Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Freitag, 14. Juni 192g.
Sozialpolitik im Landtag
Aussprache über de« Wirtschastsetat
Die zum Etat der Justizverwaltung gestellten Anträge wurden in der gestrigen Sitzung des Landtags angenommen. Zum Etat der Wirtschaftsverwaltung beantragt der Ausschuß, zwei Eingaben der Regierung zur Erwägung zu übergeben. Die eine betrifft die Fortführung der Heubergbahn nach Nusplingen, die andere wünscht Befreiung der Gemeinde Waldenbuch vom Baubeikrag zur Nebenbahn Leinfelden—Waldenbuch. Eine weitere Eingabe von Korntal bezieht sich auf die Verkehrsverhältnisse in der Umgebung von Stuttgart.
Der Abg. Weimer (S.) eröfsnete die Aussprache und bezeichnete es als eine grobe Täuschung, wenn die Unter- nehmer über die Unrentabilität der Betriebe klagen. Ursache zur Klage hätten allein die Arbeitnehmer. Der Abg. Stoß (BB.) wünschte gleiche Behandlung von Industrie und Landwirtschaft. Letztere laste man in Deutschland zugrunde gehen. Der Abg. Gengler (Z.) erklärte sich für den Bau weiterer Nebenbahnlinien und für die Erhaltung des Gebäudes der deutschen Sozialversicherung. Der Abg. Dr. Bruchmann (Dem.) trat für eine Reform der Arbeitslosenversicherung ein und wandte sich gegen die soz. Behauptung von unheimlichen Verdiensten in der Industrie. Die Dividenden seien außerordentlich gering. Die Schaffung von Reserven sei absolut notwendig. Seit vielen Jahren habe es in der Industrie nicht so schwarz ausgesehen wie jetzt. Von einem Exportfimmel sei bei der württ. Jndu- strie keine Rede. Der Abg. Vollmer (Komm.) verlangte 5 Millionen Mark für Sonderunterstützungen an die Er-
wervsloien und wandte sich gegen die Schlichtungsaus- schusse, weil diese die Löhne niedrig halten. Der Abg Bur- S" AV'^rat für -in Reichskartellgesetz ein. Der Abg. Bausch (CVD) verlangte eine hauptamtliche Besetzung des Wirtschaftsministeriums. Dies würde auch zur Entspan- nung der inncrpolitischen Lage führen. Die Deutsche Volks- Partei sollte sich endlich entschließen. Ferner wünscht er eine Reform der Arbeitslosenversicherung und die Abschaffung der Postzustellung am Sonntag. Der Abg. Winker (S.) beantragte Nachlaß des Beitrags der Stadt Waldenbuch zu den Bahnbaukosten. Wirtschastsminister Dr. Ber> erle trat der Auffassung entgegen, als ob das Wirtschaftsministerium weil es nicht hauptamtlich verwaltet wird, ein Ministerium 2. Klaffe sei. Das Ministerium habe das Interests des ganzen Landes im Auge und verkenne nicht die Bedeutung einer kaufkräftigen Landwirtschaft und Arbeiterschaft für den Jnlandsmarkt. Der Minister legte ein offenes Bekennt- nis für die Sozialpolitik ein. die politisch, wirtschaftlich und menschlich eine bedeutsame Tat sei.
Man muffe aber auch die Selbskverantworkllchkelt stärken
«nd Mißbräuchen entgegentreten.
Diß Tätigkeit der Schlichtungsausschüste sei verdienstvoll, die Notlage der Landwirtschaft werde anerkannt. Abg. Dr. Schumacher (S.) beantragte, den Posten des Mini- sterialdirektors beim Wirtschaftsministerium zu streichen. Abg. Hagel (VRP.) geißelte scharf das Anrecht an den j Opfern der Inflation.
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Württemberg
Stuttgart, den 14. Juni. Prälat Wurm Kirchenpräsident
Im gestrigen Zusammentritt des Landeskirchenkages und Oberkirchenrates wurde beim entscheidenden Wahlgang Prälat Wurm in Heilbronn mit 5V von 71 Stimmen zum Kirchenpräfidenken der Evangelischen Landeskirche Württembergs gewählt. In diesem Wahlgang wurden noch 15 unbeschriebene Zettel abgegeben. Die übrigen Stimmen waren zersplittert. Prälat Wurm hat die Wahl angenommen. Die feierlicheverpflichtunades neugewählten Kirchenpräsidenten wird heule 11 Ahr vormittags im Sitzungssaal« des Landeskirchentags stattfinden.
