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Nr. 162

Dienstag, den 15. Juli 1930

Jahrgang 103

Vor der Entscheidung über die Deckungsvorlage

Einigung der Regierungsparteien, aber keine Mehrheit Reichslagsauflösung

oder Anwendung

Berljn, IS. Juli. Dt« hinter der Negierung stehen­den Parteien haben sich gestern dahin geeinigt, die Deckungs- vorlagc der Reichsregierung »m Reichstag aazunchmen und trotz erhebl'cher Bedenken de« Entwurf über die Bürge r- «bgabe zu unterschreiben. D'e Fraktionssührer habe« gestern de« Kanzler dementsprechend unterrichtet.

Trotz dieser Einigung der Regierungsparteien ist die Aussicht auf die parlamentarische Verabschiedung der Steuer­gesetze sehr gering, weil die Opposition stärker ist als die Regierungskoalition. Ans der einen Seite stehen die So­zialdemokraten, die Kommunisten, die Nationalsozialisten und die Deutschnatiottalen mit zusammen 282 Stimmen, aus der anderen Seite die Regie ^-igsparteien und einige klei­nere Gruppen, die sich mit ungejähr 80 Stimmen in der Min­derheit befinden.

Die Deutschnationalen haben verkündet, daß sie geschlossen in der Opposition bleiben würden, und der sozialdemokratische Partetvorstand hat sämtliche Mitglieder der Reichstagsfraktion dringend aufgefordert, an jedem Tage während der Verhandlungen über die Deckungs­vorlagen im Reichstage anwesend zu sein. Der Sozialdem. Pressedienst schreibt: Mit so großer Sorge die Sozialdemo­kratie die Zukunft des Staates und die Anwendung des Art. 48 auch kommen sieht sie ist nicht gewillt, sich unter das kaudinische Joch zu beugen und um einer verfassungswid­rigen Diktatur zu entgehen, den diktatorischen Befehlen eines jede Verhandlung ablehnenden Kabinetts zu folgen. Nicht minder selbstverständlich ist, daß sie sofort nach der etwaigen Verkündigung der Verordnungen den Antrag auf ihre Auf­hebung eiybringen wird. Die Deutsch-demokra­tische Neichstagsfraktion hat an ihre Zustimmung zur Dcckungsvorlage die Bedingung geknüpft, daß an rei­nen Ausgaben neben den mindestens IM Millionen Reichs­mark für 1930 weitere SO bis IM Millionen Reichsmark im Haushaltsjahr 1931 eingespart werden. Ferner wird aus­drücklich betont, daß die Demokraten das gegenwärtige Ge- setzgebungswerk nur als eine Teilreform betrachten und mit Bestimmtheit die Erfüllung der wiederholten Zusage der Regierung erwarten, im Herbst dem Reichstag eine durch­greifende Finanzreformvorlage zu unterbreiten, wobei sie ganz besonders auf die Notwendigkeit einer Reform des Ver»

des Artikels 48?

waltungsaufbaues des Reiches und der Länder und einer Sanierung der Gemeindefinanzcn Hinweisen.

In parlamentarischen Kreisen rechnet man mit einer end­gültigen Entscheidung über das Schicksal der Deckungsvvr- lagen bereits für heute abend. Da nach der gegenwärtigen Lage nicht daran gezweifelt werden kann, daß sowohl die Deutschnationalen wie auch die Sozialdemokraten unter allen Umständen und mit allen Mitteln Opposition treiben werden, richtet man sich in Regierungskreisen schon jetzt daraus ein, daß bas Kabinett mit den hinter ihm stehenden Parteien in der Minderheit verbleibt. Sobald dies feststeht, was nach Be­endigung der Aussprache in der zweiten Lesung des Deckungs­programms der Fall sein dürfte, erwartet man aus den Reihen der Regierungsparteien einen Antrag auf Vertagung des Reichstages auf unbestimmte Zeit, um nach Annahme die­ses Antrages dem Kabinett die Anwendung des Art. 4 8 zu ermöglichen.

