Seite 2 — Nr. 143
Nagoldrr Tagblatt „Der Gesellschafter
Freitag, 21. Juni iggg.
Rückwege mit den Angeklagten in Streit geraten. Das Schöffengericht verurteilte wegen der Schlägerei, die dem Tode Kütemayers vorausgegangen war. die Arbeiter Bor- chert und Siewert zu je vier Monaten, Paul Schumann zu drei Monaten. Wilhelm Schumann zu zwei Monaten und Plönzke zu einem Monat Gefängnis. Der Angeklagte Kolcyn wurde freigesprochen. Sämtlichen Verurteilten wurde Be- währungsfrist bewilligt; jedoch wurden Borchert, Siewert und Paul Schumann zu 100 Mark. Plönzke und W. Schumann zu je 60 Mark verurteilt.
MM. Landtag
Annahme des Roietals / Dünsche: mehr Rücksicht der Autofahrer auf die Landbevölkerung, getrenntes Baden der Geschlechter / Kampf gegen Schmutz und Schund.
Stuttgart, 20. Juni.
In der heutigen Landtagssitzung wurde zunächst in allen drei Lesungen ohne weitere Debatte der Notetat, der die Regierung zur Forterhebung der bestehenden Abgaben bis 31. Juli 1929 ermächtigt, verabschiedet. Sodann wurde die Beratung des Etats der Jnnenverwaltung bet Kap. 16 (Staatliche Polizei) fortgesetzt. Der Abg. Bausch (CVD.) wendet sich, wie gestern schon der Abg. Dr. Kaim, gegen das Ueberhandnehmen von Schmutz und Schund. Einem solchen Mißbrauch der Freiheit des einzelnen müsse «in Halt geboten werden. Hierzu erklärte Abg. Winker (S.), daß polizeiliche Maßnahmen gar nichts nützen, eher noch eine Reklame derselben. Von weiteren Rednern wurden dann zahlreiche Einzelwünsche vorgebracht. So wünschte der Aba. Wörnwag (BB.) mehr Rücksicht von den Autofahrern auf der Landstraße, der Abg. Joh. Fischer (Dem.) einen Abbau der vielen veralteten Polizei- verordriMgen, der Abg. Dr. Hölscher (BP.) eine Er- schwerung der Einbürgerung von Ostjuden, der Abg. Heymann (S.) eine Erleichterung der Feuerbestattung und der Abg. Schneck (Komm.) eine sofortige Aufhebung des Verbots des Roten Frontkämpferbundes.
Staatspräsident Dr. Bolz betonte die Notwendigkeit die Zahl der Schutzpolizisten mindestens auf der Höhe zu belassen, die uns der Versailler Vertrag noch zugestanden hat. Die Polizeikosten der Städte könnten unmöglich ermäßigt werden. Ohne Nachrichten- und Spitzeldienst könne eine Polizei überhaupt nicht existieren. Schmutz und Schund werden nachdrücklichst bekämpft. Zu wünschen wäre aber, daß die Oeffentlichkeit die Polizeibeamten in diesem Kampf mehr unterstützt. Wichtiger als die Freiheit von Kunst und Literatur ist uns die Sorge für die Jugend.
Ohne größere Debatte wurden die Kap. 19—22 (Landjägerkorps, Staats- und Privatirrenanstalten) erledigt. Zu Kap. 23 (Gesundheitswesen) liegen Eingaben des überparteilichen Frauenverbandes und des Cvang. Volksbundes betr. Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vor. Ministerialrat Dr. Scheurlen gab einen Ueberblick über den Gesundheitszustand in Württemberg, den er als befriedigend bezeichnet«. Der Abg. Bausch (CVD.) stellte einen Antrag aus getrenntes Baden der Geschlechter an mindestens zwei Wochentagen. Die Abg. Frau Rist (Z.) verlangte Unterbindung des wilden Badens in den Flüssen. Der soz. Abg. Rais erklärte gegenüber diesen Ausführungen, daß das Familienbad ein Fortschritt zum Natürlichen, zum Para- dies hin sei.
