Dienstag» 18 . September 1928
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Bezugspreise: Monatlich einschließlich TrLgerlohn 1.60' Einzelnummer 1V ^. — «»scheint »« jedem Werktage. - Verbreitetst, Zeitung im O.-A.-Bezirk Nagold. — Echriftleitung, Druck und «erlag von G. W. 3 aiser (Karl Zaifer) Nagold
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«uzeigenpreise: Die Ispaltiae Borgiszeile oder deren Raum 1b Familien-Anzeigen 12 ;
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Nr 220
Gegründet 1827
Mittwoch, den 19. September 1928
Fernsprecher Nr. 29
192. Jahrgang
Der Reichspräsident ist in Rakibor emgekroflen. Cr stak- f"k^ d-m Herzog von Rakibor in Lnbowik, und der Geburks- släks? des Dichters Eichendorff einen Besuch ab.
Tfts Presseausstellung in Köln wird am 14. Oktober geschlossen.
2<"s Peking wird gemeldet, daß die Veulenpest in der M md cln °-ei weiter um sich »reift. Von den chinesischen und -'-iranischen Behörden sind Abwehrmaßnahmen ergriffen
morde-?.
So manchem gilt es heute als hohe politische Weisheit, daß man jeglichen historischen Ballast beiseite schiebt, und daß lediglich eine allermodernste Gegenwartsgeste berechtigt ist, wenn es gilt, das Volk zu führen oder in diesem Punkt -irgendwie mitzureden. Es ist begreiflich, wenn solchem dekadenten Gehabe gegenüber von einsichtigeren Leuten doch wieder „die Lehren aus der Geschichte" hervorgeholt und ausgewertet werden. Also ist es auch durchaus zu verstehen, wenn Vergleiche gezogen werden. Wobei dann — je nachdem— mehr hoffnungsfreudige oder mehr trübselige Schlußfolgerungen zu Worte kommen.
Mein, auch hier ist ein Aber. Man stellt oft gar zu schnell gewisse Aehnlichkeiten fest. Man denkt an Wiederaufstieg und vor der wünschenden Seele steht vielleicht ein Md der „Erhebung", wie man es mit der Jahreszahl 1813 benennt, ein romantisch-heldenhaftes Bild, das wohl insbesondere für manche jugendliche Köpfe etwas Anziehendes hat. Nun wird der Geist von 1813 immer etwas Hohes und Ehrwürdiges haben. Aber die Erhebung von damals ist heute undenkbar. Gewiß, die Jahre nach 1806, wo Preußen- Deutschland zusammenbrach, sind auch furchtbar gewesen, und dann ists auch zur Befreiung gekommen. Jawohl, aber unsere deutsche Lage nach dem Weltkrieg ist doch schon deshalb ganz anders, weil die gesamte europäische Lage eine andere ist, als sie es damals war. Ein völlig entwaffnetes Volk, rings umgeben von Völkern, die mit den modernsten Kampfmitteln ausgerüstet sind und die trotz Völkerbund und Weltgewissen unaufhörlich weiterrüsten, diese Andeutungen dürsten wohl genügen.
Natürlich kommt auch das Umgekehrte in Betracht. Auch für pessimistische Zukunftsbetrachtungen können gewisse geschichtliche Vergleichbarkeiten nicht in Anspruch genommenwerden, weil sie bei näherem Zusehen eben gar keine wirklichen Vergleiche darstellen. Es ist gut, daß gerade auch namhafte Historiker in diesem Sinn gewarnt, getröstet haben. In diesem Zusammenhang mag daran erinnert werden, daß die so oft gehörte Ansicht, als sei das Bismarck-Deutschland längst innerlich morsch und zum Sterben reif gewesen, grundfalsch ist. Erich Marcks z. B. sagt gerade aus stark historischem Empfinden heraus: „Der Zusammenbruch vom Winter 1918 war nicht das logische Ende einer langen Krank- heits- und Schwächezeit wie 1648, ja, auch wie 1806, nicht das logische Ende eines langen Niedergangs, sondern der jähe Abbruch einer Zeit der Fülle und Frische und Kraft, hervorgerufen lediglich durch auswärtige Uebergewalt, nicht etwa durch innerliches Verdorren: obwohl es an innerlichen Mängeln sicherlich nicht fehlte; aber von sich aus hätte Deutschland keine Revolution und keinen Zusammenbruch gebraucht und erlitten."
