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Nagolder TagblattDer Gesellschafter

Donnerstag, 30. Mai 1929

es wünscht. Es gibt dort zu streichen, zu graben, zu dün­gen und schließlich dafür Sorge zu tragen, daß man die richtigen Pflanzen aussucht. Fehlt dem einen oder ande­ren die Erfahrung, welche Pflanzen am besten im Schat- . ten oder in der Sonne gedeihen, so frage man einen Fach- i mann, geht einem das richtige Verständnis für die rich- j tige Farbenzusammenstellung mehrfarbiger Blumen ab, so wähle man einfarbige, sie wirken immer schön und im­mer besser als geschmacklose Buntheit. Man muß nur wol­len, dann wird man es schon so schön schaffen, daß ein ent­zückter Ausruf von der Straße hersieh nur, wie schön ist Lies" die eigene Freude am Gelingen noch vertieft. Viele unserer Bürger geben sich wirklich in dieser Hinsicht lo­benswert viel Mühe u. wir würden gerne des einen oder anderen Arbeit und Können erwähnen, doch befürchten wir, dabei bei evtl. Vergessenen an empfindliche Saiten zu rühren. Sie sollen sich mit einem Eesamtlob alle betrof­fen fühlen und durch ihr gutes Vorbild die andern, noch abseits Stehenden zum Nacheifern anspornen. Der Lauen, denen jede Arbeit am Fenster oder im Garten überflüssig erscheint, sind leider gar viele, sodaß ihre ungepflegten Besitztümer das schöne Bild einer Stadt stören können. Der Einheimische empfindet es vielleicht weniger als der Fremde, dessen Auge beim Besuch einer anderen Stadt mehr als sonst auf der Suche nach schönen Eindrücken ist, die immer im Gedächtnis haften bleiben werden, wenn er in Gedanken seine Fahrt ins Land noch einmal erlebt. Und schließlich . . . gibt es auch Nagolder, die Verständ­nis für Schönheiten haben und entsprechende Rückschlüsse von Vorgärten, Fenstersimsen und Valkonen auf deren Besitzer ziehen. Darum: Schmückt Fenster, Balkone und Vorgärten mit Blumen!

Tödlicher Unglücksfall

Am Dienstag arbeitete der im väterlichen Geschäft tä­tige 18jährige Schreiner Ernst Renz an der Kreissäge. Dabei sprang ein Stück Holz ab und flog R. wider den Leib. Der sofort herbeigerufene Arzt veranlaßte die lleberfiihrung ins Krankenhaus, doch konnte dem Verun­glückten die Operation keine Hilfe mehr bringen. Aeußer- Uch war keinerlei Verletzung zu sehen, dagegen war der Dünndarm durch die Wucht des Anpralles gerissen und der Darminhalt der Vorfall ereignete sich unglücklicher­weise auch noch kurz nach der Mittagsmahlzeit hatte sich in den Leib gedrängt. Ohne aus der Narkose zu er­wachen, starb der als fleißig, gehorsam und tüchtig be­kannte junge Mann. Den tiefgebeugten Eltern wendet sich allgemeine Teilnahme zu.

Gut abgelaufen

Gestern abend um die zehnte Stunde kam der Photo­graph Hollaender von hier mit seinem Hanomag aus Richtung Altensteig. An der Kurve beim Spital kam ihm ein anderes Auto entgegen, das nicht abgeblendet gehabt haben soll. Hierdurch fuhr der Hanomag, dessen eigenes Licht nicht ganz in Ordnung war, auf einen dort liegen­den Steinhaufen auf. Durch sofortiges Abstoppen war der Anprall nicht so groß, daß Personen verletzt wurden. Le­diglich die Scheiben des Wagens wurden zum Teil zer­splittert.

