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Mit den illustrierten Beilagen „Feierstunden" „Unsere Heimat", „Die Mode vom Tage".
Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage: „Haus-, Garten- und Landwirtschaft"
Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn 1.60; Einzelnummer 10 — Erscheint an
jedem Werktage. — Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Schriftleitung, Druck und Äerlag v. G. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
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Är. 127
Gegründet 1827
Montag, den 3. Juni 1928
Fernsprecher Nr. 29
103. Jahrgang
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Wir wollen frei fein, wie unsere Väter wären. Lieber den Tod. als in der Knechtschaft leben!
1919 bis 1929 sind es zehn Jahre, bis 1966, so wie der Bericht der Pariser Tributkonferenz lautet. 37 Jahre, und dann als dritter Zeitabschnitt, für den noch keine genaueren Jahreszahlungen ausgeworfen sind, noch weitere 19 Jahre. Macht also 68, sagen wir rund 7 0 Jahre. Man spricht in der Geschichte von einer babylonischen Gefangenschaft der Juden und von einer babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Hier könnte man auch von einer „babylonischest Gefangenschaft der Deutschen" reden.
Es ist geradezu erstaunlich, aber auch tief betrübend, wie wir Deutschen diese Sache so selbstverständlich hinnehmen. Allenfalls hält man sich aber auf an den Milliarden, die wir Jahr für Jahr zahlen sollen. Aber herzlich wenig liest man in den Zeitungen von der entsetzlichen Länge unseres Frondienstes, daß nämlich nicht nur wir, sondern auch unsere Kinder und Kindeskinder auf 70 Jahre hinaus für einen verlorenen Krieg büßen sollen, vollends für einen Krieg, den unsere Feinde seit 1902 vorbereitet und eingefädelt haben und an dessen Ausbruch Deutschland nur insofern eine Mitschuld trägt, als der damalige Reichskanzler v. Bülow in seiner vertrauensseligen Friedenspolitik zu spät merkte, wie der Auslandshase lief, so daß er das im Februar 1902 uns von Rußland angebotene Bündnis in Uebereinstimmung mit dem doktrinären Berater der deutschen Diplomatie, Holstein, schroff ablehnen zu miff- sen glaubte, weil ein Bündnis von England und Frankreich so ausgelegt werden könnte, als ob es auf einen Krieg Hinziele. An die Möglichkeit eines englisch-französisch-russischen Bündnisses glaubte Bülow damals nicht, er mußte sich aber bald von seinem Irrtum überzeugen. Als Bülow dann entdeckte, daß die Maschen der von England aus betriebenen Einkreisung Deutschland immer enger und gefährlicher wurden, und daß auch aufItalien kein Verlaß mehr war, hat er 1904 seinerseits Rußland dreimal ein Bündnis angeboten, aber nun wollte der russische Außenminister Graf Lamsdorfs nicht mehr. Rußland war durch die Ablehnung seines Antrags tief verstimmt. Aber in die richtige Sackgasse geriet Deutschland allerdings erst unter Bethmann Hollrveg, der sich überhaupt nicht zu helfen wußte und in eine bejammernswerte Abhängigkeit von der Wiener Diplomatie eines Aehren- thal und Konsorten geriet. Die letzten Möalickkeiten vor
dem Ausgang von 1914 wurden jetzt verschüttet. Doch dies nur nebenbei.
Wenn man uns vor zehn Jahren gesagt hätte, daß wir trotz der riesigen Abtretungen an Land, Kolonien, Motte, Heeresgerät usw. weitere 70 Jahre fronen müssen! Als das Ultimatum der feindlichen Mächte zum Versailler Diktat im Berliner Kabinett in seinem Wortlaut bekannt wurde, wurde auf Antrag des sozialdemokratischen Bolksbeauf- tragten David beschlossen, es als „unmöglich und undurchführbar" abzulehnen. Am 12. Mai 1919 erklärte der Ministerpräsident Scheidemann in der Aulakagung der Nationalversammlung im Namen der Reichsregierung: „Dieser schauerliche und mörderische Hexenhammer, mit dem einem großen Volk das Bekenntnis der eigenen Unwürdigkeit, das Einverständnis mit Versklavung und Helotentum abgepreßt werden soll, dies Buch darf nicht zum Gesetzbuch der Zukunft werden. WelcheHand müßte nichtver- dorren, die sich und uns solche Fesseln auferlegt!... Ein einig Volk vermag viel!... Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, — bewahret sie!" — Der preußische Ministerpräsident Hirsch erklärte „namens aller deutschen Freistaaten": „Lieber tot als Sklave!" Unser Landsmann Haußmann nannte den Vertrag „eine neue Form langsamer Folterung eines ganzen Volks". Und Präsident F ehre nb ach sagte zum Abschluß der Sitzung: „Unsere Kinder sollen mit dem Willen erzogen werden, nicht nur die Hand zur Faust zu ballen, sondern die Sklavenketten zu brechen und die Schmach abzuwaschen, die unserem deutschen Antlitz zugefügt werden soll."
