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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Haltung beschlossen, daß das Ehrenmal für die 30 0W Gefallenen der seiner Garnison seinen Platz nicht am Bogen »nter der Orgel des Münsters, wo es zurzeit unkergebrachk ist, behalten soll. Im Zusammenwirken mit dem Denkmai- ansschuß und dem Künstler soll die Plahfrage weiter behandelt werden. Zu diesem Zweck wurde zunächst ein engerer Ausschuß eingesetzt.
Isny, 23. Mai. Mord und Selbstmord. In vengelshofen Gde. Neutrauchburg verletzte der bei dem Landwirt Hofer beschäftigte Dienstknecht Alexander Schorer die ebenfalls dort bedienstete Haustochter Therese Weih durch einen Schuß tödlich. Schorer'richtete darauf die Waffe gegen sich selbst und tötete sich. Der Dienstknecht hatte dem Mädchen mit Anträgen nachgestellt, aber kein Gehör gefunden.
Tettnang. 23. Mai- Verbrannt. Bei Landwirt Brugger in Unterrussenried geriet am Sonntag vormittag, während die Frau in der Kirche war, vermutlich infolge Ueberheizens des Stubenofens der Kinderwagen in Brand, in dem sich das fünf Monate alte Kind vefand. Dieses erlitt so schwere Brandwunden, daß es am Nachmittag des gleichen Tgs starb.
Bon ber bayerischen Grenze, 23. Mai. DurchLeichk- sinn zwei Menschenleben vernichtet. Der 44 I. a. Möbelbeizer Josef Albrecht in Rain hatte vom Krieg eine Diskusgranate heimgebrachk, die später in den Besitz feines Bruders, eines Schreinermeisters in Genderkingen überging. Dieser zeigte die Granate gelegentlich vor, wobei sie sich entlud Otto Albrecht und sein fünfjähriger Sohn wurden tödlich verletzt. Josef Albrecht wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Sigmaringen, 23. Mai. Hohenzollern im preuß Landtag nicht mehr vertreten- Der bisherig- hohenzollerische Abgeordnete im preußischen Landtag, de» Zenkrumsabg. Direktor P e t r y-Sigmaringen, ist bei de: preuß. Landtagswahl am letzten Sonntag nicht mehr gewählt worden. Hohenzollern hat damit keine Vertretung im preuß. Landtag mehr.
Sigmarswaagen OA. Sulz, 23. Mai. Bibel kundiger Wähler. Bei der Wahl wurde ein Stimmzettel mit dem Vermerk Psalm 14, Vers 3 abgegeben. Es heißt daselbst: „Aber sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig: da ist keiner, der Gutes tue. auch nicht einer." Dieser Wähler scheint von den Parlamentariern keine gute Meinung zu haben.
Aus Stadt und Laud
Nagold, 24. Mai 1928
Ob man am Ende mit unsäglicher Plackerei in seinem Fache etwas genützt hat, das trägt doch wenig aus: weit besser ist es, den Geliebten lieb gewesen zu sein und nach eigener Phantasie gelebt zu haben.
Vurckhardt
)u dem Altensteiger Raubmord
und über die Verhaftung und das Geständnis des M a i e r von Nagold ging von Freudenstadt aus folgender Bericht durch die Presse:
„Am Freitag mittag traf Landjäger Zeller auf der Straße zwischen Freudenstadt und Aach einen aus Richtung Freudenstadt kommenden jungen Mann mit verwildertem Aussehen und zerrissener Kleidung, der einen wenig vertrauenserweckenden Eindruck machte und des Bettels und der Landstreicherci dringend verdächtig erschien. Auf dem Weg zum Amtsgerichtsgefängnis gestand der Festgenommene u. a. einen Diebstahl in der Wirtschaft zur „Krone" in Jgelsberg ein. Zunächst dachte noch niemand an den Altensteiger Mord. Erst während der Nacht stieg dem jungen Landjägerbeamten der Gedanke auf, daß der festgenommene Bettler und Landstreicher vielleicht mit dieser Mordtat in Beziehung stehen könne. Diese Vermutung sollte sich bestätigen. Am Samstag morgen zwischen 6 und 7 Uhr suchte der Landjägerbeamte den Gefangenen in seiner Zelle auf, und dieser gab nach anfänglichem Leugnen zu,
die Frau Steiner ermordet und aus der Ladenkasse 18.35 Mk. geraubt zu haben.
