Völkerschaften gehe von jeher der Zug, zu bestimmten Zeiten die Zusammengehörigkeit, die durch Abstammung, Sprache und gemeinschaftliche Neigungen bedingt war, wieder aufzufrischen, die das nationale Empfinden berührende Ideen auszutauschen und zu verbreiten. Solche Gedanken bezweckten, die Kraft und Tüchtigkeit, die nationale Größe eines Volkes zu heben. Heute gelte es, die deutsche Einigkeit wiederherzustellen. Die Turn-, Gesang- und Sportvereine sollen durch Tat, Lied und Wort die germanische Gesinnung im Volke pflegen und heben, sie sollen die idealen Güter unseres Volkes Hochhalten gegenüber dem oberflächlichen materiellen Zug der Zeit, der in dem Streben nach Erwerb und Genuß zu sehr die Selbstsucht große ziehe. Das Endziel, das die Turner im engeren Kreise wie in den großen Gauverbänden erstreben, lasse sich zusammensassen in die Worte: Manneskrast, Mannesmut und Mannesstolz. Wenn ein Volk unter seiner Jugend diese 3 Tugenden richtig ausbilde, dann könne es nicht ganz untergehen. Und wenn die Turner aus dem weiten Gau gerade Haiterbach als Versammlungsort gewählt haben, so sei dies eine Ehre nicht allein für den Turnverein, sondern für die ganze Gemeinde. Die Lehrerschaft habe darum, als der Turnverein mit dem Wunsche an sie herantrat, auch den Kindern ein Fest zu geben, nicht zurückstehen können. Er dankte dem Turnverein und der Stadtverwaltung für die finanzielle Unterstützung. Turnvereinsvorstand Gottlieb Brezing dankte der Lehrerschaft für ihre Mitwirkung. Bald herrschte ein frohes Treiben auf dem Festplatz. Reigen. Kletterbaum, Wettlauf, Sackhüpfen. Eierlauf und Spiele hielten zahlreiche Zuschauer im Bann und man sah es den Augen an, die Alten freuten sich so recht mit den Jungen, denen am Schluß das Vesper ganz vortrefflich mundete. Gegen 7.30 Uhr erfolgte der Rückmarsch zum Marktplatz. Städtschultheiß Bernhardt richtete noch Worte des Dankes an Turnverein und Lehrerschaft, worauf die glänzend verlaufenen Festtage mit einem gemeinsam gesungenen „Nun danket alle Gott" ihren endgültigen Abschluß fanden. ^
Betriebskrankenkasse oder Ortskrankenkasse für die staatlichen Waldarbeiter?
Uns wird geschrieben:
Bei den staatlichen Waldarbeitern des Bezirks Neuenbürg waren Bestrebungen im Gange eine Betriebskrankenkasse zu gründen. Und zwar gingen diese Bestrebungen davon aus, durch Schaffung einer Vetriebskrankenkasse die gleichen Leistungen der Ortskrankenkasse Neuenbürg mit wesentlich geringeren Beiträgen erhalten zu können. In zwei öffentlichen Versammlungen wurde zu dieser Frage Stellung genommen. In einer Versammlung in Dobel referierte Herr Obersekretär E ö h e l-Stuttgart, in der anderen Versammlung in Wildbad referierte der Geschäftsführer der Ortskrankenkatze Neuenbürg Herr Dobernek. In beiden Versammlungen wurde dringend vor der Gründung einer Betriebskrankenkasse abgeraten, da sie ohne Zuschuß, bezw. ohne hohe Versicherungsbeiträge und verkürzte Leistungen kaum tragfähig wäre. An Hand der Rechnungsergehnisse der Krankenkasse Neuenbürg war festzustel- len, datz z. B. von 113 Personen, die im Forstamt Wildbad vom 1. 1. 29 bis 31. 3. 