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Ragolder TagblattDer Gesellschafter"

Samstag, 4. August 1928

wenn er in größerem Umfang erfolgte, wurde in Württem- I berg aus gesetzgeberischen Erwägungen eine Statistik ein- geleitet, die sich auch auf den Erwerb von Hypotheken. Grund- und Rentenschuiden erstreckte. Diese sta­tistischen Erhebungen ergaben laut Mitteilungen des Württ. Statistischen Landesamts, daß die Ueberfremdung von Grund und Boden in Württemberg keinen bedrohlichen Umfang angenommen hat. Es sind in den Jahren 1919/ 1927 insgesamt in Württemberg rund 2000 Grundstücke auf Erwerber, die im Ausland wohnen, zu Eigentum über­tragen worden. Dazu kommt, daß unter diesen rund 2000 Grundstückserwerbungen ein bedeutender, vermutlich der größere Teil als nicht spekulativ und somit als volkswirt­schaftlich unbedenklich oder erwünscht anzusehen ist, insofern auf diesem Weg Auslandskapital der deutschen Bolkswirr- schaft zugeführt wo, ii ist.

Württemberg

Stuttgart. 3. Aug. General v. Stein f. Auf sei> nem Besitztum Halben bei Lindau ist Generalleutnant Her> mann v. Stein im Alter von 72 Jahren gestorben. Ei stammte aus Balingen und war ein Sohn des Landgerichts­präsidenten Fritz Stein. In Stuttgart war er ein Jahrzrhni lang als Chef der 1. Kompagnie des Grenadier-Regiments Königin Olga tätig, wenige Monate vor Ausbruch des Krie­ges als Kommandeur der 51. Jnf.-Brigade, an deren Spitze er ins Feld rückte. Später war er Führer der 204. Jnf.- Division. Den ihm unterstellten Truppen war er während des ganzen Krieges ein hervorragender, unerschrockener Führer.

90. Geburtstag. Am 5. August feiert Frl. Emma Hauff hier bei verhältnismäßig guter Gesundheit den 90. Geburts­tag. Die Dame ist eine Nichte des schwäbischen Dichters Wilhelm Hauff und Tochter des längst verstorbenen Bru­ders des Dichters, Dr. Hermann Hauff.

Auflösung des Bahnbetriebsamks Friedrichshofen? Zu der in einigen Blättern veröffentlichten Mitteilung, daß unter Auflösung des Reichsbahnbetriebsamts Fried­richshafen die Abwicklung des Personenverkehrs dem Reichsbahnbauamt Ravensburg zugewiesen werde und in Friedrichshafen ein lediglich für die Regelung des Güter­verkehrs bestimmtes Verkehrsamt bleibe, erfahren wir von der Reichsbahndirektion Stuttgart, daß die Mitteilung in dieser Form unrichtig ist. Es ist allerdings beabsichtigt, die Leitung von Bau und Betrieb künftig in einem Be­triebsamt zu vereinigen, während die Beaufsichtigung des Verkehrsdienstes und gegebenenfalls sowohl des Personen- wie des Güterverkehrs künftig einem Verkehrsamt zu- gewiejen wird.

Ludwigsburg, 3. August. Die Stuttgarter Klär­anlage ist doch schuld! Die .Ludw- Zkg." entgegnet auf den amtlichen Stuttgarter Artikel über die Neckarver- seuchung: Es handelt sich nicht darum, ob die Stuttgarter Kläranlage ein Musterding sei, sondern um die Frage: wo­her kommen die vielen Tausende Kubikmeter Kotmassen in den Neckar? Es ist recht naiv, glauben machen zu wollen, daß der kleine Feuerbach ganze Wagenladungen Fäkalien mit sich führe. Da nach ihrer Antwort zu schließen die Stadt Stuttgart über die Zustände innerhalb ihrer Klär­anlage völlig unorientiert zu sein scheint, müssen wir deut­licher werden. Wir haben uns die starken Kotablagerungen im Neckar nur so erklären könn-m. daß in der Stutt­garter Kläranlage der Kotschlamm aus den Becken heraus direkt undzwar ungeklärt in den Neckar geleitet wird. Das heißt also, daß nicht immer geklärt wird, sondern viele Fäkalien, die aus Stuttgart in der Kläranlage ankommen, zur Nachtzeit einfach in den Neckar geleitet werden. Bon Anwohnern des Neckars bei Aldingen wurde uns diese Vermutung bestätigt. Das Material, das uns über die Be­triebsführung der Stuttgarter Kläranlage neuerdings zur Verfügung steht, ist ein solches, daß die Aufsichts­behörde einschreiten muß.

