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Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn L 1.6p; Einzelnummer 19 — Erscheint a»
edem Werttage. — Verbreitetst« Zeitung im O,-».-Bezirk Nagold. — Schriftleitung, Druck und Brrlag von E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
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HÄ. 306
Gegründet 1827
Montag, den 31. Dezember 1928
Nie Nerven behalten!
Eine Erfahrung Hai uns das abiaufende Jahr gebracht, die vielleicht nicht allzu erfreulich, jedenfalls aber lehrreich und nützlich ist. Die Erfahrung nämlich, daß eine Verständigung mit Frankreich, die über den Rahmen korrekter Beziehungen hinausgeht, unmöglich ist. Von den beiden Völkern, die im Mittelpunkt der europäischen Politik stehen, haben zweifellos wir das dringendere Bedürfnis nach Frieden. Nicht um jeden Preis, aber um einen erträglichen Preis. Den Preis zu bestimmen, sind wir leider nicht in der Lage, und es ist schlimm für den Frieden, daß die Gegenseite glaubt, den Preis gar nicht hoch genug treiben zu können. So hoch, daß nicht nur das Geschlecht, das den Krieg noch erlebt hat, daran abzuzahlen bekommt, sondern daß noch ganze Geschlechter von Ungeborenen daran zu tragen haben werden. Dieses Streben des Poincarismus, Deutschland für unbegrenzte Zeit mit einem Kriegstribut zu belasten, der es seinen Gläubigern, vor allem dem Gläubiger Frankreich, in die Hände gibt, ist das eigentliche friedensstörende Element in der Weltpolitik. Denn was die heute noch Ungeborenen tun werden, wenn sie zum Bewußtsein der Schuldknechtschaft kommen, in der sie ohne eigene Schuld gehalten werden sollen, das können wir nicht wissen und dafür können wir, die Lebenden, eine Gewähr nicht übernehmen.
Aendern können wir die französische Geistesverfassung des Poincarismus nicht; am allerwenigsten durch aufdringliche Versuche verfrühter Annäherung. Wir müssen uns auf sie einstellen. Wir müssen ihren überspannten und unerfüllbaren Forderungen Widerstand leisten >m Interesse eines echten Friedens. Aber wir werden auch froh sein müssen, wenn es uns gelingt, zu Frankreich förmlich- korrekte Beziehungen zu unterhalten, wie sie vom Begriff des Friedens nun einmal nicht zu trennen sind. Mehr zu wollen, ist unerträglich. Mit dem Poincarismus sich darüber verständigen zu wollen, daß das deutsche Volk durch die Reparationen nicht zum Kuli des Welttrusts der Kriegsgewinner herabgedrückt werden dürfe, ist eine hoffnungslose Unmöglichkeit. Das hat uns die Deslissenheit gezeigt, womit Poincare u»mittelbar nach mühsam erfolgter Verständigung über den neuen Dawesausschuß seine Rechts- titel" an den Fingern herzählte, woraus er den Anspruch auf dauernde Versklavung Deutschlands herleitete. Auf der starren Grundlage dieser „Rechtstitel" gibt es keine Verständigung. Das kann man schon jetzt sagen. Und es war eine Politik asiunder Ehrlichkeit, wenn Reickwkowler
Müller demgegenüber nochmals erklärte, daß Deutschland zu keiner Lösung ja und amen sagen werde, die die deutsche Währung in Gefahr bringe und das arbeitende Deutschland zu einer Wirtschaftskolonie mit Kulibetrieb Herabdrücke.' Heuchelei dagegen war es, wenn die englische Presse sich über die nachträglichen deutschen „Bedingungen" ebenso entrüstet wie über Poincares unerfüllbare Forderungen. Wir wollen doch nicht vergessen, daß England der erste Gläubigerstaat gewesen ist, der für die Annahme des neuen Dawesplans vorweg seine Bedingungen stellte. Indem England seine Ansprüche aus der Balfournote erneut anmeldete, wonach es aus Deutschland so viel Herauspressen müsse, um seine Schulden an Amerika bezahlen zu können, hat es den Reigen der Gläubigerforderungen eröffnet, die — wenn man sie zusammenrechnet — neue Dawesverhandlungen überflüssig machen.