Danach war jenes traurige 1918 jedenfalls keine dunkle Schicksalsnotwendigkeit auf Grund geschichtlicher Entwicklung. Es kann überhaupt ganz anders kommen, als man auf Grund geschichts- und kulturphilosophischer Erwägungen und Folgerungen erwarten -möchte. Denn es gibt keine eigentlichen Wiederholungen im Lauf der Geschichte, sondern sie ist niemals voräuszuberechnendes Leben und spottet schließlich allem Zwang theoretischer Regeln. Am wenigsten aber braucht sich der wirkliche Gang der Geschichte nach parteipolitischen Konstruktionen zu richten. Immerhin wiederum, es gibt Kennzeichnendes, Typisches im Leben der Völker, das man bei besonderen Ereignissen und Wendungen auch immer wieder erkennen und klarlegen kann. Wenn »>an beispielsweise an unser deutsches Volk denkt: Ob ^ die Zeiten des alten Germanentums waren, ob die Jahrhunderte des Dreißigjährigen Kriegs, der Aufklärungsperiode oder der Bismarck-Zeit in Betracht kommen, — immer war ein unheimlicher Zwietrachtsgeist zur Stelle, der jeden eben erst erreichten Erfolg und Aufstieg zermürbte und verdarb. Das außen- und innenpolitische Elend, das wir heute haben, ist ein neuester Beleg für das Tragische, um das es sich handelt.
Man spricht von Krisis der Zeit, man spricht von Zeitenwende und Uebergangszeit. Vergleicht man mit Früherem, so sieht man, daß jede Zeit auch ihre Krisen hatte, und daß ne auch irgendwie Uebergangszeit war. Heute freilich ist Krisis und Uebergang in einem besonderen Ausmaß vorhanden. Denn es geht mehr denn je um Weltanschauungsnagen. Heinrich von Treitschke hak den ganz gewiß auch letzt noch sehr wahren Satz geprägt: „Das ist ein politisches Genie, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich liegen und sich daraus.mit schöpferischer Phantasie ein Bild der kommenden Entwicklung zu bilden." Vergleichen wir das Parteiwesen "n alten Reich mit dem des neuen- Deutschlands! Edler,
«Graf Zeppelin" gestartet
F r, e d r i ch sh af en, IS. Sepl. Kurz vor 3 Uhr nach- mntags gab Dr. Eckener den Befehl, die Tore der Halle zu offnen und das Luftschiff herauszufüheen. Majestätisch erschien der silberglänzende riesige Körper langsam im Aosen. Nachdem die Führer und die Mannschaft ihre Platze eingenommen hakten» erhob sich der „Graf Zeppelin" unter den brausenden Hochrufen der unzähligen Zuschauermenge m die Lüfte. Die Motoren arbeiteten und nach einigen Schleifen schlug das Luftschiff in etwa 100 Meter Hohe über dem See die Richtung nach Lindau ein.
Telegramm 5.20 Ahr. Im fahrenden Luftschiff find offenbar alle Arbeiten, die sich auf Vermessungen und Proben erstrecken, in vollem Gang. Schon bald nach dem Aufstieg nahm die Funkstation des Schiffes die Verbindung mit der Erde auf. Sie teilt mit. daß das Schiff um 4.45 Uhr über Konstanz war. Schon wenige Minuten später aber erscheint der „Graf Zeppelin" erneut über Friedrichshafen. Er beschreibt über dem Fluggelände große Kreise und entfernte sich wieder in der Richtung zum BoLensee, während Flugzeuge ihn begleiteten.
Glatt gelandet
Der ..Graf Zeppelin" ist 6.48 Uhr glatt gelandet. Nach feiner letzten Schleife, in der er nochmals Gas abließ, erschien ec wieder über dem Werftgelände, ging bis auf 200 Meier herunter und warf dann aus der Bugluke dis Anker- fefseln, an denen er dann langsam zur Erde gezogen wurde. Er wird nun vorsichtig zur Halle herübergeführt.