Reutlingen, 3. Aug. Tödliche Verbrühung. Hier zog in einem Haus der Kanzleistraße ein 2jähriges Knäblein eine mit frisch gekochter Milch gefüllte Kanne vom Tisch herunter und erlitt dabei derartige Verbrühungen, daß es nach qualvollen Schmerzen starb.

Tübingen, 3. August. Brand in der Kaserne. Zn einem Schrank in der Nähe des Fensters der Waffenkam­mer, in dem sich Rundhölzer, Gewehrreinigungsbeukel, un­gebrauchte Reinigungslappen und Gewehrzubehörteile be­fanden, brach wahrscheinlich infolge Selbstentzündung Feuer ans, das jedoch vom Feuerlöschzug des Bataillons rasch ge­löscht werden konnte, so daß der Schaden gering ist.

Göppingen, 3. Aug. Geländete Leiche. Aus dem Mühlkanal bei der Lohmühle wurde die Leiche des 26 Jahre alten Rangierers Dauner aus Westerstetten geländet. Eine Wunde an seiner Schläfe gab Anlaß zu Gerüchten über eine gewaltsame Todesart, dem widerspricht aber, daß der Tote seinen ganzen Besitz noch bei sich trug, ferner, daß die Wunde gerade so gut durch den Fall oder durch Anschlägen beim Treiben im Wasser entstanden sein kann.

Ulm. 3. August. Ein junger Brandstifter. Das große Schöffengericht verurteilte den 19jährigen Taglöhner und Dienstknecht August Mayer von Oggenhausen OA. Heidenheim wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wegen Diebstahls unter Zubilligung mildernder Umstände zu 1 Jahr 6 Monaten 15 Tagen Gefängnis abzüglich der Unter­suchungshaft.

Ailrach OA. Leutkirch, 3. August. Grubengasver­giftung. Der 41jährige Landwirt Josef Bertele, Vater von 7 Kindern im Alter von 1 bis 11 Jahren, wollte gestern kille in letzter Zeit erstellte Güllengrube prüfen und ließ sie einlaufen. Beim Hinuntersteigen wurde er von den Ga­sen betäubt. Der Zimmermann Hans Stölzls, der in der Nähe arbeitete, eilte ihm zur Hilfe, aber auch er sank betäubt in die Grube. Zwei weitere hinzukommende Männer konnten sich mit knapper Not vor dem gleichen Schicksal retten. Als die beiden Verunglückten dann herausgezogen wurden, war Bertele bereits tot. Die Wiederbelebungsversuche, die der herbeigeruiene Arzt an Stölzls anstellte, waren von Erfolg, doch schwebt er noch in Lebensgefahr.

Friedrichshofen. 3. Aug. Vom LZ. 127. Die Pläne für die Zeppelin-Probefahrten sind in den Einzelheiten noch nicht festgelegt. Auch der Zeitpunkt für die Weltfahrt. wslche dieses Jahr nicht mehr erfolgt, steht noch nicht fest. Dik Maybach-Motoren werden gegenwärtig einem 40stün- digen Probelauf unterzogen.

Giengen a. Br., 3. August. G l tt ck m u ß m a n h a b e n. Steinhauermeister Georg Junginger, der auf dem 14. Deut­schen Turnfest in Köln weilte und dort die Pressa-Aus- stellung besuchte, erhielt als der 21-millionste Besucher eine schöne Standuhr im Wert von 325 <R. Jeder 250tausendste Besucher dieser Ausstellung erhielt dieses Geschenk, somit war er der Zehnte.

Dom Ries. 3. August. Gewitter und seine Fol­gen. Zn Oellingen lobte ein schweres Gewitter, begleitet von orkanartigem Sturm und wolkenbrucharkigem Regen mit Hagelschauer, der allerdings nur geringen Schaden an- richtete. Ein Karufsel wurde vollständig umgelegk- Manche Verheerungen zeigten Obstbäume und Gärten. Zm fürst­lichen Spital schlug der Blitz ein, jedoch ohne zu zünden.

Aus Stadt und Land

A Nagold, 4. August 1928.

Sage mir, mit wieviel Menschen Du auf gutem Fuße stehst, und ich sage dir, wieviel Fehler du hast.

