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Samstage den 6. April 1928 Fernsprecher Nr » 103. Jahrgang

wieder neue

Berlin, 5. April. Gemäß dem vom Aeichskabsnett be­schlossenen Hilfsprogramm für Ost st re aßen. das bereits dem Reichsrat zugegangen ist, soll eine neue B e- amtung des Reichs- und Staatskommissars für Ostpreußen geschaffen, der von der Reichs- und der preußischen Regierung gemeinsam ernannt wird. Beide Regierungen haben den Posten bereits den» demokratischen ReichstagSabgeor-neten Ronneburg übertragen, dem als Mitarbeiter Dr. Lauffer von der preußischen Zentral- genossenschaftskasse und Oberregierungsrat Lieb mann vom preußischen Landwirkschasksmimslerium beigegeben wer­den. Dazu kommt der ganze Stab der untergeordneten Beamten.

Zn der Presse wird die Maßnahme überwiegend ais ein Mißgriff bezeichnet. Das Programm wäre bester und sachlicher von bestehenden ostpreußischen Behörden unter Aufsicht eines Reichsbeauftragten, für den kein be­sonderes Amt zu schaffen nötig gewesen wäre, ausgeführt worden: die bedeutenden Kosten der neuen Veamiungen wären zu ersparen gewesen. Weiterhin nimmt man An­stoß an der Wahl Rönneburgs, der «in scharfer Par- relmann sei und in die ostpreuß. Verhältnisse nicht hinein- passe. Der gegebene Mann wäre dagegen der frühere Ernährungsdirektor und Staatssekretär von Ba tackt, gewesen, der als Ostpreuße das Land und seine Bedürf­nisse genau keniie und in allen Ständen und Parteien Ost­preußens größtes Ansehen genieß«.

Ach tew BaWlm«, Och KiisMW

Paris, 5. April. In der gestrigen Sitzung der Repara- -wns-Sachverständigen wurde die gemeinsame Denkschrift ver Vertreter Englands, Frankreichs, Italiens und Bel- giens vorgelegt. DasEcho de Paris" teilt darüber mit, die Abfassung des Schriftstücks zeichne sich weder durch Klarheit aus, nach sei der Ausdruck besonders glücklich ge­wählt, so daß Dr. Schacht mehrfach um genauere Fas­sung zahlreicher zweideutiger Stellen (!) habe ersuchen müssen. (Diese Zweideutigkeiten sind ja eben^von den Verbündeten in gewohnter Weise beabsichtigt, nur fällt Dr. Schacht nicht auf sie herein. D. Schr.) Die Forderungen der Verbündeten seien in ziemlich allgemein gehaltenen Redewendungen abgefaßt, die jedoch die gemeinten Ziffern durchblicken lassen. Die Sachverständigen hätten jedoch zu verstehen gegeben, daß sie auch zu Abstrichen bereit wären. Dr. Schacht habe versucht, den Umfang der Ab­striche bekannt zu geben, was die andern zugesagt haben. Dr. Schacht werde dann seinerseits mit einem zahlenmäßigen Angebot aufwarten. Man könne sagen, meint das Blatt, daß die Lage sich entspannt Hobe.

Nach demExcelsior" wird angenommen, daß man schon vor dem 15. April im Gewissen sei, ob der Konferenz ein Erfolg oder ein Mißerfolg beschieden sei.

Alanasowitjch ein Fabrikspion

Warschau. 5. April. Polnische Blätter melden, bei dem wegen seines Revolveranschlags gegen zwei polnische Beamte verhafteten Atanasowitsch aus Moskau, der längere Zeit bei der Sowjet-Handelsagentur in Berlin tätig war.

