Seit« 2 — Nr. 108
Aus Stadt und Land
Nagold, den 10. Mai 1929.
Schwierige und pomphaste Phrasen verhüllen winzige nüchterne oder alltägliche Gedanken; demjenigen gleich, der, weil ihm die Majestät der Schönheit aogeht, unter barbarischen Putz, Flittern, Federn, Krausen, Puffen u. Mantel die Winzigkeit oder Häßlichkeit seiner Person zu verstecken sucht. So verlegen wie dieser, wenn er nackt gehen sollte, wäre mancher Autor, wenn man ihn zwänge, sein so pomphaftes dunkles Buch in dessen kleinen, klaren Inhalt zu übersetzen. Schopenhauer.
Himmelfahrtslag
Bald sollte man tatsächlich ein Preisrätsel veranstalten: Warum ist am Himmelfahrtstag meistens schlechtes Wetter, auch wenn vorher 7 Sonnen am Himmel standen? Dies ist keine Frage, die wissenschaftlich beantwortet werden kann, die aber auch von vielen der Beantwortung nicht für wert gehalten wird, da für sie die Tatsache besteht: Am Himmelfahrt ist schlechtes Wetter, wir bleiben daheim! Ihre Prognose hat diesmal wieder gestimmt, doch daß sie zu Hause geblieben sind, ist weniger vernünftig gewesen, denn zum Wandern war der gestrige Tag im Wald, aus dem Feld und auch auf der Landstraße, auf der der Staub durch kleine „Nassauer" gebannt war, einzig schön. Für jeden hat ein solcher Tag etwas zum Geschenk ob als Wandervogel zu Scharen mit Fähnlein und Klampfe, ob als „Maien" suchende Kameraden oder auch als stiller Beschauer der Naturschönheiten. Für diesen letzten gibts entschieden am meisten zu sehen, ein Reh, das friedlich, der Schonzeit und des gewehrlosen Spaziergängers eingedenk, friedlich auf dem Wege äst, das langgeschwänzte braune Etwas, das im Halbdunkel der Hoch- tannen von Stamm zu Stamm huscht und mit munteren, glänzenden Augen hinter einem Stamm hervorlugt, der Starenschwarm, der lärmend, schwatzend und erzählend in einen Buchenkamp einfällt, der durch den schweigenden Wald gellende Alarmruf der Amsel „Rette sich wer kann!", die den Räuber der Lüfte als grauen Schatten am Waldrand vorbeihuschen sah, der Räuber selbst, der auf einer Buche sitzt, verärgert sein Brustgefieder zupft und verlegen schnäbelt, weil ihm die Amsel durch ihren Spektakel die erhoffte Beute verjagt hat und . . und . . .
. . ! Hast du auch etwas von all diesem gesehen, Spaziergänger? Liest du auch in diesem aufgeschlagencn wahrhaftigen Buch mit unendlicher Auflage? — Wie gesagt, Himmelfahrt ist Wandertag: Der Schwarzwaldverein war mit einem Omnibus fidel und vergnügt ins Remstal zur Kirschenblüte gegondelt, der Turnverein hatte ebenfalls Autofahrt mit Wanderung verknüpft und mit annähernd 60 Personen seinen Schritt gegen das Murgtal gewendet, die S. A. Abteilung der N. S. D. A. P. sah man zum Frühlingsmarsch ausrllcken und der C. V. j. M. hatte eine Frühwanderung Walddorf, Rohrdorf, Mindersbach. Emmingen, unternommen. — Nun haben wir noch eine recht angenehme aus Montag und Samstag bestehende Woche, die kaum begonnen auch schon wieder zu Ende ist, vor uns und in der manch einer ein „bißchen Beschäftigung" als ganz angenehm empfinden mags so es nur nicht in Arbeit ausartet! Und . . . heute morgen steht wieder die leuchtende Sonne am Himmel und macht das Stillsitzen und das Eebanntsein an den Arbeitsraum gar schwer. Doch: Montag, Samstag. Sonntag!
Nein, liebes Leben, keine Klage, solang' noch Herz und Sonne glüht, solang' im frischen Frühlingstage am Strauch noch eine Blume blüht.