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SoulllaMMdankeu

Der Bauersmann

Dir Bauern schaffen mit schwerer Hand,

Wir Hallen Sturm und Welker stand.

Wir seh n, wie der Hagel die Halme fällt.

Der Acker wird schweigend neu bestellt.

Wir schauen ni< weit nach Ost und West,

Wir hangen um heim, wir hangen am Rest.

Der hülle Zauber, des Ackers Schweigen,

Sie sprechen zu dem nur. dem beide eigen.

A. Huggenberger.

Ihr Städter habt viel schönes Ding.

Viel Schönes überall.

Kredit und Geld und golden Ring Und Dank und Dörsensaal.

Doch Erle, Eiche, Weid' und Ficht'

Im Reisen nah und fern.

So gut wird's euch nun einmal nicht Ihr lieben, reichen Herrn.

Das hat Ratur nach ihrer Art,

Gar eignen Gang zu gehn.

Uns Bauersleuten aufgespart.

Die anders nichts verstehn.

. M. Glaub ius.

Erntezeit

Erntezeit! Ein inhaltsschweres Wort. Für den Bauern die Zeit der heißesten, längsten, anstrengendsten Arbeit und zugleich die Zeit der Entscheidung darüber, was seine Mühe das Jahr hindurch gefruchtet hat. Wo darum noch echte, gute, ländliche Sitte lebendig ist, da wird die Erntezeit feierlich eröffnet mit einer Betstunde in der Kirche, und der Altar geschmückt mit der ersten Garbe zum Zeichen des Dankes und des Gelöbnisses gegenüber dem Geber aller Gaben. Man fühlt in solchen Stunden tief die Wahrheit des alten Sprichworts:An Gottes Segen ist alles ge­legen". Mag man im landwirtschaftlichen Betrieb alle neu­zeitlichen Verbesserungen eingeführt haben, schließlich kann man damit nur der Natur dienstbar sein, und sie spricht über den Jahresertrag, über Wachstum und Wetter, das letzte Wort; die Natur oder vielmehr der, der hinter ihr steht, und auch dem Menschen Geist, Kraft und Gelingen, die Natur für sich zu nützen, verleiht.

Aber was den Landmann im Blick auf die Erntezeit so sehr bewegt, ist nur ein Sonderfall des allgemeinen Men­schenloses. Jeder, der das Leben ernst nimmt, sehnt sich nach einem möglichst reichen Ertrag seines Mähens und Kämpfens. Man will nicht allein sein tägliches Brot ernten aus seinem Geschäft, man will auch Dank ernten von sei­nen Kindern, Treue ernten um Treue, Anerkennung ern­ten von den Mitmenschen, und wer möchte nicht auch Segen ernten vom himmlischen Vater? Wir stehen freilich unter dem unumstößlichen Gesetz: Was der Mensch sät, das

wird er ernten. Aber das bedeutet, datz nicht nur die gut«, sondern auch die böse Saat, die du ausgestreut, unfehlbar aufgeht und wächst, selbst über den Rahmen deines Lebens hinaus. Bedürfen wir nicht alle einer allmächtigen, gnä­digen Hand, die das giftige Unkraut aus unserem Leben tilgt und uns zuletzt nur das Gute ernten läßt? -

Feste und Veranstaltungen:

8'/s1 Uhr: Ehrenscheiben- und Uebungsschießen des Schützen­vereins (Unterbrechung während des Gottesdienstes) 9 Uhr: Gautag der Fußballverbandsvereine des Neckar- Nagold-Gaues imWaldhorn" (s. Anzeige). 1112 Uhr: Standksnzert der Stadtkapelle beim alten Kirck- turm (s. Anzeige) '

V,3 Uhr: Freundschaftsspiel S.V.N. I V.f.R. Sulz I auf dem Sportplatz an der Calwerstraße. ab 3 Uhr: Ehrenscheiben- und Uebungsschießen der Sckiek- abtlg. des Militär- und Veteranenvereins. "

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Vom Rathaus

Gemetnderatssttzung vom 2. August 1928. '

Anwesend: Der Vorsitzende Stadtschultheiß Maier und iz meinderäte. Abwesend: Die Gemeinderäte Weitbrccht, Baifch und Schräder. -

