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Mt de« illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" u. „Unsere Heimat"
Bezugspreise: Monatlich einschließlich Trägerlohn 1.60; Einzelnummer 10 — Erscheint an
jedem Werktage. — Verbreitetste Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Schriftleitung, Druck und Verlag von E. W. Zaiser (Karl Zaiser) Nagold
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Mit . der landwirtschaftlichen Wochenbeilage „H aus». Garten, u. Landwirtschaft"
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Nr. 244
Gegründet 1827
Mittwoch, den 17. Oktober 1928
Fernsprecher Skr. 2»
192. Jahrgang
Summa Summarum
Zepxeim" s« Ziel
Es ist gelungen! Nach einer Fahrt von etwas über 111 Stunden ist »Graf Zeppelin" im Flughafen der amerikanischen Marine Lakehurst, südlich von Neuyork, gelandet und hat damit eine Strecke von etwa 11060 Kilometer mit einer durchschnittlichen Stundengssch-windigkeit von 100 Kilometer zurückgelegt. Wir Deutsche freuen uns, ohne Uebermut, herzlich, daß das Wagnis — ein solches war die Usberfahrt angesichts der fast ununterbrochen denkbar ungünstigsten Wetterlage sicherlich — gelungen und di« unerschütterliche Zuversicht der Erbauer und Führer des Luftschiffs so glänzend gerechtfertigt worden ist. Diese Männer mußten allerdings besser wissen als wir Laien, welchen Widerständen des Wetters das Luftschiff gewachsen war.
Die Beschädigungen, die das Luftschiff am Samstag mittag und am Sonntag durch plötzliche heftige Sturmstöße erlitt und es zwangen, zeitweise während der nötigsten Ausbesserungsarbeiten die Motoren abzustellen und sich vom Wind treiben zu lassen und darauf lange nur mit halber Geschwindigkeit zu fahren, sind wohl bedeutender, als die unzulänglichen Funksprüche «s mitteilten. Der amerikanische Lufisachverständige Dr. Burgeß, der das Luftschiff beim Ueberfliegen von Washington durch das Fernrohr betrachtete, schätzt das Loch in der Außenhaut der linken Tragfläche auf 66 Geviertmeter. Von der ganzen Unterseite sei die Außenhaut abgerissen und auch das innere Rahmenwerk habe g-e litten. Dennoch wußte man in Friedrichshafen, daß das Luftschiff nicht in wirklich ernster Gefahr war, denn auch der sehr starke Sturm konnte es nicht steuerlos machen, und für den Zeitverlust war das Luftschiff durch einen Vorrat von Brennstoff für 120 Stunden gewappnet. Eine von unberufener Seite verbreitete Meldung, Fahrgäste und Mannschaft des Zeppelin hätten nur noch Brot und Eiswasser zu essen, war rein aus den Fingern gesogen und lächerlich. Der Proviant des Luftschiffs war für volle sechs Tage ausreichend.
Das Luftschiff hat jedenfalls eine Sturmtüchtig- keit erwiesen, die für die weitere Entwicklung dieses Verkehrsmittels entscheidend ist: kein bis jetzt.gebautes Flugzeug hätte eine solche Sturmtüchtigkeit besessen. „Graf Zeppelin" hat die Leistung des Z. R. 3 („Los Angeles") um mindestens 30 Stunden und um etwa 2500 Kilometer überboten, und er hat eine sehr schwere Probe bestanden. Cr hat die Betriebssicherheit des Berkehrsluftschiffs auf langer Fahrt bewiesen. Seine fünf Motoren sind mehr als 100 Stunden hindurch gelaufen, ohne daß auch nur einer von ihnen versagt hätte. Ein Vorteil des starren Systems ist es augenscheinlich, daß alle Teile des Luftschiffs auch auf der Fahrt zugänglich sind; so konnten die Beschädigungen m der Lust ausgebcssert werden. Die Halbstarre „Italia" Nobiles wäre bei diesen Stürmen verloren gewesen.