Licht «nd Luft für das Kind
Jetzt kommen Frühjahr und Sommer. In unseren Breiten heißt es, diese gute Jahreszeit für die Entwicklung und Gesunderhaltung unserer Kinder gründlich ausnützen. Wir müssen immer froh sein, wenn die Kleinen den Winter, der sie noch mehr in die Stube bannte, gewissermaßen gut überstanden haben. Nun heißt es den Sommer über geradezu einen Vorrat an Sonne oder richtiger gesagt, einen Vorrat von Widerstandsfähigkeit in den Kindern anzusammeln. Beginnen wir möglichst gleich im Frühjahr die der Sonne entwöhnten und auch zum Schutz gegen die Kälte dicker angezogenen Kinder an
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
I Luft und Licht zu gewöhnen. Dabei sollen wir nun zunächst recht vorsichtig Vorgehen, keine langen Sonnenbä- I der, keine Eanzsonnenbäder und nicht mit einem Male gleich dünn anziehen, aber konsequent, je wärmer es wird, Stück für Stück der Kleidung abbauen und konsequent den Körper wieder an die Sonnenstrahlen Glied für Glied gewöhnen, sodaß dann im Juni und Juli, wenn die Sonne größere Kraft hat, die Haut schon eine Schutzbräunung gebildet und der ganze Körper einem gewissen Wechsel von Wärme und Kälte wieder sich angepaßt hat, dann können die Kinder ruhig einige Stunden am Tage, die kleinen ganz nackt, die größeren je nach den örtlichen Sitten mit Vadebekleidnng versehen, im Freien sich bewegen. Was erreichen wir damit? Bei den Kleinsten, den Säuglingen und kleinen Kindern die Verhütung der englischen Krankheit, bei allen, also den Kleinen und den Größeren, Vorbeugung gegen Tuberkulose, Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten im Herbst und Winter und dazu noch eine Verbesserung des Wachstums, Verbesserung des Appetits. Diese Allgemeinbesserung durch richtige geführter Licht- und Luftbehandlung spüren wir auch im Seelenleben der Kinder. Sie sind vergnügter, frischer als die Stubenhocker. Dabei sei gleich erwähnt, daß falscher, übermäßiger, und dabei vor allen Dingen zu rasch gesteigerter Licht- und Luftgenuß das Gegenteil herbeiführt: Abspannung, nervöse Reizbarkeit und Abnahme des Appetits.
Wir verweisen alle die, die sich näher für die hier gestreiften Fragen interessieren, auf die
„Ausstellung über Gesundheitspflege" die im Traubensaal in Nagold vom 21.—27. Mai gezeigt werden wird.
7V. Geburtstag.
Heute darf Herr Schreiner Karl Hofer seinen 70. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlaß heraus brachten ihm am frühen Morgen die Turmbläser ein Ständchen, denn 40 Jahre lang hat Herr Hofer der früheren Stadtkapells angehört. Heuer sind es auch 45 Jahre, daß Herr Hofer im Dienst der Möbelfabrik M. Koch steht. Wir gratulieren!
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Kapikalabfindung für Anfallrenken. Der Reichsarbeits- minister macht darauf aufmerksam, daß Unfallverletzte für ihre Rente eine Kpitalabfindung erhalten können, wenn sie zum Erwerb von Grundbesitz einem gemeinnützigen Bauoder Siedlungsunkernehmen beitreten wollen. Eine gleiche Vorschrift ist in 8 72 des Reichsversorgungsgesehes enthalten. Als gemeinnützige Bau- und Siedlungsunternehmungen im Sinne des 8 72 R.V.G. gelten außer den als gemeinnützige Siedlungsunternehungen anerkannten Siedlungsgesellschaften Bau- und Siedlungsgesellschaften, wenn sie nach ihren Satzungen auf die in Reichs- und Landesgesehen für gemeinnützige Unternehmungen vorgesehenen Begünstigungen ^Steuerbefreiung usw) Anspruch haben. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann eine Kapitalabfindung nach dem Beitritt zu einer solchen Gesellschaft gewährt werden, wenn dadurch der Erwerb eigenen Grundbesitzes ermöglicht wird. Nach einem weiteren Erlaß des Reichsarbeiksmink- sters kann eine Bausparkasse nicht als Bau- oder Siedlungsunternehmen im Sinn des ß 72 des R-VG. angesehen werden, wenn sie lediglich die Beschaffung und Verwaltung von Mitteln zum Bau, nicht aber unmittelbar den Bau oder den Ankauf von Häusern zum Gegenstand hat.
