Dienstag, 4. Dezember 1828.

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Mit de« illustrierten Unterhaltungsbeilage» .Feierstunden" n. .Unsere Hei« nt"

vezugspreise: Monatlich einschließlich TrLgerlohn 1.60; Einzelnummer 16 L. Lrscheint an jedem Werktage. Verbreitetst» Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. Schriftleitung, Druck und Verlag von E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold

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Mit der landwirtschaftlichen WochenbeUage

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Lelegr.-Adresse: Gesellschafter Nagold. In Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Rückzahlung de» Bezugspreise». Postsch.-Kto. StiUtgart 611»

Nr. 286

Gegründet 1827

Mittwoch, den 5. Dezember 1928

Kernsprecher Rr. 2S

102. Jahrgang

WinlNdrSnMW mch Leistung M Reparatioueu

London, 4. Dez. Auf die Anfrage eines Abgeordneten der Arbeiterpartei im Unterhaus, ob die britische Regierung der Ansicht sei, daß Deutschland seine Verpflichtungen nach Artikel 431 des Versailler Vertrags erfüllt habe, so daß die Rheinlande geräumt werden müßten, antwortete Chamberlai n: Man könne die Sache von zwei Sei­ten ansehen. Juristisch sei die britische Regierung der Ansicht, daß Deutschland nicht alle Verpflichtungen er­füllt habe und daher keinen Rechtsgrund habe, die Räumung vor Ablauf der im Vertrag vorgesehenen Zeit zu verlangen. Die bis jetzt noch u i?e rfüllte Hauptver­pflichtung seien die Reparationen. Rach An­sicht der britischen Regierung könne Artikel 431 (Räumung) erst wirksam werden, wenn Deutschland seine gesamten Entschädigungszahlungen geleistet habe. Politisch würden die britische Re­gierung eine frühere Räumung willkommen heißen, ohne Rücksicht darauf, daß die Verbündeten berechtigt seien»

die Besetzung bis zu dem im Vertrag festgesetzten Zeitpunkt fortzusehen.

Eine englische Antwort an Chamberlain

Auf die Erklärung Chamberlains im Unterhaus schreibt derDaily Expreß":Wenn man bedenkt, daß Deutsch­lands Reparationsverpflichtungen, von denen Lhamberlain sprach, niemals voll festgesetzt worden sind, dann braucht man sich nicht zu wundern, daß es sienoch nicht erfüllt" hat. Nach dieser Methode ist keine A"-sicht darauf, daß sich die Lage in den nächsten 50 wahren äni v t. Wir wer­den diese Frage niemals lösen, solange wir cs im G-ist von Advokaten behandeln. Chamberlain hat auf viel Fftei-em Grund gestanden, als er wiederholte, daß die britische Re­gierung eine baldige Räumung ohne Rücksicht auf formale Rechte begrüßen würde, aber der einzige Weg zur Räu­mung besteht darin, daß man die Truppen zurückzieht.

Ein niedlicher Finanzskandal in Paris

Paris, 4. Dez. Vor einigen Jahren wurde in Parts eine WochenschriftGazette du France" gegründet, die eine auf­dringliche Werbungfür Frieden und Verständigung" be­trieb, und bald führende Politiker und Minister zu ihren Freunden und Mitarbeitern zählte. Nun hat sich aber her­ausgestellt, daß die pazifistischeVerständigungsarbeit" auf einen große n Schwindel und betrügerischer Geldmacherei angelegt war. Die Eigentümerin der Zeitschrift, eine Frau Hanau oder Hanauer, hatte es näm­lich auf die Ersparnisse der kleinen Kapita­listen abgeseh-n, die Ai Börsenspekulationen und für Geldanlagen in dunklen und eigentlich nicht mehr zweifel­haften Gründungen verleitet werden sollten. Dank dem Ansehen der Zeitschrift und' ihrer einflußreichen Mitarbeiter und durch die Werbung zahlreicher Agenten war es der Frau Hanau gelungen, etwa 500 Millionen Franken (rund 82 Millionen Goldmark) zusammenzubringen. Fünf von ihr mit einem angeblichen Kapital von 17 Millionen Fran­ken gegründeten Gesellschaften gaben Schuldverschreibungen von 170 Millionen Franken aus, die willige Käufer finden. Diese Millionen diirtten tür die Snooer fast ganz verloren