Staatspräsident Dr. Bolz stimmte dem Antrag des Christi. Volksdienstes zu. Auf die Privatbadeanstalten habe die Regierung keinen Einfluß. Bei der Ausführung des Reichsgesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten habe die Praxis erwiesen, daß es ohne polizeilichen Zwang nicht gehe. Kap. 24 (Veterinärwesen) und Kap. 25 (Landes- hebammenschul«) werden nach kurzer Debatte erledigt. Als letztes Kapitel des Etats der Innenverwaltung wurde dann Kap. 28 (Oeffentl. Fürsorge) beraten. Hierzu lagen zahlreiche Ausschuhanträge vor betr. Behebung der in der öffentlichen Fürsorgeerziehung zutage getretenen Mißstände. Nächste Sitzung Freitag mittag.
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Wechsel in der LandesgeschäsiSstelle der Deutschen Volkspariei. Generalsekretär Dr. A. Maerz, der Landesgeschäftsführer der Deutschen Bolkspartei in Württemberg, wird seinen Posten in Bälde verlassen, um die Leitung der Pressestelle eines Industriekonzerns zu übernehmen. Dr.
Maerz stand über 5 Jahre im Dienst der Partei. Der Vorsitzende der Landtagsfrakkion der Deutschen Volkspartei in Württemberg, Abg. Rath, hak dem scheidenden General- fekrekär für seine hervorragenden Dienste und für seine treue Hingabe den herzlichsten Dank der Deutschen Volkspartei in Württemberg ausgesprochen.
12. ordentlicher Berbandstag des Württemberg. Bäckerinnun, s Berbandes
Gmünd» 19. Juni. Am Montag fand hier der 12. Verbandstag des württ. Bäckerinnungs-Verbandes statt.
Vorträge hielten Direktor Schumacher von der Zen- tralkasse württ. Genossenschaften über «Das Geld- und Kreditwesen im Handwerk', Verbandssyndikus Bosler über .Die Regelung des Lehrlingswefen', Verbandsvorsihendsr Müller über .Neuzeitliche Betriebseinrichtung und Be- triebsführung', Direktor Haering von der Landeszentrale über .Die geplante Neuordnung des Getreide- und Mehlmarkts' und Verbandssyndikus Bosler über .Die Ar- beitszeitgesehgebung'.
In zwei Entschließungen an den Reichs- und Landtag wurde die Forderung aufgestellt, anläßlich der neuen Arbeitsschutz-Gesetzgebung den verschiedenen wirtschaftlichen Verhältnissen der einzelnen Länder Rechnung zu tragen, insbesondere aber 1- im Paragraph 24 des Entwurfs eines Arbeits-Schuhgesehes den Länderregielungen die Möglichkeit zu geben, den Arbeitszeitbeginn im Bäckergewerbe um eineStundevorzuverlegen, 2. die Bestimmungen über den Verkauf und das Austragen von Backwaren aus dem Z 24 herauszunehmen.
Reutlingen, 19. Juni. Tödlicher Unfall. Der Erbauer der Skihütte am Kaltenberg, Walser jun., ist bei einer Fahrt auf der Hüttenseilbahn, die zur Personenbeförderung nicht benützt werden dars, tödlich verunglückt. Er fuhr mit einer jungen Dame aus Schruns auf, als das Seil aus einer Rolle sprang, der Wagen umkippte und die Insassen herauswars. Der junge Walser war sofort tot, während die Dame, ein Fräulein Borger aus Schruns, nur leichtere Verletzungen erlitten zu haben scheint.
Tübingen, 20. Juni. Rheinländer-Besuch. Dieser Tage statteten Teilnehmer an der Jahrestagung des Reichsverbands der Rheinländer der Universitätsstadt einen Besuch ab. Oberbürgermeister Scheef begrüßte sie im Rathaussaal,
Aus Stadt und Land
Nagold, den 21. Juni 1929.
Wer das Falsche verteidigen will, hat alle Ursache, leise auszutreten und sich zu einer feinen Lebensart zu bekennen; wer das Recht aus seiner Seite fühlt, mutz derb auftreten; ein höfliches Recht will gar nichts heißen.
Goethe.
Sonnwendfeier
Johannisfeuer! Sie leuchten heute wieder auf wie vor tausend und mehr Jahren, wo das Feuer als Geschenk der Götter verehrt, wo es sorgsam gehütet wurde, daß es nicht erlosch. Sie leuchten wieder auf wie einst, aber sie wärmen, sie schützen, sie reinigen nicht mehr; es glüht in ihnen nicht mehr der alte Zauber, der die Seele des Volkes faßte und formte, der sie weckte und wärmte. Rings um die Feuer klingen nicht mehr die alten Weisen, es werden nicht mehr die alten Sagen erzählt von den Nixen und Nymphen, die über den Wassern, von den Zwergen und Kobolden, die im Dunkel der Berge ihr neckisches und verführerisches Spiel treiben.