Der Kuckuck und die Bauernregeln. Der Land mann hak landauf landab seine Beobachtungen am Schreien des Kuckucks gemacht. Gukuk, nicht Kuckuck, sagt der Schwabe. Zu Boms im Saulgauer Amt sagen die Leute: Der Gukuk fängt an zu schreien, wenn er daS erste Ei kriegt und hört auf, wenn er die erste Kirsche frißt. Er muß aber am Jür- genkag (23. April) schreien, sonst verreißts ihm den Kragen, meinen die Erlaheimer. Im Höllischen aber heißt es: Wenn der erste Wiesbaum fällt, das ist im Heute, schweigt der Gukuk. Auf der Ulmer Alb aber wissen die Bäuerinnen: Schreit der Gukuk über dem bloßen Wald- so gibts viel Eier aber wenig Schmalz. Die Wingerter zu Schönkal machen die Erfahrung: Wenn der Gukuk nach Johanni (24. Juni) schreit, mißrät der Wein. Im Weinsberger und im Riedlinger Amt trifft die bäuerliche Ansicht zusammen: Wenn länger der Gukuk nach Johanni schreit, je teurer wird das Brot, behaupten die Wimmentaler und die Emer- felder auf der Riedlinger Alb wissen es so gut: Wenn der Gukuk nach Johanni schreit, ruft er Mißwuchs und teuere Zeit.
__Freitag, 19. Mai 1828.
Schönbronn, 10. Mai. Unter zahlreicher Beteiligum, wurde der überall beliebte, geachtete 3-W u r st e r, Schneidermeister zu Grabe getragen. Ein Herzschlag hatte dem Leben des 76jährigen ein unerwartet jähes Ende bereitet. Ueber 10 Jahre gehörte der Verstorbene dem Kirchem gemeinderat an und der Geistliche brachte in seiner Rede den Dank der Kirche und Gemeinde zum Ausdruck. Vom Militär- und Veteranen-Verein, sowie vom Gesangverein „Liederkranz", deren langjähriges, treues Mitglied er war, wurden unter ehrenden Dankesworten Kränze niedergelegt. Er ruhe in Frieden!
Mldbad, 9. Mai. Wiedereröffnung der Krankenheims der Landesversicheruugs- anstalt. Im Jahr 1928 waren es 25 Jahre, daß die Landesoersicherungsanstalt ihr eigenes Krankenheim in Wilübad ihren an Rheumatismus und Gicht leidenden Versicherten geöffnet hat. Im Winter 1928/29 wurde das Krankenhaus neu gerichtet und ausgebaut, so daß nunmehr 122 Betten für Pfleglinge zur Verfügung stehen. Im Lauf des Sommers werden etwa 656 Pfeglinge der Landrsver- sicherungsanstait im neuen Krankenhaus Aufnahme finden.
Aus aller Welt
Die Handtücher der Reichsbahn. Im Jahr 1928 sind bei der Reichsbahn 13 v. H. des ganzen Bestands an Hand- tüchern, nämlich 125 155 Stsick. in Zügen auf größeren Entfernungen abhanden gekommen. Weitere 4 v. H. waren so beschmutzt, daß sie nur mit chemischer Reinigung wieder gebrauchsfähig gemacht werden konnten. Dadurch entsteht der Reichsbahn ein Verlust von 30000 jährlich.
1478 Millionen Mark transferiert. Seit Inkrafttreten des fünften Dawesjahrs bis 30. April 1929, also 8 Monaten, wurden durch den Dawesagenten an den ehemaligen Feindbund in fremden Währungen in bar überwiesen 1413,50 Millionen Mark. Dazu kamen, abgesehen von den Sachleistungen, die Kosten der Verbandskommission und die Verzinsung der Dawesanleihen mit zusammen 64,52 Millionen. Insgesamt sind also 1478,02 Millionen Mark transferiert worden.
Zur Auflösung des Koburger Sradkraks. Die Ursache zu dem nationalsozialistischen Antrag, durch Volksentscheid den Stadtrat in Koburg aufzulösen, war die Tatsache, daß der Gemeinderat den Maschinenmeister in den städtischen Werken, Schwede, grundlos entlassen hatte. Schwede ist Mitglied des Stadkrats. Der nationalsozialistische Antrag wurde bekanntlich mit 6914 gegen 4266 Stimmen angenommen.
