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Gegründet 1827
Dienstag, den 18. Juni 1S2S
Fernsprecher Nr. 20
103. Jahrgang
Volksbegehren gegen den Aoungplan
Die deutschnationale Offensive
Die Beschlüsse des Vorstandes der D e u t s ch n a t i o n a - lenVolkspartei sind in mehr als einer Beziehung von großer Bedeutung. Zunächst einmal handelte es sich darum, einen Ausgleich in Len Schwierigkeiten zu finden, die sich immer wieder zwischen dem neuen Parteiführer Hugenberg und der Reichstagsfraktion, geführt von dem Grafen Westarp, ergeben hatten. Z
Ueber diese .nterne Frage hinaus aber hat der Parteivorstand der D. N. V. P. allgemein-politische Beschlüsse gefaßt, die in der nächsten Zeit für die innenpolitische Entwicklung eine große Bedeutung gewinnen können. Der Kampf der Deutschnationalen Volkspartei richtet sich in voller Schärfe gegen di eAnnahmedesPoung-Abkom- mens, wobei sich herausgestellt hat, daß die gesamte Partei einschließlich derjenigen Mitglieder, die seinerzeit dem Dawes- plan zugestimmt haben, einmütig den Doungplan ablehnt. In einer Erläuterung zu dieser Entschließung werden in wirksamer Form alle diejenigen Gründe zusammengefaßt, die ge- aen die Annahme des Aounavlanes sprechen. Der Weg. den
die Deutschnationale Völkspärtei zu gehen beabsichtigt, besteht zunächst einmal darin, im Reichstage den Antrag zu stellen, daß die Verkündung des Genehmigungsgesetzes auf zwei Monate ausgefetzt wird. Bekanntlich gibt es in der Reichsverfassung gegen solche Anträge für die Regierung das Gegenmittel, daß sie ihre Gesetzentwürfe für dringlich erklärt.
Weiterhin stellt aber die Deulschnakionale Volkspartei ihre« Kamps auf Einbringung eines Volksbegehrens gegen den Noungplan und unter Umständen auf ein Volksbegehren zum Widerruf der Lriegsschuldlüge ein.
Es wird in der nun beginnenden Periode schwerer innenpolitischer Kämpfe noch wiederholt oft Gelegenheit sein, ausführlicher auf die Bedeutung dieser Fragen einzugehen. Zunächst aber genügt die Feststellung, daß wir es hier mit einem zweifellos groß angelegten und ernsthaften Versuch zu tun haben, die parlamentarische Mehrheit für die Poungverein- barung, falls sie Gesetz werden sollte, durch andere verfassungsmäßige Möglichkeiten, zu unterminieren.
Warum die Verteidigung?
Der Brief des Reichskanzlers an die Sachverständigen
Berlin, 17. Juni. Au dem in den Blättern behandelten Thema von einem Brief des Reichskanzlers an die Sachverständigen in Paris ist zu sagen, daß ein dauernder Meinungsaustausch zwischen den Regierungen und den Sachverständigen stattgefunden hat, daß aber in keinem Stadium dieses Meinungsaustausches Anweisungen an die Sachverständigen gegeben worden sind, die in dieser oder jener Frage einen Einfluß aufihre Entscheidungen gehabt hätte oder sie hätte bewegen sollen, diese oder jene Frage im Sinne der Regierung zu lösen. Das ist auch seitens der Sachverständigen erklärt und anerkannt worden ln einem Schreiben, das fünf Tage vor Schluß der Konferenz abgesandt worden ist.
Skrefemann abgereist
Berlin, 17. Juni. Reichsaußenminister Dr. Skrefemann ist heute nach Barcelona gereist. Er wird am Mittwoch vormittag in Paris eintreffen und am Mittwoch nachmittag mit dem Nordexpreß nach Berlin fahren, wo er am Donnerstag vormittag eintreffen wird. Die Beratung des Etats des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheitens wird am Samstag beginnen. Der Konserenzort der politischen Konferenz liegt noch nicht fest.
Vertagung des Sofort programms?
Berlin, 17. Juni. Wie zu der Kabinettsberatung über die Arbeitslosenversicherung von linksdemokratischer Seite verlautet, soll es fraglich sein, ob die Reichsregierung überhaupt für ein Sofortprogramm entscheiden werde. Vielmehr rechne die Linke mit dessen Vertagung bis zukn Herbst, da sonst die interfraktionellen Gegensätze zu einer Koalitionskrise führen müßten. Ueberdies soll die Sozialdemokratie infolge der volksparteilichen Versteifung in der Arbeitslosenfrage jetzt auch einer Inangriffnahme der dringenden agrarpolitischen Fragen abgeneigt sein.