Aus dem Fahrplan

Am kommenden Sonntag, 2. Juni, verkehrt der fahr­planmäßige Bodenseezug Pforzheim-Konstanz und zurück Nagold ab 6.14, Konstanz ab 10.23, Konstanz ab 19.12, Nagold an 22.59. Sonntagsrückfahrkarte Nagold-Konstanz kostet 8.20 -K. Selbstverständlich kann dieser Zug auch nach und von sämtlichen Haltestationen (Eutingen, Horb, Sulz, Oberndorf, Rottweil, Spaichingen, Tuttlingen, Jm- mendingen) mit Sonntagsrückfahrkarten oder gewöhnli­cher Fahrkarten benützt werden.

Untertalheim, 29. Mai. Ein kleines Schadenfeuer, das sich leicht zur unheilvollen Katastrophe hätte entwickeln können, brach am Sonntag 19.30 Uhr in dem auf der An­höhe und zu unserer Gemeinde gehörenden Easthof zum Käppele" aus. In einem Anbau, in welchem Holz und Reisig aufbewahrt wurde, ist vermutlich durch achtloses Wegwerfen eines Zigarettenstummels das Feuer entstan­den. Es wurde jedoch von der Frau des Besitzers alsbald bemerkt und ist von hilfsbereiten- Gästen im Entstehen ge­löscht worden. Außer einem kleinen Eebäudeschaden ist kein größerer Sachschaden entstanden.

Tonlaubeuschietzen der Dezirks-Zägervereiniguug Herrenberg

Mötzingen, 29. Mai. Wie alljährlich, so auch dieses Jahr fand wieder ein Tontaubenschießen der Jä­gervereinigung Herrenberg und zwar in Mötzingen statt, das zugleich als Ehrung für unser ältestes Mitglied pens. Waldschütz Christein galt. Als Neuheit wurden noch

2 Scheiben ausgestellt und zwar eine Bockscheibe und eine Ehrenscheibe. Anwesend waren vom Bezirk Herrenberg 22 Mitglieder, aus dem Nachbarbezirk Nagold beteiligten sich

3 Gäste. Das Schießen begann um 3 Uhr. Vom Gasthaus zur Krone in Mötzingen wurde unter Vorantritt der Mu­sikkapelle Mötzingen der Weg zum Schietz-Stand, der in freundlicher Weise vom Schützenverein zur Verfügung ge­stellt wurde, angetreten. Zuerst wurde auf den Bock ge­schossen. Folgende Herren konnten Resultate erzielen: Baitinger-Oberjettingen, Baur-Kuppingen, Brenner- Mönchberg, Eebert-Herrenberg, Restle-Nagold, Eelten- bort-Unterjettingen, Beck-Mönchberg, Sauer-Herrenberg, Christein-Mötzingen. Nun wurde die Ehrenscheibe beschos­sen, Besitzer derselben wurde Schanz-Mönchberg.

Jetzt wurde von den Mitgliedern die obligatorische Uebung ftO Tauben) geschossen, die für die Preisver­teilung maßgebend war. Nach Beendigung der Uebung wurde auch den anwesenden Gästen Gelegenheit gegeben, 2hre Kunst zu zeigen. Die im schattigen Walde lagernde Musikkapelle ließ ihre lustigen Weisen ertönen und wem die Sonne zu sehr die Kehle trocknete, der konnte sich an dem frischen Naß des nahen Bierwaaens erlaben. Nur allzu früh wurde zum Rückmarsch geblasen. Im Gasthaus zur Krone fanden die Schützen ihr Unterkommen und bald entwickelte sich ein fröhliches Treiben. Nachdem die Preise gesichtet waren, schritt man zur Preisverteilung. Vorstand Herr Fabrikant Eebert-Herrenberg hielt eine An­sprache und dankte allen denen, die zum Gelingen des Ta­ges beigetragen haben. Auch unser ältestes Mitglied, Waldfchütz Christein ließ es sich nickt nehmen und hielt ebenfalls eine Rede. Hierauf folgte die Preisvertei- luna.

Dank der Eebefreudigkeit der Mitglieder konnte an sämtliche Tontaubenschützen Preise verteilt werden.

