Teile 3 Nr. 2

Ragolder TagblattDer Eesellschaster"

Donuersiag, 3. Januar 1>2>

Was der Januar bringt

Nach den Weihnachtsserien nimmt der deutsche Reichs- t a g Mitte Januar 1929 seine Vollsitzungen wieder auf. Durch Verfügung des Reichsfinanzministers tritt am 1. Jan. eine Verordnung betreffend Abänderung der Vorschriften zur Durchführung des Gesetzes über die Regelung der K a l i- Wirtschaft in Kraft. Auf steuerlichem Gebiet erlangt am 1. Januar eine wichtige Bestimmung Wirksamkeit, durch die bestimmte Arten des Grundbesitzes, der eine Reihe von Jahren den Eigentümer nicht gewechselt hat, mir einer Sonder st euer belegt werden, das Reichsgrunderwerbs­steuergesetz erfährt dadurch eine Erweiterung, von der ins­besondere Personenvereinigungen erfaßt werden Betreffs der Lohnsteuer in bar und durch Ueberweisung müssen die gesetzlich vorgeschriebenen Steuerkarten für 1928 mit einer Bescheinigung über Lohnhöhe und Steuerbetrag von den Arbeitgebern bis zum 15 Januar dem Finanzamt eingereicht werden, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer am 10. Oktober 1928 seinen Wohnsitz hatte. Bei Verwendung von Steuermarken sind Arbeitnehmer, für die 1928 Steuer­marken verwendet sind, verpflichtet, die in ihrem Besitz be­findlichen Steuerkarten mit den mit Marken beklebten Ein­lagebogen bis zum gleichen Termin dem zuständigen Finanz­amt abzuliefern.

Nach der Eisenbahn-Ve'-kehrsordnung werden zur Fahr­preisermäßigung für mittellose Kranke vom Beginn des neuen Jahrs ab nur noch die Anträge und Mittellosigkeiks- bescheinigungen noch den neuen Vordrucken anerkannt. Die Wohlfahrtsmarken mit Länderwavven werden

Die Reisepläne desGraf Zeppelin"

Friedrichshasen. 2. Januar. Dr. Ecke ner hat sich zu einem amerikanischen Pressevertreter über seine Pläne für das Jahr 1929 geäußert. Danach ist nach Abschluß der vkm der amtlichen Deutschen Versuchs-Lustsahrkstelle geforderten weiteren Versuchsfahrten voraussichtlich im März wieder mit einer großen Reise des Luftschiffes zu rechnen, die mög­licherweise über das Mittelmeer nach 'Aegypten und P a- lästina führen soll. Die englische Regierung Hai bereits den Ankermast in Port Said für eine Zwischenlandung des Graf Zeppelin" zur Verfügung gestellt. Die große Welt­reise. die Dr. Eckener bekanntlich seit langer Zeit geplant hat, wird dann voraussichtlich im Hochsommer an­getreten wörden. Sie soll zuerst über Sibirien, dessen Hochgebirge am Südende des Baikal-Sees passiert werden, zunächst nach Tokio führen, wo. voraussichtlich durch Lie­ferungen von Amerika her, einBrenngas- und Brenn­st o f f l a g e r eingerichtet wird. Von Tokio geht die Fahrt dann voraussichtlich über San Diego (Kalifornien) und Lake hurst und dann über das Atlantische Meer nach Friedricksbafen zurück. Alle Vorbereitungen für diese größte

durch die Postanstalten und die Deutsche Nothilse nur noch bis zum 31. Januar vertrieben. Für die Fernsprech­anschlüsse tritt mit dem 1. Januar eine Aenderung des Gebührentarifs ein. wonach die Bezahlung einer Mindest­zahl von Ortsgesprächen für jeden Hauptanschluß nicht mehr beansprucht wird. Jeder Teilnehmer k-at künftig nur soviel Gespräche zu bezahlen, wie er wirklich führt. Der Apparat­beitrag für die Herstellung eines neuen Hauptanschlusses wird auf 50 RM. herabgesetzt. Ebenso werden die Apparat­beiträge für Nebenanschlüsse und Zusatzeinrichtungen er­mäßigt. Auf sämtliche, mit der Anlage eines Fernsprechers verknüpften Kosten wird Teilzahlung gewährt.

UeberdasWetterim Januar sagt derHundert- jährige Kalender nicht viel, nach seiner Meinung ist der Januar anhaltend und mit geringer Unterbrechung kalt bis zum 30., da tritt windige und gelinde Witterung ein.