Allerdings, auch das beste Luftschiff würde vielleicht ver- Men, wenn es nicht eine so ausgezeichnete Führung und Mannschaft bätke wie Dr. Ecken er und seine erprobten Getreuen. D°r menschliche Anteil an dem Gelingen der Fahrt des „Grafen Zeppelin", wie an jeder Lustfahrt, ob Luftschiff oder Flugzeug, wird in letzter Linie doch immer Aitscheidend bleiben, welche Entwicklung auch immer das Flugwesen nehmen möge. Wenn französische Zeitungen, die übrigens nach der Ankunft des Luftschiffs in Lakehürst ihr anfänglich so bissiges Urteil wesentlich gemildert haben, sich nun mit der hämischen Bemerkung zu trösten suchen, die Uebersahrt sei nicht viel kürzer gewesen als die der schnellsten Seedampfer, so besagt das für den Luitverkehr der Zukunft herzlich wenig. Gescheiter ist die Meinung des amerikanischen Vizeadmirals Mosset vom Marineamt, wenn er sagte, man könne die Zeppelinfahrt mit den ersten Dampferfahrten über den Ozean vergleichen. Der erste Ozeandamvfer sei kaum schneller ge- saesen als ein tüchtiges Segelschiff, dennoch habe sich die Dampfschisfahrt zu ihrer heutigen Höhe entwickelt.
So ist es. Die Erfahrungen, die man auf der Fahrt des "«rasen Zeppelin" gesammelt hat, werden dem Luftschiffbau der Welt als wertvollste Anregung dienen, und diese »ährt bleibt der entscheidende Punkt in der Entwicklung, als Ar sie heute angesprochen wird. Es war eine Fahrt der Gewährung und nicht eine Fahrt zur Bre- shung eines Ge sch w i ndi g kei ts r e kord s. Sie ">ar ein Erfolg deutscher Tüchtigkeit und deutscher Technik.
Den mißgünstigen Nachbarn über dem Rhein möchte "*an zurufen: Macht's doch nach!
. So viel ist sicher: der Kampf, den das Luftschiff mit sn Meeresstürmen zu bestehen hatte und aus dem es Agreich heroorgegangen ist, hat die Bewunderung "°er die Begeisterung der Amerikaner noch wesentlich gesteigert.
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.Die „Monopolverlage" Hearst, Ullstein und Scherl haben Tstanntlich vom Luftschiffbau Zeppelin in Friedrichshafen as Alleinrecht der Verbreitung von Zeitungsberichten von ord des Luftschiffs aus gekauft, und zwar sollen von der Mexikanischen Hearstpresse 67 000 Dollar bezahlt worden
sein, die Kaufsummen der Berliner Berlage weroen zwycyen 15 000 und 30 000 angegeben. Die Lustschiffbaugesellschaft war zu dem Verkauf ohne Frage berechtigt und sie kann das Geld wohl brauchen. Andererseits ist eben durch übermäßige Beanspruchung des Funkapparats durch die drei Bericht- i erstatter die Allgemeinheit in der ersehnten Versorgung ! mit Nachrichten über den Verlauf der Fahrt zu kurz gekom- ! men, und darüber war man besonders in A m e r i k a, wo ' man in solchen Dingen empfindlich ist, in amtlichen und privaten Kreisen verstimmt. Glücklicherweise war die Verstimmung, wie der Empfang bewiesen hat, nicht anhaltend, namentlich nachdem man den Grund der spärlichen Benachrichtigung durch die Luftschiffsführung erfahren hatte.
Die Landung in Lakehurst
In Lakehurst ist alles zum Empfang bereit. Die Tore der großen Hallen sind geöffnet und 400 Mann der Flugstation sind angetreten. Die Erregung in den unübersehbaren Mcn- schenmassen ist unbeschreiblich. Die Zahl der Kraftwagen, die zum Teil aus sehr großer Entfernung kamen, wird auf 15—20 000 geschätzt. Da, um 11.10 D. Z. kommt das Luftschiff heran. Die surrenden Motoren hört man nicht mehr in den Jubelrufen der Massen. Das Luftschiff geht auf 50 Meter nieder, die Spitze neigt sich nach tiefer, und dann fallen die Ankertaue. Es ist 11.30 d. Z. und 5.30 am. Zeit. Das Luftschiff sollte in die Halle gezogen werden, die einbrechrnde Dunkelheit erschwerte aber die Unterbringung, weshalb es wieder aus der Halle gezogen und vorläufig am Ankermast befestigt wurde, um am Dienstag seinen Platz in der Halle einzunehmen, wo er nun neben der „Los Ängelos" liegt.