Folgende Schützen erhielten Preise:

1. Schanz Mönchberg 11 Patronen, 10 Tauben; 2.

Ziegler, Nagold 10 Patronen, 9 Tauben; 3. Rinderknecht, Unterjettingen, 11 Partonen, 9 Tauben; 4. Marquardt, ^ Nufringen 10 Partonen, 8 Tauben; 5. Morlok, Mötzingen 11 Patronen 8 Tauben; 6. Sauer, Herrenberg 11 Patro- ! nen, 8 Tauben; 7. Rentschler, Unterjettingen 10 Patro- ! nen, 7 Tauben; 8. Egeler, Schultheiß, Nebringen 10 Pa- ! tronen, 7 Tauben; 9. Schwarz,Herrenberg 10 Patronen, 7 Tauben; 10. Lhristein, Mötzingen 10 Patronen, 6 Tau­ben; 11. Gebert, Herrenberg 10 Patronen, 6 Tauben; 12. Wilhelm, Unterjettingen 10 Patronen, 6 Tauben; 13. Bauer, Kuppingen 11 Patronen, 6 Tauben; 14. Eelten- bort, Unterjettingen 10 Patronen, 5 Tauben; 15. Keg­reiß, Mönchberg, 10 Patronen, 5 Tauben; 16. Egeler, Ne­bringen, 10 Patronen, 5 Tauben; 17. Sindlinger, Mötzin­gen 14 Patronen, 5 Tauben; 18. Baitinger, Oberjettin­gen 20 Patronen, 6 Tauben; 19. Bürkle, Oeschelbronn, 18 Patronen, 4 Tauben; 20. Nestle, Nagold, 10 Patronen, 1 Taube.

Calw, 29. Mai. Aus der Milchwirtschaft. Die am letz­ten Sonntag abgehaltene, sehr zahlreich besuchte General­versammlung des Darlehenskassenvereins Alth eng­ste tt hat die Erstellung eines Lagerschuppens beschlossen. Im Anschluß an die Versammlung referierte Schultheiß Braun über Molkereifragen. Die ursprünglich beabsich­tigte großzügige und zweckmäßigste Lösung durch Errich­tung einer großen Molkerei in zentraler Lage lasse sich zur Zeit nicht verwirklichen, weil eine Beihilfe aus Mit­teln der Molkereikreditaktion des Reiches nicht in Aus­sicht gestellt wurde und dadurch hohe Geschäftsanteile er­forderlich wären. Auch sei wegen der Platzfrage unter den in Betracht kommenden Gemeinden eine Einigung nicht zu erzielen gewesen. Unterdessen habe die Gemeinde Mött- lingen bereits eine eigene Molkerei errichtet. Die in Alt- hengstett und Neuhengstett bestehenden Milchabsatzver­hältnisse dringen nun ebenfalls auf die Errichtung einer eigenen Molkerei. Bei einem Zufammenschluß der Ge­meinden Althengstett und Neuhengstett ist mit einer Mit­gliederzahl von 220 und einer Milchanlieferung von zu­nächst 1200 Litern zu rechnen. Von der Versammlung und den anwesenden Vertretern von Neuhengstett wurde eine Kommission von 5 Mitgliedern bestimmt, welche sofort die zur Errichtung einer gemeinschaftlichen Molkerei nötigen Vorbereitungen trifft, so daß in aller Bälde die erste Mit­gliederversammlung einberufen und dann mit dem Bau begonnen werden kann.

Schönmünzach, 29. Mai. Reichsaußenminister Dr. Stresemann ist wieder einmal, und zwar am Samstag abend, hier abgestiegen, um im HotelWaldhorn" das Abendessen einzunehmen.