Vor Stationskommandant Hummel, der im Laufe des Samstags mit bewährter Hand die weiteren Ermittlungen führte, legte Maier, nachdem er das erste Geständnis widerrufen hatte, ein umfassendes Geständnis ab. Ohne eine Spur von Gemütsbewegung und mit einer Genauigkeit, die auf ein gutes Gedächtnis schließen läßt, erzählte der Mörder alle Einzelheiten über die Ereignisse vor, während und nach der Tat.
Trotz seiner Jugend hat der Mörder ein sehr bewegtes Leben hinter sich. Ursprünglich Seminarübungsschüler, nach der Konfirmation im Jahre 1921 kurze Zeit Fabrikarbeiter in Nagold und als Bäckerlehrling in Dillweitzenstein hielt es Maier nirgends lange aus. Betteln und Herumvagieren war ihm lieber. Im Jahre 1923 wegen Diebstahls zu Gefängnis verurteilt. Unterbringung in der Erziehungsanstalt Schönbühl. Etwa achtmal durchgebrannt und wieder zurückgebracht. Um dem angeblich unerträglichen Leben in Schönbühl zu entgehen: Brandstiftung zwischen Nagold und Rohrdorf. 1 Jahr 6 Mon. Gefängnis. Verbüßung im Zellengefängnis Heilbronn. Am 3. August 1926 vorzeitige Entlassung auf Wohlverhalten. Im Anschluß daran Vagabundieren in Baden. Vierwöchige Häft- strafe. Verbüßung der restlichen Gefängnisstrafe und Rückkehr nach Schönbühl. Entlassung mit Eintritt der Volljährigkeit, am 2. 2. 1928. Arbeitete dann im Sägewerk Theurer in Nagold und entwendete irgendwo einen Arbeitsanzug, mit dem er sich am 14. März, dem Vortag der Mordtat, in Richtung Altensteig auf den Weg machte. In unmittelbarer Nähe Altensteigs versteckte er in einer Kultur den Anzug. Schon unterwegs faßte er den Entschluß, die fehlenden Mittel durch Diebstahl, nötigenfalls mit Gewalt, sich zu verschaffen. Sein altes verrostetes Stilett warf er in die Nagold. In einem Steinbruch nahm er aus einem Rucksack ein anderes Messer zu sich. Tagsüber bettelte er in Altensteig. In einem Bäckerladen wollte er stehlen und die Frau totschlagen. Durch das Erscheinen eines jungen Mannes wurde diese Absicht vereitelt. In einer Hütte bei Altensteig nächtigte er. Am anderen Morgen (Mordtag) bettelte Maier in Spielberg und trieb sich in den umliegenden Wäldern herum. Mittags 1 Uhr kam er nach Altensteig und bettelte wieder in Metzger-, Bäcker- und Kaufläden. Z. V. will er bei Konditor Flaig 40 Pfg. erhalten haben. Auf diesem Bettelzug in der Poststraße kam er auch vor das Haus der Witwe Steiner Ein Blick durchs Schaufenster zeigte ihm, daß niemand im Laden ist. Durch die Haustüre, in deren Nähe eine Eisenstange lehnte, betritt Maier den Hausgang und sieht die in den Laden führende unverschlossene Türe. Er geht in den Laden und betrachtet die Ladenkasse, in der der Schlüssel steckte. Ehe er sich an die Plünderung der Kasse macht, holt er für alle Fälle die vor der Haustüre lehnende Eisenstange und versteckt sie in einem Fach neben dem Ladentisch. Aus der Ladenkasse nimmt er eine Handvoll Hartgeld und steckt es ungezählt in die Hosentasche. Papiergeld nimmt er nicht wahr.
