Freitag, 31. August 1S28
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Nr. 208 «-Mn»«, >M7 Samstag, den 1. September 1028 m » 102. Jahrgang
lagesspiegel
In den Ausstellungshallen am Kaiserdamm in Berlin wurde am Freitag die 5. Deutsche Funkausstellung eröffnet.
Der österreichische Ministerrat hat beschlossen, dem kel- loggverlrag beizulreten. Auch Griechenland, Rumänien (dieses mit den englisch-französischen Vorbehalten), Venezuela und die mrtlelamerikanische Republik Costarica hat ihren. Bestritt angemeldek.
Aus Belgrad wird gemeldet, König Zog» wolle eine italienische Prinzessin heiraten. Die Königin von Italien ist bekanntlich eine Prinzessin von Montenegro. König Boris von Bulgarien soll sich um die Prinzessin Johanna von Italien beworben und eine grundsätzliche Zusage erhalten haben, nur mache die verschiedene Konfession noch Schwierigkeiten; König Boris ist griechisch-katholisch, die Prinzessin römisch-katholisch.
Hoetzsch über Völkerbund und Kellogg-Pakt
Müiamslown (Massachusetts), 31. August. Große Beachtung findet in Amerika ein Vortrag, den der Reichstags- avgeordnete Prof- Dr. Hoetzsch in seiner fünften Vorlesung vor dem Politischen Institut der Universität hielt. Er führte aus: Der Völkerbund ist kein Ideal, er ist aus dem Geist des Weltkriegs geboren und ist keine Macht für die Schaffung des Friedens geworden. Ihm fehlt das Vertrauen der Mitglieder. Deutschland arbeitet zwar ehrlich mit, aber mit Zweifeln an Erfolgen. Neben dem Völkerbund steht die Liga.der amerikanischen Staaten, und durch den Kell o g g - P a k t entsteht eine dritte Liga der Nationen, unabhängig vom Völkerbund und unter Führung der Vereinigten Staaten. Der Pakt kann aber nur der A n- sang zu einer weiteren Entwicklung sein. Deshalb hat Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich und England, den Pakt ohne Vorbehalte und Einschränkungen angenommen. Dieser Kreis muß aber alle Staaten umfassen, auch Rußland. Deswegen braucht Amerika sich noch nicht in europäische Streitfälle hineinziehen zu lassen» wenn es nicht will. Den Weg weisen die Schiedsgerichts- Verträge, die Amerika jetzt abzuschließen im Begriff ist, sowie die deutschen Erklärungen zur Abrüstung und Aen- derung der-Friedensverträge. Andererseits ist das neue englisch-französische Geheimabkommeneine Warnung, das ebenso wieder eine Keimzelle für einen Krieg werden kann, wie die geheimen Abmachungen zwischen dem englischen Außenminister Grey Md dem französischen Botschafter Cambon von 1912 zu dem Weltkrieg geführt haben. Dagegen kann nur ein w ir k- klT." Friedensbnnd unter amerikanischer Führung schützen, und es wird m Deutschland begrüßt, daß die deutsche und die n o r d a m e r i k a n i sch e Politik vollständig einig gehen.
Stinnes verhaftet
Wie bereits berichtet, wurde der in Hamburg lebend« Hugo Stinnes Sohn in der Untersuchung betr. di« Rnegsanleiheschiebungen zur Vernehmung vor den Unter suchungsrichter gebracht. Die Aussagen einiger früheren An- MEen gegen ihn waren derart, daß seine sofortige Ver MMng angeordnet wurde. Besonders belastend sollen di< Aussagen des gleichfalls in Haft befindlichen Privatsekre- rs v Waldow gewesen sein, der von Stinnes ein Monatsgehalt von 1560 Mark bezog.