Aus aller Welt

Maus und Perlenhalsband. Gegen den in München lebenden 63 öahre ollen Schriftsteller Karl Alexander von Gleichen-Rußwurm begann gestern vor dem Großen Schöffengericht in Würzburq die Verhandlung wegen Betrugsversuchs. 18 Zeugen und 4 ärztliche Sachverständige waren geladen Die Anklage legt dem Baron zur Last, daß er am 17. Oktober 1925 von seinem Gut in Unterfranken aus an eine Münchener Juwelierfirma einen mit 13 000 Mk. Wert deklarierten Wertbrief sandte, in dem sich angeblich ein Perlenhalsband, das bei einer Kölner Versicherungs­gesellschaft mit 65 000 Mk. versichert war, befinden sollte, in dem aber bei der Ankunft in München eine koke Maus vorgefunden wurde. Der Angeklagte soll das Tier lebend statt des Perlenhalsbandes eingepackt hoben in der Erwar­tung, daß sich die Maus während des Transportes durck- nagen und so die Beschädigung der Sendung und den Verlust des Inhalts Vortäuschen werde. A- v. Gleichen-Rußwurm ist bekanntlich ein Urenkel Schillers.

Amerika duldet keinen Pazifismus. Einer aus Ungarn vor einigen Jahren in Amerika eingewandcrten Pazifistin, Frau Schwimmer, war die Erwerbung des Bürgerrechts der Vereinigten Staaten versagt worden, weil sie sich ge­weigert hatte, die Ausnahmebedingung zu unterschreiben, daß sie bereit sei, im gegebenen Fall zur Verteidigung von Regierung und Verfassung Waffen zu tragen. Frau Schwimmer focht die Abweisung durch alle gerichtlichen In­stanzen an, aber jedes Gericht und zuletzt das Oberste Bun­desgericht wiesen ihre Klage ab. Im Ausland geborene Frauen, die jene verfassungsmäßige Forderung ablehnen, dürfe das Bürgerrecht nicht erteilt werden.

Max Holz aus der Schwei; abgeschoben. Beim Betreten Schweizer Bodens wurde in Basel der deutsche Kommu­nist Max Hölz am Montag festgenommen und über die deutsche Grenze abgeschoben.

Die Komtesse Nlonroy, die in Berlin wegen Iuwelen- diebstahls verhaftet wurde, ist eine Tochter der einst durch ihre Schönheit bekannten Kunstreiterin Klothilde Walter-Hager im früheren Zirkus Renz. Auch ihre Tante, die Gräfin Hermersberg war dort Kunstreiterin. Dis Mutter verheiratete sich im Jahre 1905 in London mit dem Grafen Giuseppe Monroy, der zum Haus der sizilianifcheri Fürsten von Pandolsina gehörte. Im Jahr 1906 wurde die jetzt verhaftete Komtesse Helga in Paris geboren. Graf Monroy ist vor einigen Jahren gestorben. Gräfin Monroy und Tochter lebten aber schon Jahre vor seinem Tod ge­trennt und hatten im Haus der Gräfin Hermersberg Aus­nahme gesunden. Gräfin Antoinette Helga Hermersberg, geb. Walter-Hager, heiratete in erster Ehe den Berliner Sportsmann Freysleben, der später tödlich verunglück!?, und in zweiter Ehe den Grafen Hugo von Hermersberg, der gleichfalls vor einiger Zeit starb. Komtesse Helga hat üb­rigens vor dem Untersuchungsrichter erklärt, daß ibr Ver­lobter, der Rittmeister v. Wedel, der sich nach der Verhaf­tung erschoß, von ihren Straftaten nichts gewußt habe.

Das Gorillaweibchen Susi, das mit demGraf Zeppe­lin" nach Amerika befördert werden sollte, ist vorläufig im Tiergarten in Frankfurt a. M. zur Pflege untergebracht worden.

Letzte Nachrichten

Einigung über die Ziffernfrage

Paris» 3V. Mai. Die deutsche Abordnung gab am Mitt­woch abend folgende Mitteilung aus:

Die Sachverständigen der Eliiubigermächte und die deutschen Sachverständigen haben sich schon seit einiger Zeit bereit erklärt, die Annuitäts-Ziffer von 2 959 Mil­

lionen Mark, wie sie vom Vorsitzenden vorgeschlagen ist, anzunehmen, obwohl bezüglich einiger Auslegungsfragen noch Meinungsverschiedenheiten bestanden. Diese Mei­nungsverschiedenheiten sind jetzt geklärt und es ist eine Auslegung, die sowohl für die Gläubiger, wie für Deutsch­land annehmbar ist» gefunden worden vorbehaltlich aller­dings der Einigung über die ungeklärten Bedingungen, deren Entscheidung noch offen steht".

