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Ar. 108 Gegründet 1827 Dienstag, den 7. Mai 1828 Fernsprecher Nr r»
Postsch.-Kto. Stuttgart »11,
103. Jahrgang
Erzeugung»- und Absatzlage«
Hauptversammlung der Württ. Landwirtschaftskammer
Die Württ. Landwirtschaftskammer trat am Freitag nachmittag zu ihrer zweitägigen 21. Hauptversammlung zusammen. Präsident Adorno begrüßte u. a. die erschienenen Gäste: Minister Dr. Beyerle, Präsident von Sting von der Zentralstelle für die Landwirtschaft und Ministerialrat Springer vom Wirtschaftsministerium. In einer Ansprache führte der Präsident aus, daß der Bauer die Saat Heuer zwar mit gewohnter Sorgfalt, aber innerlich beschwertem Herzen und mit großer Sorge der heimatlichen Scholle anvertraut habe. Im letzten Jahre seien die erzielten Preise ohne Rente geblieben. Noch heute aber liegen ungezählte tausende Zentner unverkauften Getreides auf den Böden und viele Landwirte wissen nicht, wie sic die immer größeren finanziellen Verpflichtungen einlösen sollen. Unglaublich klingt es, daß 1928, bezw. in den letzten drei Jahren, durchschnittlich 4 Milliarden Mark für landwirtschaftliche Einfuhr aus unserem bedrängten Vaterland ab- wanderten. Die Verschuldung der Landwirtschaft wird einschließlich der Rentenbankschulden auf 14,5 Milliarden RM. geschätzt.
Minister Beyerle versicherte nach begrüßenden Worten, daß er die Bestrebungen und Bedürfnisse der Landwirtschaft mit besonders offenem Auge und warmem Herzen verfolge.
Die Tagesordnung der Sitzung begann mit Neuwahlen. Zunächst wurde Landesökonomierat G r ä te r - Weinsberg zugewählt. Die Wahl des 1. Vorsitzenden fiel beinahe einstimmig auf den seitherigen Präsidenten Adorno- Kaltenberg. Als stellvertretender Vorsitzender wurde ebenfalls wiedergewählt Reichstagswbgeordneter Din gier- Calw. In den Vorstand wurden gewählt die bisherigen Mitglieder: Herrmann, Gutsbesitzer in Blau selben. Maunz, Schultheiß a. D. in Altheim, Melchinger, Landwirt in Unterensingen, Vogt, Oekonomierat in Gochsen, Zeiner, Oekonomierat in Neuhaus. Als Arbeiteroertreter: Vrodbeck, Oberschäfer in Hohenheim, Oesterlen, Farrenwärter in Unterjettingen.
Den Geschäftsbericht erläuterte in seinen wichtigsten Teilen Direktor Dr. Ströbel. Danach nimmt die Tätigkeit der Kammer einen immer größeren Umfang an. Jin Vordergrund standen die Preisfrage, die Absatzförderung und die Steuerfrage. Mit aller Kraft suchte die Kammer die Herstellung und den Absatz von Qualitätsware zu fördern. Insbesondere zählt hierzu die vorbereitete Einführung einer Buttermarke, die Einrichtung einer Eierabsatzzentrale, Maßnahmen der Standardisierung (Gerste, Kartoffeln, Weizen) der planvollen Zusammenfassung der.Erzeugung, der Marktbeobachtung und verschiedenes andere.
Der Haushaltpian 1929 unterscheidet sich von demjenigen des Vorjahres kaum. Der Umlagesatz bleibt wie bisher bestehen: er macht auf den württ. Morgen etwa 12 Pfennig aus.