Zwei Jahre nachher, im Mai 1921, hat man uns die Rechnung über 13 2 Milliarden vorgelegt. Das ganze deutsche Volk fuhr über diesen Wahnsinn erschreckt zusammen.
Und heute? Daß wir Milliarden zahlen sollen — daß wir sie noch 37, ja 58 Jahre weiterzahlen sollen, das alles nimmt man mit einer unheimlichen Ruhe dahin. Wer anders denkt und fühlt, der gilt entweder für einen verbohrten Nationalisten, an dem Hopfen und Malz verloren sei, oder für ein politisches Kind, das noch nicht über d»s Abc -er auswärtigen Politik hinausgekommen sei.
Nein! Wie sagte Schiller? „Wir wollen frei sein, wie unsere Väter waren. Lieber den Tod, als in der Knechtschaft leben."
Die sogen. „Einigung" über die Vorbehalte
Sie forderten 3S5VV Millionen — wir boten als Aeutzerstes 26 560 Millionen .
und einigten uns auf 36 885 Millionen
Paris, 2.3um> Am Freitag nachmittag ist nun auch üb« bk« deutschen Vorbehalte usw. eine Einigung herbei- geführt worden mit Ausnahme der belgischen Son> derforderung von 25 Millionen Gvkdmark jährlich auf 87 Jahre, die jedenfalls von Frankreich unterstützt wird und für die in den 5 oder 6 Tagen, während deren nur an der Mfassung des gemeinsamen Berichts gearbeitet wird, gewirkt werden soll.
Die Einigung erstreckt sich auf folgende Punkte:
1. Der ungeschützk.e Teil der deutschen Iahreszahlung ist entsprechend der deutschen Forderung auf 660 Millionen Goldmark einschließlich der Verzinsung und Abtragung der Dawesanleihe, also auf 571 Millionen ohne Dawesanleihe. festgesetzt worden.
2. Die Kontrolle über die Reichsbahn wird äbgefchaffk. Die Eisenbahn- und Industrieobligationen werden verschwinden. Dem Reich soll jährlich aus den Einnahmen der Reichsbahn als besondere Steuer ein Betrag von 645 Millionen zufließen, der zur Bank für in- ternationale Zahlung fließen und dort einen Spezi al- reservefonds bilden soll.
3. Die Regelung der Zahlungen vom 38- bis 58. Jahr ist wie folgt gedacht: Von dem eben genannten Reservefonds sollen 25 v. H. für die letzten 21 Jahre angesammelt werden. Die weitere Deckung der letzten 21 Jahre soll durch einen etwaigen Schuldennachlaß der Amerikaner erfolgen, von dem wieder acht ein Drittel v. H. dem gleichen Zweck zugeführt werden sollen. 66 zwei Drittel v. H. eines amerikanischen Nachlaßes kommen Deutschland zugute, die restlichen 25 v. H- dagegen den Verbündeten. 80 d. H. der etwaigen Gewinne der Bank für internationale Zahlungen dienen gleichfalls der Abdeckung der letzten 21 Jahre.
4. Das Gesellschaftskaplkalder Bank für internationale Zahlungen wird in Höhe von 400 Millionen Aeichsmark in Aussicht genommen. An Betriebsmitteln wird die Bank insgesamt 11s bis 2 Milliarden jährlich erhalten, worin u. a. eine ungeschützte Iahreszahlung in Höhe von 660 Millionen Aeichsmark enthalten ist, die den Verbündeten zur Verfügung gestellt werden.
