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Angelder Tagblatt «Der Gesellschafter"

Samstag»'15. September 1928.

die Pariser Presse aus zu führen habe. Man scheint zu fürchten, daß ein nicht unmittelbar an der Frage inter­essierter Vertreter naturnotwendig den Deutschen recht­geben müsse. Japans Haltung sei schon im Krieg verdächtig gewesen, denn es habe die deutschen Gefangenen viel zu gut behandelt.

Ein Krisen lag in Oesterreich

Dien. 14. Sept. Der 7. Oktober droht ein verhängnis­voller Tag für Oesterreich zu werden. Zu diesem Sonntag hat die Heimwehrführung einen Heimwehrtag nach Wiener Neustadt einberufen, der ein Werbe- und Propagandaaufmarsch von 18 000 niederösterreichischen und fieyrischen Heimehrleuten werden soll. Wiener-Neustadt ist ein Hauptort der Sozialdemokraten. Die Neustädter Ge­meindeverwaltung hat eine sozialdemokratische Mehrheit. Deshalb haben die Sozialdemokraten diesen^ Aufmarsch als eine Herausforderung hingestellt und an demselben Tage und zu derselben Stunde gegen einen Aufmarsch des sozial­demokratischen Schutzbunds angeordnet. Die Heimwehren wollen damit den sozialdemokratischen Terror bekämpfen. Sie weisen darauf hin, daß der Republikanische Schutzbund auch Zusammenkünfte in den ausgesprochen bürgerlich-bäuer­lichen Kreisen Zwettl und Haag zu Propagandazwecken veranstaltet habe, und daß Wiener-Neustadt auch mindestens zur. Hälfte bürgerlich ist.

Der Schriftleiter der kommunistischen .Roten Fahne' in Wien, Elias Zucker, wurde verhastet, weil er in einem Artikel das Proletariat aufgefordert hatte, gegen den HeiM- wehrtag in Wiener-Neustadt (etwa 20 Stunden südlich Wiens) mit Waffengewalt vorzugchen.

Eine päpstliche Enzyklika

Förderung des orientalischen Instituts und Redemption der Andersgläubigen

Rom. 14. Sept. Der Papst veröffentlicht ein Rund­schreiben, in dem er an das Werk der Päpste zur Förderung der Studien, die die Wett des Orients zum Gegenstand haben, und zur Vermittlung tieferer Kennt­nisse in diesem Wissenszweig besonders unter den Priestern erinnert. Das päpstliche Ziel sei gewesen, auf diese Weise die Hindernisse zu entfernen, die die Priester weniger fähig machten, die schismatijchen Kirchen der Ein­heit der römischen Kirche näher zu bringen. Benedikt XV. gründete eine Kongregation für orientalische Riten und Angelegenheiten und bereitete die Gründung der römischen Hochschule für orientalische Studien vor. Diesen Plan seines Vorgängers habe er verwirklicht und das In­stitut 1922 der Gesellschaft Jesu anvertraut. Da es not­wendig sei, über Verteidiger der Rechte und Einheit der wahren Kirche zu verfügen und um diese Einheit zu wah­ren, solle man die in den Seminaren ausgebildeten Priester in den Stand setzen, Jrrtümer und Neuerer zu widerlegen. Der Papst empfiehlt den Bischöfen, entspre­chende Lehrstühle in den theologischen Schulen der verschiedenen Länder zu er­richten. In den Universitäten sollen entsprechende Fakultäten gegründet werden, wie solche an den Universi­täten Paris, Loewen und Lille schon bestehen. Er werde keine Mittel sparen, um das orientalische^Jn- stitutzu vervollkommnen. mit Hilfe von Wohltätern habe er ihm einen neuen Sitz angewiesen. Er werde allen den­jenigen dankbar sein, die an diesem Werk durch Geld- oder Bücherspenden Mitarbeiten. Der Papst fordert zum Schluß die Bischöfe auf, mit ihm zusammenzuarbeiten, um die Rückkehr der Andersgläubigen in den Schoß der römischen Kirche zu fördern.

Ein neues Kabinett Liaplschew

Sofia, 14. Sept. Nach zehntägiger Krise hat Liaplschew das neue Kabinett gebildet, dem mit Ausnahme des Eisen- batznministers dieselben Persönlichkeiten angehören wie dem letzten Kabinett.

Auch in Portugal wieder eine Verschwörung

Lissabon. 14. Sept. Die politische Polizei gibt bekannk, - in der Stadt Bela (Proo. Memresa) eine Verschwö­rung entdeckt worden sei. Eine Anzahl Beteiligter wurde verhaftet und eine größere Menge Bomben und Sprengstoffe beschlagnahmt.

Württemberg

Stuttgart, 14. September.

