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Samstag, -en 25. Mar 1929
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Kein Hoffnungsschimmer in Paris
Tazessyiegel
In Wien wurde die 23. Tagung -es Deutschen Philo- toqenoerbands unter dem Vorsitz des Geheimraks Mellmann- Berlin eröffnet. Aus dem Reich allein sind über 1000 Mitglieder. außerdem viele Ausländsdeutsche, anwesend.
In Prag wurde am Freitag der erste Kongreß des von dem früheren tschechischen Ministerpräsidenten Svehla gegründeten Internationalen Agrarbüros eröffnet, das aus Vertretern politischer Bauernparteien verschiedener Länder besteht. Vertreten sind die Bauernparteien der Tschechoslowakei, Oesterreichs, Slawoniens. Kroatiens, Serbiens, Polens, ferner sind vertreten Bulgarien, Finnland, Frankreich. Holland, Lettland, Litauen und die Schweiz: Deutschland nicht. In der Begrüßung kam die Gemeinsamkeit der landwirtschaftlichen Interessen in allen Ländern zum Aus- druck.
Der litauische Student DosiliuS, der den Anschlag gegen den Ministerpräsidenten Woldemaras in Kowno verübt hatte, !st zum Tod verurteilt und am Freitag erschaffen worden. Er hak mehrere Mitschuldige namhaft gemacht, die sich in Polen aufhalken sollen.
König Aman Allah hak von Bombay die Reise nach Europa angetreten.
Rach Londoner Meldungen nimmt die Aufstandsbewegung in Indien, an der sich Hindus und Mohammedaner in gleicher Weise zu beteiligen scheinen, so ernste Formen national-bolschewistischer Art an, daß die britisch- indische Regierung sich veranlaßt gesehen hat. besondere militärische Maßnahmen zu treffen.
politische Wochenschau
Poincare bleibt Poincare — Wie man sich in 9 Jahren ändern kann — Amerikas Großzügigkeit und die im Verkrachen begriffene Pariser Konferenz — »Der Bock als Gärtner" oder „Der MinLerheitenausschuß" — Deutschland, der Bannerträger der Minderheiten — Von der russischen Bühne verschwunden — Was kann von Moskau Gutes kommen! — China von neuem in Flammen — „Graf Zeppelins" Können und Glück im Unglück.
„Und Poincare sprach", nicht etwa vor 10 Jvhren, min, erst am letzten Pfingstmontag bei einer Kriegerdenkmalsweihe in Douaumont: „Angenommen, daß, entgegen dem Zeugnis der Tatsachen und Aktenstücke, die mitteleuropäischen Regierungen nicht absichtlich die Initiative und Verantwortung für den Krieg übernommen hätten, so würden sie dennoch, da sie durch den gegen Belgien geführten Gewaltstreich diesem und Frankreich unermeßlichen Schaden zugefügt haben, uns beiden restlose Wiedergur- machuna schulden."
Derselbe Poincare aber schrieb am 27. Dez. 1920 im „Temps": Was in den Augen der ganzen Menschheit die französische Forderung rechtfertigt, das ist nicht der Ausgang der Feindseligkeiten, sondern allein der Ausgangspunkt des Krieges... Wenn tatsächlich nicht die Mittelmächte es sind, die den Krieg hervorgerufen haben, warum sollten sie dazu verurteilt sein, dessen Schulden zu bezahlen? Eine geteilte Verantwortung, schließt sie nicht im- mer mit Fug und Recht die Teilung der Kosten in sich? Man teile also die Kosten, wenn Deutschland Entschuldigungen hat!" — Welcher Poincare har nun Recht? Der von 1920 oder der von 1929? —
Ueberhaupt zeigt die Rede von Douaumont. daß Poincare — und Poincare ist Frankreich — nicht gesonnen ist, nur auch einen Franken an dem französischen Reparationsanteil nachzulassen. Auch nicht, nachdem Präsiden! hoover die amtliche Erklärung abgegeben hatte, an den amerikanischen Forderungen für rückständige Besatzungs- kosten 10 Prozent abzulassen. Zwar ist dieser Entschluß mehr eine moralische Geste als eine nennenswerte finanzielle Erleichterung. Denn die Summe, die wir Amerika nach dem Finangministerabkommen 1925 für die Besatzung schulden, beträgt ab 1. Sept. 1929 noch 813,7 Millionen Mark. Dieselben sollen also um 81,3 Millionen ermäßig! und die Jahresraten von 15 Jahren auf 37 Jahre verlängert werden, so daß jährlich etwa 22 Millionen Mark an dieser Restschuld zu tilgen wären. Daneben läuft der zweiprozentige Anteil Amerikas an unseren Reparationsleistungen ungeschmälert weiter. Also herzlich wenig, was uns da vom reichen Onkel in Amerika geschenkt wird. „Dieser Schritt", meint der „Avenir", „ist zweifellos sehr klein, aber man darf nicht vergessen, daß immer der erste Schritt der schwerste ist." Jedenfalls liegt hoover daran, daß kre Pariser Tributkonferenz, die doch ein Amerikaner leitet, nicht ergebnislos werde.