Mitteilungen: Von der Zentralkasse zur Förderung des Feuerlöschwesens ist zu den Kosten der Erweiterung der Wasser- leitung-und für 120 m neue Schläuche ein Beitrag von 527 ZF verwiüigt worden. Ebenso vom Innenministerium für die Kriegergriiberfürsorge 1927 ein solcher von 200 ZF. Der Studienassessor Eugen Hardter, bisher an der hiesigen Latein- und Realschule, ist auf 16. ds. Mts. zum Studienrat am Pro­gymnasium und der Realschule in Wangen i. A. ernannt wor­den. Als Stellvertreterin für die erkrankte Hauptlehrerin Mayer an der hiesigen Frauenarbeitsschule ist vom Beginn des nächsten Kurses ab die Hilfslehrerin Hiinle bestellt worden. Das Wasserleitungswaffer wird von einem Teil der Einwohner­schaft bei der großen Hitze in einem ungewöhnlichen Ausmaß benützt. Durch das starke Bespritzen der Straßen werden diese direkt beschädigt. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß das Besprengen der Straßen mittels des direkten Drucks der Leitung verboten ist. Auch beim Begießen der Gärten wird ein sparsamer Verbrauch erwartet. ,

Bau- und Straßensachen: Beim Oberamt sind zur Rege­lung des Autoverkehrs Berkehrsschilder. Warnungszeichen und Lperrschilder beantragt, wofür die Kosten auf die Stadt- kaffe übernommen werden. Berkehrsschilder auf den Etterstrecken von Staatsstraßen ist nicht mehr Sache der Stadt sondern der Staatsstraßenbauverwaltung, die damit auch die Verantwortung hat. Die Uferstraße an der Nagold von der Schiffbrücke bis zur Waldachstraße, sowie -er öffentliche Platz des alte» Wehrs werden für den öffentlichen Fährverkehr mir Ausnahme der Fahrräder gesperrt. Aus Anlaß eines neuen Gesuchs wird ausgesprochen, daß Benzinzapfstellen an Straßen und Plätzen der Stadt bis auf weiteres nicht mehr zugelassen wer­den. Der Voranschlag über die Unterhaltung der Nachbar- schastsstratzen im Rechnungsjahr 1928 wird mit einem Gesamt­aufwand von 15325 LS genehmigt. Darunter befinden sich 5625 ZF für die Oberflächenbehandlung mit Heiß- oder Kalt­teer der Straße NagoldJselshausen. Für das neue Arbeitsamt sind drei Wohnungen in den Parterreräumen des früherenRößle" freizumachen. Die betreffenden Mieter wer­den in anderen städtischen Wohnungen untergebracht. Martm Bürkle» Zimmermann, sowie Wilhelm Hammann, lediger Maschinenarbeiter und Erwin Rentschler, lediger Schreiner, haben zum Zweck des Nachenbetriebs auf der Nagold und Waldach die widerrufliche Erlaubnis erhalten, an der Nagold bzw. Hamann und Rentschler an der Waldach eine einfache Anlegevorrichtung anzubringen. An die Erlaubnis ist die Ein­haltung strenger Vorschriften gebunden. Für den Rettungs­dienst wird von der Stadt und Martin Bürkle ein Rettungs- nachen angeschafit, der in die Obhut des Bürkle gegeben wird. Auch wird ein weiterer Rettungsring bereitgehalten. Für den Verkehr mit Vergnügungsbooten hat das Stadtschultheißenamt ortspolizeiliche Vorschriften erlassen, denen der Gemeinderat seine Zustimmung erteilt. Nach Vollziehbarkeitserklärung durch das Oberamt werden die Vorschriften öffentlich bekanntgegeben. Ihre genaue Einhaltung wird mit Nachdruck durchgesetzt wer­den. Infolge der Nagold-und Waldachkorrektion sind einige Fischwaffer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Entschä­digungsansprüche des Adolf Gropp, Fischereibesitzers in Rohr­dorf werden mit 160 ZF für das staatliche Fischwaffer^ und mit 5V ZF für das städtische Fischwaffer anerkannt. Bezüglich des Fischweihers konnte eine Einigung nicht erzielt werden.

Der Handwerkskammerprozeß

vn.