Plötzlich erscheint Frau Steiner mit einer blauen Milchflasche in der Hand im Laden und fragt den Ueberraschten, was er wolle. „Ob er nicht etwas bekommen könne" gibt er zur Antwort. Die Frau verneint u. auf die Drohung: „dann nehme er eben, wo etwas sei", droht die Frau mit einer Anzeige bei der Polizei. Mit beiden Händen ergreift der Dieb die bereitgehaltene Eisenstange und schlägt die Frau auf den Kopf, so daß sie rückwärts zu Boden stürzte. Auf ihr Schreien, er solle sie gehen lassen, gibt er ihr einen zweiten Schlag auf den Kopf, angeblich aus Furcht vor der Anzeige. Dann schließt er die Ladentüre mit Nachtriegel und Schlüssel und nimmt das übrige Geld aus der Ladenkasse. Da die Frau noch atmete, was er an ihrem Hauch bemerkt haben will, versetzt er ihr noch weitere Schläge auf den Kopf und dreht sie um auf das Gesicht, damit man nicht sofort die schweren Verletzungen am Kopf entdecken könne. Durch die Haustüre verläßt der Mörder, der noch ein Seifenstück mitnimmt, das Haus, schließt die Haustüre ab und steckt den Schlüssel in die Tasche, um ihn später wegzuwerfen. Wie wenn nichts geschehen wäre, begibt er sich nach der belebten Straße auf der es schon zu dunkeln beginnt. Im nahen Wald vertauscht er seine blutigen Kleider mit dem tags zuvor versteckten Arbeitsanzug. In einem Schuppen bei einer Sägmühls im oberen Nagoldtal nächtigt er. Am anderen Morgen verbrennt er in der Nähe von Erömbach die blutigen Kleider und machte sich über Erzgrube, Urnagold, Besenfeld nach Wildbad, wo er morgens gegen 10 Uhr eingetroffen und das er- -
Donnerstag, 24. Mai 1828
beutete Geld — 18.35 Mark hatte er im Wald gezählt — bis aus den letzten Pfennig verputzt haben will.
Nachmittags 5 Uhr tritt er am 16. März den gleichen Rückweg an und gelangt nach einer weiteren Nächtigung km Wald unter vorsichtiger Umgehung der Orte Altensteig. Ebhausen und Rohrdorf am 17. März bei Einbruch der Dunkelheit nach Nagold. Die Mutter, die ihn nach dem Grund seiner dreitägigen Abwesenheit befragt, und auch den Altensteiger Mord erwähnt, täuscht er mit der Ausrede, er wisse nichts davon, er sei in Freudenstadt, Dornstetten und Horb gewesen.
Am Montag, den 19. März, tritt er seinen früheren Posten im Sägewerk Theurer-Nagold wieder an, wo er mit kurzen Unterbrechungen bis 30. April bleibt, um sich sodann wieder im Nagolder und Freudenstädter Bezirk herumzutreiben. Am Freitag trieb sich der Raubmörder in Freudenstadt herum und bettelte. Als er Freudenstadt schon im Rücken hatte und sich in Sicherheit wähnte, ereilte ihn die Nemesis."
Soweit die Vernehmung des Maier in Freudenstadt, die wir mit Vorbehalt in gewissem Grade als Sensationsmeldung ausgenommen haben und in diesem Sinne der Öffentlichkeit unsererseits übergeben, denn die Behauptungen, daß über die Täterschaft keinerlei Zweifel mehr bestehen, möchte etwas voreilig sein. Die Anklage gegen den M. stützt sich einzig und allein auf eine Selbstbezich- tung, auf die Selbstbezichtigung eine krankhaften Menschen, eines Psychopathen, der sich der Tragweite seiner Handlungsweise nicht bewußt ist. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den Fall Lochmann in Stuttgart, wo ebenfalls ein 19jähriger Mann unter eingehender Schilderung seiner Tat sich des Mordes bezichtigte. Bei einer genauen Nachprüfung ergab sich s. Zt., daß die Angaben erdacht und erfunden waren und wirklich wurde erst später der wirkliche Täter gefaßt. Aehnlich in unserem Falle, denn die Nachprüfungen seines Handelns vor und nach dem Morde und noch so manches andere, ergaben sich als unwahr. Z. V. will der Täter den Anzug bei Eebr. Theurer, und den Rucksack in einem Steinbruch gestohlen haben. Beide Behauptungen erwiesen sich bis jetzt als nicht richtig. Weiter bezeugen seine Eltern, daß ihr Sohn in der Zeit vom 7. bis 20. jenes Monats, nachdem er vorher an der Nagold- Korrektion und nach diesem Zeitpunkt auswärts gearbeitet hatte, nicht aus dem Hause gekommen sei. Noch manche andere Nachforschungen stehen im Widerspruch zu Behauptungen und Erzählungen. Eigenartig — im Falle der wirklichen Täterschaft abstoßend — ist auch das Verhalten des M., der wohlgemut und guter Dinge ist und nach der Verbüßung seiner Strafe einen besseren Lebenswandel beginnen (!!) und evtl, nach Nordfrankreich gehen möchte. Wir wollen zu dieser ganzen Affaire nicht ja und nicht nein sagen, sondern als Außenstehende abwarten bis von maßgebender Stelle die undeutbare Wahrheit bewiese« ist und bewiesen ist bis zum Augenblick nichts.