Prämiierung bäuerlicher Wirlschaftsbelriebe. Bei der im Lauf des Jahrs 1928 durch die Württ. Landwirtfchafts- kammer vorgenommenen Prämiierung bäuerlicher Wirt- fchaftsbetriebe wurden folgende Preise zuerkannt: Ein erster Preis mit 130 RM.: Michael S ch e b in Unterwald­haufen OA. Saulgau: je einen zweiten Preis mit 120 RM.: Theodor und Ernst Schneider in Ottmarsheim OA. Rarbach: Karl Scheuber in Kreßbach OA. Neckarsulm: Michael Reck in Beizkofen OA Saulgau: Fr. Kober, Mßlerhof OA. Ludwigsburg: Richard Pfuderer in Eglosheim OA. Ludwigsburg: ein dritter Preis mit IW RM.: Christian Groll in Siammheim OA. Ludwigs­burg.

Ein württ. Sporkarztkurs. Der Deutsche Aerztebund zur Förderung der Leibesübungen veranstaltet mit Unter­stützung der Württ. Aerztekammer, des Württ. Aerztever- bands und des städt. Gesundheitsamts Stuttgart einen Württ. Sportarztkurs in den Tagen vom 16. bis 30. Sept. in Stuttgart unter Leitung von Dr. Berner-Stuttgart. Täglich wird morgens Gymnastik, Waldlauf, Schwimmen oder Turnen getrieben, während der Nachmittag und Abend entweder Turnspielen oder der Entgegennahme von fach- wissenschaftlichen Vorträgen Vorbehalten ist-

Der württ. Städtetag

Stuttgart, 14. September. Im Saal des Bürgermuse­ums fand heute eine Versammlung des württ. Slädiemges unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Dr. Lauten­schlager-Stuttgart statt, um zu dem Regierungsentwurf einer neuen Gemeindeordnung Stellung zu nehmen. Der Vorsitzende führte aus, das ernste Bestreben, dis Verwal­tung in.der Mitte und oben zu vereinfachen, sei zu be­grüßen, doch sei zu bedauern, daß die Regierung die meisten der vom Stüdtetag vorgeschlagenen Aenderungen des ur­sprünglichen Entwurfs habe unter den Tisch fallen lassen. Die im Dezember dieses Jahres fällig werdenden Gemeinde­ratswahlen sollten nicht verschoben werden, auch wenn das Gesetz bis dahin noch nicht verabschiedet wäre

Oberbürgermeister Dr. Schmidt-Ludwigsburg führte aus, der neue Entwurf zeige, daß Württemberg sich noch ein bedeutendesGeschmückte" vom Schreiberstaat erhalten habe.

Die Herabsetzung der Zahl der Gemeinderatsmitglieder hielt der Redner für unnötig, während er die Abschaffung des passiven Wahlrechts für die Gemeindebeamten im Interesse einer sachlicheren Kontrollfähigkeit des Gemeinde­rats begrüßte.

Die Versammlung nahm nach längerer Aussprache fol­gende von Dr. Schmidt vorgeschlagene

Entschließung

an: 1. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemein­den verlangt angesichts der Eingriffe in den letzten Jahren einen gesteigerten Schutz und seine grundsätzliche Anerken­nung in der Gemeindeordnung. Es hat insbesondere der Ausbau der Rechtsbeschwerds ae^en köckillinstanzlichs Ver-

zur Gemeindeordnung

waltungsverfügungen zu erfolgen. 2. Die Zeit der Ber- waltungsvereinfachung verlangt daneben den Ausbau der Selbstverwaltung, besonders durch Befrsiuna von entbehrlich gewordenen Fesseln der Staatsaufsicht und der staatlichen Genehmigungspflicht. 3. Gegen die geplante Verminderung der Gemeinderatsmitglieder werden Be­denken erhoben. Die notwendige Vereinfach.mg liegt nicht in der Verkleinerung der Zahl der Gemeindsverrre->r son­dern in der Ausgestaltung einer größtmöglichsten Frühest der Verwaltungsführung der städt. Organe und in de»- Ent­lastung der Gemeinderatsoollversammlung. 4. Die Aus­dehnung des Panaschierungsrech t's wird begrüßt die St eilen wähl ist abzulehnen. 5. Die Crweiterima der Zuständigkeitsgrenze der städt. Verwaltung durch Ein­räumung der Verwaltungszuständigkeit der finanziellen Freiheit der Städte im Rahmen ihres Voranschlagsrechts ist ein dringendes Gebot. 6 Die Beibehaltung des Einkörpersystems und der Gemeindecats­verfassung ist zu begrüßen. 7 Die Vorschriften -".her vermögensrechtliche Sicherung nicht wie­dergewählter Ortsvorsteher sind völlig unzureichend. 8. Im Interesse der Verwaltungsver- einfachung ist dringend zu wünschen, daß die Teil- gemein de im Weg der Gesetzgebung beseitigt und kleine und leistungsunfühige Gemeinden zusammengelegt werden, nötigenfalls zwangsweise. 9. Gegen die gesetzliche Mitgliedschaft von VertreternderKircheninderOrtsfürsorge- behörde ist Widerspruch zu erheben, nachdem die Trennung von Kirche und Staat durchgeführt ist.

