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Nr. 27v
Gegründet 1827
Freitag, den 16. November 1628
Fernsprecher Nr. 2S
162. )ahvgany
Tagesspiegel
Der Mantelverkrag für das deutsche Holzgewerbe, dem rund 120 000 Arbeiter im ganzen Reich unterstehen, ist von den Gewerkschaften auf 15. Febr. gekündigt worden.
Der bekannte Gegner des polnischen Diktators Pilsudski, General und früherer Erstminister Sikorski, hat „fristlose Verlängerung seines Urlaubs" erhalten. Er weilt schon längere Zeit in Paris, da er sich in Polen nicht sicher fühlt.
Deutscher Reichstag
Der Panzerkreuzer
Berlin, 15. November.
Mg. Wels (Soz.) begründet den soz. Antrag auf Einstellung des Baus des Panzerkreuzers A. Das deutsche Volk habe sich durch die Reichstagswahl am 20. Mai für die Ablehnung des Panzerkreuzers entschieden. Diese Entscheidung werde auch nicht beeinträchtigt durch den kläglichen Ausfall des kommunistischen Volksbegehrens. Das Parlament sei nicht an Beschlüsse des vorigen Reichstags gebunden, wie das vielleicht die Regierung sei. Wenn der Reichs- wehrminister der Entscheidung des Reichstags vorgegriffen und bereits Aufträge von mehr als 30 Millionen vergeben habe, so stehe dieser Fall ohne Beispiel da. (Lärm und Lachen rechts.) Die Sozialdemokratie kämpfe für die Schaffung einer !m republikanischen Sinne zuverlässigen Reichswehr. Wahrscheinlich würden die neuen Panzerschiffbauten insgesamt 500 Millionen Mark verschlingen. (Lebhafte Zurufe rechts.) Im modernen Seekrieg würden die 10 OOO-Tonnen-Schiffe nur Schießscheiben für die Schlachtschiffe sein.
Die Abstimmung wurde auf Freitag vertagt.
Neueste Rachki-lea
Fachvortrage auf der Führertagung des Reichslandbunds
Industrialisierung des Bauerntums — Betriebstechnische Selbsthilfe
Berlin, 15. Nov. großen Saal des Bundeshauses des Landbunds in Berlin fand heute vormittag die Führertagung des Reichslandbunds statt, auf der einleitend zunächst Dr. Wilhelm Stapel-Hamburg über „Die nationalpolitische Notwendigkeit der Selbsthilfe" sprach.
Er betonte, daß das industrielle Zeitalter eine Verflechtung der Volkswirtschaften in einem Weltmarkt bedeute und daß sich in ihm auch die Industrialisierung des Bauerntums vollziehe. Man könne aber nicht industrielle Klassengegensätze und proletarische Kampfformen auf die Landwirtschaft übertragen. Man solle vielmehr die für das deutsche Volk grundlegende Schicht des Bauerntums als unentbehrlichen Erneuerungsquell der Ner- venkraft betrachten. Der gegenwärtige Staat sei zwar nicht im Willen, wohl aber der Struktur nach bauernfeindlich. Deshalb müsse der Bauer politisch werden und eine intelligente Führerschicht für seine wirtschaftlichen und politischen Aufgaben hevausbilden. '
Hierauf sprach Professor Dr. S a g a w e - Kiel über „Selbsthilfe auf dem Weg der Betriebstechnik und Agrarproduktion". Er führte u. a. aus, wenn der Staat in der Erkenntnis der Bedeutung der Landwirtschaft Hilfsmaßnahmen für sie treffe, so verpflichtet das die Landwirtschaft auch zu energischer Selbsthilfe; denn Staats Hilfe dürfe immer nur Notstandsmaßnahme sein. Das schon bestehende Wirtschaftsberatungswesen müsse durch eine tiefergehende b e tr i e b s w i s s e n sch a f t- liche Durchbildung der Spezialberater ausgedehnt werden. Innerhalb gewisser Gebiete sei eine planmäßige Zusammenarbeit aller Beratungsstellen anzustreben, insbesondere der Zusammenschluß der Buchstellen zur Auswertung von Buchführungsergebnissen. Abseits stehende landwirtschaftliche Kreise solle man dadurch für diese Arbeit interessieren, daß man in jeder Gemeinde Vertrauensleute gewinnt, die entsprechende Lehrgänge veranstalten.
