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Nr. 104

Gegründet 1827

Samstag, den 4. Mai 1S2S

Fernsprecher Nr. r»

103. Jahrgang

Der Aufruhr in Berlin

Wiederum Tote und Schwerverletzte Regelrechter Franktireurkrieg Mit Messern kämpfende Frauen

Berlin, 8. Mai. In Berlin-Neukölln wurden die Kämpfe am 2. Mai fortgesetzt, sie waren besonders heftig abends in der Dunkelheit. Die Kommunisten hatten die elektrische Be­leuchtung zerstört. Die große Barrikade in der Hermann- strahe war noch immer von Kommunisten besetzt, von wo aus die Polizei geschossen wurde. Nachts nach 1 Ahr wurden abermals Panzerwagen gegen die Barrikaden vorgeschickk, und es kam zu einem heftigen Feuergefecht mik Maschinen­gewehren. Die Kommunisten bewarfen von den Dächern ans die Polizei mit Pflastersteinen und Bierflaschen. Wiederholt wurde versucht, die Polizeiwache an der Schillerpromenade zu stürmen. Bis jetzt werden weitere 3 Tote und 20 Ver­letzte gemeldet.

Die Polizei rückte gegen 4l4 Ahr mit einem großen Auf­gebot an und sperrte das ganze Stadtviertel vom Bahnhof Hermannstraße bis zum Hermannplatz mit den Nebenstraßen ab- Den Arbeitern und Angestellten, die sich in den frühen Morgenstunden zur Arbeit begeben wollen, wird das Ver­lassen des ganzen Bezirks nur an der Selchewer Ecke Weißestraße gestattet und auch hier nur gegen Ausweis. Die Fenster müssen weiterhin geschlossen gehalten werden, da die Polizei immer wieder gewärtig sein muß, aus den Fenstern beschossen zu werden. Die Umstellung soll immer enger gezogen und die besonders verdächtigen Häuser durch Kriminalbeamte nach Waffen abgesucht werden, da feststeht, daß von Kommunistischer Seite Schußwaffen auch schwereren Kalibers verwendet worden sind.

Gegen den Morgen bemächtigte sich die Polizei der Bar­rikaden, die zunächst skr den Skrahenbahlwerkehr frei- gemacht wurden. Anter den Barrikaden fand man um- geftürzke Lastautos und Traktoren, Teerkessel der Asphalk- gesellschaften, sowie sine ganze Reihe von großen Benzin-!

tanks und ähnliches Material. Die Demonstranten halten sich offenbar darauf vorbereitet, im Fall eines Angriffs der PolizÄ die Barrikade mit Benzin zu übergießen und in Brand zu setzen. Man befürchtet, daß sich die Kämpfe auch m den nächsten Nächten wiederholen werden. Die kommu­nistischen Trupps bestehen meist aus jungen Leuten.

Bei neueren ernsten Straßenkämpfen in Neu-Kölln am Freitag nachmittag wurden zwei Frauen erschossen und «in Mann schwer verletzt. Viele Frauen kämpfen mit Mellern.

Der deutsche Botschafter in Moskau hat gegen di« Veröffentlichung von Plakaten in Moskau, in denen di« deutsche Reichsregierung scharf angegrif« fen und verächtlich gemacht wurde, Einspruch er­hoben.

Die preußische Regierung erklärt, an der Zei- uingsmeldung, daß das preußische Kabinett das Verbot des Noten Frontkämpferbunds erwogen Hab« sei kein wahres Wort.

Streik in Berlin

Der Aufforderung der Kommunistischen Partei ent­sprechend haben am Freitag die Arbeiter in zahlreiche» Betriebenzun: Protest gegen das Verhalten der Polizei', vielfach jedoch durch schwere Bedrohung beeinflußt, die Arbeit niederaelegt.

Bon den ins Krankenhaus Neukölln-Buckow eingelie- ferken Verletzten sind zwei gestorben.

Ein sozialdemokratischer Ausruf.