Schluß in Madrid
Immer wieder die polnischen Anmaßungen
Madrid, 17. Juni. Die Völkerbundstagung ist am Samstag nachmittag mit einer Ansprache des Ratspräsidenten des Botschafters Adatschi, abgeschlossen worden, in der der Präsident im Namen des Rates der spanischen Regierung den Dank für ihre Gastfreundschaft aussprach. In der öffentlichen Ratssitzung nahm Dr. Stress mann noch einmal das Wort. Er wandte sich gegen die fortgesetzte polnische Propaganda in Madrid und insbesondere gegen die Anspielung Zeleskis auf die noch offenen Vorfälle, die er mit scharfen Worten adlehnte. — Von deutscher Seite wird dazu darauf hingewiesen werden, daß die polnische amtliche Presse in den letzten Tagen in unerhört scharfer Weise gegen Deutschland gehetzt habe.
In der Schlußsitzung ging der polnische Außenminister Zolcskj auf die Erklärungen Stresemanns ein und betonte, daß er zu Verhandlungen bereit sei.
Einigung über die Liquidationssrage
Die für Samstag vormittag ursprünglich auf 11 Uhr angesetzte Sitzung des Völkerbunüsrates konnte erst um 14 Uhr beginnen, da vorher schwierige geheime Verhandlungen zwilchen Dr. Skrefemann und dem polnischen Außenminister stattsanden. Im Verlaufe dieser Verhandlungen ist end- "ch folgende Einigung zustandegekommen, die vom
Völ'kerbundsrat in der heutigen Sitzung einstimmig angenommen worden ist:
Punkt 1. Die deutsche und die polnische Regierung verpflichten sich, unverzüglich direkte Verhandlungen über di« Frage der Liquidation des deutschen Eigentums in Polen aufzunehmen, und zwar unter Führung des gegenwärtigen Präsidenten des Völkerbundsrates, Botschafter Adatschi oder einer anderen, von ihm bezeichneten neutralen Persönlichkeit. Voraussichtlich wird hierfür der gegenwärtige Präsident der deutfcb-nolnischen gemischten Schiedsgerichtskommission ausersehen weiden.
Punkt 2. Der Vertreter hat nicht die Befugnisse eines Schiedsrichters. Die deutsche Regierung behält sich, wenn das auch nicht ausdrücklich erklärt wird, völlige Freiheit vor, jederzeit von sich aus den Internationalen Haager Gerichtshof anzurufen.
Punkt 3. Die polnische Regierung verpflichtet sich, in denjenigen Fällen, wo die Staatsangehörigkeit eines Ent- eigneten einwandfrei als polnische Staatsangehörigkeit festgestellt wird, den Enteigneten wieder in sein bisheriges Eigentum zurückzuversetzen.
Mac Donald über die Minderheiten
London. 17. Juni. In der .Sunday Times' äußert sich Mac Donald zur Minderheitenfrage. Die Feststellungen des neuen englischen Ministerpräsidenten sind insofern besonders bemerkenswert, als sie wesentlich von der Einstellung der bisherigen englischen Regierung zur Minderheitenfrage abweichen. Mac Donald schreibt u. a.: „Wenn nicht eine Lösung der Minderheitenfrage im Geiste gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Zugeständnisse erreicht wird, so wird es ernstliche Schwierigkeiten in Europa geben. Die siegreichen Staaten haben keinen Versuch unternommen, die Balkanstaaten entsprechend ihrer Rasse abzugrenzen, da Präsident Wilson den Grundsatz des Selbstbesliinmungsrechts nur auf die besiegten Staaten anwandte. Der Aufsatz schließt: Dr. Strcsemann hak nach dem Einspruch, zu dem er im Dezember in Lugano herausgefordert worden war, angekündigk, daß er die ganze Frage ndes Schutzes der Minderheiten auf der nächsten Zusammenkunft des Völkerbunds aufwerfen werde. Jedem. dem die Fortdauer der Demokratie und die Sicherung des Friedens in Europa am Herzen liegt, wird ihm Glück dabei wünschen.'
Die wichtige Besprechung Mac Donald — General Dawes
London» 17. Juni. Die gestrige Besprechung Mac Donalds mit General Dawes dauerte eine Stunde. Nach Verlesen des Kommuniques bemerkte Mac Donald: Es wird vielleicht eines Tages ein historisches Staatsdokument werden. Auf Bitte ihres Gastgebers, Sir Alexander Grant, pflanzten die Staatsmänner zwei junge Bäume als Erinnerungszeichen ihrer Zusammenkunft. General Dawes trat am Abend die Rückreise nach London an. -
öeulscher Aelchrlag
Kommunistischer Mißkrauensanlrag gegen Gröner
Berlin, 17. Juni. So zaghaft und vorsichtig wie heute der Abgeordnete Ersing vom Zentrum hat wohl noch kaum jemand im Reichstag gesprochen. Ersing bemerkt zunächst etwas scheu, daß die Beratung des Wehrctats noch niemals so rasch und so friedlich durchgeführt worden sei wie diesmal. Immerhin gesteht Ersing wenigstens das zu,
daß es Pflicht aller Republikaner sei, etwaigen Versuche^ Gebiete von Deutschland abzureißen, mit größter Entschiedenheit entgegenzutreten. Wir dachten schon, es sei Pflicht aller Republikaner, sich vom Ausland alles gefallen zu lassen. Von der Haltung des der Republik geschworenen Eides hätte Ersing jetzt, zehn Jahre nach dem großen Eidbruch gegenüber dem alten Staate, nicht reden sollen. Der Sozialdemokratie gegenüber bemerkt er zurückhaltend und furchtsam, ihr Wehrprogramm sei sehr beachtlich, aber es handle sich nicht nur um den Schutz der Arbeiterschaft, sondern des ganzen Volkes.