Ein Stimmungsbild vor dem Aufstieg
Friedrichshafen, 18. Sept. Die Genehmigung ist aus Berlin endlich eingetroffen. Bor dem Außentor der Zeppelinwerft drängt sich in den Vormittagsstunden -ein» Menschenmenge. Einheimische, Touristen, die die kleine Stadt seit Tagen überfüllt haben. Alles blickt nach der großen Halle. lieben Augenblick, glaubt man, wird das Tor der Holle sich auseinanderschieben, um den silbernen Riesen freizugeb»n. Aber noch ist es nicht so weit. Die Metter- leut« sind zufrieden, doch es braucht noch seine Zeit, bis der Bodenwind sich mehr gelegt hat. Heute morgen war er 6 Sekundenmeter, jetzt hat er noch 3—4 Meter. Er hat sich etwas gedreht, so daß er nun seitwärts auf die Halle steht. Das ist nicht schön, hat aber immerhin einen Borteil. Bei dem kleinen Platz läßt sich das Schiff nämlich nur schwer um seine Spitze drehen, ohne gegen ein paar Baracken gegenüber der Halle <m- zustoßen. Es muß deshalb um einen Punkt bewegt werden, dev etwa in seiner Mitte liegt. Dieses Manöver wird durch den jetzigen Wind unterstützt, er darf nur nicht zu stark sein. Deshalb wartet man. Inzwischen stattet man dem .Grafen Zeppelin" noch einen letzten Besuch in der Hall« ab, Unter dem Schiff stehen einige Herren der Besatzung. Man freut sich, daß es nun dock losgehen soll. Oben, auf hoben Leitern malen Anstreicher in großen Stricken noch die amtlichen Zulassungszeichen auf den Rumpf: D. Z. 127. Während des hängt der .Graf Zepoetrn" mit majestätischer Ruhe in den Drähten und Laufkatzen'. Es ist, als warte er selbst auf den Augenblick, wo die Hunderte von Sandsäcken fallen, die ihn Niederhalten, wo die Laufkatzen zu rollen beginnen und er dann frei von den Fesseln in sein Ed;», ment hmaufsteigsn wird.
Was sagt Amerika zu dem Genfer Kompromiß?
Washington, 18. Sepr. Las Staatsamt erklärt, Staatssekretär Kellogg vertrete auch weiterhin den Standpunkt, daß die Schulden der Verbandsmächte an Amerika und die , deutschen Entschädigungsverpflichtungen zwei vollkommen getrennte Dinge seien. Ohne Zustimmung Amerikas könne der Dawesplan nicht geändert werden. An den Verhandlungen, die nun auf Grund des Genfer Kompromisses zwischen den sechs Staaten geführt werden sollen, werde sich Amerika amt- l i ch nicht beteiligen.
Die Berliner Nationalliberale Korrespondenz", die Dr. Stresemann nahesteht, schreibt, die deutsche Abordnung in Genf habe an der Auffassung festgehalten, daß die Besatzungszeiten von selbst ablaufsn, wie auch die Arbeiten der Kommission verlaufen mögen, die Deutschland Gelegenheit geben werden, die Einberufung der Daweskommission und neutraler Sachverständiger zur Abänderung des Dawes- plans zu beantragen. Deutschland wolle sich in der Verbandsschuldenfrage nicht !>i eine europäische Einheitsfront gegen Amerika hineinziehen lassen, um gewissermaßen als Sturmbock der anderen gegen Amerika benutzt zu werden. Das dringende Interesse, das Frankreich an einer Regelung der deutschen Entschädigungsverpflichtungen habe, werde es schon im Jahr 1929 zum Einlenken zwingen. In diesem Jahr habe närri
sch Frankreich nach lOjähriger Stundung den Kaufpreis von 450 Millionen Dollar zu bezahlen für die ungeheuren Mengen von Kriegsgerät usw., das nach Kriegsende vom amerikanischen Heer in Frankreich zurückgelassen und von- Frankreich übernommen worden war (dieser Kaufpreis betrug nur etwa den zehnten Teil des Anschaffungswerts).
Die britischen Mikglieder für den Kompromißausschuß
London. 18. Scot. Ein Blatt will wissen, für den Finanzausschuß, der die Regelung der Entschädigungsfrage behandeln soll, seien von britischer Seite Josiah Stamp und Mac Kenna in Aussicht genommen.
In London glaubt man, daß die Entschädigungsfrage nicht ohne Amerika zu lösen sei. Man gibt ferner jetzt amtlich zu, daß das englisch-französische Abkommen, soweit es den Flottenbau betreffe, aufgegeben sei.