Domänepächter Aldinger - Burgholzhof ging auf die Maßnahmen für den Absatz von Obst und Gemüse ein. Er führte u. a. aus: Im württembergischen Oberland befassen sich bereits Genossenschaften und mehrere Lagerhäuser der Kaufstelle des Verbands landwirtschaftlicher Genossenschaften erfolgreich mit dem Absatz von Obst. Deshalb entschloß man sich, die aus dem Notprogramm zur Verfügung stehenden Mittel (300 000 -<l) im württembergischen Unterland zu verwenden zur Errichtung von drei Bezirkssammelstellen in Heilbronn, Oeh ringen und Hall. Als Vorbedingung für eine erfolgreiche Absatzförderung ist nach wie vor die Vereinheitlichung der Sorten und die richtige Pflege des Obstes zu bezeichnen. Es ist dringend notwendig, daß die Frage der Verlegung der Gartenbauschule Hohenheim oder Loslösung von der Hochschule Hohenheim und deren weiterer Ausbau eine baldige Lösung findet.
Frecher von Stauffenberg- Rißtissen wies auf die große Zersplitterung aus dem Gebiete der Milcherzeugung hin und wies Wege zur Besserung. Die Molkerei- sachschule in Wangen sei fehl am Platze; es wäre zu über- 'legeu, ob man die Gebäude nicht besser zur Einrichtung eines Schlachthauses benützen wolle. In einigen Wochen werde ein Generalplan zur Rationalisierung auf dem Gebiet der Erzeugung von Milch und Milcherzeugnissen in Württemberg vorgelegt werden. Landwirt K ö n i g-Haubach setzte sich für die milchwirtschaftliche Lehr- und Forschungsanstält ein. Domänepächter Adlung-Sindlingen kritisierte das Verholten der Landwirte beim Viehverkous; di« besten Tiere be- kommen die Händler, den Rest die Genossenschaften. Gutsbesitzer Dr. F r a n ck - Oberlimpurg sprach sicb für eine Verkürzung des Wegs zwischen Erzeuger und Verbraucher aus. Domänepächter Hege-Hohebuch betonte die Wichtigkeit der organisierten Marktbeobachtungen.
Gin Landwirtschastsministerium und Erweiterung des
Geschäfiskreises der Landwiekschastskammer beantragt.
! Zu Beginn der Samstagssitzung begründete Freiherr
o. Stauffenberg folgende von ihn; bereits am Freitag ^ eingebrachte Entschließung: !
„Die Landwirtschaftskammer beschließt, die Staatsregierung zu § ersuchen, die staatlichen landwirtschaftlichen Verwaltungen durch ^ Zusammenfassung in einem Ministerium zu vereinfachen und s entsprechend dem Vorbild in anderen Landern die Landwirt- : schaftspfleg-e in vollem Umfang unter entsprechender lieber- ! Weisung von Staatsmitteln auf die Landwirtschastskammer zu s übertragen." -
In der Begründung wurde ausgeführt, daß sich die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Landwirtschaft durchaus bewährt habe; von dem rein politisch eingestellten Landtag sei eine genügende Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Belange nicht zu erwarten. Mehrkosten dürften durch die Umorganisation
kaum entstehen. Gegenwärtig seien für jeden Zweig der Landwirtschaft die einzelnen Belange so vielerlei Behörden unterstellt, daß sich keine einzige für die gesamte Landwirtschaftsförderung verantwortlich fühlen könne.
Präsident Ädorno betonte, daß der Vorstand dein Antrag zugestimmt habe unter der Voraussetzung, daß die landwirtschaftlichen Schulen und das Feldbereinigungsund Meliorationswesen nicht von der Landwirtschastskammer übernommen würden.
Wirtschaftsminister Dr. Beyerle wies bezüglich der Zusammenfassung der behördlich,; Organisation darauf hin, daß diese Frage sehr wohl geprüft werden müsse und auch in den Rahmen der angestrebten Staatsverein- sachung falle. Bezüglich der Erweiterung der Zuständigkeiten der Landwirtschastskammer müsse vor allem die finanzielle Seite beachtet werden. Mit der Uebertragung gewisser Belange vom Staat an die Landrvirt-schaftskammer werde sich der Staat als von der finanziellen Verpflichtung enthoben betrachten; denn Staatsinittel werden schwerlich für Aufgaben ausgewendet werden können, die in die Hände eines einzelnen Berufsstandes übergegangen sind.