Nach diesem Auftakt ist es selbstverständlich, daß Sozialdemokrat Leber mit sämtlichen Pauken und Trompeten einsetzt und im Handumdrehen den ersten Ordnungsruf erntet, weil er von dem Abgeordneten General v. Lettow- Vorbeck erklärt, seine Witze seien „nur aus dem jahrelangen Zusammenleben mit Negern begreiflich", und es lei ..sogar eine Beleidigung für die Neger, wenn man sage, Lettow-Vorbeck stände mit ihnen auf gleichem Niveau" (!).
Die kommunistische Reichstagsfraktion hat einen Mißtrauensantrag gegen den Reichswehrminister Gröner ein- gebracht.
Neueste Nachrichten
Das Urteil lm Rogens-Prozeß
Neustrelitz, 17. Juni. Im Nogens-Prozeß wurden folgende Urteile gefällt: Der Angeklagte August Rogens wird wegen Mordes zum Tode und wegen schweren Meineides zu 1 Jahr 6 Monaten Zuchthaus verurteilt; der der Angeklagte Fritz Rogens erhält wegen Beihilfe zum Morde und wegen Meineids unter Berücksichtigung des Iugendgerichtsgesetzes 4 Jahre und 3 Monate Gefängnis. Er hat 2 Jahre Gefängnis zu verbüßen und erhält dann eine fünfjährige Bewährungsfrist. Die Angeklagte Frau Kühler wird wegen Beihilfe zum Morde und wegen schweren Meineids zu 9IahrenZuchthaus verurteilt (starke Bewegung im Zuhörerraum), der Angeklagte Blöcker wird wegen Meineids zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt. Bei den Angeklagten August Rogens, Fritz Rogens und Frau Kühler werden 8 Monate der Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet.
Besuch des Wiener Bürgermeisters in Berlin. Bürgermeister Seitz ist heute, einer Einladung des Berliner Ober- bürgermeisters Döß folgend, in Begleitung des stellvertretenden Bürgermeisters Hoß zu einer Studienreise nach Berlin abgereist.
Massenerkrankungen in Altona
Mona. 17. Juni. In Stellingen sind am Freitag und im Laufe des Samstag zahlreiche Personen unter Vergiftungserscheinungen erkrankt, die auf den Genuß von Speiseeis zurückgeführt werden. Vom Personal der Fuchschen Papierfabrik erkrankten 27 Mädchen, im Krippeheim Älten- eichen liegen 10 Personen darnieder. Bei einigen schweren Fällen, die im Krankenhaus behandelt werden, soll von den Aerzten Parakyphus festgestellt worden sein.
Bluttat in der Strafanstalt
Königsberg, 17. Juni. Im Gerichtsgefängnis in Insterburg ist heute morgen um 4 Uhr der Untersuchungsgefangene Fritz Pauleck von dem Untersuchungsgefangenen Baibutzki mit einem Schemel erschlagen worden. Es besteht die Möglichkeit, daß Raibutzki, der di« Tat gestand, in einem Anfall von Geistesgestörtheit gehandelt hat- Er war anfangs des Jahres zur Beobachtung in einer Irrenanstalt, von wo er als normal entlassen wurde mit dem Ergebnis, daß er simuliere. Der getötete Pauleck und ein anderer Untersuchungsgefangener waren mit Raibutzki auf ärztliche Anordnung in eine Krankenzelle gelegt worden mit dem Auftrag, auf Raibutzki aufzupassen.
Ein Dampfer in Seenok
London. 17. Juni. Einer Exchangemeldung aus Portland zufolge ist gestern der amerikanische Dampfer „Lau - zel" an der Mündung des Columbiaflufses bei schwerem Sturm gescheitert und hat schwere Havarie erlitten. Schiffe, die zur Hilfe herbeigeeilt waren, haben den ganzen Tag vergebens nach der Besatzung von 32 Mann gesucht. Nach längeren vergeblichen Versuchen ist es in der Nacht zwei Rettungsbooten gelungen, den in der Mündung des Columbiaftusses auf Grund geratenen Dampfer zu erreichen und dieMannschaftanBordzunehmen.
Schweres Erdbeben auf Neuseeland
London, 17. Juni. Nach in London eingegangenen Meldungen ist die Nordspitze von Neuseeland von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden, das in den Städten Wellington, Aickland, Takaka und Waganchi Millionen, schaden verursachte. In Auckland ist di« Versorgung mit Trinkwasser und Elektrizität unterbrochen. Unter der Bevölkerung brach eine Panik aus. Es ist zu befürchten» daß viele Menschen der Katastrophe zum Opfer gefallen sind.