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Malende. Der Mai, der jog. „Wonnemonat", geht nun seinem Ende entgegen. Man sieht ihn diesmal nicht ganz ungern scheiden, denn seinem Namen „Wonnemonat" hat er in diesem Jahr wirklich keine Ehre gemacht. In den höheren Gebirgslagen lagen die Temperaturen nachts zu Anfang der letzten Maiwache noch um den Gefrierpunkt und der Feldberg meldete einige Zentimeter Neuschnee - Die Tage, an denen der Ma! uns Sonnenschein und Wärme brachte, sind zu suchen und man darf wohl jetzt bestimmt hoffen, daß sein Nachfolger, der Juni, endlich das langersehnte sommerliche Wetter bringen wird. Nichtsdestoweniger hat der Mai neben Schnee und Hagelschauern aber auch Gewitter gebracht, denen der Volksmund uneingeschränktes Lob spendet. So heißt es: Donnerts ins junge Laub hinein, wird das Brot bald billiger sein. — Gewitter im Mai, bringen ein gutes Jahr herbei. — Maidonner > vertreibt den Hunger. — Auch die Mairegen, an denen es diesmal wirklich nicht gefehlt hat, sind dem Landmann erwünscht. Mairegen bringen Brot und Milch. — Mai ohne Regen ist gefehlt allerwegen. Sollen die Wetterregeln recht behalten, so ist zu erwarten, daß der Landmann aus dem kühlen und nassen Maiwetter feinen Nutzen zieht. Wenn auch der Winzer durch die Frostschäden an den Reban- lagen starke Enttäuschungen erleben mußte, so kann doch auch hier ein warmer Sommer vieles noch gut machen.
Tie mlsme Kme
von HenriettevonMeerheimb
^ ^ Roman
(Margarete Gräfin von Bünau) dem
Jahre 1866
23. Fortsetzung (Nachdruck verboten)
„Ich kann es nicht ertragen!" stieß er in schmerzlichem Zorn zwischen den Zähnen hervor. „Mein König, mein armer König — abgesetzt, vertrieben! Warum — warum mußte das alles so kommen?"
„Ja. wie konnte das nur geschehen?" Prinzeß Frede- rike richtete ihr großen, dunklen Augen in leidenschaftlicher Anklage auf Rammingens ernstes Gesicht. „Wir siegten doch bei Langensalza! Unsere Armee hat sich heldenmütig geschlagen!"
„Das tat sie!" bestätigte der junge Offizier stolz. „Die Soldaten fochten wie die Löwen angesichts ihres geliebten Königs. Nein — die Truppen trifft keine Schuld."
„Ugd die Offiziere?"
„Die jüngeren Offiziere bewiesen den gleichen Heldenmut."
„Aber die Führer?"
Rammingen senkte den Blick zu Boden. „Es steht mir nicht zu, ein Urteil zu fällen," wich er zögernd aus.
„Aber ich wage es, meine Meinung m sagen." Der alte Heubner wischte sich mit dem Handrücken über die nassen Augen. Am Abend der Schlacht fuhr Seine Majestät mit mir im offenen Wagen durch die Stadt. Jubelnd drängten sich die Truppen aus allen Vorstädten und Quartieren, durch die wir kamen, heran, um ihren König zu sehen Keine Spur von Ermüdung war an ihnen zu bemerken. Alle verlangten stürmisch, nochmals gegen den Feind geführt zu werden. — Habe ich nicht recht, Rammingen? Sie fuhren ja mit Kohlrausch hinter uns her."
„Jawohl, Exzellenz, auch ich hatte den Eindruck, daß wir sofort weitermarfchieren konnten, um in Eilmärschen die Lundestruppen zu erreichen. Bereits in den nächsten Tagen wurde uns dies dann durch die Preußen untnög,,. gemacht."
„Warum unterblieb der Weitermarsch?" fragte d-' Königin lebhaft. ,
„Weil alle höheren Führer und der Eeneralstabschef ! bei der Beratung, die am Abend des Schlachttages statt- sand, dem König einmütig auf ihren Eid erklärten, die ! Truppen seien zu Tode erschöpft und die Munition ver- i braucht, die Armee müsse Ruhe haben und könne nicht noch einmal gegen die Preußen kämpfen. Der Kronprinz ist zu jung, und Seine Majestät ist durch sein Unglück nicht imstande, selbst zu entscheiden. Wir baten daher um Waffenstillstand, den aber der inzwischen herangerllckte General Vogel von Fatckenstein ablehnte, da er, weil einmal Blut geflossen sei, mit der hannoverschen Armee nur noch über die Kapitulation verhandeln könne."