In der A b r ü st u n g s f ra g e ist wieder tiefster Kircb- hoffrieden eingekehrt. Dagegen ist die Stimme über den Minderheitenschutz noch nicht verstummt. Mit Reckt. Vor allem hat Deutschland die Pflicht, in dieser hochwichtigen Lebensfrage des Deutschtums, einer Angelegenheit, die auch der „Deutsche Schutzbund", wie auch der „Verein für das Deutschtum im Ausland" in diesen Taaen lebhaft er-
Paris, 21. Mai. Die Verhandlungen zwischen der deutschen Abordnung und den Verbundssachverständigen wurden heute fortgesetzt. Sie drehcen sich hauptsächlich um die . Forderung der Gegner, daß der Dawesplan bis > 1. Januar 1930 in Kraft bleiben solle.
Nach der Ansicht Schachts hat bei den letzten Besprechungen die Gegenseite keinerlei Hossnungsschunmer sichtbar werden lassen. Dis Auskünfte der englischen Sachverständigen lauten ähnlich. Die deutschen Sachverständigen glauben, daß die Markregulierung mit Belgien eine Frage ! zweiten Rangs sei, die nicht in das Gebiet der Reparations- ' Verhandlungen hineingehöre. Dagegen glauben die Engländer, daß die Franzosen sich den Belgiern gegenüber verpflichtet haben, gleichzeitig mit der Regelung der Nepara- tionsfrage die Markfrage auf alle Fälle bereinigen zu helfen.
Die Markschulden an Belgien
^ Druffel, 24. Mai. Zur Rückzahlung der Markschulden an Belgien läßt sich eine halbamtliche Stimme folgender- maßen aus:
Eine Jahreszahlung von 25 Millionen Mark soll mit der allgemeinen Jahreszahlung sachlich eng verknüpft werden. Diese Jahreszahlung soll aber nicht nur
Ama« Allahs
Der frühere König von Afghanistan, Aman Allah, hat ganz unerwartet, in Begleitung seiner Gattin Suraja und seines Bruders Inajat Allah das Land verlassen und ist nach Europa abgereist.
