itag, 7. September 1828.
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9. Sept.. 1928, nachm.^2 . >en" in Nagold statt.? I , Beamte und abgebaute ndlichst eingeladen.
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Samstag, den 8. September 1928 Fernsprecher Nr 29 102. Jahrgang
Politische Wochenschau
3m Völkerbund gibt es Heuer wirkliche Kranke / Die Wahrheit über Genf durch Litwinow / Die Katze und der heiße Brei / Das Vertrau«» von 49 Millionen Seelen nationaler Minderheiten ist erschüttert / Reichskanzler Müller „studiert" Weltpolitik / osvlgsie oeveoos sst: Deutschland au vierter Stelle unter den Seemächten, der Hamburger- Hafen in Europa an der Spitze / Sie rufen zum Kampf und bauen auch / Alles für das Vaterland!
Der Völkerbund wieder in Genf! Vorige Woche am 30. August trat der Völkerbundsrat zu seiner 51. Tagung zusammen. In dieser Woche wurde die 9. Vollversammlung eröffnet. Große, weltbewegende und welt- erschütternde Fragen stehen nicht auf der Tagesordnung. Vielleicht aus dem Grund, weil Dr. Stresemann und Austen Chamberlain diesmal fehlen. Nicht die sogenannte „diplomatische", sondern wirkliche Krankheit hält sie zurück.
Was wird nun die heurige Septemberversammlung zu- ftandebringen? „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!" Viele Früchte hat dieser riesige Vaum, auf den unser Weltkreis gestützt sein soll, allerdings bisher nicht gebracht. Na- mentlich nicht in der satzungsgemäßen wichtigsten Frage, der der allgemeinen Abrüstung. Litwinow, Moskaus stellvertretender Außenminister, hat es in seiner jüngsten Note an den Vorbereitenden Abrüstungs-Ausschuß mit dürren Worten gesagt, daß der Völkerbund in seiner achtjährigen Arbeit für die Abrüstung rein nichts geleistet habe, 's ist auch so. Berichte, große Protokolle, Vertagungsbeschlüsse, Einsetzung von Kommissionen, Ausschüssen und Unterausschüssen — das ist alles: Ein ewiges- langweiliges „Aus der Stelle treten", kein Vorwärtskommen, nichts Po- sitives.
Kläglich sind auch die sonstigen „Erfolge" des Völkerbunds. Wie lange kaut er nur an der litauisch-polnischen Streitfrage wegen Wilna! Wie lange an dem ungarischrumänischen Optanten st reit! Aehnlich steht's mit den Händeln in Memel, in Danzig, in Oberschlesien und anderwärts. Sobald es brenzlich zu werden droht, dann wird sofort von London oder Paris oder Rom abgeblasen: Das geht Genf nichts an. Das seien „innere Angelegenheiten", in die der Völkerbund beileibe sich nicht mischen dürfe.
Besonders ärmlich sind die Leistungen oder besser die Untätigkeit des Völkerbunds auf dem Gebiet des Minderheitenschutzes. Dies wurde ihm auch von dem gegenwärtig ebenfalls in Gens tagenden Kongreß dernatio- nalen Minderheiten glatt quittiert und ihm ins Gesicht geschleudert, daß „das Vertrauen von 40 Millionen Seelen solcher Minderheiten rMm Völkerbund als dem Garanten der Minderheitenrechte schwer erschüttert" sei. Nicht mit Unrecht. Denn tatsächlich hat bis jetzt der Völkerbund nichts oder herzlich wenig zum Schutz dieser Minderheiten geleistet. Schon das Verfahren, das der sog. „Dreierausschuß" des Volkerbundsrats bei der Behandlung von Eingaben und Ve- /chwsrden nationaler Minderheiten beliebt, ist so absichtlich umständlich und schwerfällig, daß nichts dabei herauskommt
Und was vollends unser größtes Herzensanliegen, die Räumung der Rheinlands, betrifft, das wird entweder ganz unterschlagen oder nur hinter den Kulissen behandelt werden. Man wird sich mit der Abwesenheit
Slresemanns und Ehamberlains entschuldigen. Natürlich, ganz vermeiden läßt sich die Erörterung dieser doch augenblicklich brennendsten Frage Europas nicht. Sie soll wenigstens im Privatgespräch zwischen Briand und Reichskanzler Müller ausgetragen werden. Selbstverständlich hinter verschlossenen Türen, damit die Außenwelt ja nichts davon zu hören bekommt. Gut ist jedenfalls, daß wenigstens der Reichskanzler diesmal selbst in Genf sehen kann, wie es in dieser Zentralwerkstätte der Weltpolitik zugeht und wie man dort Deutschland und deutsche Belange zu behandeln pflegt.