7 °. - Verfahren gegen Stinnes und Waldow schwebt be- >«lt einem Jahr, die Staatsanwaltschaft bediente sich den Akten andeLtzr Namen, damit die Vorunter- ^ Verdunkelungsgefahr nicht ausgeschlossen schien, geheim geführt werden konnte. Stinnes hat sein« Meidigung den Rechtsanwälten Dr. Höck-Hambure übert^' Anberg und Dr. A. Friedemann in Berlin Einin«L"' Verteidigung hat gegen die Berhaftunc da gN erhoben; es liege erstens kein Fluchtverdacht vor Deugza. E ^ Vernehmung eigens aus England noch Berdel Zuruckgekehrt war^ es bestehe aber auch kein« möo5^"^gefahr, denn sonst wäre es Stinnes längst )j/^Lewesen, belastende Urkunden zu beseitigen, da ihm kan«. ^ der schwebenden geheimen Untersuchung be> sei " ,gewesen sei. Das Vorhandensein solcher Urkunden ana2>>"! Weise erwiesen. — Bei den zu Unrech
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Mark Nennwert handeln.
15 der Berechnung der Finanzbehörde beträgt der
der ° " R eichsmork veranschlagt. Die nac
tU"S;va»i^ n'ü' Stinnes fälschlich eingereichten Aufwei ko,n^«? " ^'"en ganz geringen Bruchteil de
Anleihen dar, die Hauptbetrüqer sin es sLf und Banken in Frankreich und Hallant
sich aber auch noch deutsche darunter befinden.
Politische Wochenschau
Ernst oder nur schöne Erste? / Friede, der den Geist des Krieges in sich hat. / Aechtet Versailles! / Rassische Wahrheit / Allgemeine «Abrüstung" im Zeichen des englisch-französischen Abkommens / Sie wollen Pfänder für unser eigenes Land / Was Blut und Herz zusammenführt, das können weder Paragraphen noch Verträge trennen / Vernichtende neutrale Urteile über die Reparationen / Aus dem parteipolitischen Kuhhandel der letzten Tage.
Die weltgeschichtliche Stunde der Unterzeichnung des Kelloggvertrags ist vorüber. Vorüber isie Festtage in Paris. Berschunden die deutsche Reichsflagge vom französischen Außenministerium. Abgereist sind Kellogg und Dr. Skresemann und etliche andere der 15 Unterzeichner. War's nun wirklich eine Wende in der Geschichte der Menschheit, war's blutiger Ernst bei allen, die im Uhrensaal ihre Staaten vertraten, oder war es nur eine „schöne! Geste", wie sie manchmal auf der Bühne der Politik gezeigt wird?
Der „Osservatore Romano", das halbamtliche Blatt des Vatikans, schrieb hiezu: „Niemand kann leugnen, daß der Weltkrieg, in seiner Gesamtheit genommen, nach seinen angeblich idealen Zielen völlig fehlgeschla- gen ist, und daß der aus dem Vut herausgeborene Friede in der Tat nicht die weiten Flügelschläge hat, die der Dichter ihm beimißt, daß er nicht der gerechte, der dauerhafte Friede ist, sondern vielmehr ein Friede, der den Gei st des Kriegs in sich hat, aus dem er hervorgegangen ist."
Wer würde nicht jedes Wort dieser Sätze unterschreiben? Das ist ja eben der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären: Böses, wohin wir auch in Europa schauen mögen, auf den Balkan oder nach der Ostsee, in Agram oder in Wilna, in Ungarn oder in Rumänien, und erst recht im besetzten Rheinland — überall jene Flammen- zeichen oder mindestens jenes unheimliche Glühen unter heißer Asche, eine Gefahr, die kein Kellogg und kein Coo- lidge bannen kann. Es gilt, nicht etwa den „Krieg zu ächten", sondern es gilt „Versailles zu ächten". Eher findet Europa keine Ruhe.
Können wir es unter diesen Umständen Moskau verdenken, daß in Litwinows neuester Erklärung an den Präsidenten der Abrüstungskommission an dem „Vertrag von Paris" (so soll er von jetzt ab amtlich heißen) herbste Kritik geübt wird? „Auf alle Fälle", heißt es dort, „sollte man die öffentlichen Erklärungen nicht vergessen, in denen die Urheber des Paktes selbst davon sprechen, daß zwischen diesem Pakt und der Abrüstung und demzufolge auch ebenso zwischen demselben und der Sicher» beitsfrage keinerlei innerer Zusammenhang bestehe."