„Das war bitter für unsere Soldaten," fiel Rammingen erregt ein. „Dem Feinde, den sie eben erst besiegt hatten, mußten sie sich bedingungslos unterwerfen."
„Wie nahmen die Truppen die Nachricht auf?"
„Als die Soldaten erfuhren, daß die ruhmreiche Armee, der sie mit Stolz angehört hatten, aufgelöst werden solle, daß sie Fahnen, Waffen, Pferde dem Feinde übergeben müßten, gerieten alle in eine unbeschreibliche Aufregung. Dieser Ausgang war den einfachen Köpfen unbegreiflich. Alle Bande der Disziplin drohten sich zu lösen. Viele hingen ihr Lederzeug an die Gewehrpyramiden, stießen ihre Käppis auf die Bajonette und warfen sich verzweifelt auf den Boden nieder. Andere hielten laute Reden, denen niemand zuhörte. Auch die Besten vergaßen die gewohnten Formen. Bärtige Männer liefen wie von Angst gefoltert zwecklos hin und her, bis er endlich den ernsten Ermahnungen ihrer bisherigen Vorgesetzten gelang, die Ordnung einigermaßen herzustellen. Kann man sich wundern, daß diese einfachen Leute die Vorgänge nicht begreifen können, denen wir alle noch ratlos gegenüberstehen?"
„Der beste Trost in unserem Unglück ist uns die Liebe unseres Bottes," sagte die Königin weich. „Von allen Seiten, vom Adel, von Bürgern und Bauern werden uns täglich Beweise der Treue und Sympathie entgegengebracht."
„Wie könnte das auch anders sein!" rief Rammingen.
„Wie gedenken Sie Ihre Ankunft zu gestalten, Herr von Rämmingen?" fragte die Königin teilnehmend. „Kehren Sie zu Ihrem Regiment zurück — ach, ich sage noch immer so, ich kann mich noch nicht daran gewöhnen, daß wir keine Armee, keine Regimenter mehr besitzen!"
„Majestät," Rammingens Augen leuchteten „mein Arm, mein ganzes Sein steht nach wie vor im Dienst des königlichen Hauses! Ich kämpfe mit vielen Gleichgesinnten um die Krone der Welfen, bis die letzte Hoffnung zerbrochen ist."
Seine Worte waren an die Königin, aber seine glühenden Blicke auf Prinzeß Frederike gerichtet. Ihre Augen hingen ineinander eine kurze, selige Minute lang.
„Ein ritterlicher Windmühlenflügelkampf!." seufzte der alte Heubner. „Wenn uns damals nach Langensalza, als die Schlacht von Königgrätz noch gar nicht geschlagen war, kein Einspruch half, was soll uns jetzt noch nützen? Preußen in seiner Siegerstimmung lehnt jeden Vorschlag unsererseits glatt ab. Es wird Frieden mit Oesterreich schließen, und dieses wird den Frieden annehmen ohne Rücksicht auf Hannover."
Die Königin seufzte. „Sie behalten recht, mein alter Freund. Ach, warum ging der König auch so eilig nach Wien! Das mußte ja Preußen noch mehr reizen. Aber was Helsen jetzt alle Klagen! Der König wünscht, daß Sie mich nach Marienburg begleiten, lieber Heubner, nicht wahr?"
„Zu Befehl, Majestät. Aber dann kann der alte Stallmeister gehen, wohin er will. Seine Majestät wird in seiner kleinen Villa bei Wien keinen Marstall mehr, keinen Stallmeister mehr gebrauchen können."
Die Königin nickte traurig und wendete sich wieder an Rammingen. „Wohin also wollen Sie gehen? Ihr Schicksal liegt mir am Herzen," sagte sie gütig. „Viele Offiziere unserer Armee treten gewiß in preußische Dienste Der König wird alle, die das wünschen, von ihrem Eid ent binden."
„Davon entbindet mich niemand," versicherte Ram mingen heftig. „Wie ich bereits sagte, ich liebe und sterbe im Dienst meines Königs. Viele treue Herzen hängen un erschüttert fest an dem Haus der Welfen. Und wenn wir auch jetzt nichts tun können, so wollen wir eben warten und hoffen. Der Friede ist noch nicht gesichert. Aber selon wenn der Kaiser sich jetzt Bedingungen, die Preußen steur. fügen muß, kann nicht bald ein neuer Krieg ausbrechen Und dann kämpfen die Hannoveraner Schulter an Schuber mit Oesterreich um unseres Königs Krone."
(Fortsetzung folgt)