Die glänzender: Feierlichkeiten der Stapelläufe der beiden neuen Lloyd-Schnelldampfer „Breme n" und „Europ a", dieser Ozeanriesen von je 46 000 Tonnen, sind vorüber. Im Krieg und hauptsächlich durch das Versailler Diktat hatten wir von unserer ehemaligen Handelstonnage von 5,2 Millionen nicht weniger als 4,7 Millionen verloren! Blieben uns also nur 500 000 Reg.-Tonnen übrig, und zwar nur Schiffe unter 1600 Tonnen. Das war 1918. Jetzt schreibt man 1928, und unsere Handelstonnage hat bereits wieder die Höhe von 3,7 Millionen erreicht. Schon stehen wir unter den Seemächten nach Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Japan an vierter Stelle, haben also bereits Italien und Frankreich überholt. Heute steht Hamburg unter den Häfen des europäischen Festlands wieder an der Spitze. Die Besserung der deutschen Zahlungsbilanz, die wir ja schon wegen der furchtbaren Daweslastev so sehr benötigen, ist eng mit der Zunahme unserer Handes- flotte verknüpft. Wurde doch im letzten Vorkriegsjahr vor den deutschen Reedereien eine Roheinnahme für Frachten usw. von 1,25 Milliarden Goldmark erzielt. Es war aber unausbleiblich, daß der rasche Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte sofort auch wieder den eifersüchtigen Neid Englands erregt hat, der es ehedem zum Vernichtungskrieg gegen das in Wettbewerb stehende Deutschland bewogen hat. Die englische „Weiße Stern-Linie" will nun Schiffe von sogar 60 000 Tonnen bauen. Auch bei den Franzosen hat das Wiedererstarken der deutschen Handelsflotte starkes Mißbehagen erweckt.
Ein deutsches Kulturereignis ersten Ranges ist die am Dienstag erfolgte Grundsteinlegung zur Bücherei des Deutschen Museums in München. An ihr nahm eine glänzende Versammlung von 3000 Menschen teil. Auf der Sängertribüne standen allein 600 Sänger mit dem Orchester der I. G. Farbenindustrie. Reichspräsident v. Hinden- bürg tat die ersten Hammerschläge und sprach dazu mit mächtiger Stimme: „Der Arbeit des Deutschtums, dem Aufstieg und deutscher Zukunft soll dieser Bau dienen. Jedes Streben, jedes Schaffen soll beseelt sein von dem Gedanken: Alles für das Vaterland!"
Tagesspiegel
Wie aus Washington gemeldet wird, ist die Regierung durchaus gegen eine Verbindung der Dawesleistuugea mÜ den Sriegsschuldverbindlichkeiten der Verbündeten an Amerika. Die amerikanischen Finanzleuke sollen außerdem die Anterbringung größerer Beträge der Dawes-Reichsbahu- und Industrieobligationen auf dem amerikanischen Markt ablehnen, da dieser Markt dafür nicht aufnahmefähig fei.
Japan hat dem englisch-französischen Ilottenabkommen zugestimmt. In London hofft man, daß Japan dem Abkommen beikreken werde. — Das gäbe also ein englifch-froa- zösisch-japanisches Bündnis gegen Amerika, vorerst mit dem Zweck, die Vereinigten Staaten in Schach zu hatten.
Die „United Preß" meldet, die amerikanische Regierung werde eine Rote wegen des Flottenabkommens nach Pari» und London vorbereiten.
Neueste Nachrichleu
Vom Völkerbund
Gens, 7. Sept. Die Völkerbundsversammlung brachte fast die ganze Vormittagssitzung damit zu, den von England, Frankreich und Deutschland angeregten Antrag zu besprechen, die Uebergangsbestimmungen von 1926 auch für die bevorstehenden Ratswahlen wieder gelten zu lassen. (Der Zweck ist, dem nunmehr in den Völkerbund zurückgekehrten Spanien, wie damals Polen, einen wieder- wähtbaren nichtständigen Ratssitz zu verschaffen.) Vergebens wandten sich die Vertreter Schwedens, Unden, und Norwegens, Morvinkel, gegen diese abermalige willkürliche Durchbrechung der Völkerbundssatzungen. Der Antrag wurde mit 44 gegen 4 Stimmen (Schweden, Norwegen, Holland und Persien) bei einer Enthaltung angenommen.