Im Jahr 1929 regiert nach der Angabe des Hundert­jährigen der Mond, und die Gläubigen des Hundertjäh­rigen glauben, daß er ein mehr nasses und kaltes als trok- kenes und warmes Jahr bringen werde. Der Frühling wird wird sehr feucht, doch mitunter auch warm und angenehm sein, der März und Mai werden häufigen Frost bringen. Der Sommer ist bisweilen recht warm und fruchtbar, doch häufig auch rauh und unangenehm. Der Herbst wird eben­falls weyig schönes Wetter haben und der Winter mit vielem Schnee anfangen, dann mit beftiaem Reaen fort­fahren und mit wechselnder Witterung enden meint der Hundertjährige.

Fahrt, die ein Luftfcküss bisher unternommen hat, werden schon jetzt getroffen. Dr. Eckener will auf die Weltreise eine Reihe von Fahrgästen und vor allen Dingen große Mengen Post mitnehmen.

Daneben schweben die Verhandlungen mit der Werft­leitung über die Gestaltung des bis zum Jahre 1930 zu bauenden n e u e n Z e p p e l i n I u f t s ch i f f e s. das den Graf Zeppelin" nicht nur an Größe, sondern vielleicht auch hinsichtlich der Zahl der einzubauenden Motoren erheblich übertreffen soll. Eine Entscheidung hinsichtlich der Maschinen­getaucht. den neuen Zeppelin mit 10 Motoren an Stelle getaucht, den neuen Zeppelin mit 100 Motoren anstelle der bisherigen 5 auszurüsten. Voraussichtlich im nächsten Monat wird mit dem Abbruch der alten sogenanten Ring­bauhalle in Friedrichshafen begonnen werden, die zwischen dem Verwaltungsgebäude und der mittleren der drei Hallen liegt. An ihrer Stelle wird eine neue große Werft­halle errichtet, die 50 Meter breit, 46 Meter hoch und 250 Meter lang sein wird.

Aus der Evangelische« Kirchengemeinde j

Wie alljährlich, so wurden auch Heuer am Neujahrs- tagc Taufen, Trauungen usw. in der Kirche bekanntgege­ben. Es wurden eingetragen im Jahre 1928:

Taufen: 104, davon 40 Auswärtige im Kranken­haus, also Nagloder Kinder 64. Im Jahre 1927 waren es unter 69 Taufen 56 Nagolder, also 8 Taufen weniger, denn in diesem Jahr.

Trauungen: 25, darunter 11 noch auswärts Ver­zogene. 1927 waren es 16, von denen 9 von Nagold weg­zogen, also im Jahre 1928 ein Mehr von 9 Trauungen. Hinzu kommen noch zwei goldene Hochzeiten: Ehepaar Christian Gottlieb Maier, Stadttaglöhner und Ehe­paar Gottlieb Müller, Metzgermeister.

Beerdigungen: 38, darunter 5 Kinder. Im Jahre 1927 waren es 43, unter ihnen 7 Kinder. Also sind im Jahre 1928 5 Beerdigungen wenige^ zu verzeichnen.

Der Rückgang der ländlichen Bevölkerung

Von der württembergischen Bevölkerung gehörten bei der Berufszählung im Jahre 1882 noch 48,2 Proz. der ge­samten Bevölkerung der Land- und Forstwirtschaft an. Ihr Prozentsatz war 1895 auf 45.1 Prozent, nach weite­ren 12 Jahren, 1907, schon auf 37,7 Prozent gesunken. Der Rückgang hatte sich also beschleunigt fortgesetzt. Von 1907 auf 1925, in 18 Jahren, belief sich der Rückgang auf nur noch 4,7 Proz. Am 16. Juni 1925, der letzten Berufszäh­lung, machte die der Land- und Forstwirtschaft angehü- rende Bevölkerung 33 Proz. der Gesamtbevölkerung aus gegen 40 Proz. der Industrie und Handwerk. 1882 hatten 41 württembergische Bezirke eine Bevölkerung, von der 50 Prozent und mehr der Land- und Forstwirtschaft ange-« hörten (in 35 Bezirken sogar über 55 Prozent), 1925 nur noch 25. Es sind dies die Oberämter Brackenheim, Mar­bach, Weinsberg, Herrenberg, Horb, Sulz, Ellwan- gen. Gaildorf, Gerabronn, Kllnzelsau, Mergentheim, Ne- resheim, Oehringen, Leutkirch, Münsingen, und Riedlin­gen (je über 55 Prozent), Vaihingen, Nagold, Rotten­burg, Spaichingen, Crailsheim, Biberach, Ehningen, Saulgau und Waldsee (50 bis 55 Prozent).