Direktor Dr. Ströbel betonte demgegenüber, daß der Staat auch im angenommenen Fall die Landwirtschaft nicht schlechter behandeln könnte als andere Berufszweige. Wenn z. B. die Rinderzucht auf die Landwirtschaftskammer überginge, wäre gar nicht einzusehen, warum der Staat den geringen Beitrag nicht weiterhin gewähren sollte. Der sozialistische sächsische Staat gewähre für die Rinderzucht 922 000 Mark Beitrag, die Rechtsregierung in Württemberg jedoch nur 80 000 Mark. Mit welchem Recht sollte der Staat solche Beiträge streichen, wenn man ihm dafür dis entsprechenden Aufgaben abnimmt?
Bei der Abstimmung wird der erste Teil des Antrags Stauffenberg einstimmig angenommen, der lautet: „Die Staatsregierung zu ersuchen, die staatlichen landwirtschaftlichen Verwaltungen durch Zusammenfassung in einem Ministerium zu vereinfachen." Der weitere Teil des Antrags Stauffenberg wird zurückgezogen.
Dann wird folgender Antrag Din gier mit 50 gegen 20 Stimmen angenommen: „Die Staatsregierung zu ersuchen, die Rindviehzucht unter entsprechender Ueber- weisung von Staatsmitteln auf die Landwirtschaftskammer zu übertragen und zu prüfen, welche weiteren Gebiete auf die Landwirtschaftskammer übertragen werden können."
Dir. Dr. Ströbel berichtete hierauf über die wirt- schaskspolilischen Forderungen der vier landwirtschaftlichen Spihenverbände. Hierzu beantragte der Vorstand folgende Entschließung: „Unter Hinweis auf die Beschlüsse der Landwirtschastskammer vom 4. Dezember 1928 und ihre bei dem Besuch des Reichsernährungsministers Dietrich am 5. November 1928 abgegebenen Erklärungen, in denen die programmatischen Forderungen der württembergischen Landwirtschaft aufgezählt sind, fordern wir von derReichs- regierung sofortige Maßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität der Landwirtschaft. Line weitere Ver- Zögerung würde eine katastrophale Lage der bäuerlichen Bevölkerung herbeiführen und unabsehbare Folgen zeitigen- Wir verlangen insbesondere, daß endlich 1. in der Zoll-, Handels- und Preispolitik die Notlage der Landwirtschaft berücksichtigt wird, 2. die Hilfsmaßnahmen zur Absatzförderung mit Nachdruck und mit ausreichenden Reichsmitteln fortgesetzt werden, 3. hie Eijenbah n t a r i f e so gestaltet werden, daß sie einen gewissen Schutz für die Inlandswaren bilden, und 4. auf steuerpolitischem Gebiet eine Milderung der Lasten in Bälde herbeigeführt und erleichternde Bestimmungen für die Umschuldung getrosten werden."
Neueste Nachrichten
Das Hamburger Rotfrontkämpfertreffe« verboten
Verlegung nach Leipizg?
Hamburg, 6. Mai. Der Hamburger Senat hat beschlossen, das seit 11. März ds. Js. bestehende Verbot für national sozialistisch« und kommunistische Kundgebungen im Hamburger Gebiet für den aus Pfingsten geplanten
Tagesspiegel
Der Reichskanzler ist von seiner Erkrankung wieder her- gestellt.
Der frühere kgl. preußische Slaaksminister und Staatssekretär des Reichsschahamts. Max Frhr. v. Thielmann, ist im Alter von 83 Jahren in Berlin gestorben.
Nach dem letzten Berliner polizeibericht sind bei den Unruhen 17 Männer und 5 Frauen, zusammen 23 ums Leben gekommen. Dazu kommt ein tödlicher Unglücksfall.
Das kommunistische Karl Liebknecht-Haus in Berlin wurde polizeilich durchsucht. Die beschlagnahmten Schriftstücke werden auf dem Polizeipräsidium durchgefehen.
Das bayerische Innenministerium hat den Rotkämpscr- bund mit allen Nebenverbänden in Bayern verboten.
Der Vorbereitende Abrüstungsausschuß in Gens hat seine Beratungen geschlossen. Die Vertreter der Seemächte gaben die Erklärung ab. sie hätten vereinbart, die Sceabriiskung auf eine spätere Tagung des Ausschusses zu verschieben.