Für 8 Millionen Marl Aufwertungsprozeh
Stuttgart, 13. Juni. Die Henkel von Donnersmarcksche Verwaltung in Neudeck (Oberschlesien), die seinerzeit das Gelände des alten Stuttgarter Bahnhofs von der Württ. Staatsbahnverwaltung genaust hat, hat gegen die Gesellschaften, die von ihr Teile des Geländes erworben haben, Aufwertungsprozeffe im vorläufigen Bettag von 8 Millionen Reichsmark heim hiesigen Landgericht anhängig gemacht. Durch diese Prozesse dürsten die Terraingeschälke Ler Stadt Stuttgart einen üblen Nachgeschmack bekommen, da die Prozesse zweifellos nicht ohne eine gewisse Aussicht auf Erfolg anhängig gemacht worden sind. Die Verwaltung hat übrigens! erst vor kurzem vor dem Reichsgericht «inen Aufwertungsprozeß gewonnen. Aebrigens soll die Verwaltung seinerzeit z. T. auch in entwerteter Papiermark bezahlt haben.
Stuttgart. 13. Juni.
Schulturnfeste. Durch Verordnung des Kulkministeriums sind die Schulen ermächtigt, jedes Jahr ein Schulturnfest abzuhalten, das durch musikalische und sonstige Aufführungen ausgestaltet werden kann. Auf Antrag kann die Oberschulbehörde für diesen Zweck einen besonderen schulfreien Tag gewähren. Die Teilnahme an dem Schulturnfest ist für Lehrer und Schüler verbindlich. Der Schulvorstand ist bersch- tigt, in begründeten Fällen von der Teilnahme zu befreien. In Verbindung mit dem Schulturnfest können Reichsjugend- wettkämpfe veranstaltet werden. Die Richtlinien dafür und die von dem Herrn Reichspräsidenten gestifteten Ehrenurkunden für einen Teil der Sieger sind von der Landes- turnänstalk zu beziehen.
Seidenbautehrkurse. Di« Württ. Landwirkschafkskam- mer veranstaltet vom 8.—13. Juli sechs eintägige praktisch- theorekische Seidenbaulehrkurse in Korntal in der Sei- henrauverei des Herrn A. Molikor, Ludwigsburger Skraße. Interessenten wollen sich unter Beifügung einer Anmelde, gebühr von 1 Mk. bis spätestens 29. Juni bei der Württ. Landwirtschafkskammer, Stuttgart, Marienstr. 33, anmelden. An jedem Kurs können 10—12 Personen teilnehmen.
Aus dem Lande
hellbraun. 12. Juni. Schwäbischer Geflügelzüchter tag. Der Geflügelzüchtertag am Samstag und Sonntag im Gartensaal der Harmonie verdient besonders Aufmerksamkeit. Das ausgestellte Großgeflügel, sowie Kük- ken mit und ohne Glucken, Tauben, Ziergeffügel, Eier, Zuchtgeräte, Futtermittel und Literatur erwecken allgemein Interesse. Neben der Ausstellung finden Tagungen und Vorträge von volkswirtschaftlicher Bedeutung statt. In den Tagungen und den Vorträgen wird besonders erwähnt werden, von welch großem Wert es ist, die Leistungen der Hühner r a s s e n zu heben, und welchen Vorteil das deutsche Frisch-Ei hat.
Tübingen, 13. Juni. Don der Universität. Der vrdtl. Pros. Dr. jur., Dr. sc. pol. Heinrich Pohl hat einen Ruf auf den durch den Weggang von Prof. Friedrich Heyer nach Bonn an der Universität Breslau erledigten Lehrstuhl für Kirchen-, Staats-, Berwaltungs- und Völkerrecht angenommen und bereits seine Ernennung zum Ordinarius in der Breslauer Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät erhalten.