Die einfachste Vorsicht gebietet uns also, in der feindlichen Front, der wir bei den neuen Dawesverbandlungen gegenübertreten. England nicht zu übersehen. Wir haben auf Unterstützung von keiner Seite zu rechnen, höchstens von den Bereinigten Staaten, die ihr in Deutschland festgelegtes Geld zu verteidigen haben. Möglich also immerhin. daß mit dieser Unterstützung ein Ergebnis zustandekäme, das wir mit gutem Gewissen annehmen können: möglich, wenn auch nicht gerade wahrscheinlich. Aber wenn die Beratungen der Sachverständigen ein solches Ergebnis hätten, so dürfen wir um so sicherer darauf rechnen, daß es von der feindlichen Front der Negierungen unter offener Führung Poincares und auf heimliches Betreiben der englischen Negierung abgelehnt wird.
Und das Ergebnis wird nicht durchaus hoffnungslos sein, wenn nur die deutsche Regierung es vermeidet, die feindliche Front durch ein übereiltes Ja AiFta-cken. nur weil sie nicht die Nerven hat, den Anschein der Ergebnislosigkeit zu kragen. Die Nerven dazu scheint Reichskanzler Müller wohl zu haben — aber wa<- nützen schließlich die besten Nerven, wenn ihm dann etwa der Reichstag in den Rücken fiele? Auch Brockdorff-Rantzau hatte die Nerven, um der feindlichen Front inVersailles abzuringen, was uns möglich gemacht hätte, zum Friedensschluß aus freien Stücken Ja zu sagen. Damals ist es die Nationalversammlung gewesen, die ihm in den Rücken fiel und uns dadurch um die Früchte seines zähen Widerstands brachte. Uns bleibt nur zu hoffen, daß sich dergleichen bei den neuen Dawesverhandlungen nickn wiederholen wird.
Nsuefte MchrWen
Der bayerische Ministerpräsident beim Reichskanzler
Berlin, 30. Dez. Reichskanzler Müller hat gestern den bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held empfangen.
Der Straßburger Bischof gegen die Autonomisten
Straßburg, 30. Dezember. Bischof Ruch hat dem Abbe Schieß, dem Schriftleiter des autonomistischen Blattes „Der Elsässer", die weitere Ausübung des geistlichen Amtes untersagt. Man erwartet ein gleiches Vorgehen des Bischofs gegen den Abbe H ä g y, Schriftleiter des „Elsässischen Kurier" in Kalmar.
Fahnenflucht Poincares
Paris, 30. Dez. Gestern wurde im Senat die Regierungsvorlage behandelt, wonach die Bezüge der Kammerabgeordneten von 45 000 auf 60 000 Franken (rund 10 000 Mark) erhöbt werden sollen. Poincare war gegen diese Vorlage, ^veil sie im Land unbeliebt ist, andererseits wollte er es aber auch mit den Abgeordneten nicht verderben. Die Vorlage wurde von dem Finanzminister Cheron verteidigt. Poincare verließ vorherden Senat und ließ einen seiner Freunde dagegen sprechen. Die Erhöhung wurde darauf mit der geringen Mehrheit von 27 Stimmen angenommen.
Gesetz gegen den Kinderraub in China
Schanghai, 30. Dez. Die Regierung in Nanking hak gegen den Kinderraub, der gegenwärtig in China an der Tagesordnung ist. ein Gesetz erlassen, das die härtesten Strafen vorsieht nicht nur gegen die Kindesräuber, sondern auch gegen die beraubten Eltern und Familien, wenn sie es unterlassen, einen Kindesraub sofort bei der chinesischen Polizei- oder Gerichtsbehörde anzuzeigen. Die gleichen Strafen treffen alle, die irgendwie an der Erlangung von Lösegeld für geraubte Kinder beteiligt sind.
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Stuttgart. 29. Dezember.
