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Telegr.-Adresse: Gesellschafter Nagold. In Fällen höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung des Bezugspreises. Postsch.-Kto. Stuttgart 511»

Ur. 157

Gegründet 1827

Samstag, den 7. Juli 1828

Fernsprecher Nr. 2g

182. Jahrgang

Tagesspiegel

Die Verhandlungen über eine Regierungkoalition in Bayern sind bis jetzt ergebnislos geblieben.

Der Staatspräsident von Irland Losgrave, sandte an­läßlich des Besuchs der «Bremen"-Flieger in Irland au das deutsche Volk eine Botschaft, in der er den deutschen tech­nischen Genius preist und erklärt» daß die tapferen Flieger für immer die Herzen des irischen Volkes gewpnnen haben. Die deutsche Leistungsfähigkeit, Organisationskraft und deutscher Mannesmut seien bewunderungswürdig.

Der PariserPopulairc" meldet, am 26. Juni sei in der Nähe von Du-Amane (Marokko) eine französische Abteilung in einen hinterhakt geraten. Ein Leutnant, 1 Unteroffizier und IS französische Soldaten sowie 4 franzosenkrene Ein­geborene seien getötet worden.

2000 suchen Nobile

Während der über Nacht vom Beinbruch geheilte Nobile an Bord derCitta di Milano" gut bezahlte Zei- nmgsartikel für eine amerikanische Narichtenagenkur schreibt, wächst der Umfang des Rettungswerkes. das dieser Operetten-Polarfcrscher notwendig gemacht hat, ins Mär­chenhafte. Wir stellen hier das unübersichtliche Material zu­sammen, ohne auf Vollständigkeit allzu großen Wert zu legen. Bei dem Durcheinander von Nachrichten ist es im einzelnen auch nicht möglich, anzugeben, welche der Expedi­tionen im Augenblick an der Arbeit ist und welche erst ein­gesetzt werden soll. Sicher ist, daß man zu niedrig schätzt, wenn man die Zahl der Flugzeuge mit 24, die der eingesetzten Schiffe mit 20 angibt; dam kommen noch elf Schlittenepedi- kionen. Die Zahl der Menschen, die unmittelbar um die Rettung der Gescheiterten bemüht ist, dürfte das zweite Tausend bald erreicht haben. . .

Formen wir mit den Schissen 'an:Citta di Milano (ital.) 250 Mann Besatzung: EisbrecherKrassin" (russ.) 300; EisbrecherMalygin" (russ.) 120; KreuzerStrasbourg" (sranz.) 475: KanonenbootRoosevelt" (franz.) 80; Panzer Tordenskjold (norm.) 300;Braganza" (norm.) 16, Hobby" (norm.) 18;Inger IV" (norm.) 12;Ouest" und Tanja" (norm.) 34;Marita" undHeimdal" (norm.) 25; Michael Sars" (norw.) ?;Desle Karl" (norw.) ? Mann, zusammen mindestens 1630 Mann.

Flugexpeditionen: Fünf schwedische Expeditionen unter Thornberg und Lundborg 40 Mann, zwei schwedische Expeditionen unter Larssen und Holm 15. Amundsen-Gil- baud aufLatham" 5, ein finnisches Iunkersflugzeug 4. drei russische Großflugzeuge (Junkers) 12, drei italienische Flug­zeuge (Savoja und zwei Wale) 15, zwei Klemm-Daimler ?, zwei Met-Maschinen ?, zusammen mindestens 91 Mann.

Da in dieser Aufstellung die Besatzungen zweier Schiffe fehlen, die Ziffern fürBraganza" bisHeimdal" viel zu niedrig angegeben sind, da auch die Mannschaften der Schlittenexpeditronen fehlen, ist damit zu rechnen, daß die Zahl von 2000 Rettern für Nobile bereits erreicht ist.

Es wäre sehr interessant, die finanzielle Seite der Rech­nung des faschistischen Polebrgeizes aufzumachen. Damit soll sich aber der Luftfahrtminister Mussolini mit dem Finanz­minister Volpi auseinandersetzen. Bei dem 4-Milliarden- Desizit des stabilisierten italienischen Staatshaushalts kommt es ja auf 10, 20 Millionen nicht an.