Die Handwerksnovelle ist da
Berlin, 15. Nov. Dem Reichstag ist nunmehr der „Entwurf zur Aenderung der Gewerbeordnung", ryie die Handwerksnovelle amtlich heißt, nach Zustimmung des Reichsrats zugegangen. Der Entwurf bringt nach drei Richtungen grundsätzlich Neues. Während die ursprünglichen Bestimmungen nur den Handwerksmeister und seinen Betrieb kannten, wird heute oft ein H a n d w e r'k s b e t r i e b von «iner juristischen Persönlichkeit, sei es in Form einer GmbH, oder in anderer Zusammensetzung, betrieben. Der Entwurf regelt die Eingliederung dieser Betriebe, ihre Beitrags- Pflicht und das Wahlrecht. Die Staatsaufsicht wird neu geregelt und gegenüber den bisherigen Bestimmungen gelockert;, W a h l r e ch t und Wahlpflicht werden auf olle Handwerker unter Beseitigung der bisher i- oen Boriuasltelluna der Innungen und
EntschSdigungspolitifche
Paris, 15. Nov. Hier wird gegenwärtig hinter den Kulissen fieberhaft auf die Entschädigungsverhandlungen hingearbeitet. Poincare hatte wiederholt Besprechungen mit dem britischen Botschafter T y r e l l, dem Leiter der Bank von Frankreich, Moreau, und dem Direktor für Ausländsanleihen im Finanzministerium, Moret. Als Sachverständige Frankreichs für die Entschädigungskonferenz werden genannt: Moreau, Seist e n t, der Finanzoertreter Frankreichs im Völkerbund,
! und Parmentier. Letztere beide gehörten auch dem s Dawes-Ausschuß an. Bei den diplomatischen Verhandlun- , gen geht man vorsichtig vor; von allen sechs beteiligten Mächten (Frankreich. England, Italien, Belgien, Japan und Deutschland) liegen schriftliche Aufzeichnungen vor. Wie man in Paris behauptet, seien Frankreich, Italien und Belgien einig, daß von Deutschland nicht nur die Schulden der Verbündeten untereinander, sondern auch die Aufbaukosten bezahlt werden müssen, außerdem habe Belgien 6 Milliarden Goldmark für die während des Kriegs in Belgien in Umlauf gesetzten Markbestände zu beanspruchen- England halte an Ser Balfour-Note fest. Die Forderungen Japans seien noch nicht genau bestimmt. Den deutschen Standpunkt stellt man in Paris so dar, daß es die Leistungen nur nach der deutschen Leistungsfähigkeit festgesetzt wissen wolle und die Verbindung von Entschädigung und Verbandsfchulden anfechte. Die deutsche Leistungsfähigkeit sei aber schon dadurch außer Zweifel gestellt, daß Parker Gilbert selbst von einer Zahlungs- möalichkeit von 2 bis 2.2 Milliarden Goldmark iäbrlick ae-
Gew erb «vereine ausgeüeynl. Aus vielem vrunv und zur Erleichterung statistischer Erhebungen und rechtlicher Streitfragen soll ein alphabetisches Verzeichnis oller HandwerktreÄenden geschaffen werden. In anderen Bestimmungen werden Fragen der Zugehörigkeit und Wählbarkeit innerhalb der Innungen und Zwangsinnnngen geregelt, soweit die bisher geltenden Vorschriften Zweifel belassen oder sich als unzweckmäßig erwiesen haben.
Der Lohnkampf
Heine Arbeitslosenunterstützung für die Ausgespeerken
Berlin, 15. Nov. Der Spruchsenat für Arbeitslosenversicherung beim Reichsversicherungsamt hat sich als oberste Instanz für Fragen der Sozialversicherung in Uebereinstimmung mit der Spruchkammer des Landesarbeitsamts in Düsseldorf entschieden, daß es sich bei dem Lohnkampf in der nordwestdeutschen Nfen- industrie nicht um eine Stillegung, sondern um eine Aussperrung, also um eine Maßnahme des Arbeitskampfes handle, eine Arbeitslosenfrage komme daher nicht in Frage.