Deshalb dürfen wir auch von der bevorstehenden Genfer Völkerbundsversammlung/ an der statt Dr. Stresemann Reichskanzler Müller diesmal teilnehmen wird, herzlich wenig erwarten. Man wird dort die alten, nun bald recht langweilig gewordenen Zänkereien zwischen Polen und Litauen, zwischen Rumänien und Ungarn wieder auffrischen. Aber die Hauptfrage, ohne deren Lösung auch der simpelste Menschenverstand sich überhaupt keinen .Frieden auf Erden" — selbst wenn die noch restierenden 45 Staaten unseres Planeren ausnahmslos der Kelloggschen Einladung Folge leisten sollken — vorstellen kann: die Abrüstungsfrage wird auch diesmal unter den Tisch fallen, und dies erst recht, nachdem das englisch-französische Abkommen neues Mißtrauen in die Welt geworfen hak. Nun werden die Völker, Amerika voran, erst recht rüsten. Gleichviel, ob man in Berlin oder in Pra g, auf der Interparlamentarischen Union oder aus dem Internationalen Kirchenkongreß noch so laut nach moralischer oder materieller Abrüstung rufen mag. Womit wir allerdings nicht sagen wollen, daß diese Kundgebungen in Par- lamenten und auf Kirchenkongresfen gar keinen Wert hätten; wir warnen nur vor einer Ueberschätzung derartiger, wenn auch noch so gut gemeinten Reden.
Inzwischen hält man an der Wurzel alles Nebels, an jedem Buchstaben des Versailler Vertrags Kampf-
Hast fest, allerdings nur an den Partien desselben, die den „Besiegten" Lasten auferlegen. Daß aber auch die „Sieger- vertragsmäßige Verpflichtungen übernommen haben, vor allem die der eigenen Abrüstung, davon will man in Paris und in London, auch in Warschau absolut nichts hören. Ebensowenig davon, daß seit Dawesplan und Lo- carnovertrao die B e s e tz u n g der Rheinlands ein arausamer Luxus und ein greller Widersinn geworden ist. Im Gegenteil! Man schlendert ruhig weiter im alten Geleise, als ob Hch seit neun Jahren absolut nichts geändert hätte. Man behält „Pfänder" zurück, die mit jedem weiteren Monat entwerten. Gut: wir können, so schwer es für di« Betroffenen sein mag, auch warten, warten noch die paar Jahre, wo der Feind bedingungslos den Rhein so wie so verlassen muß.
Wir können auch warten, bis die Stunde des uns und unfern Brüdern an der Donau böswillig und tückisch versagten Anschlusses schlägt. Mit Recht sagte anläßlich der Jahrhundertfeier des Kurorts Gast ein, zu wekher auch der 70jährige österreichische Dundespräsident Harnisch erschienen war, der dort zur Kur weilende Reichskanzler a. D. Dr. Marx u. a.: „Was Blut und Herz zusammenführt, das können weder Paragraphen noch Verträge trennen. Einen wirklichen Frieden wird es erst damr in Europa geben, wenn man sich gegenseitig versteht und wenn man aus die menschliche Natur Rücksicht nimmt, di« sich nicht zurückdrängen und bezwingen läßt." Selbst wenn man uns um den Preis des Verzichts auf den Anschluß eine vorzeitige Räumung der Rheinlande anbieten wollte, so gilt das Wort Dr. Stressmanns, daß eine solche Erörterung „keine fünf Minuten dauern" würde.