5. lieber die Höhe des deutschen Beitrags zum Betriebsfonds ist noch keine Einigung erzielt- Es erscheint ven deutschen Sachverständigen sehr schwierig, die vor
geschlagene Summe von 40 bis 50 'Millionen "jährlich der Bank zur Verfügung zu stellen.
6. Die Frage der Heranziehung d^ r österreichischen Nachfolgestaaten zur Reparationslösung soll erst in einem Jahr (!) ihre Lösung finden. Die Berbün- deken haben sich inzwischen klar zu werden, ob sie von lhrmi Schuldnern, d. h. von den Nachfolgestaaten, die ihnen geschuldeten Summen eintreiben wollen oder nicht. Auch diese Summe würde, falls die Verbündeten sie erhalten, zur Abdeckung der letzten 21 Jahre herangezogen werden.
7. Transfer- und Zahlungsaufschub werden miteinander verbunden. Das Transfermoratorium wird für 2 Jahre durch die deutsche Regierung erklärt werden können. Nach Ablauf eines Jahrs kann die deutsche Regierung nur für
, » ^ ^ ^ ^ ^ geschützten Iahreszahlung die Aufbringung einstellen-
8 DieSachlieferungen beginnen in Höhe von 750 Millionen jährlich und fallen bis auf einen Betrag von 300 Millionen jährlich um 50 Millionen, um nach 10 Jahren ganz aufzuhören.
9 Die Liquidationen und die gemischten Schiedsgerichte hören auf.
10. Der Recovery-Ack wird mit den Sachlie- ferungen verbunden. Nach dem Recovery-Act werden künftige Beträge nur in Höhe von 20 v. H. der jeweiligen Sachlieferungen erhoben. Der erhobene Betrag sinkt somit von 150 auf 60 Millionen Goldmark im Jahr und hört mit den Sachlieferungen auf.
Der Gegenwarkswerk der ganzen Tributschuld nach dem neuen Young-Plan ergibt die Summe von 36 885 Millionen Goldmark- Die Gegenseite hatte zu Beginn der Konferenz einen Gegenwartswert von 39 500 Millionen Goldmark verlangt, während Dr. Schacht zwei Monate später als äußerste deutsche Leistungsgrenze 26 500 Millionen anbok. Das Rennen hat also die Gegenseite gewonnen.
Der bekannte Großindustrielle Fritz Thyssen berechnet d,e zur Tilgung der Young-Reparationen und zur Auf- ^chterhaltung der deutschen Wirtschaft (Beschaffung von Rohstoffen usw.) notwendigen fremden Devisen auf rund 4000 Millionen RM. jährlich. Der Young-Plan sei daher ungünstiger als der Dawesplan, da der doch immerhin im Dawes-Plan noch gewährte Schutz für die deutsche Wäh- rung und Wirtschaft nunmehr weafalle.
Wie die Münch.-Augsb. Abendzeitung meldet, sind vor einigen Tagen die in Handelskreisen bekannten Herren Geh^ Kommerzienrat Louis Hagen und Otto Wolf aus Köln nach Paris gereist und haben mit der deutschen Abordnung im Sinn der Auffassung gewisser deutscher Wirtschaftskreise unterhandelt, um sie zur Fortführung der Pariser Verhandlungen zu veranlassen, statt wie Dr. Bögler das Amt niederzulegen.
Neueste Nachrichten
Die 55. Ratstagung
Berlin. 2. Juni. Die deutsche Abordnung für die 55. Tagung des Völkerbundsrats am 10. Juni ist am Sonntag abend nach Madrid abgereist, nämlich Staatssekretär v. Schu- bert, Ministerialdirektor Gaus, Geheimrat v. Weizsäcker» Gesandter Freytag, Legationsrat Strohm, Konsul Reinbeck, Legationsrat Göbel und von der Presseabteilunq Dr. Tripe- loury, sowie der ganze Stab der Angestellten. Dr. Stiefeln an n wird mit Staatssekretär Pünder und Ministerialdirektor Zechlin erst am Mittwoch Nachfolgen. Auf der Tagesordnung stehen u. a. der Minderheitenschutz in Oberschlesien und der Bericht der sogenannten Vorbereitenden Abrüstungskonferenz.