kulturfilmarbeit in Württemberg. Nach der üblichen Sommerpause eröffnet die Schwöb. Vilderbühne, die Film­abteilung der Württ. Bildstelle Stuttgart, in diesen Tagen sowohl im Landesgewerbemuseum in Stuttgart als auch draußen im Lande ihr neues Spieljahr. Sie wird sowohl in den größeren Orten des Landes als null' an den mitt­leren und kleineren Plätzen Vorführungen guter Filme ver­anstalten und diese Filme sowohl der Oeffentlichkeit als auch den Schulen zugänglich machen.

In den Bergen tödlich verunglückk. Der vermißte Stutt­garter Hochschüler Gerhard Schmelzte von Korntal wurde am Felbertauern im Pietzgau als Leiche aufge­funden. Die Leiche konnte noch nicht geborgen werden.

Ein Berlagsdirekkor wegen versuchter Erpressung ver- urkeilk. Der 34 Jahre alte Robert Sonntag, der im letzten Jahr Berlagsdirekkor bei der Württ. Gerichtszeitung in Stuttgart war, wurde vom Schöffengericht wegen versuchter Erpressung und versuchten Betrugs zu 3 Monaten Gefäng­nis verurteilt. Sonntag hatte versucht, von einem Stuttgar­ter Arzt 1600 -ll zu erlangen, wofür er dann die Ver­öffentlichung eines Artikels über den Arzt in der Württ. Gerichtszeikung unterlassen hätke. Die Höhe der Strafe wurde damit begründet, daß die Allgemeinheit vor solchen Personen geschützt werden müsse.

Ludwigsburg, 14. Sept. Typhus fälle. In einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Umgebung Ludwigs- burgs sind laut Ludwigsburger Zeitung in den letzten Tagen mehrere Typhusfälle vorgekommen, so daß sich zurzeit sechs Personen des betreffenden Betriebs in ärztlicher Behand­lung befinden.

Holzelsingen OA. Reutlingen, -14. Sept. Nach dem Genuß von Tollkirschen gestorben. Die 16- jährige Tochter des Landwirts Gottlob Fromm, die, wie gemeldet, Tollkirschen im Wald gegessen hat, ist, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, nach in der gleichen Rächt gestorben.

Salach OA. Göppingen, 14. Sept. Vereitelter Mord und Selbstmord. Die zur Nachtschicht in die Papierfabrik gehenden Arbeiter hörten das Schreien eines Kindes vomWehr" herüber. Sie eilten der Stelle zu und fandet, den 42 I. a. Christian Nebele aus Faurndau, der sich und sein 7 I. a. Kind mit einem Strick zusammen­gebunden und daran ein Gewicht befestigt hatte, um ins Wasser zu gehen. Uebele wurde in den Ortsarrest gebracht, während sein Kind im Haus des Oberlandjägers Nagel Aufnahme fand. Als Grund aab Uebele zerrüttete Familien- verhältnisse an.

Dom bayerische» Allgäu, 14. Sept. Das höchst- gelegene Kriegerd e.nkmal. Die Turner Hinde­langs werden am nächsten Sonntag zu Ehren ihrer im Weltkrieg gefallenen Kameraden ein kunstvoll geschnitztes Bergkreuz mit Gedenktafel, die die Namen der Gefallenen enthält, auf der 2200 Meter hohen Rotspitze errichten, da­mit besitzen sie das höchstgetegene Mahnmal.

Aas Stadt and Laad

Nagold, 13. September 1928. Viel verderblicher als irgend ein Verbot wird der Spott und das überlegene Lachen eines Er­wachsenen die Spiellust des Kindes gefährden.

Scharrelmann.