Man rechnet in den Kreisen der Regierungsparteien wei­ter damit, daß die Dcutschnationalen einem Antrag auf Ver­tagung des Reichstages auf unbestimmte Zeit zustimmen werden. Von unterrichteter Seite wird übrigens versichert, daß sachlich das gesamte Deckungsprogramm einschließlich der Ergänzungen zu 8 163 der Arbeitslosenversicherung, der Kopf­steuer und des Zwanges zur Einsparung vonmindestens" 100 Millionen in den zu erwartenden Notverordnungen auf­recht erhalten werden wird.

Die Wirtschaftspakte; für Reichstagsanslösung.

Die Wirtschoftsparteihat im Reichstag einen An­trag eingebracht, der die Reichsregierung ersucht, den Reichs­präsidenten zu bitten, daß im Falle der Ablehnung der Dcckungsvorlage und der Vorlagen über die Revision des Erwerbslosen- und Krankcnwesens und der Ausgaben- senkungsbestimmungen der Reichstag aufgelöst wirb.

Ministerbcsprechuug über die Lage.

In einer Ministcrbesprcchung, zu -er das Kabinett am Montag abend zusammengetreten war und die bis gegen Mitternacht dauerte, wurden Beschlüsse nicht gefaßt. I« der Besprechung wurde die politische Lage auf Grund der Be­schlüsse der Regierungsparteien und angesichts der negativen Haltung der Oppositionsgruppcn geprüft. Vor allem wurde bie Frage des weiteren taktischen Vorgehens erörtert.

Das Osthilfegesetz vor dem Reichstag

Das Gesetz über den endgültigen Reichswirtschaftsrat abgelehnt

Berftn, 15. Juli. Der Reichstag kommt jetzt zu den entscheidenden gesetzgeberischen Arbeiten, die er vor der Sommerpause »och zu erledigen hat. Gestern wurde die zweite Beratung de« O st h tIs«p r og r a m m s in Angriff genommen, heute soll die der Stenergesetze fol­gen. Dann bleibt nur mehr übrig, die von Minister Steger- wald mit anerkennenswerter Tatkraft eingeleiteten Sozial- rcsormen im Plenum -u verabschieden.

Abg. Stelling (S.j wies daraus hin, Latz die i» ganz Deutschland bestehende allgemeine Wirtschaftsnot für Leu deutschen Osten verschärft sei durch die verfehlte Grenzzie­hung und den jahrelangen Wirtschaftskrieg mit Pole«. Was bisher für den Osten geschehen sei, waren Tropfen auf den heißen Stein. Jetzt solle ei« Hikssprogramm aus lange Sicht verwirklicht werden. Die Gesamtwirtschaft des Ostens bedürfe der Hilfe. Der Redner beantragte, daß von den für die Landwirtschaft bereitgestellten Mitteln wei­tere 15 Millionen für sonstige wirtschaftliche Zwecke abge- zweigt werden, in erster Linie zur Verbesierung des Ver­kehrswesens und zum Ausbau der Oder-Wasserstraße. Au- gesichts der großen Arbeitslosigkeit sollte auf die Wirtschaft ein Druck ausgeübt werde«. Laß sie statt -er ausländischen Arbeitskräfte deutsche Arbeiter beschäftigt. Der Deutsch­nationale Abg. Kleiner fragte in bitterem Unmut, wie groß die Unkenntnis über de» Osten sein müsse, wenn im Ausschuß offen und versteckt -ie Ansicht ausgesprochen wurde, die Ostnot sei eineErfindung subventionshungriger Schich­ten". Er bezeichnet? die beabsichtigte Aktton als Eingliede­rung der Ostdeutschen in die Gesamtwtrtschaft des Reiches und zeigte auf, wie Polen ohne Scheu vor Kosten seit Jahr und Tag mit nicht geringem Erfolge bemüht fei, der deutsch­oberschlesischen Industrie den Rang abzulaufeu 158 Mil­lionen Zloty sind allein für Frachtseukung ausgegebeu wor­den. Daneben werden zwei große Bahnlinien, die Kattowitz mit Gdingen und Rybnik mit der Tschechoslowakei verbin­den, gebaut. Wir haben jetzt schließlich 12 Millionen für Frachtensenkung bereitgestellt, nachdem MO Gewerbebetriebe in Oberschlesien stillgelegt, der vorletzte Hochofen ausgebla­sen, 20 Prozent der Bergarbeiter entlassen worden sind und