29 durchschnittlich beschäftigt waren, in dieser Zeit 2393.49 Mk. Versicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) abgeführt wurden, der Krankenkasse dagegen im gleichen Zeitraum für diese Versicherten an Kassenleistungen 4100.45 angefallen sind, somit ein Abmangel von 1708.96 -4t (bei diesem Betrag ist der Anteil der Kosten der Verwaltung, oes Vertrauensarztes und die vorgeschriebene gesetzliche Rücklage von 5 Prozent nicht berücksichtigt). In den anderen Forstämtern des Bezirks ist es nicht viel besser. Trotzdem die Einnahmen der Ortskrankenkasse Neuenburg unter dem Landesdurchschnitt stehen (Landesdurchschnitt 80 Mk. Einnahme pro Mitglied, Ortskrankenkasse Neuenbürg 73 -4t) und dem hohen Krankenstand (im letzten Jahre waren bei der Ortskrankenkatze Neuenbürg 4617 Krankheitsfälle und 127126 Krankheitstage zu verzeichnen, 52 Prozent der Mitglieder waren einmal krank und arbeitsunfähig) konnte sie seither die ge
währten bedeutenden Mehrleistungen aufrecht erhalten. Be- stände eine Betriebskrankenkasse für die Waldarbeiter, die die gleichen Leistungen wie die Örtskrankenkasse gewährt, hätten z. V. die Versicherten des Forstamts Wildbad im 1. Vierteljahr d. I. 12 Proz. Beiträge aufbringen müssen, um die entstandenen Auslagen zu decken. Ob das Finanzamtministerium, bezw. der Landtag seine Zustimmung der Forstverwaltung zu der Gründung einer solchen Betriebskrankenkasse gibt, ist mehr als zweifelhaft, da vor allem bedeutende Zuschüsse und Mittel vom Staat zur Verfügung gestellt werden müßten. Bekanntlich unterliegen auch die Betriebskrankenkassen den gesetzlichen Bestimmungen, die zu erfüllen sind. Eine Betriebskrankenkatze birgt übrigens noch die, Gefahr in sich, daß kränkliche und ältere Arbeiter vom Betrieb abzuschieben versucht werden, um gerade die Katze nicht zu belasten. In beiden Versammlungen entspann sich eine rege Debatte. Das Ergebnis zeigte sich in nachfolgender Resolution; die gegen 4 Stimmen angenommen wurde: „Die Versammlung in Wildbad am 23. 6. hat nach eingehender Darlegung der Verhältnisse und gegebenen Bedingungen der Krankenkassen im allgemeinen und der Ortskrankenkasse Neuenbürg im besonderen sich überzeugt, daß die Lage dieser Katzen wesentlich von den wirtschatflichen Verhältnissen abhängig sind, wie sie sich durch Krieü und Nachkrieg gestaltet haüen. Sie ist ferner überzeugt, daß Mängel hier nur behoben werden können, wenn Kasse und Versicherte verständig und vertrauensvoll Zusammenarbeiten, daß insbesondere eine weitere Zersplitterung der an sich schon schwer zu kämpfenden Kassen keine Besserung der Lage der Waldarbeiter, sondern sicher nur eine Verschlechterung besonders der Kranken her- beiführen müßten. Sie lehnen deshalb alle Bestrebungen auf Gründung einer Sonderkasse ab!"
Letzte Nachrichten
Der deutsch-schwedische Handelsvertrag gekündigt.
Berlin, 26. Juni. Wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, ist der deutsch-schwedische Handesvertrag von der deutschen Regierung zum 15. Februar 1930 gekündigt worden. Wie es in der deutschen Note, die der schwedischen Regierung ausgehändigt worden ist, heißt, erfolgte die Kündigung in Anbetracht der schweren Lage der deutschen Landwirtschaft, um höhere Zölle für gewisse landwirtschaftliche Erzeugnisse zu ermöglichen. Gleichzeitig wird in der Note Bereitwilligkeit der deutschen Regierung mitgeteilt, sofort in neue Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Handelsvertrags einzutreten. Da der schwedische Reichstag im Januar 1930 wieder zusammentrete, wäre die Möglichkeit zur Ratifizierung eines in der Zwischenzeit abgeschlossenen Abkommens gegeben, ohne daß ein vertragsloser Zustand eintritt.