Berlin, 3. Mai. Der Vorstand der SozialbemokratischeM Partei Deutschlands und der Vorstand der sozial demokrati- sci)en Reichstagssraktion veröffentlichen einen Aufruf, in dem es heißt: Die Toten und Verletzten Berlins sind für die Kommunisten Agitationsmaterial und nichts anderes« Diese Opfer sind auf Befehl der Kommunistischen Zentral« gefallen! Das ist die Wahrheit! Arbeiter, laßt euch von der bankrotten Kommunistischen Partei und ihren Moskauer» Drahtzieehrn nicht zu Handlungen mißbrauchen, die letzten Endes nur den geschworenen Feinden der Republik und des Proletariats zugute kommen!

Die heutige Ausgabe derRoten Fahne" wurde be- schlagnahmt.

Die Krawalle in Kapfenberg

Graz, 3. Mai. Da bei den: Zusammenstoß der republi­kanischen Schutzbündler mit HeimwehrÄuten am il. Mat von seiten der Schutzbündler Gewehre benutzt worden waren, ließ die Landesregierung im Ardeiterheim gestern Durchsuchungen vornehmen. In einem bedeckten Kohlen­wagen wurden 50 Gewehre und in den Kellern des Hause» weitere Waffen und Munition entdeckt und beschlagnahmt.

Reparations Kompromiß?

Paris, 3. Mai. Zu den gestern wieder ausgenommen«»! Privatbesprechungen der Sachverständigen der Reparations» konserenz berichtet derMatin", man scheine nach der Rich­tung hin zu arbeiten, im Rahmen des Möglichen die Flüssig­machung von 1'3 Milliarden Mark, die den eigentlichen Reparationsrestbetrag bildeten, zu gewährleisten. Dies würde auf etwa 37 Jahre die Zahlung von 1 Mil­liarde jährlich bedeuten, dur chdie die küntigen An-, leihen garantiert würden. Hinsichtlich der Rückerstattung der Verbands-Kriegsschulden in Höhe von 26 Milliarden Kapitalwert würde man sich damit begnügen, von den Deutschen die Verpflichtung zu verlangen, sie sämtliche dafür notwendigen Zah­lungen entrichten. Man würde 'edoch die entspre­chenden Jahresleistungen nur für einen Zeitraum von 10 bis 12 Jahren ziffernmäßig festlegen. Noch 1012 Jahren könne dann der Fall eintreten, daß entweder Amerika einen Schuldennachlaß gewähre, oder daß die internationale Ban' einen Gewinn abwerfe, der zur Deckung dieser Schulden dfene könne. Es wären noch die Jahreszahlungen festzu­setzen, und zwar sowohl für die 37 Reparationsjahre, als auch für die 1012 Jahre, in denen Reparationen und Schulden zusammenfallen, und lediglich an dieser Zahlen- fraqe könne ein Snitem ickeitern. dessen Grundsatz zweck­

mäßig und für alle zufriedenstellend erscheine. ^Matin" glaubt, daß die gestern nach Rückkehr von Dr. Schacht «in­geleiteten Verhandlungen Wer diesen Plan am Montag nachmittag beendet sein würden. ,

DieVolonte" will wissen, Dr. Schacht habe nach seine» Unterredung mit Owen Toung gestern abend crklätt, die privaten Besprechungen werden bis Montag dauern. G» glaube, daß man zu einer allgemeinen Verständigung ge­langen könne.

Keine Spionage

Paris. 3. Mai. Wie berichtet, war eine Schweizerin namens Tanner. in deren Besitz angeblich ein Fragebogen über militärische Angelegenheiten gesunden, worden sein sollte, unter Spionageverdacht festgenominen worden. Ha- vas teilt nun mit, daß dieses Schriftstück vollkommen wert­los ist und von Spionage keine Rede sein kann.

Dbr Herzog von Gloucester in Tokio

Tokio. 3. Mai. Der Herzog von Gloucester, dritter Sohn des Königs von England, überreichte dem Kaiser von Japa . den englischen Hosenbandorden. Der Kaiser verlieh ihm dann den Großen Chrysanthemenorden.

T«gerspiegel

Reichskanzler Müller ist neuerdings an seinem Leiden erkrankt.