sein! Für die durch und durch verderbten Presseverhältnisse ist es bezeichnend, daß z. B. der sozialistischeQuoti- dien" und verschiedene andere Blätter ihren ganzen Börsenteil an dieHanau-Gesellschaft" verpachteten, die dann in diesen Blättern für ihre Schwindelgründungen die kräftigste Reklame machte, ohne daß das Publikum eine Ahnung hatte, woher die Empfehlungen für die Kapitals­anlagen stammten. DerQuotidien" allein erhielt für diese Unterstützung des Schwindels eine monatliche Unter- stützung von 300000 Franken, und das Blatt hat sogar unter Benützung seiner eigenen Briefbogen eine Wer­bung unter seinen Lesern für Kapitalsanlagen bei der Hanau-Gesellschaft" gemacht. ZuPoincare selbst hatten die Schwindler Beziehungen, der sie öfters empfing. Die nationalistischen Abgeordneten haben in der Kammer eine Große Anfrage eingebracht, die Poincare heute beant­worten wird.

Frau Hanau und ihr früherer Ehemann, der Bankier und Börsenmakler Lazarus Bloch sind heute früh 5 Uhr verhaftet worden.

TageMegel

Auf den Bericht der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger über die in den schweren Rovemberstürmen von dem Borkumer Motorrettungsboothindenburg" voll- sührte Rettung von 29 Menschenleben in zwei Rettungs- sahrken innerhalb einer Woche hak der Herr Reichspräsident der mutigen Bootsbesatzung ein eigenhändig unterzeich- netes Schreiben mit seiner Anerkennung und seinem herz­lichsten Dank zukommen lassen.

Die Erklärung Chamberlains im englischen Unterhaus hat in Kreisen der Reichsregierung größtes Erstaunen hervorgerufen. War von Lhamberlain je etwas anderes zu erwarten?

Der Ausschuß des freigewerkfchaftlichen Beamtenbunds verlangt in der Regelung der Richtlinien für die Beamten­laufbahn die Aufstiegsmöglichkeit der niederen Beamten in die höhere Laufbahn und die 40stündige Arbeitsdienstzeii.

Aus Bukarest wird gemeldet, die Reichsregierung habe sich bereit erklärt, die 75,5 Millionen Goldmark Abfindung sofort an Rumänien ganz auszuzahlen.

Das Befinden des Königs Georg von Großbritannien ist andauernd ernst. Da der König keine Stoatsdakumenle unterzeichnen kann, wurde eine besondere Kommission ein­gesetzt, die in Vertretung diese Skaatshandlung vorzuneh­men hat.

Rach der vorläufigen Zählung der Landeswahlen in der Tschechoslowakei am Sonntag haben die bisherigen Regie­rungsparteien rund 3124 000 Stimmen, die Oppositions­parteien 3 419 000 Stimmen. In dem von der Tschecho- slowakei mit Zustimmung des Völkerbunds geraubten schle­sischen HultschinerLändchen fielen aus die deutschen Listen etwa 14 000, auf die tschechischen 11 600 Stimmen.

Ms dem Weg zum Arbeilssmden

In ganz Deuischl-and ist die Nachricht, daß in dem Mesen­kamps in der nordwestdeutschen Eisenindustrie der vorläufige Frieden abgeschlossen, die Betriebe wieder geöffnet und die Arbeiten allenthalben, soweit es die Verhältnisse irgend ge­statten, tunlichst bis zum Beginn der nächsten Woche wieder ausgenommen werden, mit ünem Gefühl der Befreiung be­grüßt worden. Der Entschluß der Arbeitgeber, des Christ­lichen und des Hirsch-Dunckerschen Metallarbeiterverbands, den Reichsminister Severing als Schiedsmann anzuerken­nen und seinen Schiedsspruch bedingungslos anzuerkennen, ist aber dem sozialistisch orientierten freien Deutschen Metall­arbeiteroerband anscheinend nicht leicht geworden, und er ist im Beirat des Verbands auch keineswegs einstimmig ge­faßt worden; ein starkes Drittel hat in der Beratung am Sonntag dagegen gestimmt, 25 Vertreter waren dafür, 14 dagegen. Die radikale Richtung betrachtete das vermittelnde Vorgehen der Reichsregierung bezw. des Reichskanzlers Müller als einen Eingriff in die bestehende Schlichtungs­ordnung. Und nicht ganz ohne Grund/ denn der Reichs­kanzler stützte sein Eingreifen allerdings auf die Erkenntnis, daß das Schlichtungswesen mangelhaft sei und daß es des­halb im vorliegenden Fall eine staatspolitische Nokwenk'g- keit sei, einen andern Weg einzuschlagen. Die Mehrheit des Beirats des freien Verbands ist denn auch der Auffassung des Reichskanzlers beigetreten.