Dem Halleneingang gegenüber hatten die Staats- und Marinebehörden, der deutsche^ Botschaftsrat Krieg u. a. Platz genommen. Nachdem Dr. Eckener und seine Leute, sowie die Fahrgäste das Luftschiff verlassen hatten, wurden sie herzlich begrüßt. Die Tausende von Kraftwagen stimmten ein schauerlich-schönes Huvenkonzert an D»e Massen ließen sich durch die Polizei nicht mehr halten. Die Postenketten wurden durchbrochen: man wollte den „Zeppelin" in der Nähe anstaunen. ,
150 000 Menschen in Lakehurst
Trotzdem die Menge in Lakehurst, die gehofft batte, das Luftschiff noch Sonntag begrüßen zu können, enttäuscht wurde, ist die Zahl derer, die sich um den Flugplatz gelagert haben, nur gewachsen. Man schätzt, daß sich in den Abendstunden des Montag mehr als 150 000 Menschen in Lakehürst aufhielten.
Ein T o de s f a l l hat sich unter den Wartenden zu- gestagen. Eine 77sährige Frau, die aus Brooklyn nach Lakehurst gekommen war, hatte zusammen mit den andern den ganzen Tag im Gedränge ausgehalten. In den Abendstunden erlitt sis infolge der Anstrengungen einen Herzschlag und starb nach wenigen Minuten.
Der Massenzug nach Lakehurst hat vielen ein glänzendes .Geschäft gebracht. Die Wursthändler, Verkäufer von Limonaden, Speiseeis, Benzin usw. waren schnell ousverkauft.
..Rein sportliches Interesse"
Ueber den Erfolg des „Graf Zeppelin" speit man in Frankreich Gift und Galle. Die Pariser Presse wollte die Fahrt totschweigen, dann wurde sie mit grimmigen Bemerkungen begleitet. Als am Samstag das Luftschiff von dem kleinen Mißgeschick betroffen wurde, wurde in Paris frohlockend verbreitet, der Zeppelin sei mit Mann und Maus untergegangen. — Die Brüsseler „Etoile Belge", dir Fahrtberichte veröffentlicht hatte, entschuldigt sich deshalb bei ihren Lesern; die Berichte habe es aus „rein sportlichem Interesse" gebracht, denn der Zeppelinflug sei im Zusammenhang mit dem amerikanischen Verrat des englisch-französischen Abkommens eine politische Kundgebung, die sicher zu einem Luftabkommen zwischen Amerika und Deutschland führen werde. Deutschland sei in der Niederlage kriecherisch, im Erfolg anmaßend. Es werde den Flug entsprechend auszunutzen verstehen: dem Frieden diene er nicht.
Gluckwunsch-Funksprüche
Dr. Eckener sandte an Präsident Coolidge folgenden Funkspruch: „Im Augenblick Ankunft amerikanische Kü'te während dieser neuarngen Ueberguerung des Atlantischen Ozeans mit Fahrgästen und Post von Deutschland nach Amerika, auf der wir als Kameraden und erfahrenen Freund Commander Rosendahl bei uns gehabt haben, bitten Kommandant und Mannschaft „Gras Zeppelin" Präsident Bereinigten Staaten ihre ganz respektvollen Grüße übermitteln. Gez.: Eckener."
Der Reichspräsident an Dr. Eckener
Der Reichspräsident bat an Dr. Eckener jolgendes Telegramm gerichrel: „Zur glücklich durchgeführten Uebersahrt des „Graf Zeppelin" »och Amerika spreche ich Ihnen meine n-i-ilichiteii Glückwünsche aus. Ich verbinde damit den
LgflesWegel
Die englische Presse zollt dem Vau des Luftschiffs . Graf Zeppelin" und seiner Führung hohe Anerkennung und beglückwünscht sie.
Die amerikanische Presse überbielek beinahe die erregte Bevölkerung an Begeisterung über die Zeppelinfahrl. Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Hoover schreibt an Dr. Eckener: In der Geschichte der Menschheit hat Dr. Eckener und damit die deutsche Energie wieder einmal einen großen Erfolg zu verzeichnen.
Ausdruck meiner aufrichtigen A n e r k c » n u n g für die vorzügliche Leistung, die Sie und die bewährte Mannschaft des Luftschiffs unter so schwierigen Witterungs- verbältnisien vollbracht haben."
Weitere drahtlose Glückwünsche empfing Dr. Eckener von Reichskanzler Müller, Reichsverkehrsminister v. Gue- rard und Reichsaußenminister Dr. Stresemann (aus Wiesbaden).