Werktagsreligion

Es darf nachgerade als eine Selbstverständlichkeit gelten, daß eine Religion wertlos ist, die man mit dem Sonntags­rock wieder ablegt. Umstrittener dagegen ist die Wahrheit, daß ein Sonntag ohne religiöse Feier von fraglichem Wert ist. Und doch, je anstrengender, eintöniger oder verhetzter der Werktag ist, desioweniger sollte man sich die Stunden der Einkehr entgehen lassen, in denen sich der Mensch Rechen- schaft gibt über das letzte Woher und Wohin seines Lebens, über die tiefsten Quellen eigener seelischer Tragkraft und innerer Gemeinschaft mit seinen Weggenossen. Entscheidend

ist dann freilich, daß die in stiller Feier gewonnene Orien­tierung auch im Lärm des Alltags eingehakten wird, und daß der Trunk aus dem Jungbrunnen der Ewigkeit aus­reicht, um den Wanderer zwischen zwei Welt auf der ganzen Wegstrecke frisch zu erhallen. -

Dazu muß er sich unbedingt an jedem Morgen und an jedem Abend Augenblicke innerer Sammlung und ernster Rechenschaft freihalken. Nock mehr: es allk auch das Ohr zu öffnen für den Anruf Gottes, der an jeden täglich ergeht durch die Menschen, mit denen er zu verkehren, durch die Verhältnisse, die er zu bewältigen und zu bessern hat. Wird unsere Umgebung für uns nichtssagend, so erstirbt auch un­sere eigene Seele und unser Leben wird zum lärmenden Leerlauf statt zum Gottes- und Nächstendienst. Echke Reli­gion und echtes Leben kann nicht ohne Merkkagsreliaioa sein. . - -

Feste und Veranstaltungen.

Nagold: 1 Uhr Verbands- u. Freundschaftsspiele des S V.N. auf dem Sportplatz an der Calwerstraße.

Vs5 Uhr Preciosa-Aufsührung des Arbeiiergesang- vereinsFrohsinn" in derTraube".

Jselshausen: 2 Uhr Hammeilauf und Tanz des Musikoereins Lyra" imLamm".

Wildberg: 3 Uhr Zusammenkunft der 126er imLöwen". Effringen: 2 Uhr Tanz und Preistanz des Radfahrerverems Adler" imHirsch".

UnsereFeierstunden"

Das Titelblatt bringt ein duftiges Stimmungsbild Morgen im Park". Weiter sehen wir: Moderne astrono­mische Rieseninstrumente, Der Ausbruch des Vulkans Roka- tinda, wobei 1000 Menschen verbrannten. Der Schäferlauf in Markgröningen, Der Leipziger Zoologische Garten, Ein stählernes Kugelhaus als Hospital, Zur Eröffnung der deutschen Funkausstellung in Berlin, Das Fernlenkschiff Zähringen" usw. Die meisten dieser Bilder führen uns die gewaltigen Fortschritte unserer Technik vor Augen, die sich auch im besonderen bei der Berliner Funkausstellung zeigen. Andere Bilder führen uns in einen Glockenstuhl zu den Reichswehrmanövern, nach Bautzen, nach Königs­berg, an den Vsrghang des Matterhorn und nach Fried­richshafen.

Das Gesetz über Schußwaffen und Munition. Von zu­ständiger Seite wird mitgeteilt: Mit dem 1. Oktober tritt das neue Reichsgesetz über Schußwaffen und Munition vom 12. April 1928 mit den zugehörigen Reichsausführungs- bestimmungen vom 13. Juli 1928 und der demnächst im Regierungsblatt für Württemberg erscheinenden Vollzugs­verordnung in Kraft. Das Gesetz behandelt nach Festlegung der Begriffe Schußwaffen und Munition die Genehmi- gungspflicht für deren Herstellung, Bearbeitung und In­standsetzung sowie für den Handel mit ihnen. Für weit«« Kreise von Bedeutung sind die Vorschriften über den Er­werb, das Führen, die Einfuhr und den Besitz von Schuß­waffen und Munition, ebenso die Straf-, Schluß- und Ueber- gangsbestimmungen. Zuständig zur Erteilung der erfor­derlichen Genehmigungen zur Herstellung und zum Handel mit Waffen und Munition sowie zur Ausstellung der Waf­fen- und Munitionserwerbscheine und der Waffenscheine sind in Württemberg das Polizeipräsidium Stuttgart und die Oberämter. Da sich gegenüber der bisherigen Rechts­lage in Württemberg nicht unwesentliche Aenderungen, er­gaben, empfiehlt es sich für die beteiligten Kreise, sich über die neuen Bestimmunoeri recbteeitm zu

Alteusteig, 14. Sept. Gemeinderatssitzung vom 12. Sept- 28- Die Stadtgemeinde hat sich anläßlich der Erwerbung des Kronen­grundstückes durch die Reichspost zur Zahlung eines Beitrages in Höhe von 1S00V Mark zu den Kosten für den Pojtnenoaa verpflichtet, trag auf 8 St

Oberpostdirektion 12 ^ Prozent zubieten, der anteilsmäßig auf den städt. Papiermarl-Benra» von dem Eoldmarkbetrag entfällt, den die Post für das Krön - anwesen bezahlt hat, (nach Abzug des Erlöses aus dem aog