Beamtungen

Ein schlimmes Avsnahmerechl der Besatzung gefallen

Koblenz, 5. April. Die Rheinlandkommissioii der Ver­bündeten hatte seit Beginn der Besetzung den veutzchen Eisenbahn beamten verboten, bei Militärpersonen der Ver­bündeten in Uniform, die auf den deutschen Eisenbahnen des besetzten Gebiets reisen, die Fahrkarten zu kontrollieren. Die Prüfung der Fahrtausweise sollte nur durch Beaus, tragte der Besatzungsbehörden vorgenommen werden. Es lag auf der Hand, daß auf Grund dieser unglaublichen Be­stimmung der ärgste Mißbrauch getrieben wuttie und sich himmelschreiende Mißstände entwickelten. Nach längeren Verhandlungen mit der Nheinlondkominission ist deutscher­seits nun endlich, wie es scheint, auf Drängen des General­direktors der Reichsbahn, erricht worden, daß den deutschen Eisenbahnbeamten dasRecht" eingeräumt wird, ab 1. Mai die Fahrkarten der fremden Militärpersonen an der Sperre und in den Zügen nachzuprüfen.

Die deutsche Abordnung zur Abrüstungskownüttioli

Berlin, 5. April. Die deutsche Abordnung zu der cm» 15. d. M. beginnenden Tagung derVorbereitenden Ab- rüstungskommission" beim Völkerbund in Genf wird wieder unter Führung des Botschafters a. D. Graf Bern stör fl stehen Weiter werden ihr augehören vom Auswärtigen Amt die Geheimrälc v. Weizsäcker (Sohn des oerst. .württ. Ministerpräsidenten) und Fr oh wein und vom RAchswehrmüiisterium Vizeadmiral v. Freiberg uns Oberst ».Böttcher. >

feien zahlreiche Piäne deutscher Fabriken, geheime Statistiken Zeichnungen von Maschinen der Metall- und chemischen Industrie usw. gefunden worden. Er habe auch als politischer Aufreizer in der russischen Kolonie in Berlin eine Rollt gespielt.

Die PestbazMenlüge

London, 5. April. Die englische medizinische Zeitschrift Lancet" veröffentlicht ein Schreiben der Professoren Pfeiffer und Prausnitz von der Universität Bres­lau, in dem die von dem englischen Chirurgen Moynihcm aufgefrischte Lüge, - die Deutschen im Krieg Pestbazillen verwendet hätten, nachdrücklich bekämpft wird. Die beide» Professoren weisen die völlige Unhaltbarkeit der Behaupt tungen Moynihans wissenschaftlich nach: sie bedauern, daß ein Mann wie Moynihan eine so unbegründete und irrige Erklärung habe abgeben können.

Türkische Strafprozeßordnung nach deutschem Muster

Angora, 5. April. Die Kammer hat die Vorlage über die neue Strafprozeßordnung in ihrer Gesamtheit angenom­men. Die neue türkische Strafprozeßordnung ist nach dem Muster der deutschen aufgestellt.

hankau von den Rankingtruppen genommen

Schanghai. 5. April. Die Nankinglruppen haben Hanka» eingenommen. Die Kwangsitruppen ziehen sich, fast ohne Widerstand zu leisten, zurück. Me Macht der Kwangsi» gruppe scheint gebrochen. Fengjusiang hat wieder eine gut» Witterung gehabt.

Hx. 80 Gegründet 1827

Taserfpiegel

En, Erlaß der Reichsregierung ordnet an, daß bei öffent­lichen Veranstaltungen, an denen Vertreter der Rcichsregie- nmg oder Reichsbehörden teilnchmsu, die Farben Schwarz- Rot-Gold deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen, andernfalls dürfen die Behörden nicht keilnehmen.

Das Ergebnis der Verhandlungen der Vertreier der Rc- Sierungssraktionen und des Zentrums ist. daß man sich auf «ine Herabsetzung des ungedeckten Fehlbetrags im Hiljer- Rngfchen Reichshaushaltplan von 380 auf 130 Millionen Änigke.

Das Pariser Blatt «Figaro" glaubt Mitteilen z» können, daß ln einer Unterredung mit dem deutschen Botschafter ». HSsch Driand erklärt habe, er könne im Fall eines ungün­stigen Ausgangs der Sachverständigenkonseren; keine Ver­handlungen über die Rheinlandräumung in Aussicht stellen.

Zm Deutschen Kollegium in Madrid fand am 4. April die feierliche Eröffnung des Deutsch-spanischen Komitees statt. Reichstagsabg. Prof. Schreiber hielt einen Vortrag Aber die Grundlagen und die Entwicklung der deutschen Wissenschaft und ihren Einfluß auf die Wellkullur.