Der Reichspräsident an Präsident Looljdge
Der Herr Reichspräsident hat auf den Glückwunsch des Präsidenten Coolidge geantwortet: „Ich danke Ihnen, Herr Präsident, flst die Glückwünsche und die Anerkennung, die Sie den Leistungen des Luftschiffes „Graf Zeppelin" und seiner Besatzung in so freundlicher Weise gezollt haben. Namens des deutschen Volkes spreche ich gleichzeitig für die dem Luftschiff und seiner Besatzung gewährte glänzende Ausnahme und Unterstützung meinen aufrichtigsten Dank aus. Ich hoffe, daß mit diesem neuen Fortschritt in der Luftfahrt dte freundlichen Beziehungen, die zwischen dem großen amerikanischen Volke und Deutschland bestehen, noch enger geknüpft werden, v. Hindenburg, deutscher Reichspräsident "
Glückwunsch der wärst. Staatsregierung
Die wärst. Regierung hat an den Luftschiffbau in Friedrichshofen folgendes Glückwunschtelegramm gerichtet:
„2Xm Luftschiffbau Zeppelin, besonders dem hervorragenden Erbauer Dr. Dürr, sowie allen Mitarbeitern am großen Werk zur glücklich beendigten Fahrt des „Gras Zeppelin" nach Amerika herzlichen Glückwunsch. Wurst. Staatsregierung."
Auch die badische Regierung hat an die Werft ein Glückwunschtelegramm gesandt. Bei der Werft laufen zahllose Telegramme und Schreiben ein
Glückwunsch der deutschen Ingenieure
Der Verein deutscher Ingenieure sandte folgendes Glückwunschtelegramm an den Luftschiffbau Zeppelin in Friedrichshafen: „Zu dem neuen erfolgreichen Ozeanflug entbieten wir den genialen Erbauern und der kühnen und umsichtigen Führung des Luftschiffs „Graf Zeppelin", sowie allen anderen, die ihr bestes Können für das Gelingen des großen Werks eingesetzt haben, unsere herzlichsten Glückwünsche. Den ichwierigsten Wetterverhältnissen zum Trotz erreichte das Luftschiff in mehr als hunderttstündigem Fluge sein Ziel, ohne fache Betriebsmittel auch nur annähernd erschöpft zu haben, ein eindrucksvoller Beweis für die hohe technische Vollkommenheit des Luftschissbaus und der Navigationsmittel. Mit dem ganzen deutschen Volk sind wir Ingenieure stolz auf diesen jüngsten, von der ganzen Welt bewunderten Erfolg deutscher Technik."
Begeisterung in Friedrichshafen
Um 9 Uhr abends hatten sich die Herren der Leitung des Luftschiffbau Zeppelin, die Vertreter der Stadt und der Presse, weiter Dr. Ing. h. c. Maybach im Kurgartenhotel zu einer kleinen Feier eingefunden. Als dann die Meldung von der Landung eintraf, begannen die Glocken der Kirchen zu läuten, während die Stadtkapelle mit klingendem Spiel durch die Straßen der Stadt zog: die öffentlichen Gebäude hatten aus diesem Anlaß geflaggt.
Generaldirektor Kommerzienrat Colsmann erhob bei der Uebermittelung der Nachricht sein Glas, um unter begeisterter Zustimmung der Anwesenden ein dreifaches Hach auf den Führer des Schiffes »nd seine Mannschaft auszubringen. Hierauf wurde ein Telegramm zur Absendung an den „Graf Zeppelin" gebracht: „Luftschiffbau und Stadt Friedrichshafen senden dem „Graf Zeppelin", Führer und Besatzung, in Dankbarkeit und Stolz herzliche Grüße".
Im weiteren Verlauf der Feier dankte Kommerzienrat Colsmann insbesondere für die Mitarbeit der Presse, di? in so außerordentlichem Maße mit dazu beigetragen habe, daß das Luftschiff heute in der Lage gewesen ist. den Ozean glücklich zu überqueren. Er dankte darauf ganz besonders dem Erbauer des Luftschiffes. Dr. Dür r, von dem die Welt weiß, daß er es gewesen ist, der an den Werken des Grafen Zeppelin zu seinen Lebzeiten mitgearbeitet habe. Nach Würdigung der besonderen Leistungsfähigkeit der Maybach-Motoren, die auf diesem Dauerflug über den Ozean die Seele des Schiffs gewesen seien, begrüßte der Redner weiter Dr. Lemperz. der einen wesentlichen Anteil an den Neuerungen des Luftschiffs durch die Entwicklung des Blauqases als Betriebsstoff für die Motoren habe, und begrüßte weiter den Chef-Konstrukteur Ehrle, der jederzeit eine tüchtige Stütze des Herrn Dr. Dürr gewesen sei.