Der Reichstag hat sich mit Rücksicht auf die Landkags- wahlen in Lachsen (12. Mai) auf den 12. Mai vertagt. Der Reichstag begann die Beratung des Haushalts des Land- wirtschaftsmimsteriums. Gegen einen Antrag der Kommu­nisten, die Borgänge am 1. Mai zu besprechen, erhoben die Sozialdemokraten Widerspruch, der Gegenstand kam daher nicht auf die Tagesordnung.

Der österreichische Nationalrak nimmt am 4. Mai die Wahl des Bundeskanzlers uno des Kabinetts vor. Die Re­gierungsparteien haben sich aus folgende Politiker geeinigt: Bundeskanzler Skreeruwih. Vizekanzler Schumy (Land­bund), Finanzen Dr. Mittelberger, Unterricht Dr. Czecmak, Handel Dr. Schürft (Großdeutsch), Justiz Dr. Slama (Groß­deutsch), Landwirtschaft Föderinayr, soziale Verwaltung Dr. Resch, Heerwesen Daugoin. Dem neuen Kabinett werden k Christlich-Soziale, 2 Großdeutsche und 1 Landbiindler aa- gehöreu.

Zur Reform der MLeüs!ssenvechchenmg

Von einem Versicherungs-Fachmann wird uns ge­schrieben:

Der Reichstag beschäftigte sich kürzlich mit einer Frage, die auch in der breiten Oeffentlichkeit lebhaft erörtert wird: mit der Notwendigkeit der Reform der Ar­beitslosenversicherung. Daß die heurigen Zu­stände unhaltbar geworden sind, darüber sind die Regie­rung und fast alle Parteien einig. Die Verschuldung der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung wird in den näch­sten Wochen 400 Millionen RM. erreichen. Der Pump bei der Reichs lasse, die selbst mit 1400 Millionen kurz­fristig verschuldet ist, kann nicht mehr in Frage kommen. Aber auch aus inneren Gründen, mir Rücksicht aus den Charakter der Reichsanstalt ist eine Reform unvermeidlich. Sie will, eine Versicherung sein; so wie die Dinge liegen, läuft sie aber Gefahr, eine Fürsorgeeinrichtung zu werden.

Mit den seitherigen Aushilfsmitteln, wie weitere Aus­dehnung der Versicherungspflicht' Erhöhung der Sozial­lasten, stärkere Zuschüsse des Reichs ist es nicht mehr getan, diese Möglichkeiten sind unter den heutigen Verhältnissen erschöpft. Außerdem hat d.e Reichsanstalt selbst in einer umfangreichen Denkschrift auf Grund einer ganzen Reihe von Beispielen darauf hingewiesen, daß durch das heutige System viel Arbeitsmaterial zerstört und künstliche Arbeits­losigkeiten und unverdiente Einkommenssteigerungen ge­schaffen werden.

Während für L a n d w i r t s ch a f t s- und Forst­arbeiten Arbeitskräfte nur noch schwer und in unge­nügender Zahl zu beschaffen sind, gab es nach der Denk­schrift in einigen ländlichen Bezirken allein rund 10 000 Unterstützungsempfänger, die aus der Erwerbslojenunter- stützung zusätzliche Einkommen bezogen, obwohl sie selbst Eigentümer oder Pächter von Land -und Forst­wirtschaften waren. Sehr häufig beziehen Ehefrauen und sonstige Familienmitglieder in den Städten nach Erreichung der Anwartschaft die Unterstützung, trotzdem sie im Haus­halt tätig seien. Mädchen, die zu heiraten beabsichtigen, stellen kurz vor der Verehelichung auf eigenen Wunsch die Arbeit ein und lassen sich vom Arbeitgeber die Ausstellung einer Bescheinigung für die Arbeitslosenversicherung geben. Verheiratete Frauen, die früher Nebenarbeit verrichteten, scheuen heute Berufsarbeit und beziehen Unterstützung. Erst wenn diese ablaufe, werde wieder Arbeit ausgenom­men, um von neuem die Anwartschaftsgrenze zu erreichen. Die Förderung von Schwarzarbeit nehme stark zu. Nachdem auch die Bedürftigkeitsprüsung aufgehoben mor­den sei, sei es zu den kuriosen Erscheinungen gekommen, daß z. B. in Bochum ein Besitzer Meier Häuser Arbeits­losenunterstützung bezog und dabei unter dem Namen sei­ner Tochter ein Geschäft betrieb; im Kreis Fraustndt gab ein Unterstützungsempfänger bei einer Jagdverpachtung seiner Gemeinde das Höchstgebot ab und stellte auch die nötige Kaution. Die Arbeitslosenversicherung ver­mehre die Landflucht trotz der Arbeitslosigkeit in den Städten.