Am Sonnwendtag stiegen auf den Bergen in deutschen Landen mit Einbruch der Dämmerung Fanale auf, die Jugend tanzte um das flackernde Feuer. Reigen und Springlieder erklangen in der Runde. Ehe die Flammen erloschen, sprang man über sie hinweg und war, weil durchs Feuer gereinigt, das Jahr hindurch vor Not und Gefahr bewahrt Da die Kirche an Stelle des heidnischen Festtags einen christlichen gesetzt und das Gedächtnis des Johannes des Täufers feierte, so lag die Reinigung durchs Wasser nahe: man traf sich beim Bad. Die Johannisbäder wurden zur Volkssitte.
Wir wissen, wer gegen die im Volkstum so tief verwurzelten Bräuche ankämpfte, bis sie schließlich mit
Stumpf und Stiel ausgerottet waren. Es war ein ununterbrochener, zäher, nach religiösen und politischen Bewegungen immer wieder schärfer einsetzender Kampf, den geistliche und weltliche Mächte gegen die auf den germanischen Glauben zurückgehenden Sitten führten. Erst nach vielen Jahrhunderten hat er ein Ende gefunden. Berichte über den Kampf finden wir aus der Zeit nach der Reformation und nach dem Dreißigjährigen Krieg, bis er schließlich in Württemberg unter dem autokratischen Regiment des ersten Königs zum Sieg führte.
Im Jahr 1550 wendet sich die Regierung gegen allerhand Unordnung und Unzucht, die beim Tanz eingerissen und befiehlt, daß der Tanz am Sonntag, auch ärgerliche Rayhen (Reigen) und Springlieder in allweg abgeschafft werden. Das Volk aber kümmert sich wenig darum, so daß die Regierung sich veranlaßt sieht, den Befehl zu wiederholen (10. 2. 1561). Nach dem Dreißigjährigen Krieg setzte der Kampf von neuem ein. Am 25. Juni 1659 erhielt der Stuttgarter Vogtsamtsverweser ein Schreiben aus der fürstlichen Kanzlei mit folgendem Inhalt: „Wann wir uns anbei gnädigst erinnern, was maßen auch in dieser unsrer Residenzstadt am St. Johannistag gegen Abend die abergläubischen sogen. St. Johannisfeuer mit nicht geringem Aergernis wider alles Verbieten mit wollen abgestellt werden, wir aber solches nit gestatten können, sondern gänzlich abgestellt haben wollen, also ist hiemit unser wiederholter Befehl, Du, der Vogtsamtsverweser, solltest die alsbaldige Verordnung tun. damit unser bereits vor zwei Jahren ergangener Befehl morgen nach der Frühpredigt einer ganzen Gemeinde de nove möge verkündet und sie also davon mit Ernst abgewarnt werden. Ob die Predigt gewirkt hat? Auf die Dauer jedenfalls nicht; es wäre sonst das Generalreskript vom Jahr 1666 nicht erlassen worden, das befiehlt, daß die am Fest Joh. Baptistae vieler Orten üblich gewesene Johannisfeuer und -Bäder als abergläubisch, wo es noch nicht geschehen, durch Beihilfe der Beamten gänzlich abgestellt werden sollen. Aber es hat alles nichts geholfen; das Volk hielt an den alten Sitten und Gebräuchen fest.
In Württemberg hat man der Sonnwendfeier durch einen königlichen Befehl vom 20. Mai 1809 ein Ende bereitet. Wir lassen ihn im Wortlaut folgen: Da nach eingegangenen Nachrichten an mehreren Orten und Gegenden des Königreichs noch die Mißbräuche herrschen, daß an den ersten Sonntagen in der Fasten die sogen. Fackel- seuern an mehreren zunächst (nahe) der Ortschaften von der Jugend errichteten hohen Stangen und darauf befestigten Strohbündeln angezündet und am Johannistage sowohl außer als auch hie un da selbst innerhalb der Orte die sogen. Johannisfeuer aufgemacht werden, über welche letztere sodann die Jugend beiderlei Geschlechts zu springen pflegt, dieser gefährliche und polizeiwidrige Unfug aber in keiner Hinsicht länger mehr geduldet werden kann, so werdet ihr hiemit angewiesen, solchen in denjenigen Orten Eures Kreises, wo er noch üblich ist, abzustellen und auf die pünktliche Befolgung dieses allgemeinen Verbots ein wachsames Auge zu richten, auch für die Zukunft die Ortsvorsteher jener Orte diesfalls verantwortlich zu machen.