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Böblingen. 13. Juni. Beerdigung von Dipl. - Ing. Laubenthal. Ein zahlreiches Trauergefolge hatte sich zur Beerdigung des Diplomingenieurs Paul Laubenthal eingefunden. Sechs mit Trauerfahnen geschmückte Flugzeuge kreisten dem verdienstvollen Flugzeugkonstrukteur zur letzten Ehre in der Luft und auf dem Flugplatz wehten die Fahnen auf Halbmast.
Suchen OA. Geislingen, 13. Juni. Wieder Wohnungszwangs w.irtschast. Der Gemeinderat hat beschlössen, mit Rücksicht auf den in der Gemeinde bestehenden großen Wohnungsmangel, der insbesondere durch den Zuzug auswärtiger Familien verursacht worden ist, die Gültigkeit des Wohnungsmangelgesetzes in der hiesigen Gemeinde wieder einzuführen und beim Württ. Oberamt zu beantragen, die hiesige Gemeinde als Gemeinde mit Wohnungsmangel zu erklären. Zugleich wurde beschlossen, den Eigenbau weiterer Wohnungen durch die Gemeinde vorläufig zurückzustellen und nötigenfalls der Frage der Erstellung von Eigenbauten der Gemeinde nach Abschluß des laufenden Baujahrs näher zu treten.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 14. Juni 1929.
Es würde unendlich viel besser in der Welt stehen, wenn es mehr Menschen gäbe, die selber denken und eigene Ansichten haben. Solche Gegner sind zu bekehren. Die bloßen Nachgeber aber sind unüberwindlich, da sie sich auf das Selbstdenken gar nicht einlassen. Hilty.
Endlich!
Aufklärung über das Versailler Diktat
Ein Erlaß des wirrt. Kultministeriums über den Vertrag vonVersailles besagt: Am 28. Juni ds. Js. jährt sich zum zehntenMalderTag.andem Deutschland zur Unterzeichnung des Vertrags von Versailles gezwungen wurde. Die furchtbaren Bestimmungen des Vertrags wurden mit der Behauptung gerechtfertigt, Deutschland habe den Weltkrieg in der frevelhaften Absicht herbei- geführr. andere Völker unter seine Botmäßigkeit zu bringen und mit Waffengewalt seine Weltherrschaft zu begründen.
Die Geschichtsforschung der letzten zehn Jahre'hat erwiesen, daß diese Behauptung völlig unwahr ist. Je mehr die Aufklärung über diese Kriegsschuldlüge verbreitet wird, desto mehr wird dem Vertrag von Versailles seine falsche Grundlage enzogen. Der Kultminister hat bestimmt, daß am 28. Juni d. I. im Rahmen des ordentlichen Unterrichts in sämtlichen Schulen auf die Bedeutung des Versailler Vertrags, auf seine Entstehung, seinen Inhalt, seine Folgen hingewiesen und in einer dem Verständnis der verschiedenen Altersstufen angepaßten Weile Stellung gegew die Kriegsschuldlüge genommen wird.,
Beisetzungsfeier für Polizeihauptmann Fischer
Mittwoch nachmittag fand die Beisetzungsfeier für Polizeihauptmann Alfons Fischer in Friedrichshafen statt, der infolge eines Unglücks auf dem Flugplatz Böblingen am letzten Samstag gestorben war. Dr. Freist nahm die Einsegnung vor. Dann setzte sich der Leichenzug nach dem neuen Friedhof in Bewegung. Vertreten waren die Offiziersvereinigung, Militär- und Schützenvereine, die Zollbeamten von Friedrichshafen, die Ortspolizei vom Weingarten und Jsny, die Beamten der Polizeidirektion Friedrichshafen, die Landjägermannschaft. Beamte des Staatsministeriums und viele Freunde. Am Grabe hielt Dr. Freist eine ergreifende Predigt. Er feierte den Toten als einen Mann treuester Pflichterfüllung, als echt deutschen Offizier, als liebenswürdigen Menschen und als treubesorgten Vater. Unter ehrenden Ansprachen legten Kränze nieder Polizeidirektor Quinten; für die staatliche Polizeidirektion Friedrichshafen, Oberregierungsrat Krämer namens des Innenministeriums und des Oberamts Tettnang, Oberst Reich namens der Offiziersvereinigung der württembergischen Schutzpolizei, Oberleutnant Elser namens der Offiziere der Polizeibereitschaft Löwental, Stadtschultheiß Schnitzler namens der Stadtverwaltung Friedrichshafen und Vertreter zahlreicher anderer, Vereinigungen und Körperschaften.