Ehrensenakor. Die Technische Hochschule in Stuttgart bot den Generaldirektor Dr. Ing. Sommer in Dresden
zum Ehrensenakor ernannt. Sommer ist durch seine Einführung der Kaltasphalttechnik bekannt geworden
Ein Widerruf. 3m „Vercinsboten", dem Ornan des Kakhol Lehrervereins, nimmt der Schriftleiter E p pl.e einen gegen Professor Dr. Baur in Breslau erhobenen Bor- wurf der Lüge m:k dem Ausdruck des Bedauerns zurück.
Ausweis über die monatlichen Einnahmen und Ausgaben des Lands. In den Monaten April bis November 1928 betrug gegenüber dem Voranschlag die Mehreinnahme im ordentlichen Haushalt 2 827 000 Mark, im außerordentlichen Haushalt 6 499 00V Mark.
Aus dem Lande
Waiblingen, 30. Dez. Zur Stadtschultheißenwahl. Die Stadtvorstandstelle ist zur Bewerbung ausgeschrieben. Die Vorstellung der Bewerber findet am 13. Januar, die Wahl am 20. Januar 1929 statt.
Skammheim. OA. Ludwigsburg, 30. Dez. Tobsuchts- anfall. Donnerstag abend erlitt der etwa 26 I. a. Sohn eines Weinhändlers einen Tobsuchtsanfall, wobei er verschiedene Fenstersch-siben seiner elterlichen Wohnung einschlug und die Angehörigen mit dem Tod bedrohte. Der junge Mann soll bei einem vor 4 Wochen vorgekommenen Fuhrwerksunfall einen Nervenschock bekommen haben und seitdem an nervösen und geistigen Störungen leiden.
Wimpfen, 29. Dez. Siedlungsplan für das Neckartal. Der Neckarverkehrsverband hat sich in seiner letzten Sitzung in Wimpfen mit der Frage eines Siedlungsplans für kas Neckarcal und dem Bau einer zweiten Neckartalstraße beschäftigt. Zur Bearbeitung dieser Frage wurde eine besondere Kommission eingesetzt, in der Bürgermeister Dr. Boulanger-Mosbach den Vorsitz führt und der Bürgermeister Dr. Frank-Hberbach. Oberbaurat Dr. Seifried-Heil- bronn und Bürgermeister Müßig-Neckargemünd als Mitglied angehörte.
Heidenheim. 30. Dez. Geh. RatProf. Dr. Hart- mann 80 Jahre alt. Am 1. Januar feiert Geheimrat Professor Dr. med. Artur Hartmann in seinem Ruhesitz Heidenheim den 80. Geburtstag.
Kirchheim «. T„ 30. Dez. Todesfall. Am Donnerstag ist nach kurzer Krankheit Georg Grüningcr, früher Teilhaber, später Inhaber der Eisengießerei Borst u. Grüninger. im Alter von 77 Jahren gestorben.
Der Pariser „Temps" me'dct. die verbündeten Regie- runacn hätten sich darüber geeinigt, daß ihre Sachverständigen durch die Pariser Lntschädigungskommission ernannt werden. In Berlin wird die Meldung halbamtlich als „verfrüht" bezeichnet — sie dürste also zutreffend sein. Danach hätten also Poincare und Briand auch in diesem Stück ihren Dillen bezüglich der Reparationskonferen; durch- geseht und die Verhandlungen aus die frühere Form zu- geschnitten, da Deutschland die Rolle des angeklagtea Schuldners und die Lntschädigungskommission die des kaltschnäuzigen Richters spielte.
Londoner Blätter berichten, der Zustand des Königs Georg sei schlimmer, als die amtlichen Berichte zugeben. Der kranke sei oft bewußtlos. Als letztes Mittel gegen die Btut- zersehung haben die Aerzte eine Blutübertragung von einem gesunden Menschen auf den König in Aussicht genommen.
Meine MchrWen aus aller Dell
Auch eine Idee. Der nächstjährige Münchener Faschingszug soll dadurch finanziert werden, daß in den Zugsstraßen jedes Wohnungsfenster je nach Stockwerk einen Beitrag von 1—2 RM. leistet. Wenn eine Straße nicht hinreichend Mittel aufbringt, so wird der Zug durch eine nachbarliche Konkurrenzstraße geführt, die sich gebefreudiger zeigt.
Die Münchener „Fließenden Blätter". Mit Ablauf dieses Monats stellen die Münchener „Fliegenden Blätter" ihr. Erscheinen ein. Sie bestanden seit 1844.