Dazu kam ein anderer Umstand, der für eine gütliche Beilegung des Streits sprach. Der aus verschiedenen Reichs­ministerien und dem preußischen Wohlfahrtsministerium ge­bildete Ausschuß, der die vom Reichswirtschaftsminister im Kabmettsrat vorgebrachten Beschwerden gegen die Verteilung der Reichsunterstützun'gsgelder durch den preußischen Wohl­fahrtsminister Hirtsjefer zu untersuchen hatte, ist zu Feststellungen gelangt, die geradezu erstaunlich find und die die vorgetragenen Beschwerden noch weit übertreffen. Der Ausschuß, der mittlerweile nach Berlin zurückgekehrt ist. be­stätigte in seinem Bericht an das Reichskabinett, daß bei der Verteilung der Reichsunterstützung eine völlige Ver­wirrung in der Anwendung der Fürsorgegrund­ tz e festzustellen sei. Von den Ausgesperrten stellten sich 25 bis 30 Prozent zurzeit ebenso gut als vorher bei vollem Lohnempfang, nicht wenige sogar noch besser und es kamen Falle vor. wo ein Ausgesperrter durch- die Reichsunter- stutzung einschließlich der pflichtmäßigen Gewerkschafts- Unterstützung sich auf 83 in der Woche stellte. In Berlin selbst ist man sich darüber klar, daß b?i der Auseinander­setzung über diese Art von Reichsunterstützung im Reichstag das Reichskabinett sehr wahrscheinlich in die Brüche ge­gangen wäre.

Diese Gefahr ist durch die allseitige Anerkennung Seve- rings als Reichsschlichter nunmehr beseitigt. Die Arbeit­geber haben die Aussperrung sofort zurückgenommen und die Bahn ist frei für die verantwortungsvolle Verständi- oungsarbeit Severings. Gegen seinen Spruch gibt es kei­nen Appell. Möge die Entscheidung des Reicksjnnen- ministers so ausfallen, daß durch sie der Arbeitsfriede wirk­lich verbürgt wird.

Neuefte NaKrichlen

Der Reichspräsident an das Rote Kreuz

Berlin, 4. Dez. Reichspräsident von Hindenburg hak an den Vizepräsidenten im Deutschen Roten Kreuz, Drau dt, der gleichfalls Vizepräsident der Liga der Aote-Kreuz-Ge-' sellschaften in Paris ist, ein Schreiben gerichtet, in dem er seiner Genugtuung über die auf der 13. internationalen Rote Kreuz-Konferenz in Paris erzielte Einigung des inter­nationalen Roten Kreuzes Ausdruck gibt und Vizepräsident Draudt Dank und Anerkennung für seine hierbei geleistete Arbeit aussvrichk. Gleichzeitig ließ der Reichspräsident Draudt sein Bild zugehen.

130 Pflichlarbeiker mit einer Lohnklage abgewiesen

Mülheim-Ruhr, 4. Dez. 130 ausgesperrte Pflichkarbeiter hatten gegen die Stadt Mülheim-Ruhr Klage erhoben, ihnen den tariflichen Lohn für die Staats- und Gemeindearbeiter zu zahlen, sowie die 48stündige Arbeitszeit einzuhalten. Für entgangenen Verdienst von 32 Wochen forderten die Kläger eine Summe von rund 10 000 -K. Das Arbeitsgericht Mül­heim-Ruhr hatte die Klage abgewiesen, da die Stadt ledig­lich aus der Verordnung über die Fürsorgepflicht vom Febr. 1924 den Klägern Unterstützung zu gewähren habe. Es komme daher nur ein Streit aus einem öffentlich-rechtlichen Fürsoraeverhällnis in Frage, für das der Rechtsweg aus­geschlossen sei. Nunmehr hak das Landesarbeiksgericht Duis­burg aus dem gleichen Grund die Klage abgewiesen.