Zu der Teileinigung in Paris.

Berlin, 30. Juni Zu der Einigung über die Ziffern in Paris nehmen nur wenige Blätter redaktionell Stel­lung. Aber auch in ihren Pariser Berichten kommt zum Ausdruck, daß es sich um keine vollständige Einigung han­delt, da die deutschen Vorbehalte noch strittig sind. Die Germania" stellt fest, daß die Zahlungen über das als die Grenze der deutschen wirtschaftlichen Leistungsfähig­keit bezeichnete Angebot von jährlich 1650 Millionen Reichsmark erheblich hinausgehen. Die jetzigen Ziffern seien keine wirtschaftlichen mehr, sondern politische; da­rauf müsse von deutscher Seite unbedingt bestanden wer­den. DieD. A. Z." sagt, die Zugeständnisse der Deut­schen seien überwältigend groß und stellt fest, daß die neuen Zahlen in Wiederholung alter Fehler unbegreifli­cherweise abermals zugestanden worden seien, ohne daß man sich vorher über die Bedingungen geeinigt hätte. Der Tag" spricht von einem unmöglichen Kompromiß und hebt hervor, daß man in Paris niemals nach der deut­schen Leistungsfähigkeit, sondern nur nach den Eläubiger- ansprüchen gefragt habe. Jede Regelung auf dieser Grund­lage sei aber nicht von Dauer und für Deutschland Le­bensrecht eine tödliche Drohung. DasBerliner Tage­blatt" schreibt, die Poung-Kommission habe nur eine Not­lösung gefunden. Es müsse immer wieder betont werden, daß die Einigmm über die Ziffern nicht auf der Basis sachverständiger Beurteilung der deutschen Leistungsfähig­keit, sondern unteO dem Druck politischer Notwendigkeiten im Reich der Hypothese zustandegebracht worden sei.

Im Segelboot nach Amerika.

Berlin, 30. Mai. Nach einer Meldung Berliner Blät­ter ist der Deutsche Paul Müller, der in einem kleinen Se­gelboot den Ozean überquert hatte, mit seinem Boot nach siebentägiger gefahrvoller Reise von Havanna in Miami (Florida) eingetroffen. Er wird in wenigen Tagen seine Fahrt nach Newyork fortsetzen.

Handel und Verkehr

Preiseinbruch am deutschen Gekreidemarkt

Der Getreidemarkt hat besonders in Deutschland in letzter Woche einen starken Zusammenbruch der Preise erfahren. Das Wetter war wieder außerordentlich fruchtbar. Der Stand der Felder wird als überwiegend günstig bezeichnet. Die Roggen­felder stehen jetzt meist in Aehren. Zum 1. Juni rechnet man mit dem Beginn der Blütezeit und entsprechend der alten Regel, daß der Roggen 14 Tage blüht, 14 Tage körnt und 14 Tag« reift, würde dann um Mitte Juli mit der diesmaligen Ernte zu rechnen sein. Da im Durchschnitt die deutsche Roggenernte un- gesähr am 10. Juli schnittreif zu sein pflegt, wäre somit die Ver- spätung nur noch unerheblich. Diese Verhältnisse machten sich in der Tendenz der Getreidemärkte mit fühlbar. Den bisherigen Ab­bröcklungen folgte in der verflossenen Woche für Weizen ein Rück­schlag von rund 8 RM., für Roggen von 1012 RM., für Gerste von 5 und für Hafer von 1012 RM. die Tonne am Berliner Markt. Am Weltmarkt hat sich der Kamps der beiden großen nordamerikanischen Weizenanbauländer mit dem argentinischen Uebersluß eher noch verschärft-, auch waren diesmal besonders die Besorgnisse um die Finanzierung der neuen Ernte um so drücken­der, als drüben kaum Aussicht war, in den überoolleti Silos Raum für die neue Ernte zu schassen. Die Bestände betragen in den Ber­einigten Staaten ebenso wie in Kanada fast das Doppelte wo­vor einem Jahr, und eine solche Fülle von Vorräten besteht auch in Argentinien. Bisher lauten die Urteile über die Aussaat und die beginnende Entwicklung des Sommerweizens in den kanadischen Prärieprovinzen noch ziemlich vorteil- Haft. Wie immer um die Zeit der nicht kontrollierbaren Berichte über die Felder werden wir es aber jetzt mehr und mehr mit teilweise widersprechenden Saatenstandsberichten in Kanada zu tun bekommen, ohne daß man vorläufig ihnen einen ernsteren Wert beimessen kann. An den meisten Märkten scheint man sich darüber einig zu sein, daß eine ernstere Befestigung des inte» nationalen Weizenmarktes am ehesten durch minder günstige Aus­sichten für die neue kanadische Ernte kommen kann.