Die Universität Marburg a. L-, früher eine der kleineren deutschen Universitäten, zählt im jetzigen Sommersemester genau 4000 Studierende, 1000 mehr als im vorigen Jphr.
Zweistöckige Kraftomnibusse sind nun auch in Hamburg auf der Linie Hauptbahnhof—Eimsbüttel eingeführt, wie solche bereits in Berlin und London laufen. Das Deck ist niedriger gehalten als der untere Raum, wodurch die Fahrsicherheit verstärkt wird. In Berlin und London, wo die beiden Stöcke gleich hoch sind, ist es wiederholt vorgekommen, daß die Wagen während der Fahrt umkippten. Die neuen, 4,05 Meter hohen Wagen fassen 56 Fahrgäste, 35 unten und 21 oben.
Riesiger Waldbrand durch Leichtsinn. Ein pensionierter Eisenbahnarbeiter, der bei Herdecke (zwischen Dortmund und Hagen in Westfalen) ein Haus am Wald bewohnt, hakte in seinem Garten Feuer gemacht, um dürres Unkraut zu verbrennen. Der Wind trug Funken in den Wald und fetzte das trockene Nadelunterholz in Brand. Das Feuer nahm in sechs Stunden eine solche Ausdehnung, daß 1250 Mor- qen Waldbestand vernichtet und ein zweistöckiges Hans in Asche gelegt wurden. Der unvorsichtige Brandstifter selbst kam in den Flammen um.
Die Aukoopser in Amerika. Noch dem amtlichen Bericht sind in den Vereinigten Staaten in den ersten drei Monaten des Jahres 1929 in 22 Bundesstaaten bei Aulo- unfällen rund 4500 Mensche» zu Tode gekommen.
Pocken in Belgien. In einem Krankenhaus in Belgien ist ein Pockenfall scsigestellk worden.
Lauva bet de« Äigeuuer« im Schwaezwald
Lus „Schillers Heimatjahren" von Hermann Kur-
Für Ieiüwgsdruck bearbeitet
Uchebrrrechtafchutz Verlag der Deutschen Glocke Ulm a. D.
XXXVIII.
Mit halsbrechender Erle ging's die Steige hinab und dem iHauptftätter Tor zu und endlich zur Stadt hinaus. Der »Gefangene ahnte jetzt sein Schicksal, das ihm bevorstand, »nd blieb still in der Ecke liegen, ohne sich weiter nach der «Gegend nmznsehen. Nach einer geraumen Fahrt ging es Endlich in der Nacht stell bergan. Der Wagen hielt, und ler mußte aussteigen. Er sah sich von Mauern und Wällen »»«geben, «nd knarrend öffnete sich auf den herzoglichen »Befehl das Tor von Hohenasperg. Er hatte den frei in b«r Landschaft stehenden Knirps von einem Berge mit »einer Festung schon manchmal von weitem gesehen und «icht geträumt, daß er ihn noch so genau kennen lernen ßollte; aber was ist nicht möglich im Leben! Der Kommandant war schon zu Bett. Der Gefangene erfuhr jedoch «ans den Unterhandlungen seines Begleiters mit der Wach«, daß alles für ihn in Bereitschaft fei; man schien «lfo mit ziemlicher Sicherheit auf ihn gerechnet zu haben.
Ru« wurde er von einer Ordonnanz mit einer Laterne Aber den Platz nach einem großen Gebäude und in «in geräumiges Zimmer geführt, dessen kahle, weißgetünchte Wände ihn wie die ewige Langeweile angähnten. Der iSoldat zündele ihm ein Licht an und entfernte sich mit S»«r barschen Weisung, es nicht länger als nötig brennen S» lassen. Heinrich ersah aus diesem Ton, daß er jetzt «nter militärischem Kommando stand. Er löschte das Licht, setzte sich'auf den Stuhl am Bett und hielt Rechnung über sein seltsames Schicksal. Kopfschüttelnd stand er «Neider ans und legte sich unter das Fenster: es ging auf den
Festungsplatz. Der Mond stand am Himmel, groß und voll; es war derselbe, der vor kurzer Zeit an der gräßlichen Mordtat vorübergegangen war. Er senkte sich jetzt hinter die Dächer und lächelte noch einmal auf den stillen Platz, über welchem der Atem des Friedens und der Sicherheit wehte. Nur unterbrach der einförmige Schritt und das Anrufen der Wachen von Viertelstunde zu Viertelstunde die schweigende Nacht. Dennoch kam eine innige Ruhe über das Herz des Gefangenen, es war ihm, als hätte er wieder eine Heimat, und er sehnte sich in diesem Augenblick nicht einmal nach seiner Freiheit, die ihn in der letzten Zeit so müde gerüttelt hatte.