Schon seit einigen Tagen war zu erkennen, daß die Lage für Aman Allah immer schwieriger wurde. In der vorvorigen Woche hakten bereits Truppenteile Aman Allahs eine Niederlage erlitten, und da auch der auf eigene Faust vorgehende frühere Oberkommandierende und Kriegsminister» General Nadir Khan, geschlagen worden war, mußte man ständig einen entscheidenden Zusammenstoß zwischen den Truppen Aman Allahs und denen Habib Allahs, des jetzigen Emirs in Kabul, erwarten. Ob nun inzwischen die Entschei- düng gefallen ist, läßt sich aus den bisherigen Meldungen nicht entnehmen. Am den 10. Mai herum standen die Truppen Habit, Allahs in der Gegend von Gbasni und die von Aman Allah etwa 120 Kilometer südwestich bei Zukur. Da Aman Allah nur auf dem Weg von Kandahar die Grenze von Belutschistan erreichen konnte, so müssen seine Solda- ken in den letzten Tagen von, Habib Allah ständig zurück
örtert hat, immer und immer wieder an den Pforten des Völkerbundes anzuklopfen. So hat denn neuerdings die Reichsregierung eine Denkschrift über die Völkerbundsgarantie in die Welt hinausgegeben. In derselben wird nachdrücklichst gefordert, daß' den Minderheiten die Erhaltung ihrer völkischen Eigenart, sowie kulturelle, sprachliche und religiöse Freiheit verfassungsmäßig zu gewährleisten sei. Namentlich habe der Völkerbund über die Lage der Minderheiten zu wachen. Zu diesem Zweck sei ein besonderes Komitee für Minderheitenfragen, ähnlich wie es für Wirtschafts-, Verkehrs- und andere Fragen besteht, einzusetzen. Der derzeitige „Dreierausschuß" erfülle nach seiner Zusammensetzung und Geschäftsordnung seinen Zweck nicht.
Ganz richtig. Ueberhaupt hat Deutschland alle Ursache, in dem Frontmarsch der Minderheiten die Fahne voranzutragen. Leben doch von den rund 100 Millionen Deutschen außerhalb unserer Reichsgrenzen nicht weniger als 37 Millionen Menschen, die Blut von unserem Blut sind.
Von Rußland kommt die Kunde, daß Rykow, der Vorsitzende des Rats der Volkskommission der Sowjetunion, seines Amtes enthoben worden sei. Falls diese Meldung auf Wahrheit beruht, so wäre wieder eine der Sowjet- Größen gefallen, ähnlich wie der verbannte Trotzki, der einstweilen in Konstantinopel der Dinge wartet, die da kommen sollen. In einem Bericht an den Rätekongreß hebt Rykow die „freundschaftlichen Beziehungen" hervor, die Deutschland mit der Sowjetunion unterhalte. Durch Gewährung eines Kredits cm Rußland hätten die deutsche Regierung und deutsche Wirtschaftskreise es verstanden, die Frage der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Völkern für eine gewisse Zeitspanne zu lösen.
Gewiß! Aber die 300 Millionen Mark, die das Reich an Moskau zur „Ankurbelung der Wirtschaft" gepumpt har und die uns allerdings wieder zurückgezahlt worden sind, haben uns leider keinen greifbaren Nutzen gebracht. Im Gegenteil. Trotz „Wirtschaftsprotokoll"'und trotz „Können- tion" ist die Zahl der fremdländischen „Konzessionen" in Rußland in den letzten Jahren zurückgegangen. Dazu kommt die politische Hetzarbeit, die von den russischen Bolschewisten fortgesetzt getrieben wird. Man weiß jetzt genau, daß die Berliner Maiunruhen von Moskau aus angezettell wurden. Solche Vorgänge, die unfern Staat unterminieren, sind nicht gerade geeignet, um ein ersprießliches Zusammenarbeiten mit der russischen Wirtschaft zu fördern.
zehn Jahre, wie ursprünglich behaupte! wurde, sondern ebenfalls 37 Jahre andauern. Aus eine andere Lösung hätten sich die belgischen Sachverständigen nicht ein' gelassen. Es ergibt sich also eine Summe, die in belgischen Franken ausgedrückt, 7 955 Millionen ausmacht. - -
Die Gläubigerdenkschrift in Berlin
Berlin, 24. Mai. Halbamtlich wird niitgeteilt, die Denkschrift der Verbands-Sachverständigen sei gestern abend in Berlin eingetroffen und sei sofort einer Prüfung unter' zogen worden, ohne daß dazu vorerst Stellung genommen wurde.
Beschlüsse des Reichskabinetts
Berlin, 24. Mai. Das Reichskabinett beschloß m seiner heucigen Sitzung die Verlängerung des Gesetzes u„> Schutz der Republik auf die Dauer von drei ahren. Die betreffende Vorlage wird dem Ncichsral sofort zugehen. Ferner soll der Entwurf eines Gesetzes zur Aenderung des Vereinsgesetzes, der de»- vorigen Reichstag bereits beschäftigt hatte, aber nicht verabschiedet worden war, unverändert wieder eingebrachl werden.