Die passive deutsche Zahlungsbilanz

Auch im Jahr IS28 ist die deutsche Zahlungsbilanz (nicht zu verwechseln mit der Handelsbilanz) nach derWirt..hast und Statistik" mit rund 3,7 Milliarden (im Vorjahr 4.8 Milliarden) Reichsmark passiv geblieben. Diese Passivität ist zurückzusührsn aus die anhaltende Passivität der Handelsbilanz, auf die Dawes- leistungen und auf die MehrzMungen von Zinsen ans Ausland. Die starke Goldeinsuhr der Notenbanken hat den Passivsaldo der lausenden Posten noch von 3 7 aus 4.6 Milliarden erhöht.

Die Passivität des Warenhandels ist von 3 aus 1.3 Mil­liarden gesunken. Die Einnahmen aus der Schiffahrt dürften infolge der Frachtsenkung und des Rückgangs des Ver­kehrs über niederländische und belgische Häsen etwas zurück­gegangen, dagegen d e Einnahmen ans dem sremden Verkehr gestiegen sein. Die Zinszahlungen ans Ausland haben eine Milliarde überschritten Demgegenüber sind die Zins ein» nahmen nur schwer ftstzustellen. da zuverlässige Unterlagen für -die deutschen Kapitalanlagen >m Ausland kehlen-, die Zinseinnah- men aus dem Ausland dürften schätzungsweise 320 Millionen Reichsmark betragen.

Einer Kapitaleinfuhr von 57 Milliarden steht 1923 eine Kapitalausfuhr von 2 Miilio- den Reichsmark gegen­über, die erstens bedingt iO durch die Goldankäufe der Reichs­bank (900 Millionen), dann du-ch die kurzfristigen Ausleihungen der deutschen Banken an das Ausland und schließlich durch Tll- gungszahlen >ür Ausländsanleihen, die indessen zahlenmäßig noch keine große Nolle spielen.

Ein neues Schnellgerbverfahren

Aus Duisburg wird geschrieben, die Firma Luckhaus- Duisburg habe nach langjährigen Versuchen «in Gerboersahren ausgearbeitet, das nicht nur die reine Gerbdauer für schwer« Boden- und technische Ledek auf 8 bis 12 Tage herabletz«, son­dern auch eine Lederqualität a»rvöhr(eifH, die guter, alter Grubengerbung von 812 Monaten gleichlpMyeu soll. Das neu« Verfahren unterzieht den Hcchstafs abw^chfHnaswelf« einem Ba- cuumverfabrcn und einem Druckprozeß tzei glizÄsPtiger Bespu­lung der Haute mit chemischen Geritzloften. Das Verfahren Hab« außerdem den Vorzug, dän künstliche GfchbstyKe in gesteigertem Maß Verwendung linden können, wodurch die Einfuhr ausländi­scher Gerbstoffe entsprechend vermindert werde. Das Verfahren selbst beruht aus in der Chemie bekannten, bisher aber in der Gerberei nicht angewandten physikalisch-chemischen Grundsätzen zur Beschleunigung der Reaktionsgeschwindigkeit, und bewirke durch diese die Schonung der Hautfaser. Außerdem erübrig« sich bei