Wie soll nun aber abgeholsen werden? Man muß die Lage betrachten, so wie sie ist. Bis Ende März hatte die Reichskasse für Zwecke der Arbeitslosenhilfe rund 340 Mil­lionen ausbezahlt. In dieser Summe sind Darlehen an die Reichsanstalt für Arbeitslosenversiche­rung von mehr als 250 Millionen enthalten. Bis zum heu­tigen Tag sind, einschließlich von weiteren 100 Millionen im April, fast 450 Millionen an Zuschüssen zur Arbeits­losenversicherung und Krisenfürsorge, welch letztere bekannt­lich fast ausnahmslos bis 4. Mai ausgedehnt ist, neben dem dreiprozentigen Beitragsaufkommen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer geleistet worden. Dabei ist zu beachten, daß von den im Reichshaushaltptan 1929/30 eingestellten Reichszuschüssen von 150 Millionen bereits zwei Drittel ver- misgadt sind.

Rechnen wir zusammen:

Bis Ende Mai Reichsbelastung 450 Will. Mark, dazu im Sommer 160 Mill. Mark,

und im Winter 400 Mill. Mark.

Zusammen 1010 Mill. Mark.

Denn wohl verstanden die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver­sicherung", deren Haushaltsplan für 1929 nicht weniger als 1370 657 402 Mark an Ausgaben vorsiehk> balanzierl nur bei der Voraussetzung einer jährlichen Anspruchsberech- tigtenzahl von 800 000 und mit einem Jahresausgabebedars von 800 Millionen Mark. Wo aber soll, auch bei optimisti­scher Annahme, diese Durchschnittszahl herauskommen (am 28. Febr. waren es sogar 2 470 760 Unterstützungsemp. fänger), um so mehr, als im vergangenen Winterhalbjahr noch mehr als deren Hälfte Saisonarbeiter waren?

Also das Reich muß helfen. Gewiß, wenn es kann. Aber hierin fehlt es eben, wie man in letzter Woche zu all­gemeinem Schrecken erfuhr, ganz gewaltig. Zum letzten «pril ist die kurzfristige Verschuldung der

Reichskasse auf 1900 Millionen gestiegen. Hie­bei spielen die 340 Millionen, die das Reich der Reichs­anstalt für Arbeitslosenversicherung vorschießen mußt«-unE die es vermutlich nie mehr zurückerhält, die Hauptrolle.

Daß das Reich für diesen Zweck nicht noch mehr leiste» kann, darüber sind sich alle Parteien einig. Auch der Reichs- arbeitsminister Wissell bäkt diesen Weg für völlig yw« gangbar. Was nun? Die sozialdemokratjsch« Reichstagsfraktion hat in einem Beschluß die Er­höhung der Versicherungsbeiträge verlangt, llm wieviel? Man kann die Erhöhung errechnen. Sollen nämlich die bereits vorhandenen Schulden der Reichs­anstalt und die voraussichtlich in dem jetzt begonnenen Rech­nungsjahr anwachsenden neuen Schulden gedeckt werde» >,<, müßt« nach dem genannten Beschluß der geltende Bei­tragssatz von 3 Prozent um weiteres auf 7 Prozent gesteigert werden. Was sagt die Wirt­schaft dazu? Ist für sie eine solche Belastung tragbar?

Oder aber muß abgebaut werden, namentlich an der Londerfürsorac für die Saisonarbeiter? Bereit»