Die Vermittlung
Düsseldorf, 15. Nov. Die Vorbesprechungen beim Regierungspräsidenten Berge mann zwischen den Parteien sind heute wieder ausgenommen worden. Reichsarbeitsminister Wissell ist in Düsseldorf eingetroffen.
Die Bundespräsidenienwahl in Oesterreich
Wien, 15. Nov. Der Vorschlag Seipels, der auch einem Antrag der Landbündler entspricht, die Wahl des Bundespräsidenten nicht mehr durch die Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat), sondern unmittelbar durch das Volk vornehmen zu lassen, wird von den Sozialdemokraten abgelehnk, obgleich diese neue Wahlart dem demokratischen Gedanken mehr entsprechen würde als die Wahl durch die Bundesversammlung. Die soz. .Arbeiterzeitung' schreibt, Seipel wolle mit feinem Vorschlag nur seine eigene Wahl zum Bundespräsidenten vorbereiten, dessen Amt ihm in der jetzigen Bedeutungslosigkeit nicht reizvoll genug sei.
Die Sozialdemokraten haben eine Aenderung der Verfassung angeregk, die sich auf die Trennung von Staat und Kirche beziehen soll.
Der Landeshauptmann der Rheinprovinz hat angeordnek, daß von den der Provinzialvetwaltung noch zur Verfügung stehenden Mitteln für Kinderspeisung 200 000 Reichsmark sofort an die von der Aussperrung betroffenen Stadt- und Landkreise und an die in Betracht kommenden Organisationen der freien Wohlfahrtspflege für die Speisung von Kindern Ausgesperrker ausbezahlk werden sollen.
Ein Vorschlag der Arbeitgeber
Bon Arbeitgeberfeite ist nach der „B. Z." ein Vorschlag auf Abänderung des Lohnschiedsfpruches gemacht worden, wonach die Stundenlohnerhöhung von 6 Pfennig nicht allgemein gewährt werden foll, sondern nur einem gewissen Teil der Arbeiterschaft. Diejenigen Facharbeiter, die bisher bereits einen Stundenlohn von 86 Pfennigen hatten, sollen danach einen Lohnzuschlag von nur 3 Pfennig erhalten. Die Gewerkschaften haben diesen Vorschlag ab ge lehnt und halten an dem Lohnschiedsspruch (durchweg öprozentige Lohnerhöhung) fest, sie sollen aber bereit sein, in der Arbeitszeitfrage Zugeständnisse zu machen.
Einkreisung Deutschlands
sprächen habe. Von einer Beschränkung dieser Zahlungen auf 34 Jahre, wie aus dem Dawesplan geschlossen werden könnte, könne keine Rede sein, sie müßten vielmehr so lange dauern wie die vereinbarten Zahlungen der Verbündeten an Amerika, nämlich 62 Jahre. In zwei oder drei Tagen werde die Regierung in Berlin über die Bedingungen unterrichtet werden, über die sich die Verbündeten geeinigt haben.
Die deutsche Forderung, daß Rheinlandräumung und Entschädigung unabhängig voneinander verhandelt werden sollen, nimmt man in Paris nach ihrer Wirkung nicht ganz ernst. Die Räumung, die das wichtigste sein sollte, ist überhaupt in den Hintergrund geschoben worden, und man gedenkt ihn so lange als „diplomatischen Monolog" zu behandeln, bis Deutschland in der Entschädigungsfrage mürbe gemacht sei. Die Presse fährt auf Weisung der Regierung fort, den „ungeheuren Wert der Besetzung des Rheinlands für die Sicherheit Frankreichs und als Pfand für die Entschädigungszahlungen" immer wieder zu betonen.