Ganz konnte dieser scharfe Erlaß den Feuerzauber nicht bannen. In einigen Gegenden Württembergs, namentlich im Schwarzwald, (Nagold, Calw, Altensteig) blieb man der Sitte des Fackelns zur Zeit der Sonnenwende bis heute treu. Anderwärts lebt sie von neuem auf. Und wir wollen uns darob freuen, denn die Menschen, die Sonnenwende feiern, kämpfen um das Erwachen und um das Licht für Volk und Vaterland.
Flamme empor! Steige mit loderndem Scheine von den Gebirgen am Rheine glühend empor!
Siehe wir stehn, treu im vereinten Kreise, dich zu des Vaterlands Preise brennend zu sehn!
Heilige Glut! Rufe die Jugend zusammen, datz bei den lodernden Flammen wachse der Mut! ,
Auf allen Höhn, leuchte, du flammendes Zeichen, datz alle Feinde erbleichen, wenn sie dich sehn!
Finstere Nacht lag auf Germaniens Gauen, da ließ der Herrgott sich schauen, der uns bewacht.
Licht, brich herein! sprach er, da glühten die Flammen, schlugen die Gluten zusammen über den Rhein.
Und er ist frei! Flammen umbrausen die Höhn, die um den herrlichen stehn; jauchzt, er ist frei!
Stehet vereint! Brüder und Iaht uns mit Blitzen unsre Gebirge beschützen gegen den Feind!
Leuchtender Schein! Siehe, wir singenden Paare, schwören am Flammenaltare: Deutsche zu sein!
Höre das Wort! Vater auf Leben und Sterben, hilf uns die Freiheit erwerben, sei unser Hort!
H ,-b'o»E-„°v L-L
(Nachdruck verboten).
(Fortsetzung 22) L'7§U
„Lena!" — Marbot zog sie ganz nahe an sich und flüsterte, um seine Kraft zu schonen, daß sie noch bis zum Ende reichte. Nur Trude hörte, was er sprach und krallte seine Hände in seine Decke.
„Es soll sein, wie du es wünschest", sagte Lena laut und deutlich, damit sein Ohr auch alles vernahm.
„Und du wirst sie, wenn sie verwunden hat, einem Manne in die Arme führen, der sie glücklich macht!" Der Sterbende fand kaum mehr den Willen, die Worte in seinem Munde zu formen. ,
„Ja, Heinz!" Lena strich ihm den Schweiß von Stirne und Wange.
„Du versprichst es mir!"
„Ich verspreche es dir!"
Trude schnellte auf, warf sich über den Mann, mit dem sie die Tage des Glücks und des größten Leides getragen hatte, und preßte ihren Körper an den seinen. „Nimm mich mit, Heinz! — Oder hol mich!"
„Trude!" mahnt der General.
„Mach es mir nicht so schwer", bat Marbot. „Weißt du, was sterben heißt, Trude? — Alles zurücklassen, was man liebt! — Und du bist mir alles gewesen!"
„Heinz!-"
Marbot hob eine Hand nach dem General. „Vater — ich gebe dir dein jüngstes Kind zurück. — Verzeihe mir, daß ich es nicht glücklicher machen konnte. Ich opfere jetzt mein Leben in dem Sinne, daß es ihr zum Segen gereiche. — Bist du zufrieden mit mir?"
Ebrach hielt die fieberhafte Rechte in der seinen. „Wir müssen uns alle dem Geschicke beugen, Heinz, wie es uns bestimmt ist. Du hast Trude geliebt. Von den fünf Kindern, die mir Gott geschenkt hat. ist mein jüngstes das glücklichste gewesen an deiner Seite. Ich danke dir, mein Sohn".
Ein Aufleuchten in Marbots wachsfarbenem Gesicht, — Er hob den Körper — eine dunkle Röte flutete wie ein Rieseln aus tausend vollgefllllten Kelchen und ergoß sich über das weiße Linnen des Bettes.
Der General riß seine Tochter empor. Die Schwester trat eilig herzu und verdeckte durch ihre Gestalt den fürchterlichen Anblick.
„Es ist vorbei", sagte sie zu Lena, die erschüttert zu Häupten des Bettes stand.