Sehr wichtiger Nachtrag?!

Es wird besonderer Wert auf die Betonung der Tat­sache gelegt, daß am Silvester Abend nicht nur die Musik­kapelleKonkordia" spielte, sondern um die Stunde der Jahreswende die Turmbläser sich ebenfalls hören ließen.

Altensteig, 2. Jan. Beerdigung von C. W. Lutz. Am gestrigen Neujahrsfest wurde Kaufmann und Stadtpfle­ger a. D. C. W. Lutz hier auf dem alten Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Die Teilnahme war von Stadt und Land eine außerordentlich große, so daß der Trauerzug kaum zu übersehen war. Es nahmen teil der Kriegerver­ein, der Liederkranz, die Feuerwehr, der Kirchengemeinde­rat. dessen Mitglied der Verstorbene bis zu seinem Tode war, die bürgerlichen Kollegien mit Stadtschultheiß Pfi- zenmaier, sonstige Vertretungen, zahlreiche Beamte usw. Am Grabe gab Stadtpf. Horlocher ein Lebensbild des Entschlafenen als Kaufmann und Beamten und hob hervor, wie er als Bürger der Allgemeinheit gedient und seine ganze Persönlichkeit überall da eingesetzt habe, wo­hin ihn seine Mitbürger beriefen Nach der Einsegnung ergriff Stadtschultheiß Pfizen maier das Wort unv widmete dem Entschlafenen einen ehrenvollen Nachruf, in welchem er den Dank für die seitens des Entschlafenen der Stadt gewidmeten treuen Dienste als Gemeinderat, Stadtpfleger und Armenpfleger zum Ausdruck brachte und seine Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit rühmte. Na­mens der bürgerlichen Kollegien legte er dann einen Kranz am Grabe des verdienten Bürgers nieder. Als nächstältesten Kirchengemeinderat sprach Uhrmacher Seitz. Kriegervorstand Grüner folgte dann mit einem Nachruf an den unvergeßlichen Kameraden und Vetera- i nen. Als letzter Gruß senkte sich die Fahne des Vereins j über dem Grab des Kameraden, dessen soldatische stramme Erscheinung bis zum hohen Alter den einstigen Solda­ten verriet. In warmherzigen Worten hob dann Stadt­baumeister Henßler, als derzeitiger Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, die großen Verdienste des Ent­schlafenen als langjähriger Kommandant der Feuerwehr hervor. Rektor Feucht versicherte, daß es nicht Formsache sei, wenn er an das Grab des Entschlafenen trete. Er schil­derte dann, wie dieser als langlähriger Ortsschulrat ein großer Freund der Schule gewesen sei, der seine Pflicht mit seltener Gewissenhaftigkeit ausübte. Der Liederkranz, der den Erabgesang übernommen hatte, sang seinem ein stigen Vorstand das Lied:Stumm schläft.'der Sänger". So hat sich das Grab wieder über einem Mitbürger ge­schlossen. wie sie in ihrer Mannhaftigkeit und Gewissen­haftigkeit allzu selten sind.

Untertalheim, 2. Jan. Standesamt. Im Jahre 1928 kamen vor: Geburten 11 (1927: 17): Eheschließungen 5 (4) und Sterbefälle 8 (9).

Oberjettingen, 2. Jan Vereidigung im Eemeinderat. Am 31. Dezember des verflossenen Jahres wurde in feier­licher Weise die Verpflichtung der neugewählten Ee- meinderäte in besonderer Sitzung auf dem Rathaus vor­genommen. Nach einleitenden Worten des Ortsvorstehers, begrüßte dieser die neueintretenden Mitglieder Heinrich Köhler und Fritz Frasch und hieß sie in der Mitte des Kollegiums herzlich willkommen. Zugleich dachte die­ser auch mit warmen Worten an das freiwillig, infolge vorgerückten Alters aus dem Eemeinderat ausscheidende Mitglied, Eemeinderat Jakob Renz. Er führte unter an­derem aus: 21 Jahre hat Jakob Renz die Geschicke der Gemeinde mit den übrigen Kollegen zusammen geleitet. Wir Kollegen verlieren dieses pflichtbewußte Mitglied recht ungern und werden ihm im Kreise des Kollegiums ein ehrendes Andenken bewahren. Leider war Kemeinde- rat Renz nicht anwesend und es konnte ihm daher das Gefühl des Dankes nicht persönlich ausgedrückt werden. Nach Hinweis der wiedergewählten Herren, Jakob F o r- tenbacher, Georg Renz, Jakob BöHs und Wilhelm Kaiser, auf ihren früher schon abgelegten Diensteid, wurde den beiden neueintretenden Mitgliedern der Ei­desvorhalt vorgelesen. Ein tiefer, feierlicher Ernst lag über der ganzen Handlung. Man sah es allen Mitglie­dern des Gemeinderats an, besonders aber den beiden Neueintretenden, daß es ihnen ernst war mit ihrem «chrvur. Schultheiß Wolf er gratulierte mit allen übri- gen Kollegen den beiden neugewählten Mitgliedern und wünschte ihnen zu ihrem neuen Amte Freudigkeit und Interesse zur Sache, damit sie das ihnen in so reichem Maße geschenkte Vertrauen auch voll und ganz zu wür­digen vermögen. Wir wünschen der Gemeinde unter ihrer nun wieder neu zusammengesetzten Führung. Blü hen, Wachsen und Gedeihen.