Bei der Beerdigung kreuzte das Dornierflugzeug „Delphin277", das als letzte Ehrung einen Kranz abwars.
Eine vorbeigelungene Gründungsversammlung
Eine Partei, die an anderen Stellen seit ihrer vor einigen Jahren erfolgten Gründung große Fortschritte gemacht, z. V. in Sachsen bei den letzten Wahlen über 100 Proz. zugenommen hat, versuchte gestern abend im Waldhorn mit Unterstützung von Mitgliedern der rührigen Herrenberger Ortsgruppe eine solche auch für Nagold zu
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(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung 17)
„Meinetwegen auch! Ich Hab dir schon gesagt, schlag zu! Ich sag es noch einmal. — Warum schlägst du nicht?" — Die Trude hat da hinten ein Spaltmesser hängen, du brauchst es nur herabzunehmen und mir den Schädel entzweizuhauen. Ich halte ganz still. Und wenns vorüber ist, läufst du auf die Gaste uno sagst es allen Leuten: „Ich Hab meinen Bruder". — er machte die Geste des Erwürgens — „weil er sich erfrecht hat, meine Frau zu küssen".
Ernst von Ebrach zuckte zusammen, aber er sagte kein Wort.
„Warum redest du nicht!" erregte sich Max. Er schielte nach dem anderen hinüber, sah, daß, sich vielleicht noch etwas abschwächen und wieder gutmachen ließ, und rückte wieder näher an ihn.„Schau, Ernste!, es ist nicht eins wies andere, bei den Frauen nicht und bei den Männern gibt es auch Unterschiede. Ich habe nun mal so das Bedürfnis nach Abwechslung! Immer wieder was anderes! Nicht ewig das gleiche. Ist das nicht blödsinnig, immer an eins gebunden zu sein, und gleich ein ganzes Leben lang! — Denk doch, ein ganzes Leben!" Seine Stimme wurde hell und zornig. „Widersinnig ist das, findest du nicht auch?"
„Nein!"
„Also du findest das nicht! — Nun gut!" Er war froh, daß er überhaupt eine Antwort bekommen hatte, und begann sofort wieder zu sprechen. „Nun steh mal, ich bin anders. Da hast du zum Beispiel jemand neben dir, den du sonst ganz gut leiden kannst, und der hängt sich dir nun zeitlebens wie ein Brombeergeäst an die Rockschöße. Ob du nun lachst oder weinst, arbeitest oder schläfst, guter oder schlechter Laune bist, ob es regnet oder der Wind bläst oder die Sonne scheint, ob du nun gerade Geld in der Tasche sitzen hast oder dein Beutel leer ist wie ein ausgepumpter Brunnen, überall ist er neben dir, und überall will er mit hingeschleppt sein. An allem will er teilhaben. Ganz einfach gräßlich ist das!"
„Nein!"
„Also nein! — Für mich schon! Und wenn ich manchmal des Nachts auswachte oder nach Hause gekommen bin, habe ich eine fürchterliche Wut auf meine Frau gekriegt, daß sie da so selbstverständlich ihren Platz neben mir behauptete — an meiner Seite — in meinem Zimmer, das eigentlich nur mir gehört".
„Max!"
„Ja! — Verschroben, nicht wahr! Vater sagte wenigstens so, als ich ihm das alles explizierte. Und dann, als mir die Lore-Lies den Vorschlag der Scheidung machte, wär's mir ganz recht gewesen, wenn sie sich in einem anderen Raum häuslich eingerichtet hätte, aber das wollte sie nicht. Sie wollte fort, nur fort! — Nun hat sie ja ihr Pläsier!"
»Pläsier!"