Verleihung des Pour le Merkte für Wissenschaft und Kunst
Berlin, 2. Juni. Der Professor der Philosophie, Geheimrat Stumpf, Berlin, Frau Professor Käthe Kollwitz, Malerin, Berlin, und Kapellmeister Furtwängler haben den Orden Pour le Merite für Wissenschaft und Künste von der Freien Vereinigung von Gelehrten und Künstlern erhalten.
Der 10. Reichsfrontsoldatenkag in München
München, 2. Juni. Zum Stahlhelmtag oder, wie die offizielle Bezeichnung lautet, zum 10. Reichssrontsoldatentag sind schon am Freitag ungeheure Scharen auswärtiger Teilnehmer in München eingetroffen. Reichspräsident v. Hin- denburg und Generalfeldmarschall v. Mackensen» der
Aufregung in Moskau
Moskau, 2. Juni. Die Sowjetregierung übergab dem chinesischen Gesandten eine scharfe Note, in der die sofortige Freilassung des sowjetrussischen Generalkonsuls und seines Personals in Charbin sowie die Herausgabe der beschlagnahmten Schriftstücke verlangt wird. Die Lanomut Moskaus habe ein Ende. Die Sowjetregierung fühle sich künftig nicht mehr an die allgemein gültigen Rechtsnormen gegenüber der chinesischen Vertretung in Moskau und den chinesischen Konsulaten gebunden.
Der chinesische Vertreter in Moskau ist von der Regierung in Nanking bereits abberufen worden, ebenfalls erwartet wird, sandten kameradschaftlichen Gruß. Die Führer des Stahlhelm, Franz Seldte und Major Düsterberg wurden vom Ministerpräsidenten Dr. Held empfangen. Auf dem Empfangsabend im Löwenbräukeller, der die Massen der Besucher bei weitem nicht fassen konnte, überbrachte der Führer des bayerischen Landesverbands» Oberst o. Lenz, die Grüße des Kronprinzen Rupprecht. Der Anschluß der bayerischen Wehrverbände an den Stahlhelm sei dem Wunsch entsprungen, die bayerischen Forderungen stärker zur Geltung zu bringen. Das Ziel sei Kampt gegen Marxismus und Pazifismus und Wiedergewinnung der bayerischen Eigenstaatlichkeit. Bundesführer Seldte gab in seiner mit stürmischem Beifall aufgenommenen Ansprache als Losung aus: Zurück zu Bismarck!
Starker Eindruck in Italien
Rom, 2. Juni- Der Wahlsieg der Arbeiterpartei hak in Rom starken Eindruck gemacht, da sich die faszistische Außenpolitik, zumal nach der Zusammenkunft Muffolinis mtk Chamberlain in Florenz, auf dem Zusammengehen mit den englischen Konservativen aufbaute. Nach dem Aufkommen der Arbeiterpartei hätte Italien England gegen sich.
Die Wahlen in England
London, 2. Juni. In den Regierungsblättern kommt die Bestürzung über das Wahlergebnis zum Ausdruck. Zum Trost wird angeführt, daß die Siegesträume der Libe« a- len so sehr enttäuscht worden seien, und der ganze Aerger wendet sich gegen sie, weil sie hauptsächlich an der konservativen Niederlage schuld seien. Für die jetzige verfassungsmäßig schwierige Lage sei Lloyd George verantwortlich. Die Liberalen seien jetzt allerdings das Zünglein an der Wage und bei ihnen stehe es, ob die Konservativen weiterregieren können, oder ob die Arbeiterpartei zur Resterung komme, die liberale Partei habe aber so viel Anehen verloren, daß es ihr schwer fallen werde, ihre ausl- chlaggebende Stellung zum eigenen Vorteil auszuunrten. Es sei anzunehmen, daß eine Regierung der Arbeiterpartei nicht von langer Dauer sein werde. Die liberalen „Daily News" meinen, das Ergebnis der Wahlen werde eine gesündere und ehrlichere Politik bringen; das Ränkespiel für die Hochschutzzölle werde ein Ende nehmen müssen.
Die Regierung Baldwins wird keinesfalls
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