Wie aus Afghanistan gemeldet wird, hat Aman Ullah in einem Kampf bei karabag seinen Gegner habib Ullah besiegt und 4000 Gefangene gemacht.
Bei dem Erdbeben an der persisch-turkmenischen Grenze sollen 2000 Menschen umgekommen sein.
kommunistischen Rotkämpfertag aufrechtzu e r h a l t e n.
Die Kommunisten in Hanckurg setzen trotzdem i»« Vorbereitungen für den Rvtkämpferkag fort. In den Anweisungen der kommunistischen Parteileitung heißt es ausdrücklich, daß etwa 100 000 Rotsrontkämpser Zusammenkommen werden; es sei mit riesigen Maffenkämpfen M rechnen, die von der Kommunistischen Partei und dem Rot- kämpferbund zu einem bewaffneten Aufstand gesteigert werden müssen. Verschiedene Gruppen russischer Bolschewisten sind in Hamburg eingekroffen, die bei dem Berliner Aufruhr eine führende Rolle gespielt haben.
In einer Kommunistenversamm'nng in Dresden wurde ongekündigt, daß der in Hamburg verbotene Rotfront- kämpsertag in Leipzig statksinden solle.
In verschiedenen Städten des Reichs kam,es am Sams- kag und Sonntag zu mehr oder weniger starken Zusammenstößen mit der Polizei.
47 Berliner Polizeibeamle verletzt
Das Berliner Polizeipräsidium teilt mit, daß bel dem Ausruhr in den ersten Maitagen 47 Beamt« verletzt worden find' darunter 4 sehr schwer (einer durch Schuß) und 10 erheblich.
Störunge» beim Königsberger Stahlhelmkag
Königsberg. 0. Mai. Be! dem Ostpreußischen Stahl- helmtag, der von vielen Tausenden aus der ganzen Provinz besucht war, wurde der Festzug mehrfach von Kommunisten und Reichsbannerleoten belästigt. Die Polizei nahm fvHS Verhaftungen vor. Das Krieger-Denkmal- vor dem der Bundesführer Seltde den Appell abnahm, wurde in der Nacht vorher von Gegnern des Stahlhelms beschmutzt unbeschädigt.
Aus dem Haushalt der Reichrpost
Berlin, 6. Mai. Im Haushaitausschuß des Reichstag» teilte Reichspostministxr Dr. Schätzet mit, daß im Jahr 1928 gegenüber dem Vorjahr der Verkehr bei den Wertbriefen und im Funktelegrammverkehr um je 18 v. H., im Postauftragsoerkehr um 21 v. H. (ein Zeichen der gespannten Geldverhältnisse in der allgemeinen Wirtschaft) gestiegen ist. Seit Inkrafttreten des Reichspostfinanzgesetzes ist der 1I«berschuß auf 151,5 Millionen Mark im Jahr 1929 gestiegen. Die Mechanisierung, Normung und Typisierung in allen Betriebszweigen, die Einrichtung des Fernsprechschnellverkehrs haben trotz Zunahme des Verkehrs eine stark« Verminderung der Pcrsonalausgaben ermöglicht.
Bond für koloniale Erneuerung
Görlitz, 6. Mai. 3n einer Sitzung -es Bunds der Kvlo- nialfrennde ist die Verschmelzung des Bunds und der Gesellschaft für Kolon im« Erneuerung zu einem .Bund für koloniale Erneuerung" beschlossen worden. Zum Vorsitzend«« wurde Aeicksminister a. D. Dr. Külz gewählt.
Auflösung des Koburger Skadtrats
kobnrg, 8. Mai. Der natlanals ozi al ist i s ch e Antrag auf Abberufung der ehrenamtlichen Mitglieder des Stadtrols und Auflösung desselben in Koburg wurde von der Einwohnerschaft mit 8914 gegen 4266 Stimmen angenommen. Erforderlich waren 80 v. H. der abgegebene« Stimmen.
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Der Vorschlag Owen Joungs
pari», 6. Mai. Bei dem Toungschen Vorschlag handelt es sich, wie verlautet, um Jahreszahlungen, die mit 1678
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