die Förderung aus 28 Prozent zurückging. Der Osten soll nicht Kostgänger des Reiches werden. Es handele sich nur darum, einen Teil dessen wieder gutznmachen, was feindliche Eingriffe, Jrrtümer und Unterlassungen der Nachkriegszeit a« Schäden erzeugt haben.

Der Zentrumsabgeorönete Perlttiu« setzte sich für eine Verbilligung der Organisattou der Ost­hilfe ein, damit die Mittel möglichst ungeschmälert ihrem eigentlichen Zweck zugesührt werden könnten. Für die Volkspartei erklärte Freiherr von Rheinbaben, daß bas Osthilfegesetz in der Hauptsache der Negierung eine Reihe von Ermächtigmrgen erteile, man also erst in der Ausfüh­rung werde crkeuuen können, wie es sich bewährt. Im übri­gen hob der Redner, ohne auf ein formelles Juuctiu, Wert zu legen, den Zusammenhang zwischen Osthilfe- »nL Deckungsprogramm hervor. Die Aussprache soll heute nach der Beratung der Steuergesetze weitergeführt werben.

I« Le« am Samstag aufgeschobeue« und gestern «achge- hplte« Abstimmungen wurde das Gesetz über hie Answer« tnngshypothekeu i« der Ausschutzfassunq genehmigt. Die Vorlage über Le» euLgitltige« RetchsrvirlschaftS- rat, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert, dagegen mit 2t4 gegen 162 Stimmen der Kommuuistc«, Deutschuationale«, christlich-nationale« Bauer«, Nationalsozialisten «bgelehnt. Znletzt wurde mit 298 gegen 14« Stimme« das Brotge- setz angenommen, nachdem znvor anf sozialdemokratischen Antrag der Passns über den Brotverkans nach Gewicht wie­der t« den Entwurf eingestellt worden war.

Besprechungen über die Westhilfe.

Gestern fand im Reichstag unter dem Vorsitz des Mini­sters für die besetzten Gebiete eine interfraktionelle Bespre­chung über die Westhilfe statt. Wie man hört, haben einzelne Parteien Bedenken, sich mit Bezug auf die Westhilfe, die einen erheblichen Kostenaufivand mit sich bringe und aus eine Reihe von Jahren erstrecken soll, schon jetzt festzulegen.

Tages-Spiegel

Die hinter der Reichsregiernng stehende« Parteien habe« sich über das Deckungsprogramm geeinigt, doch dürste« sie im Reichstag der Opposition gegenüber i» der M'nderhest bleibe«. Die heutige Rcichstagsfitznng wird die Entscheid dnng darüber bringe«, ob die Regternng den Artikel 48 ««wendet oder den Reichstag auflöst.

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Der Reichstag hat gestern das Ofthilsegefetz berate« und den Entwurf über de« endgültige» Reichswirffchaftsrat abgclehnt.

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Im Reichstag wurde ein sozialdemokratischer Antrag ange» nommen, wonach künftig Brot nur nach Gewicht verkauft werben darf.

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Die deutsche Antwort auf die Denkschrift Briands ist infolg« des gestrigen französische» Nationalfeiertages erst hentt überreicht worden.