In der Nachmittagssitzung hielt Reichskanzler Müller eine Ansprache, die durch Rundfunk verbreitet wurde.
Deutsch-Ofiafrika wird nicht herausgegeben
London, 7. Sept. Der Prinz von Wales (Thronfolger) hat in Begleitung seines jüngeren Bruders, des Herzogs von Gloster, eine Reise nach Afrika angetreten, um Aegypten, die Kolonien und das Dominion von Südafrika zu besuchen. Aus diesem Anlaß schreiben die Regierungsblätter, es sei zu hoffen, daß die verschiedenen Teile Ostafrikas bald zu einem neuen großen britischen Dominion zusammengeschlossen werden. Die „Morning Post" erhebt Einspruch gegen das in Deutschland bekundete Verlangen, das frühere Deutfch- Ostafrika und das „Mandat" Tanganjika zurückzuerhalten. Deutschland sei für England in Ost-Afrika ein viel zu unbequemer Nachbar gewesen, als daß man daran denken könne, Ost-Afrika jemals wieder b-erauszugeben.
z«k-er«lig oder Mansch?
Die Rede des
Gens, 7. Sept. Reichskanzler Müller führte in seiner Rede in der heutigen Nachmittagssitzung der Völkerbundsversammlung aus: Wenn ich in diesem Jahr hier die Auffassung des deutschen Volks vermittle, so geschieht das in dem gleichen Geist und in dem festen Willen, in der Organisation des Völkerbunds durch offene und aufrichtige Zusammenarbeit mit den andern Nationen auf die Erhaltung des Weltfriedens hinzuwirken. Die Welt sucht heute nach neuen Formen des internationalen Lebens. Ist es uns ernst mit dem Verzicht auf den Krieg, so kann das auch auf unsere Auffassung über die militärischen Machtmittel, die für den Krieg bestimmt sind, nicht ohne entscheidenden Einfluß bleiben. Das Komitee für Schiedsgerichtsbarkeit und Sicherheit hat das ihm zugewiesene weite Gebiet sorgsam durchfurcht und den Staaten mancherlei Wege gewiesen, °us denen sie neue Friedensgarantien finden können. Deutschland kann mit Genugtuung feststellen, daß es zu leinern TM die Empfehlungen des Komitees bereits vorher A"ch die Verträge von Locarno, durch das System seiner , Giedsverlräge und durch die Unterzeichnung der Fakul- »ativklausel in die Wirklichkeit llmgesetzt hat. Es hat versucht, An neues Element in die Verhandlungen hineinzubringen.
ist der Gedanke, daß, um die Kriegsgefahr zu beseiten, es nicht darauf ankommt, den Krieg gegen den Krieg vorzubereiten, sondern dem Ausbruch von Feindseligkeiten nurzubeugen. So lebhaft sich die letztjährige Völkerbunds- urveit dieser einen Seite des Problems der Friedenssicherung »uwandte, so kann doch nicht dasselbe gesagt werden von er anderen Seite des Problems, die die Unterdrückung der Tsttegsmitkel betrifft. Ich mache kein Hehl daraus, daß mich er Stand der Abrüstungsfrage mit ernster Sorge erfüllt >r stehen vor der unleugbaren Tatsache, daß die langen h-tungen, bisher zu keinem positiven Ergebnis geführt nahezu 3 Jahren tagt immer wieder die vor- aelun ^ Abrüstungskommission. Es ist aber dabei nicht Haft - ", die der Kommission überwiesenen Arbeiten ernst- Für Zu nehmen, geschweige denn zu erledigen.
Sj- lange umstrittenes Problem, das Verh-ältnis der rvett zur Abrüstung, war eine Lösung gefunden, die
Reichskanzlers
zwischen zwei entgegengesetzten Thesen einen Ausgleich schafft und so die Gewähr für die Erzielung praktischer Resultate zu bieten schien. Auch diese Erwartung ist wieder enttäuscht worden. Was das Uebereinkommen zwischen Großbritannien und Frankreich angeht, so werde ich es begrüßen, wenn es sich als ein geeignetes Mittel zur Förderung des Abrüstungsproblems erweist. Aber die Bundesversammlung darf sich heute nicht mit der Feststellung bloßer Hoffnungen zufrieden geben. Es liegt auf der Hand, daß ein Land wie Deutschland, das völlig entwaffnet worden ist, den bisherigen Mißerfolg der Abrüstungsdebatten be- sonders stark empfindet.