Stuttgart, 3. Aug. In der gestrigen Nachmittagssitzuno gab Wolf an, der Angeklagte Klemm habe gesagt, er brauche Geld für die Landeswirtschaftsstelle, worauf Wolf erwiderte, wenn ihm mit Wechseln gedient sei, könnte er ihm welche geben. Zu dieser Zeit habe er Sturm, welcher der Be­zogene der Wechsel war, noch für gut gehalten. Er habe die Wechsel deshalb nicht bei der Bank diskontieren lassen, damit der Angeklagte Klemm im Interesse der Landes­wirtschaftsstelle damit arbeiten könne. Der Leiter der Stutt­garter Bank, der hierauf als Zeuge vernommen wurde, gab an, daß sie schon nach den ersten Wechseln, bei denen Sturm der Bezogene war, eine so schlechte Auskunft erhalten hät­ten, daß sie sich geweigert hätten, weitere Wechsel dieser Art hereinzunehmen. Der sachverständige Bücherrevisor Grötzinger beziffert den Fehlbetrag bei der Landes- wirtschastsstelle auf 82 000 Mk. Nach seinen Feststellungen hätte noch ein Bestand von 18 000 Mk. da sein müssen, wäh­rend aber nur noch 6000 Mk. vorhanden gewesen seien. Der Sachverständige Hohloch hatte die Wechselgeschäfte nachzuprüfen und kam dabei zu dem Ergebnis, daß von 19 000 Mk. Wechseln bei 12 000 Mk. kein Warengeschäft zu­grunde lag, daß es also sogenannte Finanzwechsel waren. Dagegen verwahrte sich Wolf und behauptete, daß sich kein Finanzwechsel darunter befunden habe.

In der Freitagssitzung wurden die Aktiengeschäfte noch­mals aufgerollt, denn inzwischen konnte der Verkäufer der Reiser-Aktien ermittelt werden. Als 1. Zeuge zu diesem Punkt wurde ein Beamter der Giro-Zentrale ge­hört, der erklärte, daß sich der Kurs im November 1923 tatsächlich einmal bis zu 2.75 Mk. bewegt habe. Als eine sichere Bermögensanlage hätte man aber die Reiser-Aktien auf keinen Fall halten können. Der Justitiar Kießling von Stuttgart hatte im Aufträge die Aktien an den Angeklag­ten Wolf verkauft. Als Preis gab er 50 Pfennig an, dazu leien weitere 30 Pfennig an Zinsvergütung gekommen, da

Wolf die Aktien nicht sofort bezahlt habe. Der Zeuge Schickster, Verkäufer der Aktien, bestätigte den Vorgang beim Verkauf der Aktien und hatte als Kaufpreis insgesamt 2500 Mk. erhalten.

Hierauf wurde zu den Diäten und zur Gehalts- frage übergegangen. Die Bestimmung hierüber war m den Statuten der Handwerkskammer genau festgelegt. Nur bei Dr. Gerhardt waren die Verhältnisse insofern un­klar, da er als Beamter und nicht als Organ der Hand- werkskammer galt. Teilweise waren allerdings die Diäten und Entschädigungen so niedrig angesetzt, daß sie keines­wegs ausreichen konten. Dies wurde aber anders, nachdem das Tagegeld bis auf 28 Mk. erhöht wurde. Der Angeklagte Dr. Gerhard machte nun von diesem Satz sehr häufig Ge­brauch. So bezog Dr. Gerhardt auch ein Tagegeld von 28 Mk., wenn er nur zu einer kurzen Besprechung von der Kammer wegmußte. An Gehalt bezog er zu^tzt >m Monat 1680 Mk.. wobei er mit der Einstufung in Gruppe bl ab 1. Oktober 1926 nicht mehr zufrieden war und sich sein Gehalt nach Gruppe bll geben ließ; damit bezog er ein Gehalt, das nur noch durch einen Minister übertrumpf wurde. Aus eine Anfrage des Wirtschaftsministeriums go der Angeklagte Gerhardt sein Gehalt niedriger an, als in Wirklichkeit war. Er begründete dies damit, daß er ve mutet hatte, die Auskunft sei für das Statistische Lan, amt bestimmt, dem sie aber keine Auskunft erteilen wou > Wolf bezog nach der Inflation eine Aufwandsentlch gung von 4000 Mk. im Jahr, wogegen ursprünglich 3000 Mk. vorgesehen waren. Später ist dieser Betrag ! 8000 Mk. erhöht worden. Wolf gab an. er habe den grov

'ten Teil seiner Zeit auf der Handwerkskammer ver ra

und sich besonders in wirtschaftlicher Beziehung im esse des Handwerks betätigt. Die Enffchädlgungsfrage 9

mehrfach Anlaß zu Anständen gegeben, da die M tg"- bei Sitzungen weniger erhalten hatten, als A ^hten. ihren Gesellen sür diese Zeit an Lohn bezahlen muß