Durch das unaufhörliche „Wer da?" aufs widrigste gestört, schlief unser Freund erst spät ein und erwachte mit dem Morgenlicht aus einem tiefen Schlummer und verworrenen Träumen. Unmutig stand er auf, trat ans Fenster und bot die Stirne den kühlenden Schwingen der Morgenluft.
Da klopfte es an die Tür. Heinrich rief, und ein Offizier trat herein, in dessen markiertem Gesicht und strenger Haltung sich Ernst und Entschiedenheit verkündigten. Seine lebhaften Augen ruhten durchbohrend auf unserm Freunde, der, verlegen über seinen nachlässigen Anzug, nicht wußte, wonach er zuerst greifen sollte.
„Man inkommodiere sich nicht, wir sind hier ganz entre nou8," sagte der andre, nähertretend. „Da sich mein Arrestant mir noch nicht vorgestellt hat, so mutz ich ja wohl selber nach ihm sehen."
Es war der Kommandant von Hohenasperg, der vielbesprochene Obrist Rieger.
„Sie können guten Mutes sein," fuhr der merkwürdige Mann fort. „Ich habe soviel als gar keine Instruktionen Ihrethalben erhalten, und so dürfen Sie auf eine Behandlung rechnen, die ganz Ihrem Benehmen angemessen sein wird. Ihre Tür ist, wie Sie bemerkt haben werden, nicht geschlossen, und wenn Sie Ihr Wort geben, nichts Eigenmächtiges oorzunehmen, so sollen Sie unbeschränkte Feftnngsfreiheit genießen. Sie werden diese Gnade des Herzogs zu schätzen wissen."
„Ihre Güte, Herr Kommandant, weiß ich hoch zu schätzen," versetzte Heinrich; „von seiten des Herzogs wäre mir Gerechtigkeit lieber als Gnade."
„Schicken Sie sich in die Zeit," sagte Herr von Rieger. „Die Fürsten sind von Gott eingesetzt, und was Sie uns befehlen, müssen wir tun."
Tage und Wochen waren vergangen, seit unser Freund seine Wohnung auf dem berüchtigten Berge bezogen hatte. Er hatte den Mond mehrmals ab- und zuneymen sehen, und die Weinberge zeigten ihm, wenn er auf dem Wall spazierte, ihr herrliches Grün. Er war nicht mehr ganz so ruhig wie in den ersten Zeiten seiner Gefangenschaft. Seine Tage verflossen in immer längerem Warten am eine Wendung des Schicksals, bis diese eines schönen Morgens auch eintrat.
Eben aufgestanden, ging Heinrich in seinem Zimmer, wie schon oft, auf und ab, als es an der Tür rasselte. Er hörte Stimmen draußen. Dann klopfte es leise und höflich. „Mer es auch fein mag," murmelte er, „mögen ihn alle bösen Geister fassen und von hinnen führen. — Herein!"
In der geöffneten Tür stand ein junger Mann, in welchem er einen seiner Schüler von der Kavaliersabteilung erkannte, nicht eben den talentvollsten, aber einen der bescheidensten und lernbegierigsten, der vor kurzem erst die Akademie verlassen haben konnte.
„Wie, lieber Graf," rief er ihm entgegen, „Sie besuchen mich in meiner Einsiedelei? Das ist schön von Ihnen, das überrascht mich!"
Der junge Graf eilte herein. „Mein teurer Lehrer» mein verehrter Freund, wie geht es Ihnen? Leidlich, will ich hoffen! Lassen Sie sich betrachten, Sie sehen immer noch recht gut ans. Wie, ahnen Sie denn nichts aus «einem Besuch?"
„Ihre Freundlichkeit, Ihre Güte —"
„Sie sind frei!" rief der Graf, indem er mit der lebhaftesten Freude seine beiden Hände faßte. »Sie sind frei! , (Schluß folgt.) - ,