Vollmaringen, 2. Jan. Krippenbau. Die von Herrn Hauptl. K ö n i g-Börstingen letztes Jahr in unserem Dorfe gegebene Anregung zum Krippenbau hat reiche Früchte getragen. Schon in den meisten Häusern finden wir hier wieder selbstgebaute Kripplein. Mit viel Liebe haben einzelne ihre Krippe wieder umgebaut oder noch den fehlenden Krippenberg dazugestellt. Besonders sehens­wert sind auch 2 Krippen, die aus der Künstlerhand un­seres heimischen Stein- und Holzbildhauers Feinlcr hervorgegangen sind.

Gülkstein OA. 1. Ion. Wasserleitung.

Nachdem es Schultheiß Maier gelungen ist. ein Darlehen zu tragbarem Zinsfuß aufzunchmen. wird nunmehr kräf­tig an der so nötigen Wasserleitung gearbeitet. In einem Vierteljahr hofft man sie in Betrieb nehmen zu können.

Alpirsbach, 2. Jan. Schießunfall. Am Silvesterabend verunglückte der etwa 20jähr. Fr. H a i st beim Schießen mit einem Böller. Er erlitt hierbei derart schwere Ver­letzungen an der Hand: daß er noch am selbigen Abend nach Schramberg in die Chirurg. Klinik verbracht werden mußte.

Aus aller Welt

Was man mit dem Dawestribut schaffen könnte. Mit den 2)4 Milliarden Goldmark, die wir nunmehr jährlich an den ehemaligen Feindbund zahlen sollen, könnte man jedes Jahr 25 000 dreistöckige Wohnhäuser mit je 6000 Mk. Vorkriegsmiete, d. h. eine Stadt von der Größe Leipzigs mit rund 685 000 Einwohnern bauen.

Schildbürgerstückchen. Am einen lästigen Zwangsmieker aus dem Haus zu bekommen, zündete der Landwirk Stemm- ler in Wjesdaden-Igstadt in der Silvesternacht sein Anwesen an, das größtenteils niederbrannte. Stemmler war von seinem Mieter wegen verbotenen Waffenbesitzes angezelgt 'worden.

Wassermangel in Chemnitz. Durch die geringen Nieder­schläge des vorigen Jahrs ist in der sächsischen Stadt Chem­nitz jetzt ein empfindlicher Mangel an Trinkwasser einge- kreten. Der Stadtrak hak deshalb das Baden an Wochen­tagen verboten.

Schwedische Krebsbekämpfung. Der Iubiläumsfonds des Königs Gustav von Schweden zur Bekämpfung der KrebZ- krankheit, der durch freiwillige Beiträge zusammenkommk, ist auf etwa 5 Millionen Kronen (5.6 Milk. Mk.) gestiegen.

Tot aufgefunden. Am 29. Dezember abends wurde ein Fabrikant in Pforzheim in seinem Arbeitszimmer in der Fabrik tot aufgefunden.

DieKrefeld" wieder flott. Der FrachtdampserKre­feld" des Norddeutschen Lloyd", der nach dem Zusammen­stoß mit einem amerikanischen Dampser in der Bucht von Baltimore auf Strand gesetzt wurde, ist wieder abgeschleppt worden, nachdem ein Teil seiner Ladung umgeladen wor­ben war, und hat die Fahrt nach Norfolk fortgesetzt.

Grotzfeuer. Am Sonntag brach in der Mälzerei und im Lagerhaus der Malzfabrik Faust in Rottendorf (Unter- franken) ein Brand aus. 5000 Zentner Gerste und 4000 Zentner Malz fielen dem Feuer zum Opfer. Auch die ge­samte Maschinenanlage ist zerstört. Der Brand ist vermut­lich durch Kurzschluß entstanden.