Aus Kopenhagen wird noch gemeldet, daß Nobile nach dtzrn Rüffel, den ihm Mussolini erteilte, den Kommandanten des russischen EisbrechersKrassin" um die Erlaubnis ersucht habe, an Bord des Eisbrechers zu kommen, da er lieber auf dem Eis als auf dem (italienischen) SchiffCitta di Milano' sein wolle. Die Russen haben das Ersuchen abgelehnt mit dem Hinweis darauf, daß Nobiles Nerven .mitgenommen" seien. Der .Krassin sitzt jetzt übrigens selbst im Eis fest-

Das englische Lufkfahrtministerium hatte der norwegi­schen Negierung zur Verwendung auf der Suche noch der .Latham" mehrere Flugzeuge zur Verfügung gestellt. Das Hilfskomitee hat dieses Anerbieten abgelehnt, da die ge­planten Aktionen zu sehr verzögert würden, wenn sie aus das Eintreffen der Flugzeuge warten müßten.

Auf die Osloer Meldung, daß eine englische Jacht .Al- bion" Nadir,signelc ausa:stngm kabc, daß die Leiche Amundse n s gesunden sei, folgt jetzt eine ganz ander: lautende Nachricht über den Inhalt der Nadiomeldung, du Albion" entgegengenommen hat. Das Geophysische Institui >n Tromsö teilt nämlich mit, daß es durch Radiotelegramm von der .Albion" den Bescheid erhalten habe, .Albion" seinerseits habe ein Radiotelegramm eines norwegischen Fischkutters aufgefangen, wonach Amundsen und seine Gefährten wohlbehalten an Bord dieses Fisch­kutters sich befinden. Nimmt man diese beiden Meldungen zusammen, so muß einstweilen leider befürchtet werden, daß der englische Radiokelegraphist an Bord des Fahrzeuges .Albion" dir Nadionachrichk des norwegischen Fischkutters nicht richtig deuten konnte. Das italienisch« Wasserflugzeug .Marina I" ist gestartet, um nach dem nor­wegischen Kutter zu suchen.

Beim schwedischen Kriegsministerium ist eine Mitteilung

Der Billigungsanlrag angenommen

Berlin, 6. Juni. In der gestrigen Aeichslagssihüng wurde zum Schluß darüber abgestimmt, ob der (nur als Probe gemeinte) nationalsozialistische Berkrauensantrag für die Regierung oder dev Biliigungsantrag der Negie­rungsparteien zuerst zur Abstimmung gelangen solle. Ent­gegen der bisherigen Ilebung wurde mit 266 gegen l31

Stimmen (Deutschnationale, Nationalsozialisten und Kom­munisten) bei 24 Enthaltungen (Wirtschaftsparkei) beschlos­sen, zuerst über den Billigungsantrag abzustim­men. Dieser lautete: .Der Reichstag billigt die Erklärung der Reichsregierung und geht über alle andern Anträge (z. B. einen Mißtrauensankrag der Kommunisten) zur Ta­gesordnung über". Dieser Antrag wurde mit 261 gegen 134 Stimcken bei 28 Enthaltungen angenommen. Dagegen stimmten die Deutschnakio- len, die Christlich-nationale Bauernpartei, die National­sozialisten und die Kommunisten. Die Wirtschaftspartei und einige kleinere Gruppen enthielten sich der Stimme.

Angenommen wurde ein Antrag Dr. Fr ick (Natsoz.), die Reichsregierung zu ersuchen, die gegenwärtigen Handels- verkragsverhandlungen mit Deutschösterreich in dem Sinne und mit dem Ziel des Abschlusses einer deutschen und deutsch- östtzrreichischen Zoll- und Mirtschjaftsuniom zu führen.

Der Al-g. Straffer (Nat.-Soz.) erhielt einen Ord­nungsruf und wurde von der Sitzung ausgeschlossen, weil er sagte, in der Regierungserklärung hat man nichts weiter gehört, als daß sich die Regierung für Verbrecher, Mörder und Lumpen einsehcn wolle durch Aufhebung der Todes­

strafe, und daß sie'das deutsche Volk herausfordern wolle, den Tag, an dem die B a r m a t - N e p u b l i k geboren wurde, zu feiern. Den Neichssinanzminister Dr. Hilfer» ding nannte er einen in Ostqaiizien geborenen negroiden Juden. Bei den Sozialdemokraten erhob sich ein Enk- rüstungsstnrm. Präsident Loebe erklärte, es handle sich um eine ungewöhnliche Beschimpfung eines Kabinetksmit- glieds, er schließe daher den Abg. Straffer von der Sitzung aus.