Anfallverhütungswoche. Die Verbände der Deutschen Berufsgenossenschaften veranstalten vom 24. Februar bis 3. März n. I. eine Unfallverhütungswoche" in Berlin, die den Zweck Hut, durch Darstellungen und Vorträge in der Bevölkerung Verständnis für die Notwendigkeit und Möglichkeit der Unfallverhütung zu wecken.
Der Fremdenverkehr in Berlin betrug in den ersten zehn Monaten des Jahrs 1928 1 417 182 gegen 1 460 519 in der entsprechenden Zeit des Borjahrs. Inländer waren es 73 452 weniger, Ausländer 30 045 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Uebernachkungen in Gasthöfen betrug rund 3 740 000, und zwar für Inländer 2,2 (2,1), für Ausländer 3 Tage im Durchschnitt-
Selbstmord einer Schülerin. Auf einem Bahnhof der Berliner Untergrundbahn warf sich eine 15jährige Schülerin vor einen einfahrenden Zug. Dem Mädchen wurde ein Dein völlig abgefahren, das andere zerquetscht.
Ein „Rotkämpfer". Der Polizeipräsident von Kassel hat aus allgemeinen Sicherheitsgründen die Umzüge von Erwerbslosen in der Stadt verboten. Am andern Morgen sah man weite Flächen des Rathauses mit roter Farbe über und über beschmiert, so daß umfangreiche Arbeiten nötig sind, um die Flecke zu entfernen. Als Täter wurde der Führer des Roten Frontkämpferbundes in Kassel, der Arbeitslose Schmidt, verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen bevor.
Der Hund als Lebensretter. Aus Regensburg wird ein schöner Fall von Lebensrettung durch einen Hund gemeldet. In der Nähe von Donaustauf vergnügten sich einig» Knaben auf dem Eise, wobei zwei derselben einbrachen und in Lebensgefahr gerieten. Auf ihre Hilferufe eilte ein Iagdvächter mit seinem Hund herbei, konnte aber, da er des Schwimmens unkundig war, nicht helfen Er schickte deshalb seinen Hund den im Wasser ringenden und schreienden Knaben zu Hilfe. Dem Hund gelang es, die wiederholt untergetauchten Kinder an die Oberfläche zu ziehen und sie so vor dem sicheren Tod des Ertrinkens zu retten.
Ein Auto vom Zug überfahren. Bei Plattenham (Nie-- derbayern) wurde der Kraftwagen des Baumeisters Josef Meier aus Rotthalmünster auf einem Bahnübergang von einem Zug der Nebenbahn Köslau—Tutting erfaßt und zertrümmert. Der Baumeister und sein Sohn wurden getötet.
50. Geburtstag. Der jn Tübingen lebende Dichter Erwin Guido Kolbenhey er, dessen gedankentiefes Drama .Heroische Leidenschaften' mit dem Helden Giordano Bruno am Würtk. Landestheater aufgeführt wird, feierte am 30. Dez. den 50. Geburtstag. Kolbenheyer ist von Geburt ein Deutsch- Böhme, von tiefem Gemüt, erstaunlichem geschichtlichen Wissen und vornehmer, echt deutscher Denkart. Durch fein prächtiges Werk über Paracelsus hat er sich den Ruhm des besten, neuzeitlichen Schriftstellers geschaffen.
In der Höhle verirrt. Im Juli d. I. machte der Real- schulbi-rektor Fritz Ratschüleraus Steor (Oberösterreich) Forschungen in der Frauenmauerhöhle bei Eisenerz in Steiermark. Seitdem wurde er vermißt. Dieser Tage wurde nun seine Leiche in der Höhle entdeckt. Er war in einen Seitenstollen geraten und hatte den Ausweg nicht mehr gefunden.
Unterschlagung. Der Rechner der Sparkasse von Eg- ringen, Amts Lörrach, wurde wegen Unterschlagung von 37 800 Mark verhaftet. — In Kandern (Baden) wurde der Filialleiter der .Markgräfler Nachrichten' wegen Unterschlagung von 17 000 Mark festgenommen.
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