Feuer im Sraukeuhaus. In einer Krankenbaracke der Hamburger Staatskrankenanstalt Langenborn entstand durch Umfallen eines brennenden Christbaumes ein gefähr­licher Brand. Es gelang, sämtliche 31 Kranke in Ächer^it zu bringen, obwohl das Feuer schnell auf den großen Krankensaal Übergriff. Der Schaden ist bedeutend.

Letzte Nachrichten

Reparationsregicrung.

Berlin, 3. Jan. Mit Rücksicht darauf, daß die Repara- tionssrage, deren Lösung das Schicksal des deutschen Vol­kes für den Zeitraum mindestens einer Generation be­stimmen wird, in das Stadium ernster Entscheidungey ge­treten ist, stellt die D. A. Z. die Forderung auf, daß die Behandlung der Reparationsfragc, wie das in Frankreich bereits geschehen, auch in Deutschland offiziell zentralisiert wird. Seit der Annahme des Dawes- planes liege die Federführung in der Reparationsfrage beim Reichsfinanzministerium. Nach Lage der Dinge habe bereits in den letzten Monaten das Auswärtige Amt ent­scheidende Verhandlungen zu führen gehabt. Es seien Ent­scheidungen zu fällen, die weder rein finanziell, noch rein außenpolitisch getroffen werdenen könnten, sondern die auch für Wirtschafts- und Sozialpolitik auf Jahre hinaus maßgebende Tatsachen schaffen würden.

Das schönste Neujahrsgeschenk für Deutschland-

Paris, 2. Jan.An der Schwelle des neuen Jahres", so benennt derTemps" seine Neujahrsbetrachtungen, die im wesentlichen dem von der franz. Presse mit so viel Bei­fall aufgenommenen Bericht des Reparationsagenten Parker-Gilbert geendet u. die Schlußfolgerungen sind für denTemps" bezeichnend. Eine Herabsetzung der deutsch. Zahlungen, so schreibt er, würde jed. Vernunft Hohn spre­chen u. dem element. Rechtsempfinden ins Gesicht schlagen, da durch eine Schmälerung der deutschen Schuld die Na­tionen. die während des Weltkrieges die größten Opfer gebracht hätten, neue Lasten übernehmen müßten, wäh­rend das am Weltkonfliktschuldige" Deutschland eine Vorzugsbehandlung erfahren würde. Wenn Deutschland, wie es durch den neuen Bericht Parker Gilberts klarge stellt werde, seine Verpflichtungen, 2einhalb Milliarde« Eoldmark jährlich zu bezahlen, mit Leichtigkeit erfüllen könne» so gebe es keinerlei vernünftigen Grund, um ihm den geforderten Nachlaß zu bewilligen. Die Schlußfolger­ung Parker Gilberts sei derart überzeugend, daß jed. Un­part. zugeben müsse, daß der Dawesplan im weitest. Maße Zahlungsfähigkeit Deutschlands angcpatzt sei. Eine Revi­sion des Dawesplanes dürfe somit nicht erfolgen.

DasJournal des Debats" nennt den Parker Gilbert- Bericht das schöckste Neujahrsgeschenk, das den Alliierten und Frankreich gemacht worden sei. Das deutsche Volk aber, so führt das Blatt ironisch fort, müsse sich am Ende des Jahres über die günstige Bilanz des Eilbertschen Be­richtes freuen, die ihm eine glückliche Entwicklung und da­mit die Möglichkeit der regelmäßigen Schuldenbeqleichung verspreche.

Diese Stellungnahme der französischen Presse geht von einer falschen Voraussetzung aus, da sich der Reparations­agent kaum so stark zum Anwalt des französischen Stand­punktes gemacht hat, wie das in Paris vorgegeben wird. Immerhin sollte ihm diese Stellungnahme der französi­schen Presse zu denken geben, da sie weiß, was man bei bösem Willen aus seinem wenig objektiven Bericht - her­auslesen kann. D. Schr.

Wieder Todesurteile in Rußland.

Kowno, 3. Jan. Wie aus Moskau gemeldet wird, find im Bezirk Kansk (Sibirien) fünf Großbauern wegen Er­mordung eines Dorfkorrespondenten zum Tode verurteilt worden. Die Todesurteile werden damit begründet, daß sich in der letzten Zeit die Terrorakte gegen Dorftorre- fpondenten derart gehäuft hätten, daß energische Abwehr Maßnahmen nötig seien.