Die Regelung des Straferlasses

Berlin. 6. Juli. Zu der nach langen Verhandlung n er­zielten Einigung der Regierungsparteien über dm Am­nestie wird noch gemeldet: In den Straferlaß sollen nur politische Straftaten einbezogen werden, während vor­läufig dieaus sozialer Not" begangenen noch zurückgest-llt worden sind. Bei den politischen Straftaten will man einrn Strich machen unter alle Vergehen, die während der Revo­lution:- und Inflationszeit begangen worden sind, mit einer besonderen Ausnahme für Tötungen. Bei den letzter» sollen Strafherabsetzungen eintreten, und zwar, wenn auf lebenslängliches Zuchthaus entschieden worden war, auf 7^ Jahre Gefängnis, wenn andere Strafen festgesetzt waren, auf eine Gefängnisstrafe von der Halste der Strafzeit. Es ist beabsichtigt, den Straferlaß ganz allgemein für Rei und Länder einzuführen; doch ist dazu die Zustimmung der Länder erforderlich, die bis zum kommenden Dienstag, dem Wiederzusammentritt des Reichstags, durch den Reichsjustiz­minister Dr. Koch eingeholt werden soll.

Das Urteil im Schachty-Prozetz

Moskau, 6. Juli. Im Schachty-Prozeß wurde heute früh das Urteil verkündet. Die Deutschen Meyer und Otto wurden freigesprochen, der Deutsche Badstieber wurde unter Zubilligung von Bewährungsfrist zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Von den 50 angeklagten Russen wurden elf zum>e verurteilt. Das Gericht beschloß jedoch, in Bezug auf sechs von ihnen angesichts ihrer Reue und ihrer hohen technischen Fähigkeiten um Milderung der Strafe nachzusuchen. 34 An­geklagte erhielten Gefängnisstrafen von einem bis zu zehn Jahren, vier Angeklagte wurden unter Zubilligung von Be­währungsfrist verurteilt und vier Angeklagte freigesprochen.

In der Begründung des Urteils wird ausgeführt: der oberste Gerichtshof habe es als erwiesen angesehen, daß eine weitverzweigte gegsnrevolutionäre Schädigungsorganisation im Donezbecken bestand, die ihre Zentralen in Charkow und Moskau hatte und mit den Grubenbesitzern im Auslands so­wie auch einigen ausländischen offiziellen Institutionen in Beziehungen stand. Der Freispruch Meyers und Ottos ge­schah, da das Gericht die gegen sie erhobenen Beschuldigungen nicht für erwiesen erachtete. Badstieber wurde von der An­klage der Zugehörigkeit zu der gegenrevolutionären Or­ganisation freigesprochen, dagegen der Bestechung, schuldig befunden. Alle Freigesprochenen und unter Zubilligung von

Bewährungsfrist Verurteilten wurden sofort auf freien Fuß "gefetzt.

Der Prozeß gereicht der Sowjetregierung nicht zur Ehre. Die Schuldlosigkeit der deutschenAngeklagten" und ihrer Firmen stand von Anfang an fest, und es ist unerhört, daß sie trotzdem monatelang in den berüchtigtsten Gefäng­nissen gehalten wurden und dadurch schwere gesundheitliche Schädigungen erlitten haben. Schuldig an den Riesenver­lusten im Donez-Industriegebiet ist die unglaubliche Schlam­perei in Rußland, die die gelieferten kostbaren deutschen Maschinenaniugen ungeschützt in Sturm und Wetter stehen ließ, daß sie verrosten, derweilen amerikanische Agenten ihre weniger.guten Maschinen einschmuggeln konnten. Ob dabei Bestechungen unterlaufen sind, scheint in dem endlosen Pro­zeß nicht untersucht worden zu sein. Ferner scheint allerdings auch erwiesen zu fein, daß russische Angestellte im ge­heimen Auftrag der früheren (russischen) Besitzer jener Jn- dustriewerke die Werke sind von der bolschewistischen Regierung den Besitzern seinerzeit einfach ohne jede Ent­schädigungenteignet" worden planmäßig auf Sabo­tage der Industrieanlagen hingearbeitet haben. Diese Leute treffen harte Strafen. Ob die deutschen Opfer der russischen Willkür für ihre Schäden Ersatz beanspruchen können, er­scheint einigermaßen fraglich, doch sollte das Auswärtige Aint immerhin einen Versuch machen. Die deutsche Industrie wird es ober nach dem beschämenden Vorgang nicht sehr anreizen. mit Rußland Gesckäste zu machen.