Glück und Ende
georangc woroen lem, wenn ste nicht gar za ccm Gegner übergelausen sind, was bei ier zweideutigen Piitik dev Stammesführer, die sich duro-weg auf die Leite desjenigen schlagen, bei dem sie dce meiste Äu-sichi auf Gewinn sehen, nicht weiter verwunderlich wäre-
Das Abtreten Aman Allahs vom afghanischen Schauplatz wird den Eng'änöern keineswegs unangenehm sein, da man Zeinen Bestrcdüngen, Afghanistan nach türkischem Vorbild im Eiltempo zu europäisieren, und seiner gesamten Politik sehr mißtrauisch, wenn nicht gar feindlich gegenüberstand. Ungewiß ist auch, wie England sich nunmehr zu Habib Allah stellen wird, der mit seinem Sieg über Aman Allah für die nächste Zeit, soweit man bei den dortigen unstchern Zuständen überhaupt davon reden kann, der tatsächliche Herrscher Afghanistans sein dürfte. Wahrscheinlich wird man erst die weitere Entwicklung abwarten» evor man sich zu einer klaren Stellungnahme entschließt. Da Habit» Allah bisher keine besondere Russenfreundlichkeik gezeigt hat und auch kulturell durchaus rückschrittlich gesinnt ist, dürfte er den Engländern zurzeit allerdings am bequemsten sein. ,
Bei Eyina haben wir uns wieder einmal getäuscht. Im Monat Juni endet das erste Jahr, das seit Beginn der Revolution (1911) ein unter einer Zentralregierung in Nanking geeintes China sah. Aber mit dieser „Einigung" scheint es nicht so weit her zu sein. Mitten in der schweren Arbeit der Durchführung der durch die Verfassung gegebenen wichtigsten staatlichen Hoheitsrechte sin- wieder schwere Kämpfe ausgebrochen. Die mächtig« Kwangsi-Partei, an deren Spitze sich allem Anschein nach der „christliche" General Feng stellen will, hat der allmächtigen Kuomintang-Portei die schärfste, Fehde angesagt. Zwanzig Generale sollen die Absetzung des Staatspräsidenten Tschiangkaischek verlangen. Also wiederum eine Gegenrevolution. Wiederum persönliche Eifersüchteleien. Freilich, wie sollte das anders sein bei einem Volke von 480 Millionen Menschen, bei Lem Riesenraum, über den das größte Volk der Erde verteilt ist, und bei den wenig entwickelten Verkehrsverhältnissen, die die einzelnen Bundesstaaten mehr trennen als einen! In solchen Ländern zittert eine Revolution erdbebenartig Jahrzehnte lang nach.
Große Aufregung bemächtigte sich wieder einmal des deutschen Volks. Sie war verursacht durch die Unglücksfahrt des „Graf Zeppelin". Und doch darf man herzlich froh sein, daß der bedauernswerte Unfall ohne den Verlust von Menschenleben abgelaufen ist. Immer noch gilt die alte Wahrheit: „Denn die Elemente hassen das Ge- bild von Menschenhand". Trotzdem nicht verzweifeln! So war's bei Graf Zeppelin. So wird's auch bei seinen Nachfolgern sein. Vist lck.
Neueste Nachrichten
Die Schlichkungsverhandlungen bei der Reichsbahn
Berlin. 24. Mai. Im Reichsarbeiksministerlum haben heute die Schlichkungsverhandlungen mit den Gewerkschaften der Reichseifenbahnarbeiter begonnen. Die Gewerkschaftsvertreter wiesen auf den vorgestern ergangenen Schiedsspruch für die 6 t a a t s ar b e i te r hin, mit denen sie bisher gleichgestellt gewesen seien und die nun eine durchschnittliche Etundenloknerböbuno von 4.4 Pfenniaen erzielt