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Der gestern t« Paris gefeierte Nationalfeiertag gestaltete sich z« einer imposante« Kundgebung deS französische» Militarismus. - >

Die türkische Negierung gibt amtlich bekannt, daß der Kampf gegen die anfftändffchen Kurde« im Gebiet des Ararat z» einem erfolgreiche» Ende gelangt ist.

Ei« Wirbelsturm auf Korea hat 11« Menschenopfer gefordert und furchtbare Verheerung«« ««gerichtet.

Ein unverständlicher Beschluß der B.I.Z»

Keine Veröffentlichung der Tributszcchlnngru an die Reparationsgläubiger.

TU. Basel, is. Juli. Der Berwaltungsrat der BIZ. be­handelte in seiner Sitzung vom Montag u. a. auch di« Krage, welche Gestalt derGeschäftsauswets der Banl künftig erhalten soll. Auch in Zukunft soll -er Ausweis der Bank jeweils am letzten jedes Monats abschließen und zum 5. Los folgenden Monats jeweils veröffentlicht werde». Eine Sonderausführung der einzelnen Ueberweffung«« an die No» parationsgläubiger, wie sie bisher vom Reparationsagente» gegeben wurde, soll jedoch seitens der Bank nicht erfolge«. Sie will sich, trotzdem sie die Empfängerin und Verwalterin der Reparationszahlungen ist,mit der politische« Sette nicht befassen" und ihre Veröffentlichungen anf den monatliche« Gcschästsausweis beschränke«.

Dieser Beschluß der BIZ. muß iu Deutschland einiges Er­staunen wecken, da nach ihren Satzungen die BIZ. zur Ver­waltung der deutschen Tributzahlungeu verpflichtet ist. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung dieser Zahlungen gehört es aber selbstverständlich auch, daß regelmäßig Auskunft dar­über gegeben wird, wie mit den Reparationszahlungen ver­fahren wurde. Es genügt nicht, daß in internen Sitzungen lediglich di« Vertreter der Reichsbank über di« Verwendung der Gelder unterrichtet werden. Auch die deutsche Oeffentlich- keit hat ein Interesse daran, zu erfahren, was mit den deut­schen Tributzahlungeu geschehen ist und ob Liese ordnungs­gemäß abgeführt wurden.

Anschlag auf den Gotthardt-Expreß bei Mailand

TU. Rom, IS. Juli. I« -er Nacht von Sonntag auf Mon­tag find aus bisher unbekannten Gründe» kurz vor der Sta­tion Camnago SO Kilometer Nördlich vo« Mailand die Loko­motive, der Gepäckwagen und 4 Personenwagen des Gott» Hardt-Expreßzuges entgleist, wobet sieben Personen, darunter der Lokomotivführer und der Heizer, verletzt wurden. Fünf Fahrgäste wurden mit leichten Verletzungen in das Krankenhaus von Lamnago geschafft. Durch de» Un­fall wurden auch Li« Telefon- und Telegraphenleilunge» von Camnago gestört, sodaß Hilfe aus Mailand angefordert wer­ben mußte. Der Sachschaden ist gering.

Die Entgleisung des Gotthardtschnellzugs ist, wie Berli» * ner Blätter aus Mailand melden, auf ein Attentat zu- rückzuführen. Die Untersuchung hat ergeben» daß vor der Durchfahrt des Zuges zahlreiche Schienenbolzen gelockert und di« Schienen von den Schwellen gelöst waren.

Slraßenbahnunglück in Frankreich

LU. Paris, 15. Juli. In der Nähe von Royan ereignete sich am Sonntag abend ein schweres Straßenbahnunglück. Zwei Straßenbahnwagen, die den Küstendienst versehen, stie- ßen, aus entgegengesetzten Richtungen kommend, in voller Fahrt zusammen und wurden vollkommen zertrümmert. Ueber 20 Personen wurden z. T. lebensgefährlich durch schwere Schnittwunden und Quetschungen verletzt.