„Ich meine so, wie sie's gewollt hat, ihre Freiheit nämlich. — Jetzt bin ich abgekommen von dem, was ich eigentlich sagen wollte", dachte er erschrocken. „Und sieh mal, Ernst, wie ich da deine Frau am Morgen nach Mutters Beerdigung im Garten sitzen sah, bekam ich so ein Bedürfnis. nach ein bißchen Liebe. Bin hinterrücks an die Bank geschlichen — und Hab sie —"
„Schweig doch! Ist es denn immer noch nicht genug?"
„Ein wenig mußt du mich noch anhören, Ernst. — Da Hab ich sie schlankweg geküßt — Mitten auf den Mund!"
Einsts Zähne standen im leichten Abstand in dem halbgeöffneten Mund. Er sog den Atem ein und hielt seine Hände in Schach und seinen ganzen Körper desgleichen.
„Und sie?"
„Sie! — Gott, sie hat sich umgedreht und gesagt: „Schwager, du bist das größte —. Du erlaubst doch, daß ich den Ausdruck für mich behalte! —" Wir haben beide gelacht, und damit war die Sache erledigt."
„Alles?"
„Natürlich alles! Wenn noch etwas nachgekommen wäre, wär's höchstens eine Ohrfeige für mich gewesen".
Ernst von Ebrach bohrte seine Augen in das schwammige Gesicht vor ihm. „Wenn du mich belügst!" Seine Hände hoben sich und sanken im selben Augenblick wieder zurück.
„Ich Hab dich nicht belogen, sonst würde ich dir das Spaltmesser dort in die Hände geben und sagen: „Hau zu, du erweist dir einen Gefallen und mir auch!"
„Kommen Sie um Gottes willen!" Die Frau, welche
I bis jetzt um Trude beschäftigt war, hatte die Türe weit aufgeristen und es hereingerufen. „Die Dame will sich nicht beruhigen, daß das Kind tot ist, und es ist doch nichts zu machen! Ich habe das arme Kerlchen hinüber ins Zimmer gelegt, damit sie es nicht immer vor Augen hat. Wenn Sie wünschen, werde ich für alles sorgen, die Beerdigung und was sonst noch zu regeln ist".
„Ja, bitte". Ernst entnahm seiner Tasche einen Hundertmarkschein. „Genügt es?"
Die junge Frau sah ihn an. „Man bezahlt das nicht vorher schon, sondern erst, wenn die Rechnung gestellt wird. Nur einen Kranz vielleicht und ein paar Kerzen. Ich werde Ihnen hernach alles zusammeustellen. Wenn Sie jetzt herüberkommen möchten, damit die arme Mutter Trost bekommt. Ich sehe morgen wieder nach".
Die beiden Ebrachs sahen sich schweigend an.
„Geh du, Ernst! Ich habe kein Geschick für so etwas!"
„Ist sie unser beider Schwester oder nur die meine?" frug die Aeltere hart. Seine Stimme klang aus der Enge des Raumes, als träfe sie auf schweres Holz.
„Unser beider — ich weiß es wohl! Aber ich, ich bin ein Wrack! Ich habe selbst keinen Halt! Was soll die Trude in so einer Stunde mit mir! Ich könnte ihr höchstens etwas vorheulen, wenn es nötig ist, oder eine Schnurre erzählen, und das taugt beides nicht. Also geh du! Und geliebt — geliebt hat Trude dich immer am meisten".
„Willst du ihr das jetzt zum Vorwurf machen?"
Die Augen des Aelteren standen ganz voll bitteren Zorns.
„Bewahre! Nicht im geringsten! Aber es ist Tatsache, wir wissen's doch alle".
Die Tür schloß sich hinter Ernst. Max hörte Trudes schmerzverschleierte Stimme. Schrecklich! Schrecklich! Das Leben war nichts als ein großes Krautfaß, immer in Eährung begriffen, ließ es einen niemals zur Ruhe kommen.
Wie Ernst sprechen konnte! Wie ein Prediger! Komisch, daß die Kinder ein und derselben Mutter so geartet sein konnten, wie das bei ihm und dem Bruder der Fall war. Karl zählte nicht. Der war ein Schollenmensch geworden, fuhr seinen Mist auf das Feld und aß die Schweine, die er selbst mästete. Jeder nach seiner Art.
(Fortsetzung folgt)