Der „Matin" schreibt halbamtlich, die Forderungen der Mächte würden wohl etwas ermäßigt werden können, wenn die Sachverstänüigenkonferenz Mittel fände, die deutschen Dawes-Schuldverschreibun- gen (Reichsbahn und Industrie) möglichst rasch zu kommerzialisieren (d. h. zu Bargeld zu machen), damit die Verbündeten (Frankreich) sofort eine große Summe erhalten. Es sei nicht w a h r s cb e i n l i ch, daß der Ausschuß vor Beginn des nächsten Jahres (in Paris oder Brüssel) zusammentrete.
Grsamianssperr nn g in der nrärkifchen Eisenindustrie
Hagen. 15. Nov. Nachdem die Gewerkschaften den Lohntarif mit der Forderung einer fünfprozentigen Lohnerhöhung auf 30. November (Spitzenlohn 84 Pfg.) gekündigt und den Vorschlag der Arbeitgeber, den Tarif auf längere Zeit fortbestehen zu lassen, abgelehnt haben, hat der Arbeitgeberverband der märkischen Eisenindustrie die allgemeine Aussperrung beschlossen. Der Arbeitgeberverband erklärt, die ständigen Lohntreibereien der Gewerkschaften durch kurzfristige Tarifverträge, die den Arbeitern nicht nützen, der Industrie aber Arbeitsmangel und Be- lriebseinfchränkungen bringen, unterbinden wegen der sich stets steigernden Selbstkosten die Ausfuhrmöglichkeit.
Vürllemberg
Skukkgark. 15. November.
Gegen eine übermäßige Vieheinfuhr. Die Zentrumsabg. Nassal, König, Dr. Schermann, Renz und Gen. haben an das Staatsministerium folgende Kleine Anfrage eingereicht: Nach einer in neuerer Zeit veröffentlichten Statistik hat die Einfuhr von Vieh ein außergewöhnliches, nicht nur den Bestand der Landwirtschaft, sondern die gesamte Volkswirtschaft bedrohendes Ausmaß angenommen. Für die Landwirtschaft im besonderen drohen die zur Zeit immer mehr sich abwärts bewegenden Viehpreise im Zusammenhang mit den ganz unzulänglichen Getreidepreisen besonders katastrophal zu werden, wenn nicht mit sofortiger Wirkung Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet sind, die Vieheinfuhr auf das absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken. Ist das Staatsministerium bereit, alsbald bei der Reichsregierung darauf zu drängen, daß zur Abstellung dieser verhängnisvollen Entwicklung die erforderlichen Schritte eingeleitet werden?
Todesfall. Prof. Dr. Max Diez, der von 1907—1915 Galeriedirektor war, ist hier im Alter von 69 Jahren gestorben. Er war zuerst Pfarrer in Steinenkirch, dann Religionslehrer in Stuttgart und betätigte sich hier schriftstellerisch auf philosophischem und künstlerischem Gebiet. Mehrere Jahre hielt er auch Vorlesungen an der Technischen Hochschule über Philosophie und 1904 wurde er Lehrer für Kunst und Kulturgeschichte an der Akademie der bildenden Künste. Die Galerie wurde von ihm nach künstlerischen Gesichtspunkten eingeteilt. Nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hatte, betätigte er sich infolge des Theologenmangels noch vielfach als Vertreter in Pfarreien.
Vom Würkt. Bauernbund. Der Württ Bauern- und Weingärtnerbund hielt am Montag hier eine Landesausschußsitzung unter Leitung des Landesvorsitzenden, Oeko- nomierat Vogt, ab. Eine Besprechung über die gegenwärtige Lage der Landwirtschaft wurde durch einen wertvollen Vortrag des Freiherrn v. Stauffenberg eingeleitet. Es wurde beschlossen, in Verbindung mit der von der Landwirtschaftskammer veranstalteten Getreideschau am 21. Dezember nachmittags 2 Uhr in der Liederhalle in Stuttgart eine Landesversammlung abzuhalten. Als Redner soll Reichsernährungsminister a. D. Dr. Schiele gewonnen werden.
Vom Luftschiff. Eine genaue Durchprüfung des Tragkörpers, der Motoren und der Steuerorgane des Luft-