Der österreichische Rationalral (Reichstag) ist für Diens­tag, 9. April, nachmittags 3 Uhr einbernfen worden.

Die Christlich-Sozialen und die Großdeukschen in Oester­reich erklärten sich zur Fortsetzung der bisherigen Koalikiön bereit. Die Entscheidung des Landbunds steht noch ans, doch ist auch dessen Wiederbeitritt wahrscheinlich.

Politische Wochenschau

Gegen Wisse« und Gewissen Frankreichs Sicherheit Oetervm censeo «Deutschland- ckelencksm esse Die Not der besetzten Gebiete Ernste Warner Die deutschen Minderheiten in Rumänien rühren sich Abnehmende Arbeitslosigkeit.

Dieselbe finstere Ahnung (nämlich wie bei der Zer- stückslring Ungarns), daß Europa von neuem durch das Versagen seiner Staatsmänner an den Rand des Kriegs gebracht wird, muß jeden intelligenten Menschen befallen, der die gegenwärtige Ost grenze Deutschlands studiert und sieht, wie Ostpreußen, die Heimat des deutschen Militarismus seit der Eroberung durch die Deutsch­ritter im 13. Jahrhundert, von dem übrigen Deutschland durch den polnischen Korridor abgeschnitten worden «st, jenen unverdauten Ausweg, Polen einen Zugang zur Ostsee zu geben." Ein sehr vernünftiges Wort und dazu »koch nicht von einem Deutschen, sondern von dem Lord Rothermere. dem Bruder des verstorbenen, leiden­schaftlichen Deutschenfeinds Northcliffe, jenem Mann, für den heute ganz Ungarn schwärmt, weil er wiederholt vor aller Welt erklärt hat, der Friedensvertrag von Tria- n on, der Ungarn so himmelschreiend ungerecht behandelt Habe, müsse naturnotwendig wieder zu einem Krieg führen. Obige Aeußerung Rothermeres, dem bekannllich deDaily Mail" gehört, steht in der liberalen, Lloyd George nahe­stehenden, einflußreichen ZeitungDaily News".

In diesem Artikel erzählt der britische Lord u. a. von dem jüngst verstorbenen und nun neben der Asche Napo­leons im Invalidendom auf Staatskosten bestatteten Mar­schall Fach: dieser hätte einmal einem englischen Besucher gegenüber gesagt, indem er mit dem Mundstück seiner Pfeife auf der Karte die Ostgrenze entlang fuhr:Ein schlech­tes Geschäft, das alles! Dort (an der deutsch­polnischen Grenze) wird der nächste europäische Krieg losbrechen."

Um noch bei Foch einen Augenblick zu verweilen! Sie gehen zurzeit nacheinander in die Ewigkeit, jene Männer, die im Weltkrieg den Marschallstab geführt hatten. So Sarrail, so Foch Letzterer war Deutschlands bitterster Feind. Er ist es auch bis in seine allerletzten Tage ge­blieben.Frankreichs Sicherheit"das war bei all seinen Maßnahmen sein erstes und letztes Wort. Daher wollte «r auch nichts von einer Räumung der Rheinlande wissen, and man geht nicht fehl bei der Annahme, daß er es war, der immer und immer wieder sein gebieterisches Nein ein­legte, wenn irgendwo eine leiseste Nachgiebigkeit in dieser deutschen Lebensfrage sich hervorwagte. Fach hatte das Muck, daß ihm das frische und vortrefflich ausgerüstete Millionen he er der Amerikaner und ihre Milliarden zu­geführt wurden, als die Verbündeten hart vor dem Zusam­menbruch standen und auch das deutsche Heer nach den übermenschlichen Anstrengungen in vier Jahren erschöpft an den Erfolg geglaubt und ihn gewollt «nd dies hat ihm den Ruhm des Siegers eingetragen.