Karl von Ebrach grub die Zähne in die Unterlippe und hatte ein feuchtes Flimmern in den Augen. Wortlos verließ er den Raum.
Als Trude am andern Morgen wie aus tiefster Betäubung erwachte und von dem Vater gestützt, die Treppe zur Giebelstube Hinaufstieg, wo ihr Mann aufgebahrt lag, trug sie ein Gesicht wie aus Stein gehauen.
Sie hatte in den Stunden die über sie hereingebrochen waren, auch den letzten Zusammenhang mit dem Gotte ihrer Kindheit verloren. — Es war ihr keine Hilfe von ihm gekommen. " UDUIW-
Sie war ein Mensch, der allein stand, losgelöst von der Erde und vom Himmel.
7.
In bleierner Schwüle lagen die letzten Junitage über der Ebene des Tales. In blendendem Glanze hob sich die Sonne allmorgens über die Höhen. Wie eine goldgefüllte Schale tauchte sie des Abends hinter dem Rücken der Wälder hinab. Kornblüten tropften von den mannshohen Aehren. Zwischen schwefelfarbenem Raps zogen sich schmale Streifen sattfarbenen Mohnes Rötlichbraun stand der Klee auf dichten, saftigen Stengeln. Weißer Holder schimmerte am Wegrain, drängte sich um Zäune und Mauern und neigte sich gegen Hütte und Stall. Zwischen dem berauschenden Duft seiner Dolden drängte sich derjenige des Jasmins, der in einer einzigen lichten Blüte stand. Heckenrosen wucherten an den Zäunen, und ihre Schwestern edleren Geblüts standen in majestätischem Schmelz in den Gärten.
Trude Marbot glich den Lilien, die schlank und bleich auf den Gräbern des kleinen Gottesackers wuchsen. Wenn sie in ihren schwarzen Kleidern über die Wiesen nach Hause kam, griff dem General jedesmal eine stählerne Faust nach dem Herzen. — Was ließ sich tun, daß sie ver
winden konnte? Daß sie sich ergeben lernte in das, was doch nie mehr zu ändern war. Ihr totes Kind — ihr toter Mann — das waren die beiden einzigen Pole, um die sich all ihre Gedanken, ihr ganzes Sehnen drehte. Trug sie vielleicht, von Marbot angesteckt, den Keim seiner fürchterlichen Krankheit in sich? — Sie war nur noch ein Schatten und wurde es täglich mehr. Der General fand keinen Schlaf mehr, und seine Nächte waren voll würgender Angst vor einer neuen Katastrophe. — Sein jüngstes Kind! — Niemand ahnte, wie er gerade dieses am heißesten in sein Herz geschlossen hatte.
„Gib ihr Arbeit, daß sie keine Zeit mehr findet zu anderem Denken", forderte Karl seine Frau auf.
„Sie bräche darunter zusammen", war ihre Antwort. „Ich weiß nicht, was schwächer ist, ihre Füße oder ihre Hände".
„Es fehlt ihr an gutem Willen", zürnte er.
Trude hat hinter ihm stehend, jedes Wort gehört. Ihre Wangen blaßten bis zur Weiße des Schnees ab. Groß und unverwandt starrten ihn ihre blauen Augen an. „Wenn du erst alles verloren hast, Karl, dann wirst du mich verstehen", sagte sie, wandte sich um und ging langsam den Weg nach dem Friedhof zurück, von dem sie eben erst gekommen war.
Ein Schauer rann dem jüngsten Ebracher über den Rücken. „Wenn sie so weiter macht, muß man sie über kurz oder lang in eine Anstalt bringen".
„Habt Geduld!" bat der General immer und immer wieder, wenn sein Sohn sich über die Schwester zu erregen begann. „Wer in der Sonne steht, kann den nicht begreifen, der im Schatten friert. — Es wurde ihr alles genommen, woran ihr Herz hing. Innerhalb zehn Tagen Mann und Kind. Wundert es dich, wenn sie in den wenigen Wochen, die darüber hinweggingen, noch nicht vergessen und verwunden hat?" ,
Karl zuckte die Achseln, aber in seinem Inneren mußie
er dem Vater recht geben. . .
Kathrin ging eben mit dem kleinen Karli ^ Garten. Er riß ihr das Kind aus den Armen, für einen Moment an sich, daß die grauen Augen des kleinen Ebrach in jähem Schrecken weit offen standen. ist die Lore-Lies?" . , ,,
„Ich such' sie eben!" (Fortsetzung solgt)