Backnang, 18. Sepk. Schwerer Autounfall. Gestern abend stieß der Kraftwagenführer des Konsumvereins, Paul Zetter, in ler Sulzbacher Straße auf ein entgegenkommendes Kraftrad, auf dem der Fahrer Oechsle und seine Braut, Frl. Ruß, saßen. Die beiden jungen Leute wurden unter den Lastwagen geschleudert und zehn Meter weit geschleift. Oechsle starb heute früh im Krankenhaus, das Mädchen schwebt in Lebensgefahr. Zetter wurde festgenommen, er ist aber in einem unbewachten Augenblick entflohen.
großzügiger, überhaupt besser ist es jeoensaus mcyr geworden. Gruppenegoismus und mangelnder Opfergeist, wenn es Deutsch-Gemeinsames galt, — einst alles wie heut'! Heute sind's ein Dutzend Parteigebilde mehr, und es ist wie eine neue babylonische Sprachverwirrung hinzugekommen und das Elend des gegenseitigen Nichtverstehens ist groß geworden. Dazu die Verwirrung auf dem Gebiet des Ethischen! Des Ethischen im persönlichen täglichen Verhalten! Des Ethischen im allgemeinen Urteil über Gut und und Böse! Daß auch die „gute alte Zeit" ihre abscheulichen Verbrechen und ihre weitgehende Sittenverderbnis hatte, ist eine kulturgeschichtliche Binsenwahrheit. Etwas wesentlich Neues ist aber die Zermürbung des persönlichen Verantwortungsgefühls, wie sie jetzt sogar ernstlich auf „psychologischem" Weg gefördert und betrieben wird. Davor müssen wir uns bewahren.
Aue italienische Stimme über die Enttäuschung Deutschlands
Der keineswegs deutschfreundliche Mailänder „Corner? Kella Sera" schreibt: Wenn die Deutschen sich gegenwärtig gehalten hätten, daß Poincarä der eigentliche Leiter der französischen Außenpolitik ist und daß die französische Politik näch Versailles trotz Locarno und des Kellogg-Paktes unverändert ihren Wege verfolgt, hätten sie die Genfer Enttäuschung nicht erlebt. Denn die Grundlinien der französischen Politik sind: Enge Vereinigung mit England um jeden Preis, unerbittliche Durchführung des Dawesplans, wachsame Gegenwart in den Rheinlanden, bis zur äußersten Grenze verlängerte Besetzung, ab-
solute Verbundenheit mit dem Kleinverband und mit Poler große formale Ergebenheit, aber volle praktische Unabhär gigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten, starr konsei vatioe und Widerstand leistende Haltung gegenüber Jtc lien. Dazu ein weites Rüstungsprogramm m emem einzigen und obersten Ziel, nämlich der Lesest gung der französischen Vorherrschaft.
Man begreift tatsächlich nicht, was Deutschland tun sollb um seinen Ex-Sieger zu beruhigen, wenn es nickt einmc ausreicht, wörtlich die Artikel über die Abrüstung ausgefühi zu haben. Es müßte also seine Schulen, schließen, fein Fabriken zerstören, die wissenschaftlichen Arbeitsstätten un Me industriellen Arbeiter entmobilisieren, die Schalter de Banken schließen, die Handlungsreisenden und Agenten i die Heimat zurückrufen, die Zivilluftfahrt abfckaffen unfeinen großen Eisenbahnmechanismus desorganisieren. Da heikt mit anderen Worten aufhören zu existieren Es is nun sonderbar, daß, während selbst in den Tagen von Der chilles von den siegestrunkenen Verbandsgrößen kein solche Selbstmord von Deutschland verlangt wurde, beute dies Forderung mittelbar und versteckt von Frankreich ai Deutsckland gestellt wird, ober daß wenigstens Briand di- zähe Lebenskraft des deutschen Volkes, den Wiedevaufba, stiner Handelsflotte usw. als Vorwand benützt, um in der Kriegsrust'-ngen fortzufahren, auf die Frankreich nicht oer zichten will. ^
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Aeberraschimg in Paris
.. Die Blätter bringen heute Artikel, di.
die größte Ueberraschung ausdrücken über die Be deukung des Siegs Bricmds in Genf. Sogar die strenc nationalistische .Ackion Francaise" erklärt, auch die aus