Was nun die besetzten Gebiete selbst betrifft, so mrd fünf Denkschriften der zunächst beteiligten Länder und Provinzen veröffentlicht worden, und die Reichsregierung hat sie mit einer Erklärung an den Reichstag weiter- gegeben. Geradezu beängstigend wirkt, was man in die­len Dokumenten über die wirtschaftlichen Be- ketzungsschäden zu lesen bekommt. So steht in Hessen das Vermögen, das 1913 auf den Kops der Be- volkerung um 17.8 v. H. den Reichsdurchschnitt übertroffen

hatte, heute um 7,8 v. H. unter ihm. Uno in ser Pfalz ist heute die Arbeitslosigkeit die größte des Reichs. Sie alle bitten um Hilfe. Die Reichsregierung erklärt, bei der gegenwärtigen Finanznot könne sie noch kein großes und umfassendes Notprogrtmm aufstellen. Nimmt doch die Not Ostpreußens schon die Finanzkraft stark in Anspruch. Aber die Reichsregievung wolle, so heißt es in ihrem Bescheid, in den nächsten Monaten die Vorarbeiten an der Aus­stellung eines einheitlichen Hilfsprogramms für den Westen fortsetzen" und zu einem finanzpolitisch geeigneten Zeitpunkt eine besondere Gesetzesvorlage ein- bringen.

Auch die Pariser Tributkonferenz hat über Ostern ausgesetzt. Inzwischen lassen sich anerkannte Wirt­schaftler des Auslands zur Sache vernehmen. So der Eng­länder Keynes und der Schwede Kassel. Beide war­nen nachdrücklich die Sachverständigen vor übermäßigen und überspannten Forderungen, welchedie wirklichen Schmie- rigkeiten hinter einer schönen Fassade von Worten ver- bergen." Wolle man wirkliche Reparationszablungen Herauspressen, so müsse man die deutschen Spar- gelderangreifen und die Löhnesenken. Ohne ersteren Ausweg könne man die Ausländsanleihen nicht umgehen, ohne den zweiten den Export nicht steigern.Und wird das nicht erzielt, so dürfte das Produktionsvermögen und di« Konkurrenzkraft Deutschlands sehr bald in eine Lage kommen, in der jede Bezahlung von Reparationen überhaupt unmöglich ist."

Das sind sehr ernste Warnungen, die man in Paris recht zu Herzen nehmen sollte, die aber auch jenen tschen Kreisen gelten, welche meinen: ,Llch, die Repara­

tionen sollen nur die Kapitalisten zahlen; die Habens sa!" Nein, tausendmal nein. Es geht um die Haut eines jede» bei uns.

Wie die Vernachlässigung der Minderheiten, frag« sich übel rächt, zeigt der neue Schritt, knn unter Führung des Abgeordneten- Dr. Roth eine Abordnung deutscher Parlamentarier bei der jetzigen rumänischen Bauernregierunh in Bukarest unternommen hat. Di» Herren präsentierten dem Ministerpräsidenten Mani« eine Denkschrift, welche die wesentlichsten Fragen der Mind^rbeitenpolitik behandeln, als da sind: die konfessio­nellen Mindeicheitenschiilen, die Bodenreform, das Eigen­tumsrecht der evangelischen Kircbengemeinden, die Sprach- freiheit u. dgl. m. Man ist gespannt, was die neue Re­gierung, auf welche die Minderheiten große Hoffnungen setzen, tun wird. Auch hier werden Enttäuschungen nicht ausbleiben.

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland nimmt ab, allevdinas recht langsam. Am 28. Februar zciblte man 2 460 760, am 15. März 2 324 545, also 136 215 (- 5.S Prozent) Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeit»- losenoersicherung weniger. Un'er den 136 215 sind nicht weniger als 57 028 auf Rech, g derberufsüblichen Sondersürsovge" d. h. Saisonarbeit .-. Leider aber hat.dn- Zahl der Unterstützten in d:.- Krisenfürsorge stark zugenommen: von 1614^ auf 177 313, also um 15 850 < 9.8 Prozent). Ge. diese Krisenfürsorge ist ein ziem­lich sicherer Maßstab zur Beurteilung unserer Konjunktur Wohl hat der Einl tt milderer Witterung eine Besserung gebracht aber das ist alle Jahre so und betrifft auch hauptsächlich die Außenarbeiter, also die Saisonarbeiter.