Man vergegenwärtige sich doch einmal die Sachlage. Ein Volk hat durch seine völlige Entwaffnung eine Leistung ganz außerordentlicher A9rt vollbracht. Es sieht, daß es trotzdem aber aus dem geringfügigsten Anlaß von gewissen Stimmen des Auslands mit den schwersten Verdächtigungen und Vorwürfen überschüttet und womöglich als Feind des Weltfriedens hingestellk wird. Und gleichzeitig muß es feststellen, daß andere Länder den Ausbau ihrer militärischen MachkmittA ungehemmt forksehen, ohne dabei einer Kritik Zu begegnen. Die Entwaffnung Deutschlands darf nicht länger dastehen als der einseitige Akt der den Siegern des Weltkriegs in die Hände gegebenen Gewalt. Ls muß endlich ,ur Erfüllung des vertraglichen Versprechens kommen, daß der Entwaffnung Deutschlands die allgemeine Abrüstung Nachfolgen solle. Es muß endlich der Artikel der Satzung zur Durchführung gelangen, in dem dieses Versprechen zu einem Grundprinzip des Völkerbunds gemacht worden ist.
Es darf nicht dazu kommen, daß die Hoffnung der Völker auf das Herannahen einer Zeit, wo nicht mehr Bajonette und Kanonen für ihr Schicksal entscheidend sind, enttäuscht wird, daß der große Aufstieg, den die Menschheit in der Errichtung des Völkerbunds begonnen hat, sich zu einem Ab- stieg verwandelt, der uns sicher auf einen tieferen Stand des internationalen Lebens führen würde, als es vorher bestand, weil das einmal verloren gegangene Vertrauen kaum jemals wieder -u beleben sein würde.
Ergebnis der Genfer Besprechung
Ueber den Inhalt der Unterredung, die Reichskanzler Müller mit Briand geführt hat, wird vorläufig völliges Stillschweigen bewahrt. Die Unterredung war die Einleitung zu einer amtlichen und förmlichen Auseinandersetzung über die Fragen, die zwischen den Besetzungsmächten und Deutschland spielen, im besondern über die Räumung des besetzten rheinischen Gebiets. Das Ergebnis dieses ersten Schritts ist zunächst, daß Briand den in Genf anwesenden bevollmächtigten Vertretern der an der Botschafterkonferenz beteiligten Staaten (England, Italien, Japan, Belgien) Mitteilen wird, was der Reichskanzler ihm vorgetragen hat, und was er, Briand selber, für eine Meinung davon Hai, Der Reichskanzler und Briand stimmten in dem Wunsch überein, daß noch in Genf Erörterungen in größerem Rahmen unter Hinzuziehung der genannten Staaten geführt werden sollen.
Die Frage ist nun: Hat der Reichskanzler dem französischen Minister die Räumung des Rheinlands als eine Forderung vorgetragen, die von der Reichsregierung im Namen von Locarno erhoben wird, oder hat er sich daraus beschränkt, den Wunsch nach der Räumung vorzubrir.gen und Briand übe? seine Meinung befragt? Man weiß, daß die Franzosen — aber auch die Engländer — der deutschen Abordnung in Genf zu verstehen gegeben haben, die Räumung des Rheinlands nicht als eine „Forderung" zu erheben, und der Reichskanzler, der ohne Zweifel nach Gens gekommen in der Absicht, mehr zu tun als bisher Strese- manni in seinen Unterhaltungen mit Briand versucht hat» nämlich nicht nur über die Räumung zu sprechen, sondern sie als eine Forderung zu erheben, hat sich wohl von diesen Beeinflussungen bestimmen lasten. In dem zweiten Fall würde es sich um die E r ö ffn u n g v o n V e r Handlungen, in dem ersten nur um eine Aussprache handeln. In dem zweiten Fall würde der weitere Verlaus der Auseinandersetzungen — zu denen- die Vertreter aller Besetzungsmächte herangezogen werden müßten — zur Annahme oder Ablehnung der Forderungen führen. In dem ersten Fall . würde es in irgendeiner Form zu einem „Kompromiß", zu einer weiteren Verschleppung i kommen.