Die österreichischen Sozialdemokraten für üte Wiederwahl hainischs

Wien, 4. Dez. Die sozialdemokratische Reichs­tag s f r a k t i o n hat beschlossen, einer Verfassungsände­rung bezüglich der Wiederwahl des Bundespräsidenten (nach der ölterr. Verfassung soll der Bundespräsident nicht zweimal hintereinander gewühlt werden) nun doch zuzu­stimmen. iTas sie bisher abgelehnt halte. Die Fraktion will dadurch die Wiederwahl des Bundespräsidenten Dr. Hai - nisch ermöglichen, um der sonst zu erwartenden Wahl eines Klerikalen (Seipel) oorzubeugen.

Der Beschluß der Sozialdemokraten hat bei der Ch ri st- lich-sozialen Fraktion tiefe Verstimmung hervorgerufen; er bedeute eine Herausforderung, auf die sie nur ablehnend antworten könne. Es sei unter diesen Um­ständen überhaupt zweifelhaft, ob Hämisch eine Wiederwahl annehme.

Der russische Staatshaushaltplan

Moskau, 4. Dez. Der Staatshaushaltplan Sowjetruß­lands für 1929 enthält an Einnahmen 7700 Millionen Rubel (im Vorjahr 6700), davon Steuern 3803 Milt., sonstige Einnahmen 2976 Millionen. Die Ausgaben werden auf 7650 Millionen (6400) beziffert. "Für die Industrie sind 939 Will. (48 v. H. mehr als 1928) und für die Landwirt­schaft 468 Millionen (86 v. H. mehr), für die Landesver­teidigung 840 Mill. (742) bestimmt.

Württemberg

Stuttgart, 4. Dez. DerneueSchlichterfürSüd- westdeutschland. Die bisherigen Schlichter für Würt­temberg und Baden, Ministerialrat Schmuker im würt- tembergischen Wirtschaftsministerium in Stuttgart und Landrat Stehle in Karlsruhe, scheiden mit dem 31. Dez. aus den Aemtern aus. Der bisherige Vorsitzende des Schlichtungsausschusses Stuttgart, Dr. Kimmich in Stutt­gart, wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1929 zum Schlichter für den neuen Bezirk Südwestdeutschland mit dem Dienstsitz in Karlsruhe bestellt.

Freispruch im Stadthalle-Prozeß. Am 23. Juli 1925 war bei einem plötzlich auftretenden heftigen Sturm die im Rohbau begriffene Stuttgarter Stadthalle an der unteren Neckarstraße zu einem Teil zusammengebrochen. Das Un­glück kostete einige Menschenleben, verschiedene Bauarbeiter wurden verletzt Gegen den Bauunternehmer Gust. Epple in Degerloch war nach längerer Zeit Anklage wegen fahr­lässiger Tötung und Körperverletzung erhoben worden. Das Ergebnis oer Anklage die eben aus formalrechtlichen Gründen schließlich erhoben werden mußte, erschien von Anfang an kaum zweifelhaft. Denn Bauunternehmer Epple ist als gewissenhafter und tüchtiger Fachmann bekannt, von dem kaum anzunehmen war. daß ihm, zumal bei einem Bauwerk von solcher Bedeutung eme schuldhafte Verläum- nis unterlaufen würde. Durch eine Reihe von Gutachten von Fachleuten, Professoren der Technischen Hochsch-rle usw. wurde denn auch bekunde i, daß Fehler in der Konstruktion und in der Ausführung nicht nachweisbar seien und daß außer der Einwirkung des plötzlich sich erhebenden Sturm» keine andere Ursache erkennbar sei. Der Erste Staatsanwalt Cu Horst erklärte zum Schluß der dreitägigen Verhrich- lung selbst, er müsse die Schuldfrage ins Ermessen des Ge­richtes stellen. Der Vorsitzende Amtsgerichtsdirektor Dr. Tafel verkündete darauf das freisprechende Urteil. Eine Verletzung der obliegenden Sorgfaltspflichten höbe nicht festgestellt werden können. Die bedeutenden Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt.