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Nr. 173
Montag, den 28. Juli 1930
Jahrgang 103
Tages-Spiegel
Gründung einer Deutschen Staatspariei
Zusammenschluß der Mitte — Führer von 3 Parteien unterzeichnen den Aufruf
TU. Berlin» 28. Juli. Wie die „Montagspost" meldet, haben dte prominentesten Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei, führende Mitglieder der Deutschen Bolkspar- tei, der Vvlksnationalen Aktion lJungdo) und anderer junger politischer Gruppen in einer streng geheimen Sitzung im „Rheingold" die „Deutsche Staatspartei" gegründet. Die neue Partei werde am Montag mittag mit einem Aufruf, -er von zahlreichen bekannten Politikern und Wirtschaftsführern unterzeichnet sei, an die Oeffentlichkeit treten. Die „Deutsche Staatspartei" werde mit eigenen Listen am Wahlkampf teilnehmen. In politischen Kreisen rechne man damit, daß die Demokratische Partei, die Volksnationale Aktion und eine Reihe von weiteren politischen Gruppen in der „Deutschen Staatspartei" aufgehen werden. Unter den Unterzeichnern des Aufrufs ständen der Ehrenvorsitzende der Demokratischen Partei, Dr. P e t e r s e n - Hamburg, der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Koch- Weser, Reichs- finanzminister Dr. Dietrich, Reichsminister a. D. Külz, die Gewerkschaftsführer Schneider und Lemmer und der preußische Finanzminister Dr. Höpker-Aschoff. Von der Deutschen Volkspartei beteiligen sich an der neuen Partei der Inhaber der „Kölnischen Zeitung", Dr. Neuen- Dumont, Rochus Frhr. von Nheinbaben u. a., vom Jungdeutschen Orden werden Mahraun und Bundeskanzler Bornemann genannt. Außerdem sei der Hamburger Bankier Melchior, der Großindustrielle Robert Bosch, Baltrusch von den Christlichen Gewerkschaften, der Rektor der landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, Geheimrat Aereboe, und Prof. Bergius beteiligt. Der Gründungsaufruf der Deutschen Staatspartei werde vor allem ein Bekenntnis zum Staat, zur Republik enthalten. In der Wehrfrag« sei ein Bekenntnis zur Landesverteidigung zu erwarten. Die Partei mache es sich besonders zum Ziel, jün
gere politische Kräfte in die Parlamente zu bringen und der Ueberalterung und Bürokratisierung im öffentlichen Leben und in den Parteien entgegenzutreten.
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Der demokratische Parteiansschutz einberufen.
TU. Berlin. 28. Juli. Nach der „Montagspost" ist der demokratische Parteiausschuß für Mittwoch einberufen worden. In dieser Sitzung werde die endgültige Entscheidung darüber fallen, ob die Demokratische Partei in der „Deutschen Staatspartci" aufgehen solle. In diesem Fall würde der demokratische Parteiapparat der „Deutschen Staatspartei" bei den Wahlen zur Verfügung stehen.
Vertretertag der Dcntschnationale« Volkspartei Württembergs.
wp. Stuttgart, 27. Juli. Heute fand hier der Vertretertag der Deutschnationalen Volkspartei Württembergs statt. Er war namentlich vom Land auffallend mäßig besucht. Der Landesvorsitzende Dr. Hirzel skizzierte zunächst den Gang der Ereignisse, die zum Zusammenbruch der Partei geführt haben. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen und der Aussprache stand der Falle Bazille. Der ausgeschiedene Führer wurde durchweg mit größter Hochachtung behandelt. Dr. Htrzel verfehlte nicht, ihm unter dem lebhaften Beifall der Versammlung das höchste Lob zu spenden und für seine verdienstvolle Tätigkeit den wärmsten Dank abzustatten. Der Mißerfolg Hugenbergs wurde vom Landesvorsitzenden darauf zurückgeführt, daß sich ihm die deutschnationale Fraktion dauernd versagt habe. Aus der Mitte der Versammlung erhoben sich sehr ernste und pessimistische Stimmen. Schließlich stellte sich die Mehrheit hinter Hugenberg. Als Spitzenkandidat wurde der Laudtagsabgeordnete Dr. Wider aufgestellt.
Die neue Notverordnung
Völlige Einigung im Reichskabinett — Reichsfinanzminister Dietrich über die Deckung des Fehlbetrags im Haushalt
TU. Berlin. 27. Juli. Die neuen Notverordnungen, die am Samstagmittag von Reichspräsident und Reichsregierung erlassen worden sind, wurden gegen Abend der Oeffentlichkeit übergeben.
Neichsfinanzminister Dietrich stellte dabei fest, daß sich die erwarteten Steuereingänge dadurch, daß die neuen Steuern erst am 1. September in Kraft treten können, um 28 Mill. oermin-dern. Dieser Minöerertrag soll durch vermehrte Ein- lparungen im Haushalt gedeckt werden, die Haushaltsein- /parpngen erhöhen sich danach einschließlich des Restes von S5 Millionen aus dem Jahre 1929 auf insgesamt 169 Millionen RM. Zusammengefaßt ergibt die Deckung des Fehlbetrages von 769 Millionen folgendes Bild:
Erhöhung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenversicherungsreform 269 Millionen, Reichshilfe, Einkommenfteuerzuschlag und Ledigensteuer 274 Millionen, Verkürzung der Fristen bei der Tabaksteuer 48 Millionen. Einsparungen im Haushalt 134 Millionen und Verringerung des Fehlbetrages 1929 35 Millionen. Minister Dietrich erklärte weiter, daß bei der Arbeitslosenversicherung ernsthaft mit der Möglichkeit der Ueberschrcitung der angenommenen Durchschnittszahl von 1,6 Millionen gerechnet werden Müsse. Die Reichsregierung würde deshalb bestrebt sein, mit allen nur möglichen Mitteln die Arbeitslosigkeit herabzu- ürücken. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung sollen deshalb nachdrücklich fortgesetzt werden. Außerdem werden auf wirtschaftspolitischem Gebiet eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Schließlich soll dafür gesorgt werden, daß die Gefahren, die dem Haushalt von der Arbeitslosenversicherung drohen, verringert werden. Im Jahr 1936 sind Kr Arbeitslosenversicherung und Krisenfürsorge insgesamt 685 Millionen im Haushalt zur Verfügung gestellt. Sollte sich trotz der eingeleiteten Resormmäßnahmen ein Mehrbedarf Herausstellen, so soll er zur Hälfte durch Zuschüsse des Reiches gedeckt werden, während der andere Teil durch Erhöhung oder Abstufung der Beiträge oder durch die Verbindung beider Maßnahmen aufgebracht werden. Die neuen Notverordnungen verfallen in fünf Abschnitte.
1. Haushalt und Deckungs Maßnahmen.
Die Retchsregierung hat davon abgesehen, den Nothaushalt, der am 31. Juli abläuft, zu verlängern. Sie hat vielmehr im Interesse einer geordneten Haushaltführung den Haushaltplan für 1930, wie er sich nach den Beschlüssen des Reichstags in 2. Lesung gestaltet hat, durch Notverordnung in Kraft gesetzt. Neu ausgenommen sind lediglich Bestimmungen, die die Reichsregierung ermächtigen, die für die Vorbereitung und Durchführung der Reichstagswahl erforder
lichen Beträge, ferner einen Betrag bis zu einer Million anläßlich der Grubenkatastrophe bei Neurode ^und schließlich einen Betrag bis zu 1F25 RM. für die Mansfeld-AG. zur Stützung des Kupfer-Bergbaus bereitzustellen. Ferner wird die Reichsregierung zur Ausgabe der im Haushalt für die Zwecke des Osthilfe-Gesetzes vorgesehenen Mittel auch zur Inkraftsetzung des Osthilfe-Gesetzes ermächtigt. Die Garantieermächtigung zur Förderung des deutschen Außenhandels ist im Interesse der Entlastung des Arbeitsmarktes auf 860 Millionen verdoppelt worden. Endlich ist ein« Ermächtigung zur Uebernahme von Zinsgarantien für die von der Reichsbahn zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung bis zum Betrag von 250 zu begebenden Schuldverschreibungen vorgesehen. Die Decknngsmaßnahmen bestehen wieder aus Reichshilf«, Einkommensteuerzuschlag und Ledigensteuer. Sie kehren im wesentlichen in der Fassung der ersten Notverordnungen wieder. Die Reichshilfe, -ie vom 1. September bis 1. April nächsten Jahres erhoben wird, beträgt 2,5 v. H. der Bruttoabzüge abzüglich der Kinderzulage. Die Bezieher von Aufsichtsratstantiemen unterliegen der Reichshilfe mit 60 v.H. der im Jahre 1929 erzielten Einnahmen. Der Einkommensteuerzuschlag beträgt 5 v.H. für die Einkommen über 8000 RM. Die Ledigensteuer besteht in dem Wegfall der Lohnsteuerabschläge und in einem Zuschlag von 10 v. H. bei den Einkommen über 220 RM. monatlich. Befreit sind unverheiratete Frauen, denen Kinderermäßigungen anstehen, und Steuerpflichtige, die zum Unterhalt ihrer geschlichenen Ehefrau oder eines bedürftigen Elternteils mindestens 10 v. H. ihres Einkommens aufwenden. Bei den veranlagten Steuerpflichtigen unterliegen, da der Ledigenzuschlag nur für sieben Monate gelten soll, nur 60 v.H. der Jahressteuer für 1929 dem Ledigen- znschlag.
2. Erschließung von Einnahmen für die Gemeinden.
Um der Notlage der Gemeindehaushalte abzuhclfen, sollen die Gemeinden mit sofortiger Wirksamkeit das Recht erhalten, Vürgersteuer und Gemeindebiersteuer zu erheben, di« den Gemeinden znr Auswahl zur Verfügung gestellt werden. Gemeinden, deren Haushalte durch die Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge außerordentlich belastet sind, sollen daneben auch von den übrigen Getränken eine Gemeindegetränkesteuer erheben können. Nur, wenn die Realsteuersätze «ine bestimmte Höhe überschreiten, tritt die. Verpflichtung zur Erhebung der Bürger steuer und der Gemeindebiersteuer «in, zu denen, je nach Höhe der Realsteuern, noch Zuschläge treten. Im Gegensatz zur früheren Vorlage wird eine Staffelung der Bürger- steuer vorgeschlagen. Der Satz betrat im allgemeinen 6 RM.
Die nene Notverordnung ist am Samstag von der Regierung veröffentlicht worden. Ihr Inhalt betrifft de» Haushalt, die Einnahmen für die Gemeinde, die Osthilfe, soziale Vorlagen «nd die Verhütnng »»Wirtschaftlicher Preisbildnngen.
Führer der Demokraten, des Jnngdeutsche» Ordens «nd der Jungliberale« haben die Gründnng einer Deutsche« Staatspartei beschlösse».
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I« der Vertreterverfammlung der Württ. Bürgerpartei wurde als Spitzenkandidat für die Rcichstagswahl Landtagsabgeordneter Dr. Fritz Wider, an zweiter Stelle Landtagsabgeordneter Dr. Hölscher-Ulm anfgestcstt.
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Tardie« hielt in Nancy eine Rede, -ie ganz im Geiste Poin- cares gehalten war.
Er ermäßigt sich für Personen, die nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegen, auf 3 RM. Er erhöht sich aber auf 25 RM. bei Einkommen über 8000 NM. und dann weiter auf 50, 100, 200, 500 bis 1000 RM. bei den höchsten Einkommen.
3. Osthilfe.
Notverordnungen über die Osthilfe verfolgen den Zweck, bis zum Inkrafttreten eines Osthilfegesetzes die dringendsten Maßnahmen in die Wege zu leiten. Neben der im Haushalt vorgesehenen Ermächtigung, die für die Osthilfe bestimmten Mittel auszugeben, soll die Beschaffung der für dieses Jahr im Rahmen der ländlichen Siedlung und der Umschuldung erforderlichen Kredithilfe sichergestellt und der Vollstreckuugs- schutz geregelt werden. Zur Beschaffung des Dauerkredits für die ländliche Siedlung wird der Reichsregierung die Ermächtigung zur Uebernahme einer Garantie in Höhe von vorläufig 50 Millionen und zur Errichtung eines Sicdlungs- instituts gegeben. Für die Umschuldung stehen insgesamt 100 Millionen an Garantien zur Verfügung. Es ist zu erwarten, daß die preußische Staatsregierung gleichfalls einen entsprechenden Betrag bereitstellen wird. Der Vollstreckungsschutz wir- in genau dem gleichen Umfang« wie ursprünglich vorgesehen, bis zum Ende des Jahres gewährt werden. Die erforderlichen Anordnungen werden in den nächsten Tagen bekanntgegeben. , _ (Schluß folgt.)
Die Trauerseier in Koblenz
TU. Koblenz, 27. Juli. Schon am frithen Nachmittag stellten sich in den Straßen, durch die der Leichenzug gehen sollte, zahlreiche Menschen auf. Man schätzte die Menschenmassen auf etwa 200 000. Eine ganze Anzahl Personen wurden von Ohnmachtsanfällen betroffen. — Um 16 ^ Uhr setzte sich von der Telegraphen-Kaserne aus der Trauerzug in Bewegung, eröffnet von der Feuerwehrmusikkapelle, der etwa 500 Mann des Roten Kreuz-Sanitätcrbundes folgten. Diesen schlossen sich der Königin-Luise-Bund, dessen Mitglieder in kornblumenblauer Ordenstracht erschienen waren, sowie sämtlich« Vereine der Stadt Koblenz und der näheren Umgebung an. 154 Fahnen und Standarten waren im Zuge. Unmittelbar hinter den Fahnenabordnungen folgte die Geistlichkeit, dann die zehn Wagen mit den unglücklichen Opfern, gefolgt von den Angehörigen. Neben den Leichenwagen schritten Abordnungen der Feuerwehr und der Sanitätskolonne, die brennende Fackeln trugen.
Kurz bevor der Leichenzug am Ehrenfriedhof angelangt war, bildeten die begleitenden Vereine Spalier. Die Särge wurden niedergesetzt. Man hat den Platz des Grabes neben dem Ehrenfriedhof gewählt, um damit -er Verbundenheit der Opfer des Krieges und der Opfer der Befreiungsstund« zum Ausdruck zu bringen. Die Veisetzungsseierlichkeit wurde mit einem Choral eingeleitet. Nach der Weihe der Grabstätte durch einen katholischen und einen evangelischen Geistlichen hielt Domkapitular Dr. Fuchs als Vertreter des Bischofs von Trier die Leichenrede. In tiefempfundenen Worten sprach er den Angehörigen auch im Namen des Bischofs Bornewasser seine Anteilnahme aus. Für die evangelische Bevölkerung sprach sodann Generalsupertntenüant D. Stol- tenhoff. Er fand zu Herzen gehende Trostesworte für die Angehörigen. Darauf sang der Mittelrheinische Sängerbund „Wie sie so sanft ruhn". Reichsverkehrsmivister von Guörard legte darauf im offenen Grabe als Vertreter des Reichspräsidenten, des Reichskanzlers und der Reichsregierung sowie als Chef der Reichswasserstraßen Kränze nieder, wobei er den Angehörigen nochmals in kurzen Worten die Teilnahme aussprach. Für die preußische Regierung gab darauf Wohlfahrtsminister Hirtsiefer seinem tiefen Mitgefühl Ausdruck. Der Koblenzer Oberbürgermeister Dr. Russell entbot WM Schluß feinen auf so tragische Weise verunglückten Mitbürgern den letzten Gruß. Er kündigte an, daß dem gegenüber dem Deutschen Eck ein Gedenkstein von ihrem Schicksal Kunde geben solle. Mit einem Choral schloß -t« ergreifende Feier.