Die deutsche Note ist, wie hinzugefügt werden muß, in überaus freundlicher Form gehalten und läßt klar erkennen, daß die deutsche Regierung alles zu tun bereit ist, um die deutsch-schwedischen Handelsbeziehungen auch in Zukunft so günstig wie möglich zu gestalten.
„Kampf bis zum Endsieg"
Paris, 26. Juni. Am Dienstag abend fand in Kolmar eine große Versammlung der Anhänger der elsässischen Heimatbewegung aus Anlaß der Freisprechung Roos statt. Abg. Hauß verlangte die Amnestie, um seinem Freunde Rosse den Platz abzutreten, der ihm im Parlament zu- komme. Rechtsanwalt Thomas versprach eine loyale Mitarbeit, wenn die Franzosen doch wirklich den guten Weg beschreiten sollten. Roos, der begeistert gefeiert wurde, sagte u. a.: „Wenn der Prozeß als eine Geste der Versöhnung seitens Frankreichs ausgelegt werden darf, werden wir die Hand ergreifen, die es uns für eine Zusammenarbeit reicht. Wir waren hierzu immer bereit, aber diese Hand wurde niemals hingestreckt. Wir werden nicht aus unsere Forderung verzichten, um den Kampf bis zum Endsieg forzusetzen. Wir sind bereit, die Vergangenheit zu vergessen, aber das wird uns nicht hindern, uns für die Interessen unseres kleinen Vaterlandes eng zusammenzuschließen".
Zum Schluß verlaß der im Kolmarer Prozeß verurteilte Redakteur der „Zukunft", Schall, eine Entschlies- sung, in der „Amnestie für alle politischen Verurteilten verlangt und der Wille bekundet wird, den Kampf für die Rechte des kleinen Elsaß-Lothringischen Vaterlandes bis zum völligen Siege fortzusetzen, der dem kleinen Vaterland wieder die Ruhe und den beiden großen Nationen Frankreich und Deutschland den Friedengeben soll".
Schneestürme im slovenischen Alpengebiet.
Laibach, 26. Juni. Seit mehreren Tagen herrschen in Slovenien orkanartige Stürme, verbunden mit Wolkenbrüchen, die die Flüsse und Bäche über die Ufer treten lies- sen. Zahlreiche Telephon- und Telegraphenleitungen sind unterbrochen. In den Gebirgen sind heftige Schneefälle eingetreten. Eine Anzahl von Alpendörfern sind von der Außenwelt abgeschnitten. Im ganzen Älpengebiet wimmelt es von Schifahrern wie im Winter.
Gestorbene: Julie Wöhrle, 59 Jahre, Calw — Karl Hork- heimer Lannstat t—A ltensteig.
Zwei frohe Trupps im Grünen
Zwei frohe Trupps im Grünen Zieh'n munter, liedumschallt;
Die einen von den Dünen,
Die andern aus dem Wald.
Und überm Wiesenplane,
Lenzfroh und gut gesinnt.
Läßt jeder Trupp 'ne Fahne Flattern im Frühlingswind.
Sie weh'n im Sonnenscheine Ob jungem Aufgebot.
Dreifarbig ist die eine,
Die andre ist bloß rot.
Und wie so an den Hügeln Die Häuflein zieh'n heran,
Da fangen sie — sich zu prügeln Und zu verkeilen an.
Und schmähen sich und treten Sich mit der Stiefel Kraft,
Und hau'n sich mit Staketen Und mit dem Fahnenschaft.
Des Urwalds Paviane
Sind eh'r des Prügels satt.
Warum? Weil jede Fahne 'ne nandern Wimpel hat!
Rudolf Presber.
Die heutige Nummer umfaßt K Seiten.