Also warten wir ab! Inzwischen freilich sind wir mit dem 1. September in das neue, fünfte Dawesjahr eingetreten. Es ist die „Normalannuität", die wir von jetzt ab zahlen sollen: statt 1750 Millionen nun 2500 MMvneM Der ehemalige britische Schatzkanzler Philipp Snowde» sagte unlängst: „Die grundlegende Wahrheit über die Eni- schädigungsfrage wird vielleicht noch einmal von alle« Gläubigerländern gewürdigt werden. Sie gipfelt in der Erkenntnis, daß die Kriegsentschädigungen mit einem doppelten Fluch beladen sind. Sie bedeuten nämstch eine»
Fluch für das Land, welches sie zu zahlen hat, aber auch einen nicht geringeren Fluch für die Leute, welche die „Reparationen" zu empfangen haben." Ja, Professor Dr. Mahlberg schreibt in seiner beachtenswerten Schrift über die „Reparations-Sabotage durch die Weltwirschaft" u. a.: „Die Reparationen bedeuten Weltzwangswirtwirtschaft mit allen störenden Nebenerscheinungen einer Lurch Zwang bestimmten Wirtschaft; die schädlichen Folgen treffen die Entente-Staaten und die Neutralen stärker als Deutschland." Das ist mit ein Grund, warum Frankreich die Umsetzung der Dawesobligationen von Reichsbahn und Industrie in Bargeld haben möchte.
Viel Widerspruch hat unter den deutschen Arbeitgebern, aber auch in andern Kreisen, die von der Regierung verfügte Verlängerung der Krisenfürsorge her- vorgerusen. Nicht bloß, weil diese Maßnahme eine neue ungedeckte Mehrbelastung unseres Reichshaushalts, der ohne- hin von jetzt ab 750 Millionen Mark mehr für Dawes- leistungen aufbringen muß, bedeutet, auch nicht bloß, weil sie starke arbeitsmoralische Bedenken erweckt, >da manche Erwerbslose sich nun wenig Mühe um Arbeitsbeschaffung geben durften, sondern auch, weil hier eine sozialpolitisch« Auflage mit der Bewilligung des Panzerkreuzerbaus verquickt wurde. Uns wundert Las nicht so sehr. Der partcwolitische Kuhhandel ist nun einmal eine unvermeidliche Beigabe des parlamentarischen Snüems. Wer das eine will, der muß auch das andere schlucken. XV. KI.
KachrWen
Landrcrlswahl in Zeitz
Magdeburg, 31. Aug. Der Krcistug des Kreises Zeitz wählte den vorläufigen Landrai Dr. I ü nicke (Schwiegersohn Eberts) mit 11 stimmen der Sozialdemokraten zum Landrat des Kreises Zeitz. Auf den bürgerlichen Kandidaten fielen 8, auf den kommunistischen Kandidaten 3 Stimmen.
Vom Völkerbunds; at
Genf, 31. Aug. In der ersten Sitzung des Völkerbundsrats, dessen Vorsitzender der sinrusche Außenminister Procop e ist, eine gewinnende Persönlichkeit von nordischem hohen Wuchs, wurden zunächst geschäftliche Angelegenheiten erledigt. Dabei wurde die Rücksichtslosigkeit begangen, daß zum Vorsitzenden der Minderheitenabteilung, trotz des Einspruchs des Verbands der Minderheiten Europas, der Spanier Aquirre y Carer ernannt wurde. Da in Spanien selbst die Rechte der Minderheiten (z. B. dpr Katalanen! mikachtet werden, bedeutet diese Ernennung
eine bewußte Herausforderung der 40 Millionen Minderheiten und die Ankündigung einer weiteren Verschlechterung der Behandlung ihrer Wünsche. Die Minderheiten hatten einen neutralen Mann und Angehörige» eines Staats erwartet, in dem Minderheiten so behandelt werden, wie es Recht, Billigkeit und vernünftige Politik auf lange Sicht verlangen, also etwa einen schweizerischen Staatsangehörigen.
Der Kongreß der Minderheiten,
der gleichzeitig in Genf stattfindet, gab daraufhin und im Hinblick auf die bisherigen schlimmen Erfahrungen und Enttäuschungen die Erklärung ab, daß das Vertrauen der 40 Millionen nationaler Minderheiten in Europa zum Völkerbund als „Bürgen der Minderheitsrecht»" aufs schwerste erschüttert sei.
Rücktritt Lridgemans?
Paris, 31. August. Der Londoner Berichterstatter de» „Echo de Paris" meldet, der Erste Lord der britischen Admiralität Bridaemon habe sich entschloöen, zurückzutreten.