von Kapitän Thornberg, dem Leiter der schwedischen Ex­pedition zur Rettung der Lundborg-Gruppe, eingegangen, wonach es gelungen ist, den schwedischen Flieger Lundborg >u retten.

Reneste Nachrichten

Das Gesetz über den Nationalfeiertag

Berlin. 6. Juli. Dem Reichstag ist der vom Reichsrat bereits beschlossene Entwurf eines Gesetzes über den Nationalfeiertag zugegangen. Er steht auf der Tagesordnung der Dienstagssitzung des Reichstags. Der Entwurf hat folgenden Wortlaut: Paragraph 1: Natio­nalfeiertag des deutschen Volks ist der 11. August als Ver­fassungstag. Er ist Fest- und allgemeiner Feiertag im Sinn reichs- und landesrechtlicher Vorschriften. Paragraph 2: Am Nationalfeiertag sind alle öffentlichen Gebäude in den Reichsfarben zu beflaggen. In allen Schulen sind für Lehrer und Schüler verbindli ch e, der Bedeutung des Tages entsprechende Feiern zu veranstalten; fällt der Nationalfeiertag in die Schulferien, so finden diese Gedenr- feiern am Schluß oder Wiederbeginn des Unterrichts stakt.

In der Begründung wird u. a. angeführt, daß die Stadt Berlin den Verfassungstag schon im vorigen Jahr amt­lich gefeiert habe.

Das badische Archendokakionsgesctz angenommen

Karlsruhe, 6. Juli. Der Badische Landtag hak heute mtt einer geringen, aus Zentrum und Deutschnationalen be- stehenden Mehrheit die Verlängerung des Kirchendotations-

gesetzes bis zum 1. April 1931 beschlosten. Es handelt sich lim die hefng umstrittenen sia /liehen Zuschüsse, die für die. Aufbesserung gering besoldeter Pfarrer bestimmt sind.

Frankreich w'll Wohnungen baue»

Paris, 6. Juli. Das von Lonchcur dem Parlament un­terbreitete Gesetz zur Erbauung billiger Wohnungen (e- sollen innerhalb fünf Jahren 200 000 billige Wohnungen und 60 000 zu Mittlern Mietpreisen bcrettgestAlt werden) ist nach Ablehnung verschiedener sozialistischer Gegenvor­schläge von der Kammer einstimmig angenommen worbe«.

Württemberg

Stuttgart, 6. Just.

Die Ursache der Entgleisung des D SS in Ulm noch nicht festgestellk. Nach Mitteilung der Reichsbahntirektion Stutt­gart hat auch die Untersuchung der entgleisten Fahrzeuge des D 59 vom 3. Juli keine Anhaltspunkte für die Ermitt­lung der Entgleisungsursache ergeben. Insbesondere hat sich die Vermutung, daß die Entgleisung mit einem Mangel an dem Tender Zusammenhänge, nicht bestätigt. Die Unter­suchung wird fortgesetzt.

ep Neuherausgabe der theologischen Prüfungsordnung. Die neulich in Kraft getretene Vereinbarung zwischen Staat und Kirche über die theologischen Seminarien hat eine Neu­bearbeitung der theologischen Prüfungsordnung zur Folge gehabt. In der Ordnung für die erste theol. Dienstprüfung ist im Gegensatz zu früher jetzt die Prüfung als kirchliche Prüfung festgesetzt worden. Statt einem dreijährigen wird nunmehr ein vierjähriges Studium gefordert. Weib-